Kapitel 18 - Teil 3

Tausende Seifen und Öle später befindet sich kein Funken Schmutz mehr an meinem Körper und mein intensiver Duft könnte locker mit einer Blumenwiese mithalten. Aber um ehrlich zu sein, stört es mich nicht. Ich war in mein Leben noch nie so sauber und jetzt ist auch die Nacktheit nicht mehr so unangenehm für mich.

Die Mädchen trockenen mich mit weichen Handtüchern ab, bevor mir Enna ein weißes Unterkleid über den Kopf streift. Es ist fast durchsichtig, liegt eng an meinem Körper und wird von dünnen Trägern gehalten.

Als Enna mich für einen kleinen Augenblick betrachtet, huscht ein kleines Lächeln über ihre Lippen – ob es wegen ihres Erfolges ist, mich wieder wie einen Menschen aussehen zu lassen oder weil unter dem Schmutz tatsächlich etwas Ansehnliches versteckt ist, weiß ich nicht.

„Jetzt fehlen nur noch ihre Haare und das Kleid, mein Herr", richtet sich Enna an Caelan, welcher sich ohne zu zögern umdreht. Als sein starrer Blick meinen trifft, glaube ich seine Maske kurz bröckeln zu sehen. Einer seiner Mundwinkel zuckt, während er mich für einen Moment mustert. Erstarrt beobachte ich ihn, wobei ich angestrengt versuche meine Hände nicht schützend vor meinen Körper zu heben. Er soll nicht bemerken, wie unangenehm es mir ist, wenn er mich so sieht.

„Gute Arbeit", kommentiert Caelan an Enna gewandt, welche das Badezimmer bereits verlässt und mich zu sich winkt. Ich spüre Caelans Augen auf mir liegen, während er wartet, bis ich der Dienerin folge und tritt dann schließlich auch aus dem dampfenden Raum.

Die restlichen Mädchen kramen aus einer schönen, ledernen Tasche Schmuck, Schalen und verschiedene Pinsel heraus, welche sie auf der Kommode vor einem ovalen, verschnörkelten Spiegel platzieren. Währenddessen führt Enna mich zum Bett, auf welchem sie das dunkelgrüne Kleid ausgebreitet hat.

Zuerst greift sie nach einem cremefarbenen Korsett mit bauschigen Rüschen am oberen Ende. Eines der Mädchen hilft Enna es mir, um den Oberkörper zu legen, dann stellen sie sich hinter mich. Ich spüre ihre präzisen Hände auf meiner Haut, während sie das Korsett immer enger schnüren, bis ich kaum noch Luft bekomme. Als ich an mir hinabblicke, hätte ich fast einen erschrockenen Laut ausgestoßen, würde ich nicht nach Atem ringen. Meine Brust sieht so groß aus, dass sie nahezu aus dem Korsett hervorquillt. Gleichzeitig ist meine Taille so schmal, dass meine eigentlich nicht sichtbare Hüfte plötzlich ausladend und irgendwie weiblich wirkt. Noch schockiert von meinem Anblick, registriere ich kaum, wie mir die Mädchen in das dunkelgrüne Kleid helfen. Erst als ich den seidigen Stoff spüre, der wie Wasser über meine Haut geleitet und mich die Mädchen zur Kommode führen, komme ich wieder zu Sinnen und mein Blick kreuzt den von Caelan. Er mustert mich, lässt seinen Blick ganz langsam von meinen Füßen bis zu meinem Kopf wandern, so als würde er einen fremden Menschen vor sich haben. Obwohl seine Haltung, genauso wie seine Miene, vollkommen steif ist, glaube ich, seine waldgrünen Augen seltsam leuchten zu sehen.

Sobald ich selbst in den Spiegel blicke, wird mir klar, dass ich wirklich jemand anderes bin. Mein eigener Anblick lässt mich erstarren. Das Kleid, das ich trage, ist unglaublich schön. Der dunkelgrüne Stoff schimmert im Licht und wenn man ihn genauer betrachtet, erkennt man sanfte, kunstvolle Muster, die sich darüber erstrecken. Die cremefarbenen Rüschen des Korsetts umspielen meine Brust, mein restlicher Oberkörper ist vollkommen nackt, denn die kurzen, bauschigen Ärmel des Kleides beginnen erst unter meiner Schulter. Weitere Rüschen in derselben Farbe wie die des Korsetts bilden ein V um meine Taille, welches meine Hüfte runder aussehen lässt, als sie eigentlich ist.

