12: Im Schatten der Dunkelheit




Denathrius hatte sie zu einem neuen Auftrag gerufen. Der Raum, in dem sie sich befanden, war von düsterem, rötlichem Licht erfüllt, das durch die hohen Fenster sickerte, während die Schatten an den Wänden wie lebendig flackerten. Seine Gestalt, hoch und majestätisch, war fast übermenschlich in ihrer Ausstrahlung. Er strahlte eine unheimliche, erdrückende Macht aus, die den Raum erfüllte und Idaia keinen Platz zum Atmen ließ. Sie fühlte seinen Blick auf sich, scharf wie die Klinge eines Dolches, und als ihre Augen sich trafen, verspürte sie einen tiefen, unkontrollierbaren Schauer, der ihren Rücken hinablief.

Die Vorfreude in seinem Blick war unübersehbar gewesen, als er sie anlächelte – ein Lächeln, das nichts Menschliches an sich hatte. Es war das Lächeln eines Jägers, der sein Opfer genau beobachtete, jeden ihrer Atemzüge registrierte, bereit, den finalen Schlag zu führen. Nichts von der ehrlichen, beinahe verletzlichen Seite, die er ihr vor einigen Tagen gezeigt hatte, war mehr zu erkennen. Seine Lippen bewegten sich kaum, als er sprach, und dennoch hallte seine Stimme tief in ihr wider, wie das Echo eines längst vergessenenTraums, eines Traums, den sie einst gelebt, aber nun im Nebel der Dunkelheit verloren hatte.

„Du bist stark, Idaia. Stärke kommt aus der Dunkelheit", hatte er mit seiner seidig-verführerischen Stimme geflüstert. Die Worte durchbohrten ihre Gedanken, ließen sie stocken, als ob ein unaufhaltsames Gift in ihre Adern eindrang. Sie fühlte, wie seine Worte in ihrem Kopf widerhallten, tiefer und tiefer, wie eine Melodie, die sich langsam aber sicher in die Seele frisst, bis sie keinen anderen Klang mehr hören konnte.

Idaia spürte, wie sich ihre Kehle zuschnürte, doch sie wagte es nicht, ihm zu widersprechen. In ihrem Inneren tobte ein Kampf. Ein Teil von ihr, der Teil, der einst dem Licht gedient hatte, schrie in stiller Verzweiflung. Doch etwas Dunkleres, etwas, das sie nicht verstand, lockte sie, zog sie immer tiefer in die Schatten.

Ein kaltes Frösteln durchlief sie, als sie sich an die Tage erinnerte, an denen sie in den Sonnenstrahlen gespielt hatte, unbeschwert und voller Freude. Die Lieder, die sie mit anderen sang, hallten in ihrem Kopf, eine Melodie der Hoffnung, die sie fast vergessen hatte. Es schien, als wäre das alles in einem anderen Leben gewesen. „Kämpfe für das Licht", hatten sie gesagt, als sie die Wärme der Sonne auf ihrer Haut spürte. Doch wo war das Licht jetzt?In diesem Raum voller Schatten fühlte es sich an, als würde dieDunkelheit jeden Funken Hoffnung ersticken, jeden Gedanken an einebessere Zukunft auslöschen.

Hörst du das?" flüsterte eine Stimme in ihrem Inneren. Es war das leise, eindringliche Flüstern der Dunkelheit, das sie zu umarmen schien. „Siel achen über dich. Das Licht ist schwach, und die Dunkelheit ist stark. Du weißt, dass du die Macht hast, alles zu ändern. Warum zögerst du?"

Der Klang ihrer Umgebung schien sich zu verändern. Ein leises Flüstern, welches sie nicht ganz verstehen konnte, kam aus den Schatten. Es war, als würde das Echo ihrer eigenen Taten sie verfolgen, jeder Herzschlag ein stummer Zeuge ihrer Entscheidungen. In diesem Moment war der Druck des Schwertes in ihrer Hand die einzige Bestätigung ihrer Existenz, der einzige Ort, an dem sie noch Kontrolle fühlte. Doch während sie auf die nächste Seele starrte, das vertraute Flüstern der Hoffnung sie anflehte, zu wählen, spürte sie die Dunkelheit, die an ihr zerrte, wie ein hungriger Schatten, der nicht bereit war, sie loszulassen.

