Das Leichteste der Welt
Das Leichteste der Welt
"Juli, ich glaube, du musst jetzt ganz stark sein."
Ich hebe fragend den Blick.
Meine beste Freundin Carolin verzieht mitleidig das Gesicht und reicht mir ihr Handy.
"Es geht um Daniel."
Allein der Klang seines Namens reicht aus, um mein Herz zum schneller schlagen zu bringen.
Meine Hände zittern, als ich das dünne Smartphone entgegen nehme. Ich traue mich kaum den Blick zu senken und zu schauen, was meine beste Freundin unheilverkündend angedeutet hat.
Noch einen unsicheren Blick mit meiner Gegenüber tauschend, bereite ich mich auf das vor, was mich gleich erwarten wird.
Egal mit was ich gerechnet habe, das ist es sicher nicht gewesen.
"Wir haben ja gesagt!"
Hab gehört, die Sonne scheint wieder für dich
Ich spüre wie mir augenblicklich Tränen in die Augen steigen.
"Durch das Schicksal vereint, leben wir unser Glück."
Hab gehört, du wirkst befreit und trägst wieder Lachen.
"Alte Lasten legen wir ab und beginnen zusammen einen Neuanfang."
Hab gesehen, dein Herz hängt jetzt an jemand anderen, ganz schön schnell, dafür dass du gesagt hast, du brauchst erstmal Zeit.
So sieht er mich also? Als eine Last, die er loswerden unbedingt loswerden wollte. Meine Fingernägel krallen sich mein Fleisch, doch ich spüre den Schmerz kaum. Er ist so klein im Vergleich zu dem, was mein Kopf meinem Herzen entgegen schreit.
Ich hatte wirklich geglaubt, das mit uns wäre etwas Besonderes gewesen. Das war nicht nur eine schöne Erfahrung für eine Nacht. Vier Jahre hatten wir miteinander geteilt. Vier Jahre in denen wir die meiste Zeit glücklich gewesen waren. Am Ende hat unser Leben uns in verschiedene Richtungen geführt. Wir haben uns im gegenseitigen Einvernehmen getrennt, aber es ist uns nicht leicht gefallen. Uns beiden nicht. Das weiß ich! Wie kann er also sein Herz so schnell an eine andere hängen? Wieso tut er mir das an?
Auf den Fotos, die man findet, da strahlt ihr vor Grinsen, du siehst so widerlich glücklich aus.
Ich scrolle den Facebookeintrag ein Stück nach unten und sehe, was meine beste Freundin mir wohl hatte ersparen wollen.
Da ist er.
Daniel.
Und neben ihm seine Braut. Die nicht ich bin.
Er strahlt in die Kamera und lässt keinen Zweifel an seinem Glück.
Wieso tut er mir das an?
Und ich, ich kann nicht schlafen, ohne irgendwas zu nehmen.
Und du, stehst längst mit beiden Beinen im neuen Leben, den Blick nach vorn gestellt, als wär's das Leichteste der Welt.
Ich kann es schon jetzt kaum ertragen, aber ich muss es einfach sehen. Sein Glück, seine Märchenwelt, sein Leben.
Nach allem was man hört, lebst du jetzt im Bilderbuch.
Suchst ein Haus am See und Kindernamen, war doch unser Plan.
Ich merke kaum, wie sie neben mich kommt und auf den Ausknopf drückt. Der Bildschirm wird schwarz. Und so wird es in mir.
Ich kann es einfach nicht verstehen! Es ist doch noch gar nicht so lange her, da waren wir beide es, die über Hochzeit gesprochen und an Kinder gedacht haben.
Wie kann er so schnell weiter machen, als wäre nichts geschehen, während ich keinen Tag erlebe, an dem ich nicht an ihn denke? Carolin brauchte nur seinen Namen zu sagen und mein Herz hat begonnen wie wild in meiner Brust zu flattern.
Und ich häng hier auf Halbmast, krieg den Kopf nicht aus'm Sand, bin kilometerweit entfernt von Abstand.
Ich kann mir genau vorstellen, wie er seine Nächte verbringt, während ich noch immer kaum ein Auge zu bekomme.
Und ich, ich kann nicht schlafen, ohne irgendwas zu nehmen.
Ich hänge noch immer in der Vergangenheit und komme nicht von der Stelle, während er seine Zukunft plant.
Eine Zukunft ohne mich.
Und du, stehst längst mit beiden Beinen im neuen Leben, den Blick nach vorn gestellt, als wär's das leichteste der Welt.
Ich will es mir nicht eingestehen, aber ich bin noch lange nicht über ihn hinweg. Das weiß ich jetzt mehr denn je.
Jetzt da ich sehe, wie gut es ihm ohne mich geht.
Doch was mich am allermeisten bricht, ist zu sehen wie glücklich zu jetzt bist.
Er ist aus der Asche aufgestiegen, die unser Ende zurückgelassen hat. Ich sitze noch in ihr fest. Lebe in den Scherben meines Lebens und verliere mich mehr und mehr in dem Loch, in das die plötzliche Einsamkeit mich hat fallen lassen.
Was bleibt einem denn, außer der Leere? Da ist die Erinnerung. Doch auch die verblasst und am Ende steht man an derselben Stelle, wie zuvor.
Und die bittere Erkenntnis dass man bei Null ist, dass da nichts ist.
Und jeder Tag und jedes Jahr umsonst war, sinnlos war, so sinnlos war.
Wann geht es für mich endlich wieder aufwärts? Wann darf ich endlich meine Flügel ausbreiten und hinaus in die Welt fliegen?
Ich weiß, dass ich von ihm loskommen muss. Von uns.
Nur so kann mein Leben weitergehen.
Das weiß ich längst.
Aber einfach nicht wie.
Vielleicht kann ich irgendwann wieder schlafen, ohne irgendwas zu nehmen.
Vielleicht gibt's irgendwo da draußen für mich ein neues Leben, aber sich das vorzustellen ist grad das Schwerste dieser Welt.
Carolin ist gegangen.
Sie sagt, ich soll nicht so viel daran denken.
Ich verspreche es ihr.
Und doch erwische ich mich nur wenig später dabei, wie ich in meinem Bett liege mit meinem Handy in der Hand und mit tränenverhangenem Blick auf das Bild starre, das mir endgültig den Boden unter den Füßen weggerissen hat.
Und ich, ich kann nicht schlafen, ohne irgendwas zu nehmen.
Und du, stehst längst mit beiden Beinen im neuen Leben, den Blick nach vorn gestellt, als wär's das Leichteste der Welt.
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