Ich lege meinen Kopf leicht zur Seite, in der Erwartung, das Mädchen im Spiegel würde die Bewegung nicht imitieren und mir so beweisen, dass das nicht ich bin. Doch die Person im Spiegel bin ich, obwohl ich den Beweis vor mir habe, kann ich es nicht glauben. Ein Kleid wie dieses habe ich, wenn nur an den Skauk Frauen in Meranthis gesehen. Es ist wahrscheinlich wertvoller als die Ernte einer ganzen Saison. Und ich trage es.

„Setzt Euch", sagt Enna sanft, aber mit einem bestimmten Drängen in der Stimme. Hätte sie mich nicht aus meiner Starre gerissen, wäre ich wahrscheinlich Stunden an diesem Platz stehen geblieben und hätte diese fremde junge Frau im Spiegel einfach nur angesehen.

Meine nassen Haare sind in ihre natürliche Form zurückgekehrt und haben sich wieder gelockt. Mit einem Kamm, der aus feinen Borsten besteht, kämmt sie Enna zurück und fixiert sie dann in einem Pferdeschwanz mit einem Band, in derselben Farbe meines Kleides. Sie benutzt eine fettige Paste, die sie mir über die Haare streicht, damit sie glatt an meiner Kopfhaut anliegen. In meine dunklen Locken, die nun streng zurückgebunden sind, massiert sie zum Schluss noch ein nach Blumen riechendes Öl, sodass sie schöner glänzen als je zuvor in meinem Leben.

Dann öffnet Enna die vielen Schalen, die auf dem Tisch herumstehen. Darin verbergen sich Pulver und Balsams in verschiedenen Farben. Mit einem breiten Pinsel fährt sie in ein rosa Pulver und sieht mich dann konzentriert an. „Bewegt Euch nicht", flüstert sie und noch bevor ich irgendwie reagieren kann, tupft sie mit dem Pinsel, dessen weiche Haare auf meiner Haut kitzeln, gegen meine Wange. Sie wiederholt den Vorgang und als sie den Blick in den Spiegel freigibt, sehe ich aus, als wäre ich das blühende Leben. Ein überraschter Laut entkommt mir und ich betrachte mich weiterhin staunend.

Mit einem schmaleren, präziseren Pinsel, den sie diesmal zuerst kurz in Wasser taucht, fährt sie wieder in das rosa Pulver. „Öffnet Euren Mund etwas", weist sie mich an und aus irgendeinem Grund folge ich jedem ihrer Befehle, ohne sie zu hinterfragen. Die nassen Borsten Pinsels kitzelten so sehr auf meinen Lippen, dass ich mich anstrengen muss, den Mund nicht zu verziehen.

Auch diesmal kann ich kaum glauben, welchen Unterschied etwas Farbe machen kann. Meine Lippen sehen irgendwie voller aus und mit dem rosa Pulver auf meinen Wangen wirke ich frischer und auch jünger.

Zum Schluss fährt Enna mit einem runden, kammartigen Pinsel in Pulver, das so schwarz ist wie Kohle. „Ihr müsst Eure Augen offen lassen und immer nach oben schauen", erklärt sie und beginnt damit, meine Wimpern mit dem seltsamen Pinsel zu kämmen. Obwohl meine Augen bereits tränen, halte ich sie die ganze Zeit über offen und als ich in den Spiegel blicke, umrahmen dunkle, lange Wimpern meine hellen Augen.

Enna muss erkennen, wie sehr ich von meinem eigenen Anblick fasziniert bin, denn als sie mich kurz betrachtet, schenkt sie mir ein zurückhaltendes Lächeln. Danach greift sie nach einer goldenen Kette, welche eng an meinem Hals anliegt und hat schon Ohrringe in der Hand, als ihr auffällt, dass ich keine Ohrlöcher besitze. „Oh", sagt sie leise und legt die goldenen Schmuckstücke wieder beiseite. Nachdem sie mich noch einmal aufmerksam mustert, nickt sie schließlich und tritt zur Seite.