Das Blut spritzte über ihr Gewand und hinterließ tiefe, rote Spuren, die sich in den Stoff fraßen, als wollte es sich mit ihm verbinden. Es sprühte in einem schimmernden Bogen durch die Luft, als ob selbst das Blut dem Schmerz und dem Chaos entfliehen wollte, bevor es auf die kalte, harte Erde tropfte. Der metallische Geruch breitete sich rasch aus, vermischte sich mit der Kälte der Nacht, und die ganze Szenerie erschien wie ein Gemälde des Grauens. Der Körper vor ihr sackte zusammen, das Leben verließ ihn mit einem letzten leisen Seufzer, während das Blut in ihrem dunklen Gewand versickerte, ohne Spuren zu hinterlassen – so, als wäre nichts gewesen.

Idaia starrte auf die Stelle, an der der Körper gefallen war, ihre Hände noch immer um den Griff des Schwertes geklammert, als würde das Metall ihre zitternden Finger beruhigen. Sie fühlte sich, als wäre sie in einen grausamen Albtraum gesperrt, unfähig zu entkommen, unfähig zu schreien. Was habe ich getan? Der Gedanke war ein erstickender Schrei in ihrem Inneren, ein Echo ihrer Schuld, das durch ihre Seele hallte, wie ein Kind, das sich in der Dunkelheit verliert.

Doch noch bevor das Entsetzen sie vollständig überwältigen konnte, wurde es von einem anderen Gefühl verdrängt – einem Gefühl, das sie noch mehr erschreckte als die Schuld. Ein Hauch von Macht durchströmte ihren Körper, wie Feuer, das durch ihre Adern raste. Für einen kurzen, flüchtigen Moment fühlte sie sich stark, erhaben, fast unantastbar. Das Entsetzen schwand, verdrängt von dieser dunklen, verführerischen Macht, die ihre Sinne benebelte.

„Gut gemacht, mein Schatz", hörte sie plötzlich Denathrius' Stimme hinter sich, tief und süß, wie das Flüstern einer verbotenen Sünde. Seine Worte waren wie ein schleichendes Gift, das sich langsam aber sicher in ihren Geist bohrte. „Du bist auf dem richtigen Weg." Seine Stimme war eine Umarmung aus Schatten, die sich um sie legte, kühl und doch beruhigend, als ob die Dunkelheit selbst sie trösten wollte.

Idaia verspürte einen wohligen Schauer, der ihren Rücken hinablief, eine Mischung aus Faszination und Abscheu. Es war ein Gefühl, das sie sowohl anziehend als auch beängstigend fand, und dennoch konnte sie sich nicht von ihm abwenden. In diesem Moment fühlte sie sich verwundbar, wie ein Schmetterling, der in das Netz einer Spinne geraten war – gefangen in der Betörung der Dunkelheit.

Da war es wieder, das dunkle Verlangen, das durch ihre Adern pulsierte, so stark, dass es das Entsetzen und die Schuld in den Hintergrund drängte. Es war ein Flüstern, das in ihr aufstieg, sie lockte, ihr versprach, dass dies der Weg war, den sie gehen musste. Mit jedem weiteren Akt der Gewalt schien das Licht in ihrem Inneren schwächer zu werden. Die Verbindung, die sie einst zum Licht gespürt hatte, fühlte sich nun fern und brüchig an, wie eine feine Glaslinse, die bei der kleinsten Berührung zersplittern würde.

Sie fühlte sich verloren, allein in einem Meer aus Dunkelheit. Doch die Dunkelheit sprach zu ihr, flüsterte süße Verheißungen in ihr Ohr: DieSchwäche der anderen ist deine Stärke.

Idaias Herz raste, als sie vor der nächsten Seele stand, die sie richten sollte. Der Gedanke, diese schwächeren Seelen zu vernichten, Seelen, die nach Licht suchten, ließ ihr den Magen umdrehen. Das ist nicht richtig, murmelte sie leise, kaum hörbar, als ob die Worte selbst keine Kraft mehr besaßen. Doch tief in ihr regte sich die andere Seite, die Seite, die den Rausch der Macht verspürte, die die Verlockung des Bösen genoss.

Jedes Mal, wenn sie sich von Denathrius abwandte, hörte sie die Stimme in ihrem Inneren, stärker und lauter als zuvor: Warum kämpfst du gegen das, was du sein könntest?

Mit zitternden Fingern hob sie das Schwert. Ihr Atem ging schwer, als sie vor der Seele stand, die in ihr das letzte Fünkchen Hoffnung sah. Die Augen des Geschöpfes – voller Hoffnung und Vertrauen – starrten in die ihren, doch Idaia konnte nicht zurückweichen. Sie wollte schreien, wollte fliehen, wollte dieses Leben retten. Doch ihre Hände gehorchten nicht, sie waren wie gefesselt an den dunklen Willen, der sie beherrschte.

Das Schwert blitzte im schwachen Licht, und als sie zuschlug, fühlte es sich an, als würde sie selbst in zwei Hälften gespalten.

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