02: In den Fängen des Abgrunds

Idaias Hufe berührten das kalte, harte Pflaster von Revendreth und sofort legte sich ein schweres Gefühl auf ihre Schultern. Die Luft war dick und roch nach Verfall und altem Leid, als wäre das Land selbst durchtränkt von den Sünden, die es reinigen sollte. Ihre blauen Augen wanderten über die düstere Landschaft, über die verfallenen Türme und dunklen Bäume, deren Blätter sich in der immerwährenden Dämmerung zu bewegen schienen, als hätten sie ein Eigenleben. Die Schatten wirkten lebendig. Sie fühlte sich beobachtet – gierige Blicke, die sie aus der Dunkelheit verfolgten, ohne dass sie deren Quelle entdecken konnte.

Trotz des nagenden Unbehagens musste sie ihre Mission erledigen. Sie begegnete Seelen, die Buße taten und half dabei, ihre Schulden an dieses Land zu begleichen. Doch bei jeder Bewegung spürte sie das Gewicht der unsichtbaren Augen auf sich. Sie fühlte sich zunehmend ausgelaugt, als ob die Schatten selbst an ihr zehrten, als ob Revendreth sie langsam einhüllte, ihr ein Stück von ihr nahm. Ihr Herz klopfte schneller, doch sie verdrängte das Gefühl – bis sie endlich das Gasthaus erreichte.

Die Räume waren spärlich beleuchtet und das kalte, dunkle Holz der Wände schien das Licht zu verschlucken. Idaia ging erschöpft zu ihrem Zimmer, froh, endlich einen Moment der Ruhe zu finden. Doch als sie das Fenster aufstieß, um frische Luft hineinzulassen, fiel ihr Blick auf das mächtige Schloss Nathria, das wie ein schwarzer Monolith über der Landschaft thronte. Unwillkürlich überlief sie ein kalter Schauer. Irgendetwas an dem Schloss zog sie an, wie der Blick eines Raubtiers, das seine Beute fixiert. Sie spürte es –den gierigen Blick, der von dort kam, wie kalte Finger, die sich um ihre Seele legten. Schnell zog sie die Vorhänge zu, als könnte sie sich so vor der bedrückenden Präsenz schützen.

Sie machte sich bettfertig, ihre Bewegungen langsam und zögerlich, als hätte das Gasthaus selbst eine dunkle Seele, die sie beobachtete. Sie sperrte die Tür fest ab, prüfte sie ein zweites Mal und ließ sich schließlich ins Bett sinken. Das Gefühl, nicht allein zu sein, nagte noch an ihr, aber die Müdigkeit überwältigte sie. Sie schloss die Augen und ihre Atmung wurde tief und gleichmäßig, als der Schlaf sie langsam umfing.

Die Nacht legte sich schwer über Revendreth und in ihrem Zimmer herrschte tiefes Schweigen. Plötzlich schoben sich die Fenster lautlos auf. Eine Gestalt glitt durch das offene Fenster, so lautlos wie ein Schatten, eine Aura aus Macht und Verderbnis um ihn herum. Graf Denathrius, Herr von Schloss Nathria, schritt ins Zimmer, seine rubinroten Augen auf die schlafende Draenei gerichtet. Seit dem Moment, in dem sie sein Reich betreten hatte, war sein Blick auf ihr gelegen. Ihre weiße Haut, ihre strahlend blauen Augen und das schimmernde Haar machten sie in dieser düsteren Welt zu einem hellen Licht, das ihn unwiderstehlich anzog.

Ein dunkles, süffisantes Lächeln huschte über seine Lippen. Er hob eine Hand und wob einen Zauber, der Idaia in einen tiefen, trägen Schlaf versinken ließ. Sie rührte sich nicht, als er neben ihr auf das Bett glitt, den Stoff ihres Nachtgewands von ihrer Schulter zog und die makellose, weiße Haut betrachtete. Ein Anblick, der ihn von Anfang an angezogen hatte. Sein Atem wurde tiefer, als er sich hinabbeugte, um an ihrem Hals zu riechen. Der Duft von Reinheit und Unschuld reizte ihn. Seine Zähne kratzten über ihre Haut und seine Augen leuchteten in düsterer Erregung, als er sie in ihr weiches Fleisch versenkte.

Das Blut der Draenei, süß und rein, rann in seinen Mund und ein wohliges Zittern durchfuhr ihn. Jeder Tropfen war wie ein Stück Macht, wie ein Triumph über etwas Reines und Unberührtes, das er nun verderben würde. Die Welt, die sie kannte, lag so weit entfernt und nun gehörte sie ihm – eine Seele, die er in den tiefsten Abgrund von Revendreth ziehen konnte. Sie wusste es nur noch nicht, aber sie war sein.