Ich höre Caelan hinter mir auf mich zukommen und schließe für einen Moment meine Augen. ‚Du schaffst das', sage ich mir wieder und wieder, während ich versuche mein plötzlich hämmerndes Herz zu beruhigen. „Komm, lass uns gehen", schneidet Caelans Stimme meine Gedanken und irgendwie gelingt es mir aufzustehen, obwohl jedes Gefühl aus meinen Beinen gewichen ist.

„Sobald du vor ihm stehst, verbeugst du dich", zischt mir Caelan zu, „und du sprichst ihn mit ‚Mein König' oder ‚Euer Gnaden' an." Während er nur schnell geht, muss ich fast laufen, um mit seinen großen, hastigen Schritten mithalten zu können. Als ich nur nicke und nicht antworte, wirft er mir einen skeptischen Blick zu. „Verstanden?", faucht er. Seine Stimme ist dabei so drängend und gestresst, dass ich es noch mehr mit der Angst zu tun bekomme. „Ja", sage ich schnell, um ihn nicht zu provozieren. „Versuche erst gar nicht zu lügen", erklärt er weiter, während ich ihm durch die langen, kunstvoll bemalten Gänge folge, „er wird es durchschauen und das wird nicht gut für dich ausgehen." Obwohl mir unendlich viele Fragen durch den Kopf schwirren, schafft es keine über meine Lippen zu kommen. Plötzlich fühlt sich meine Kehle ganz trocken und rau an. Mit jedem Schritt, den wir machen, wird mein Atem unregelmäßiger und meine Beine zittern immer stärker. Dieser Weg fühlt sich an, als wäre ich ein Tier, das nun zum Schlachter geführt wird. Äußerlich schön gemacht, dass es davor noch einen guten Preis auf dem Markt erzielt.

Ich wäre fast in Caelan hineingerannt, als er plötzlich stehen bleibt. „Verdammt", zische ich. Sofort straft mich Caelan mit einem so kalten Blick, dass ich sofort meinen Mund schließe und mich hastig in die Richtung wende, in die er schaut. Vor uns befindet sich ein riesiges Tor, es muss mehrere Mann hoch sein und besteht aus glänzendem Metall. Flankiert wird das Tor von zwei breitschulterigen Männern mit eisernen Helmen, die ihr komplettes Gesicht verbergen und nur an den Augen, Nase und Mündern schmale Löcher besitzen. Auf ihren linken Schultern befindet sich ein violetter Halbkreis, der zu erkennen gibt, dass sie Clanmitglieder von Rang zwei sind.

„Wir haben eine Unterredung mit dem König", wendet sich Caelan an eine der Wachen. „Und wer ist ‚wir'?", will diese wissen und sein Ton klingt dabei etwas spöttisch. „Caelan Merandell und das weißt du auch", erwidert Caelan zähneknirschend, doch der Mann tut so als hätte er ihn nicht gehört. Er drückt eine der Türen gerade so weit auf, dass er hindurchtreten kann und lässt sie mit einem dumpfen Knall zuschlagen.

Für einen Moment ist es so leise, dass ich glaube, mein rasender Herzschlag könnte an den Wänden widerhallen. Dann wird die Tür quietschend geöffnet und es kommt mir so vor, als würde mein Herz aussetzen. „Der König erwartet Euch", erklärt der Mann und mustert mich interessiert.

Caelan muss meine plötzliche Starre bemerkt haben, denn er greift mit seinem Arm hinter mich und schiebt mich an der Wache vorbei, deren Blick noch immer auf mir liegt. Dann befinde ich mich an dem Ort, der nach dem Thronsaal aussieht, denn er ist unglaublich groß. Viele Reihen von Bänken, die wahrscheinlich sonst immer mit Adeligen gefüllt, heute aber vollkommen leer sind, erstrecken sich bis fast an das Ende des Raumes. Dort befindet sich eine Treppe mit vier langen Stufen, an deren Ende ein riesiger Thron aus purem Gold steht, auf dem ein Mann sitzt. In diesem Moment realisiere ich, wer dort über uns thront und sofort gefriert mir das Blut in den Adern.

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