Kapitel 7

Sie saß auf dem Sofa mit geschlossenen Augen und den Kopf auf die Rücklehne gelegt. Sie hörte Daniels Schritte und er setzte sich neben sie. Sie spürte seinen nachdenklichen Blick auf ihr ruhen und es störte ihre Gelassenheit. "Warum bist du so besorgt?", frage sie verständnislos.
Der Tag war gut verlaufen: Sie hatte die beste Aussicht auf Berlin gehabt, verstand sich gut mit Cecile, die später ihr wahres Ich mit den intensiven Gefühlen gezeigt hatte, und sie hatten schön im Café gesessen. Was bekümmerte ihn jetzt also?
Ihr Sohn seufzte genervt. "Vincent hat gerade wieder angerufen."
"Das ist mit bekannt. Weiter."
"Ich will mir nicht vorstellen, was er mit dir macht, wenn er dich doch findet. Machst du dir denn gar keine Sorgen?"
"Ich mache mir Sorgen nur um euch, Daniel - ihr versteckt mich. Alles Weitere ist mir egal.", antwortete sie ruhig.
"Uns aber nicht."
"Die Sache ist geklärt. Und der zweite Grund?"
"Ich habe nie gesagt, dass es zwei Gründe gibt.", warf er ein.
"Daniieeel", zog sie den Namen singend in die Länge.
"Ehm... Willst du deinen Bekannten gar nicht anrufen?"
Überrascht schlug sie die Augen auf und hob den Kopf, sah ihn an. "Wie bitte?"
Er zuckte vielsagend mit den Augenbrauen. "Na deinen Bekannten. Heute hast du Cecile kennengelernt, also hast du morgen nichts zu tun und ich bin bei der Arbeit. Ich spüre, dass du ihn sehen willst. Ruf ihn an."
"Nein.", widersprach sie fest. Sie würde es nicht tun, weil... Weil... Weiiiil...
"Du hattest dich am Telefon so glücklich angehört, Mutter. Verpasse deine Chance nicht.", meinte der Vampir leise.
"Es reicht.", sagte sie unverhofft, erhob sich und ging in das zweite Zimmer. Er wollte sie noch im Leben belehren! Es war zu viel. Es war eindeutig zu viel für sie. Sie hatte doch nichts dafür, dass sie nicht von Anfang an die Liebe ihres Lebens getroffen hatte. Dass sie diese verdammten dreihundert Jahre wie im Knast verbracht hatte. Sie hatte doch einfach nichts dafür! Sie wollte das alles nicht.
Bittere Tränen liefen ihr aus ihren Augen, doch sie wischte sie immer wieder weg. Auf der anderen Seite glitt Daniel die Tür entlang zu Boden. "Mutter, es tut mir leid, ich wollte nicht..."

Warum fühlte er sich jetzt nur so schlecht? Arin hatte doch ausdrücklich gesagt, dass seine Kinder ihn liebten und brauchten. Warum konnte er nicht damit zufrieden sein?
Er ging in seiner kleinen Wohnung am Südkreuz unruhig auf und ab. Bald würde er sich neue Dokumente machen und eine größere Wohnung kaufen. Aber was quälte ihn jetzt so? Warum konnte er jetzt nicht schlafen?
Er schnappte sich angespannt sein Handy, ging die Namensliste durch. Knurrend legte er es wieder weg. Fuck, warum hatte er nicht nach ihrer Nummer gefragt? Er musste mit ihr telefonieren! Warum rief sie ihn nicht an? Er könnte ausrasten!
Doch dann ertönte plötzlich der Klingelton. Mit Vampirgeschwindigkeit griff er nach seinem Handy und antwortete, um Ruhe bemüht. "Ja? Michael dran."
"Hallo.", wurde er leise begrüßt.
Es war sie! "Hallo, Emilia."
"Störe ich?", fragte sie unsicher.
"Nein, nein. Alles in Ordnung bei dir?", vergewisserte er sich besorgt. Ihre Stimme zitterte leicht, weshalb er annahm, dass sie entweder geweint hatte oder kurz davor stand.
"Soweit es gehen kann." Er wusste, dass am anderen Ende zur Verteidigung gelächelt wurde.
"Also nicht besonders, verstehe. Kann ich dir denn irgendwie helfen?"
Oh Mann, genau das wollte er nicht sagen. Er wollte ihr keine Hilfe anbieten, solange er selbst welche brauchte. Dumm gelaufen.
"Ehm... Würdest du morgen mit mir vielleicht spazieren gehen?"
"Gerne. Passt dir abends, so etwa um fünf?"
"Ja, ja. Du kennst Berlin gut, oder?"
"Na ja, mehr oder weniger. Warum fragst du?"
"Weil... Könnten wir irgendwohin gehen, wo es nur sehr wenig Menschen gibt?"
"Ja, da finde ich schon einige Orte. Also morgen um fünf an der Osloer Straße.", wiederholte er.
"Ja, bis morgen."
"Bis morgen."