Er ließ schließlich von ihrem Hals ab, richtete sich auf und betrachtete sie gierig, seine Finger strichen über die zarte Haut. Mit einem hungrigen Blick zog er das Nachthemd weiter hinab, enthüllte ihre sanften Rundungen, während sein Verlangen nach mehr wuchs. Die weiße Haut schimmerte im dämmrigen Licht, und Denathrius wusste, dass er jede Sekunde mit ihr genießen würde – ihre Verdammnis, ihre Verzweiflung, ihren Fall in die Dunkelheit. Ein dunkles, grollendes Lachen entkam seinen Lippen, bevor sein Körper sich in eine blutrote Wolke auflöste und durch das Fenster verschwand.

Am nächsten Morgen erwachte Idaia benommen, ihre Gedanken träge, als hätte sich ein schwerer Schleier über ihren Geist gelegt. Doch dann traf sie die Realität wie ein Schlag: Sie war entkleidet und als sie sich aufrichtete, durchzuckte sie ein scharfer Schmerz. Ihre Hand wanderte zögernd zu ihrem Hals, und als sie die Wunde ertastete, zog sie sie erschrocken zurück. Blut. Frisches Blut.

Panik durchströmte sie und sie sprang aus dem Bett, nur um schwach zusammenzusacken, ihre Beine zitterten unter ihr. Das offene Fenster stand weit auf, die Vorhänge flatterten im sanften Wind. Kalte Angst kroch durch ihre Adern, als sie das Gefühl hatte, als wäre etwas aus den tiefsten Schatten gekommen und hätte sie markiert. Ein Echo von Lachen hallte in ihren Gedanken wider und ein tiefer Schauer durchlief sie.

Mit zitternden Händen zog sie das Nachthemd wieder über ihren Körper und taumelte zum Fenster, die Augen weit aufgerissen. Ihr Blick wanderte zu Schloss Nathria und in diesem Moment spürte sie es –etwas Unausweichliches, eine dunkle Macht, die sie ins Visier genommen hatte. Sie war gefangen und tief in ihrem Herzen wusste sie, dass sie der dunklen Verführung, die auf sie wartete, nicht entkommen konnte.

Idaia sank langsam zu Boden, ihre Hand immer noch auf die schmerzende Stelle an ihrem Hals gepresst. Der metallische Geschmack von Blut auf ihren Lippen war erschreckend real, doch die Erinnerungen an die vergangene Nacht lagen wie verschwommen im Nebel. War es ein Traum gewesen? Ein schrecklicher Albtraum, der ihr den Atem raubte, oder war es grausame Wirklichkeit?

„Was... ist mit mir geschehen?" Ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern, das vom Wind verschluckt wurde. Eine kalte Schauer kroch ihre Wirbelsäule hinauf. Denathrius – sie wusste es. Irgendwie hatte sie von ihm gehört, in den Flüsterungen der verängstigten Seelen, die in diesem düsteren Reich Buße taten. Er war mehr als ein Herrscher. Er war der Inbegriff von Verdammnis, ein Wesen von unvergleichlicher Macht, und jetzt war sie in seine Fänge geraten.

Idaias Herz schlug heftig in ihrer Brust, und die Gedanken wirbelten wild in ihrem Kopf. Ihr Glaube, ihr unerschütterlicher Glaube an das Licht, welcher sie stets geführt hatte – konnte es sie vor ihm beschützen? Die Wunde an ihrem Hals brannte, als ob sie mit der Dunkelheit selbst getränkt wäre, als ob sein Griff sie fest umschlossen hielt, selbst jetzt.

Doch sie war ein Paladin. Idaia kämpfte gegen die lähmende Angst an, die drohte, sie zu überwältigen. Sie schloss die Augen, atmete tief durch und suchte nach dem Licht in ihrem Inneren – nach der Quelle der Kraft, die sie unzählige Male in den dunkelsten Stunden geführt hatte.

„Ich werde kämpfen", murmelte sie entschlossen und richtete sich langsam auf. Sie durfte nicht zulassen, dass Denathrius' Schatten sie überwältigte. Sie würde sich ihm nicht kampflos ergeben.

Doch als sie ein letztes Mal aus dem Fenster sah, hinüber zum düsteren Schloss, spürte sie eine Welle kalten Grauens durch ihre Adern fließen. Sie wusste, dass es nicht vorbei war. Dies war erst der Anfang.

Eine leise, bedrohliche Stimme schien im Wind zu flüstern, fast zu leise, um sie wahrzunehmen, doch sie hallte tief in ihrer Seele wider:

„Du gehörst jetzt mir."

Mit einer Mischung aus Entschlossenheit und Angst wandte sie sich vom Fenster ab. Ihr Weg war noch unklar, doch eines war sicher – sie musste sich vorbereiten. Was auch immer kommen mochte, sie würde nicht alleine sein. Das Licht würde ihr helfen. Oder sie würde in den Abgrund stürzen.

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