11: Der Kampf gegen die Dunkelheit
Idaia stand in der düsteren Halle, die Wände kalt und unnachgiebig wie die Welt, die sie umgab. Ihr Schwert lag locker in ihrer Hand, schwer von Blut – das nicht ihres war. Tropfen fielen lautlos auf den steinernen Boden, ein leises Echo in der Stille nach dem Sturm des Kampfes. Ihr Atem ging flach und schwer, der Körper brannte vor Erschöpfung, doch ihre Gedanken ließen ihr keine Ruhe.
Blutspritzer bedeckten ihr Gesicht, die roten Flecken schimmerten im schwachen Licht der Halle, doch sie machte sich darüber keine Illusionen mehr. An das Gefühl des getrockneten Blutes, das sich wie eine zweite Haut auf ihrer Wange absetzte, hatte sie sich längst gewöhnt. Es war ein ständiger Begleiter geworden, ein Zeichen ihrer neuen Realität, das sie nicht mehr verbergen konnte. Es war nicht nur ein Zeichen des Kampfes; es war ein Teil von ihr geworden, und trotz der Abscheu, die es in anderen auslöste, fühlte sie eine seltsame Verbindung zu ihm.
Denathrius war in ihrer Nähe, wie immer unantastbar und scheinbar unberührt von der brutalen Schlacht, die hinter ihnen lag. Er wirkte erhaben, doch da war etwas in seiner Haltung, das sich verändert hatte. Idaia erkannte, dass er sie nicht mit dem gewohnten Spott oder der Überlegenheit ansah. In seinen Augen glomm etwas Tieferes, Dunkleres. Für einen flüchtigen Moment meinte sie, einen Blick hinter die Maske zu erhaschen, die er stets trug.
„Du bist erschöpft," stellte er fest. Seine Stimme war nicht mehr der zynische Ton, den sie gewohnt war – sie war sanft, fast mitfühlend.
Idaia hob den Kopf und traf seinen Blick. Ihre Augen glühten noch immer von der Anstrengung und dem Zorn, der durch ihren Körper geflossen war. „Was hast du erwartet?" Ihre Stimme war scharf und voller Trotz. „Dass ich das mit einem Lächeln überstehe?"
Denathrius ließ sich von ihrer Schärfe nicht beirren. Langsam und bedächtig kam er auf sie zu, sein schwarzer Umhang verschluckte das wenige Licht im Raum. „Es ist schwer, nicht wahr?" Seine Worte waren eindringlich. „Die Dunkelheit greift immer wieder nach dir, zieht an dir, will dich vereinnahmen. Du spürst es – jeden Tag."
Sein Blick ruhte auf ihr, durchdringend, und für einen Augenblick sah Idaia etwas, das sie nie für möglich gehalten hätte: Einsamkeit. Ein Funken der Zerbrechlichkeit, die sie nie mit ihm in Verbindung gebracht hatte.
„Ich habe mich auch gewehrt," sprach er leise und wandte den Blick ab. „Am Anfang. Ich glaubte, ich könnte die Dunkelheit beherrschen, ohne mich ihr zu ergeben." Seine Worte klangen nicht wie eine Lüge. Sie klangen wie ein altes, schmerzliches Eingeständnis.
Idaia blinzelte, überrascht von der plötzlichen Offenheit. „Du?" Ihre Stimme trug Unglauben, und doch spürte sie, dass seine Worte sie berührten.
Denathrius lächelte bitter, ein Ausdruck, der nicht wirklich zu ihm zu passen schien. „Ich war nicht immer der, der ich heute bin. Auch ich war einst ein Diener – gezwungen, einen Weg in die Dunkelheit zu finden. Glaubst du wirklich, das war meine Wahl?"
Seine Worte ließen die Mauer in Idaia bröckeln. Sie hatte ihn immer als den unerschütterlichen Herrscher von Revendreth gesehen, jemanden, der die Dunkelheit umarmt und sich darin verloren hatte. Aber jetzt? Jetzt stand er vor ihr, ein Schatten von dem, was sie erwartet hatte, und sie konnte nicht anders, als die Menschlichkeit in ihm zu erkennen.
„Warum erzählst du mir das?" fragte sie, ihre Stimme leiser, zögerlicher.
Denathrius' Augen bohrten sich in ihre. „Weil du mir ähnlicher bist, als du zugeben willst." Er trat näher, seine Präsenz fast erdrückend. „Du kannst den Kampf gegen die Dunkelheit gewinnen, aber der Preis ist hoch. Du wirst ihn immer wieder führen müssen – Tag für Tag. Ich habe aufgegeben. Du musst das nicht."
Seine Worte trafen Idaia tiefer, als sie es sich je hätte vorstellen können. Sie wollte ihm nicht glauben, wollte sich nicht von ihm beeinflussen lassen, doch die Wahrheit in seinen Worten war unverkennbar. In der Stille nach dem Kampf, als der Adrenalinschub nachließ und ihre Gedanken klarer wurden, erkannte sie die Ähnlichkeit zwischen ihnen – die geteilte Bürde, der ewige Kampf gegen die innere Dunkelheit.
„Du hättest das früher erwähnen können," flüsterte sie, der Versuch, die eigene Unsicherheit zu verbergen, misslang.
„Vielleicht," erwiderte Denathrius und trat noch einen Schritt zurück, das kalte Lächeln kehrte auf sein Gesicht zurück. „Aber das würde bedeuten, dass ich dir wirklich helfen wollte."
Idaia starrte ihn an, unfähig, zu antworten. Ihr Körper schmerzte, ihre Seele noch mehr. Sie hatte den Kampf überlebt, doch der Krieg war noch lange nicht vorbei. Denathrius mochte seinen eigenen Weg in die Dunkelheit gewählt haben, doch Idaia wusste, dass sie sich nicht von ihm leiten lassen würde. Nicht jetzt. Niemals.
Mit einem tiefen Atemzug hob sie ihr Schwert und ließ es in die Scheide gleiten. „Ich werde meinen eigenen Weg finden," sagte sie, ihre Stimme jetzt fest, ohne Zögern.
Denathrius' Blick folgte ihr, als sie sich abwandte. „Das hoffe ich," flüsterte er, doch seine Worte hallten noch lange in der Halle wider, als Idaia den Raum verließ.
Die Dunkelheit umhüllte sie erneut, aber diesmal war sie vorbereitet.
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