15: Der Fluch der Anziehung
Die Stille in den Gemächern von Denathrius war fast erdrückend, als Idaia eintrat, zurückgekehrt von einem Auftrag, der sie an die Grenzen ihrer Fähigkeiten gefordert hatte. Der Raum war in dunkle Schatten getaucht, die nur von wenigen, schwachen Kerzen durchbrochen wurden. Das schummrige Licht warf flackernde Muster auf die Wände, und der schwache Geruch von Wachs und alten Büchern lag in der Luft. Jeder ihrer Schritte hallte sanft wider, und sie konnte das leise Knarren des Holzbodens unter ihren Hufen hören.
Denathrius saß in einem der großen, reich verzierten Sessel, sein Körper fast regungslos, als ob er ein Teil der Schatten selbst wäre. Seine Augen verfolgten jede ihrer Bewegungen, als sie den Raum betrat. In seinem Blick lag etwas, das Idaia immer wieder verunsicherte – eine Mischung aus kühler Berechnung und einer Art stillen Begehrens, die sie gleichzeitig in seinen Bann zog und abstieß.
„Du bist zurück," sagte er schließlich, seine Stimme ruhig und tief, aber Idaia spürte die unterschwellige Spannung, die sich in seinen Worten verbarg. „Ich habe gehört, dass du Erfolg hattest."
Idaia nickte knapp, versuchte, seinen Blick nicht zu lange zu treffen. Ihr Herz pochte schneller, obwohl sie es sich nicht anmerken lassen wollte. Die Mission, die sie für ihn ausgeführt hatte, war nur ein Vorwand. Sie wusste, dass es jetzt um viel mehr ging. Ihre Beziehung zu ihm war ein komplexes Netz aus Macht, Abhängigkeit und unausgesprochenen Gefühlen.
„Es war keine schwere Aufgabe," sagte sie schließlich, ihre Stimme kühl und kontrolliert, obwohl ihr Inneres sich zusammenzog. Ihre Worte waren distanziert, fast mechanisch, aber die Unruhe in ihr wuchs. Sie spürte, dass er näher kam, seine Anwesenheit fühlte sich an, als würde sie den Raum erdrücken.
„Du bist außergewöhnlich, Idaia," murmelte er, als er langsam auf sie zukam, seine Bewegungen geschmeidig und kontrolliert. Es lag ein seltsames Gewicht in seinen Worten, das sie jedes Mal aus dem Gleichgewicht brachte. „Du weißt das, nicht wahr?"
Seine Stimme war sanft, beinahe zärtlich, aber sie erkannte die Falle dahinter. Idaia wollte nicht hören, was er sagte, wollte nicht die Anerkennung spüren, die in seinen Worten mitschwang, aber es war unmöglich, sich vollkommen davon zu lösen.
„Das hast du schon oft gesagt," antwortete sie, ihre Lippen schmal. Sie versuchte, die Distanz zwischen ihnen aufrechtzuerhalten, doch sie spürte, dass er näher kam – näher als jemals zuvor.
„Unddoch, jedes Mal, wenn ich es sage, spüre ich, dass du es nicht glaubst." Seine Hand hob sich langsam, und seine Finger strichen leicht über ihr Kinn, zwangen sie, ihm ins Gesicht zu sehen. Sein Blick brannte sich in ihren, und sie fühlte sich, als ob sie in den Abgrund starrte. Sein Atem war jetzt nah, zu nah, und die Luft zwischen ihnen schien zu flimmern.
„Warum wehrst du dich gegen das, was du bist?" fragte er leise, doch seine Stimme hatte die Schärfe einer Klinge.
Sie schluckte, ihr Herz schlug so schnell, dass es in ihren Ohren dröhnte. „Weil ich nicht so werden will wie du," brachte sie schließlich hervor, ihre Stimme jedoch schwächer, als sie wollte.
Ein Lächeln umspielte seine Lippen, kühl und amüsiert, als ob ihre Worte eine längst vorhersehbare Antwort waren. „Bist du dir da so sicher?" fragte er, und sein Atem strich warm über ihre Haut.
Die Spannung zwischen ihnen war greifbar, beinahe elektrisierend. Idaia konnte die körperliche Nähe kaum ertragen, doch sie spürte auch diese unerklärliche Anziehung, die sie immer wieder zu ihm zog. Es war nicht die sanfte Art von Zuneigung, die sie sich manchmal ersehnte. Nein, es war rau, dunkel und gefährlich. Aber es war da, unbestreitbar und beständig.
„Ich bin nicht wie du," wiederholte sie, doch die Überzeugung in ihrer Stimme bröckelte.
„Vielleicht nicht jetzt," murmelte er, seine Lippen beinahe an ihrem Ohr. „Aber die Dunkelheit in dir wächst, Idaia. Sie fließt durch deine Adern, ob du es willst oder nicht. Und eines Tages wirst du lernen, sie zu akzeptieren."
Seine Hand ließ ihr Kinn los, und sie spürte plötzlich die Kühle der Luft, wo zuvor seine Finger waren. Doch trotz der physischen Distanz war die Verbindung zwischen ihnen stärker denn je. Idaia spürte eine seltsame Hitze in ihrer Brust, die sich mit jeder Sekunde mehr ausbreitete. Es war eine gefährliche Mischung aus Wut, Verwirrung und etwas, das sie nicht benennen wollte – oder vielleicht nicht benennen konnte.
„Du irrst dich," sagte sie schließlich, doch es war ein schwacher Versuch, die Kontrolle zu behalten. Die Worte klangen hohl, fast so, als hätte sie versucht, sich selbst zu überzeugen.
Denathrius beobachtete sie schweigend, seine Augen dunkel und unergründlich. Sie konnte den Hauch eines zufriedenen Lächelns auf seinen Lippen sehen, als ob er genau wusste, wie tief sie bereits in den Strudel seiner Macht gezogen war. Die Stille, die nun folgte, war fast ohrenbetäubend, doch sie enthielt eine Wahrheit, die Idaia noch nicht bereit war, zu akzeptieren.
Und in dieser Stille, in der nichts als die leisen, gleichmäßigen Atemzüge von Denathrius und ihr eigenes, rasendes Herz zu hören waren, erkannte Idaia eine bittere Tatsache: Sie war bereits viel näher an der Dunkelheit, als sie es jemals zugeben würde.
Ihre Gedanken rasten, ein wildes Durcheinander aus Verleugnung, Sehnsucht und Verzweiflung. War sie wirklich so anders als er? Und wenn sie es war, wie lange würde das noch so bleiben?
„Du wirst es sehen, Idaia," flüsterte Denathrius leise, fast sanft, als ob er ihre inneren Kämpfe spüren konnte. „Früher oder später wirst du verstehen."
Seine Worte hallten in ihrem Geist wider, als er sich von ihr abwandte und den Raum wieder mit seiner unnahbaren, dunklen Präsenz füllte. Und Idaia stand da, gefangen in der Zwickmühle zwischen dem, was sie einst war, und dem, was sie vielleicht werden würde.
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