19: Im Schatten des Zweifels




Idaia schritt durch die düsteren Hallen von Schloss Nathria, die schwarzen Marmorsäulen ragten hoch empor und warfen lange Schatten. Das Schloss war ein Gefängnis für sie geworden, aus dem es kein Entrinnen gab. Ihr blieb nichts anderes übrig, als zu beobachten, wie das kalte, rote Licht durch die Fenster fiel. Es spiegelte den ewigen Zustand dieses Reiches wider - gefangen zwischen Verzweiflung und Strafe. Ihr Körper fühlte sich schwer an, ihre Schritte müde und träge, als ob die Dunkelheit Revendreths ihre Seele fest umklammert hielt. Tief in ihr wuchs eine unerträgliche Leere, ein Zeichen ihres stetigen Verfalls.

Sie wusste nicht, wohin sie ging und was genau sie tat. Seit Tagen folgte sie den Befehlen Denathrius', doch heute... heute war sie rastlos. Ein Teil von ihr hoffte noch immer, einen Ausweg zu finden. Vielleicht war irgendwo, verborgen in den Schatten dieses Landes, noch eine Rettung, eine Möglichkeit, das Licht zurückzugewinnen, das sie so schmerzlich vermisste.

Doch der Gedanke wurde schnell von der Realität verdrängt, als sie plötzlich eine bekannte Präsenz spürte. Eine kühle, überhebliche Aura füllte den Raum und ließ Idaia innehalten. Sie hob den Kopf und sah sie - Lady Inerva Dunkelader. Die mächtige Venthyr schwebte auf sie zu, ihre Roben flossen wie lebende Schatten hinter ihr her. Inervas Augen blitzten vor höhnischer Belustigung, während ein schwaches, spöttisches Lächeln ihre Lippen umspielte.

„Ah, das neueste Spielzeug von Denathrius," begann Inerva, ihre Stimme triefte vor süffisanter Freude. Sie blieb einen Schritt vor Idaia stehen und musterte sie mit einem prüfenden Blick, als ob sie eine Trophäe inspizierte. „Er hat schon viele gehabt, aber du..." Ihre Augen verengten sich, und sie hob eine Hand, um einen ihrer Fingernägel über Idaias Brustpanzer gleiten zu lassen. „Du bist etwas ganz Besonderes."

Idaia zuckte zurück, aber die Worte von Inerva hatten sie wie ein Schlag ins Gesicht getroffen. „Ich... ich bin kein Spielzeug," flüsterte sie, doch ihre Stimme klang schwach und hohl. Sie fühlte, wie die Worte ihrer Überzeugung entglitten, während Inerva sie weiterhin mit spöttischer Neugier betrachtete.

„Ach, Liebes, das sagten die anderen auch," erwiderte Inerva und lachte leise, als ob Idaia sie amüsierte. „Aber du bist anders, das gebe ich zu. Du passt so gut in die Dunkelheit." Sie ließ ihre Hand sinken, trat einen Schritt zur Seite und begann, in langsamen Kreisen um Idaia herumzugehen, ihre Roben streiften dabei fast den Boden. „Du kämpfst, nicht wahr? Versuchst immer noch, das Licht zu finden, diesen schwachen, lächerlichen Funken der Hoffnung in dir. Aber lass mich dir etwas verraten..." Sie blieb stehen und neigte sich nach vorne, ihre Stimme ein Flüstern. „Es gibt kein Entkommen."

Idaias Hände ballten sich zu Fäusten. Wut und Verzweiflung rangen in ihr miteinander, während Inerva weitersprach. „Du bist nicht die Erste, weißt du? Aber du bist bei weitem die Interessanteste." Ihr Lächeln wurde breiter. „Es ist faszinierend, wie zerrissen du bist. Ein Teil von dir, der immer noch so verzweifelt an dem Licht festhält und ein anderer, der die Dunkelheit bereits umarmt hat. Und, wenn ich ehrlich bin... die Dunkelheit steht dir hervorragend."

Diese Worte drangen tief in Idaia ein, wie Gift, das sich langsam in ihren Adern ausbreitete. Sie wollte widersprechen, etwas sagen, irgendetwas, um sich zu verteidigen, aber stattdessen fühlte sie eine kühle, lähmende Stille in sich aufsteigen. Ihre Kehle fühlte sich zugeschnürt an, ihre Gedanken wie in einem Nebel.

