16: Ketten der Dunkelheit
In dem Moment, als Graf Denathrius entschied, dass die Zeit gekommen war, Idaia endgültig zu sich zu ziehen, erfüllte ihr Gemach eine bedrückende Stille. Die Wände, geschmückt mit dunklen Stoffen und alten Relikten, schienen die Luft zu verschlucken, während das schwache Licht der Kerzen flackerte und Schatten an die Wände warf.
Idaia lag in ihrem Bett und ruhte sich aus, doch eine düstere Unruhe erfasste sie. Jede Faser ihres Körpers verlangte nach Flucht, doch sie fühlte sich wie gelähmt, unfähig, sich zu bewegen.
Plötzlich wurde die Tür aufgerissen, und Denathrius trat ein, seine Präsenz drückend und überwältigend. Sein Blick war ein loderndes Glühen, das von der Macht der Dunkelheit zeugte. Ohne ein weiteres Wort drückte er sie zurück auf ihr Bett, seine Hand fest auf ihrer Brust. Der Raum wurde kälter und dunkler, als ob die Luft selbst vor seiner Autorität erzitterte.
In seiner Faust glomm ein tiefrotes Feuer auf – keine Flamme, wie Idaia sie kannte, sondern etwas Lebendiges, etwas, das zu atmen schien, als wäre es ein Teil von ihm. Und bald würde es ein Teil von ihr sein.
Das Feuer, in dem das Symbol der Zugehörigkeit ruhte, schwebte wie ein lebendiges Wesen über ihrer Haut. Idaia fühlte das Hitzegewitter, bevor die Flamme sie berührte, ein Brennen, das von tief in ihrem Inneren aufzusteigen schien. Mit einem schnellen, grausamen Stoß legte Denathrius das Zeichen auf ihre Haut, genau über ihr Herz. Ein Schrei formte sich in ihrer Kehle und sie wölbte ihren Rücken in Agonie, doch als sie den Mund öffnete, war da nichts als Stille. Ihre Schreie wurden verschlungen von der Dunkelheit, die sie von allen Seiten umgab, lautlos und erbarmungslos.
Die Schmerzen, die sie spürte, waren jenseits dessen, was Worte beschreiben konnten. Es war, als würde nicht nur ihre Haut verbrannt, sondern ihre Seele selbst gezeichnet werden. Das Mal pulsierte auf ihrer Brust und Idaia konnte fühlen, wie es sich mit ihrem Wesen verband, wie es sich tief in ihr verankerte und alles durchdrang, was sie war. Es war kein einfacher Schmerz – es war der Tod ihrer alten Selbst, der letzte Rest des Lichts in ihr, der endgültig erstickt wurde.
Idaias Gedanken wirbelten wie ein Sturm, während sie den Kontakt zu ihrer Vergangenheit verlor. Erinnerungen an das Licht, das sie einst so innig geliebt hatte, flackerten in ihrem Geist auf. „Die Sonne wird immer wieder aufgehen", flüsterte eine Stimme in ihrem Inneren, doch die Worte wurden von der Dunkelheit erstickt. Bilder von Freunden, die sie verloren hatte, und der Hoffnung auf Erlösung verschwammen vor ihrem inneren Auge. Wie oft hatte sie für das Gute gekämpft? Doch nun fühlte sich ihr Herz schwer wie Blei, und die Dunkelheit schien sie zu umarmen, als wäre sie ihr einziger Verbündeter.
Der Raum um sie herum verschwamm, und die Kälte der Luft drang durch ihre Kleidung, ließ sie frösteln. Der stechende Geruch von verbranntem Holz und Kräutern hing in der Luft, vermischte sich mit der süßen Note des Blutes, das nun in ihr pulste. In diesem Moment, als Denathrius' Macht wie ein schleichendes Gift in ihre Adern drang, fühlte sie, wie die Ketten der Dunkelheit sich um ihre Seele schlossen und jede Hoffnung auf Freiheit erstickten.
Und während ihr Herz in einem chaotischen Rhythmus schlug, spürte sie die Tränen, die in ihrer Kehle brannten, ungehört von derDunkelheit, die sie umhüllte. „Kämpfe nicht gegen mich, Idaia", flüsterte Denathrius mit einer Stimme, die wie ein samtiger Schleier über ihre Sinne strich. „Gib dich der Dunkelheit hin, und sie wird dir Macht schenken, die du dir nie hättest vorstellen können."
„Du wirst mir gehören, Idaia." Seine Stimme war sanft, beinahe zärtlich, während er das Zeichen mit präziser, kalter Macht auf ihre Haut presste. Er sprach nicht laut, doch die Worte hallten in ihrem Kopf wider, als ob sie von den Wänden widerhallten und tief in ihre Gedanken drangen. „Du bist meine, und niemand wird dich mir wegnehmen. Du kannst nicht entkommen." Diese Worte trugen das Gewicht eines göttlichen Fluchs, unentrinnbar und absolut.
Während Denathrius seine Hand von ihr löste, sah Idaia auf das Zeichen herab. Es glühte noch immer, ein tiefes, dämonisches Rot, das sich wie eine lebendige Flamme auf ihrer weißen Haut bewegte. Sie spürte, wie es mit jedem Atemzug tiefer in ihre Seele einsickerte, als ob es sie von innen heraus verzehren würde. Der Schmerz ließ nicht nach, sondern verschmolz mit einem unerträglichen Gefühl der Entfremdung. Es war, als würde sie in zwei Hälften gerissen – der Teil, der sich noch gegen die Dunkelheit wehrte und der Teil, der sich bereits ergeben hatte.
Ihr Kopf war ein Wirbelsturm aus Gedanken, ihre Seele zerrissen zwischen Verzweiflung und dem unheilvollen Sog der Lust. Denathrius war alles, was sie jetzt spürte, sein Wille, seine Macht, die über ihr hing wie eine unsichtbare Kette. Jede Faser ihres Seins schrie nach Widerstand, doch es war, als ob sie in einem endlosen Strudel gefangen war. Ihre Hände zitterten, und Tränen brannten in ihren Augen, doch sie ließ sie nicht fließen. Es gab keinen Trost, keine Erlösung.
Und in dieser Dunkelheit, die sie nun umhüllte, spürte Idaia, wie ein Teil von ihr – der Teil, der sich nach Freiheit, nach dem Licht sehnte – erlosch. Stattdessen nahm etwas anderes seinen Platz ein. Es war subtil, ein Hauch von Befriedigung, der sich unaufhaltsam in ihr ausbreitete. Die Dunkelheit verzehrte sie, und obwohl sie sich dagegen sträuben wollte, spürte sie das leise Flüstern der Versuchung in ihrem Inneren, das sie lockte, sich ganz fallen zulassen.
„Das Licht hat mich verlassen", dachte sie, während die letzten Reste ihres inneren Kampfes langsam erstarben. „Ich bin verloren."
Und so stand Idaia da, gebrandmarkt, gebrochen und doch zugleich gebunden an ihn, den Fürsten der Dunkelheit.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top