„Du hast es doch schon gespürt, nicht wahr?" Inervas Stimme war jetzt fast zärtlich, als ob sie ein Geheimnis mit Idaia teilen wollte. „Dieses Prickeln unter deiner Haut. Die dunkle Sehnsucht, die dich nachts wach hält. Den Durst nach mehr..." Sie leckte sich über die Lippen, ihre Augen glänzten vor Erwartung. „Es ist nicht schlimm, es zu genießen. Du hast es doch schon längst zugelassen."

Idaia erstarrte. Die Worte hallten in ihrem Kopf wider, jeder Satz ein Stich in ihr Herz. Sie wusste, dass Inerva die Wahrheit sprach. Sie hatte es gespürt - das leise Flüstern der Dunkelheit, das Ziehen, das sie immer tiefer in Denathrius' Netz lockte. Aber konnte sie wirklich... konnte sie wirklich so tief gefallen sein?

„Du bist jetzt sein," sagte Inerva abschließend und trat einen Schritt zurück, um Idaia erneut zu mustern. „Dein Geist, dein Körper, alles gehört ihm. Aber auch das weißt du bereits." Sie lächelte, ein grausames, triumphierendes Lächeln, das die Verzweiflung in Idaia nur noch verstärkte.

Für einen Moment fühlte sich Idaia wie ein kleiner Vogel, der in einem Käfig gefangen war, umgeben von der unbarmherzigen Kälte Revendreths. Sie wollte schreien, wollte weglaufen, doch ihre Hufe fühlten sich wie Blei an, ihr Geist war schwer wie Stein. Der Gedanke, dass sie vielleicht nie mehr entkommen konnte, ließ sie erschaudern.

Inerva trat einen Schritt zurück, wandte sich ab und ging gemächlich davon. „Denk darüber nach," rief sie über die Schulter hinweg. „Vielleicht erkennst du irgendwann, dass du die Dunkelheit nicht bekämpfen musst, sondern sie zu deiner Freundin machen kannst."

Idaia warf einen Blick auf die kalten, gefliesten Böden, die das Echo ihrer Schritte verstärkten. Der hallende Klang schien sich mit der stillen Verzweiflung in ihr zu vermischen, während sie den Kopf hob und Inerva hinterherblickte. Warum kann ich nicht fliehen? Der Gedanke schnitt durch ihre Gedanken wie ein scharfer Dolch.

„Du bist etwas ganz Besonderes," wiederholte Inerva, ihre Augen blitzen vor höhnischer Belustigung. Idaia wollte protestieren, wollte schreien, dass sie mehr als nur ein Spielzeug war, aber die Worte blieben ihr im Halse stecken. Stattdessen sah sie die sachte Bewegung von Inervas Hand, die wie ein Schatten über ihr Herz strich, und ein Schauer überlief ihren Körper.

Das Prickeln, dachte Idaia, während sich der Nebel der Dunkelheit um sie legte. Es ist real. Es war die verborgene Sehnsucht, die wie ein heimlicher Geliebter zu ihr sprach und sie an die dunklen Ecken ihrer Seele lockte.

Inerva lächelte, und es war ein Lächeln, das nicht nur Freude, sondern auch eine grausame Freude über das Leiden anderer ausstrahlte. „Denk darüber nach, Idaia. Vielleicht ist die Dunkelheit nicht dein Feind, sondern der Schlüssel zu deiner wahren Stärke."

Idaia wollte protestieren, wollte zurückweichen, doch die Worte schnürten ihr die Kehle zu, und sie stand starr da, gefangen in einem Netz aus Verzweiflung und Dunkelheit. Als Inerva die Halle schließlich verließ, fühlte sie sich, als würde das Licht in ihr langsam erlöschen - ein kleiner Funke, der in der allumfassenden Dunkelheit zu ertrinken drohte.

Idaia blieb allein in der Halle zurück. Ihr Herz pochte heftig in ihrer Brust, während sie versuchte, die Bedeutung von Inervas Worten zu begreifen. Doch tief in ihrem Inneren wusste sie, dass die Dunkelheit bereits begonnen hatte, sich in ihr auszubreiten - und dass sie nicht wusste, wie sie sie aufhalten konnte.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top