"Und gute Nacht, Michael.", sagte sie leise.
"Gute Nacht, Emilia.", ertönte es von der anderen Seite und sie stellte sich bildlich vor, wir der Vampir warm lächelte.
Sie drückte den roten Knopf, beugte sich zum Handy vor, schloss die Augen und berührte es mit der Stirn. "Danke dir.", flüsterte sie und eine Träne floss über ihre Wange.

Nachdem er ihre Nummer eingespeichert hatte, warf er sich auf das Bett und schmiss das Handy in die Kissen an der Wand. Jetzt konnte er in Ruhe schlafen. Sie wollte ihn sehen. Das war ein schöner Gedanke.
- - -
Er kam zehn Minuten früher an, damit Emilia, falls sie früher kam, nicht auf ihn warten musste. Das Treffen mit Cecile war verrückt gelaufen, so wie die Frau selbst auch immer war, aber das hatte er erwartet. Bei Bekannten verhielt sie sich immer so. Ihr Freund, von dem sie kein Wort sagen wollte, müsste wohl sehr ruhig sein, um ihre Gefühle auszugleichen. Daniel würde gut zu ihr passen., dachte er schmunzelnd. Sein Bekannter war die Seelensruhe selbst, konnte aber manchmal ganz schön fies werden.
Von seinen Gedanken wurde er durch ein Gefühl abgelenkt. Er spürte Emilias Nähe. Als er hochsah, erblickte er sie. Sie ging verträumt auf ihn zu. Worüber sie wohl gerade dachte...
Und als sie ihn fand, lächelte sie und beschleunigte ihre Schritte. "Komme ich zu spät?", fragte sie besorgt.
"Nein, ich bin zu früh angekommen.", beruhigte er sie und fügte hinzu: "Und hallo übrigens."
Er lächelte sie an und sie lächelte verlegen zurück. "Ja, hallo."
"Wie geht es dir heute?", wollte er wissen.
"Schon besser, danke der Nachfrage. Und dir?"
"Auch gut."
Sie gingen langsam los und stiegen die Treppe zur U-Bahn runter.
"Was hast du gestern so gemacht?", interessierte sie sich.
"Ich war am Fernsehturm. Die Aussicht ist einfach die beste!"
"Ich war gestern auch am Fernsehturm!", entgegnete sie mit vor Überraschung großen Augen. "Mit Daniel und seiner Freund. Und ja, ich kann dir nur zustimmen, die Aussicht ist unglaublich."
Waaarte, was hatte Daniel gestern nochmal gesagt? Er steht für seine Familie Schlange. War sein Bekannter und ihr Sohn also eine Person? Und Cecile hatte heute auch etwas vom Fernsehturm erzählt. War sie die Freundin von einem der Daniels? Nein, bestimmt nicht, solche Zufälle gab es nicht! Es klang sogar in seinen Gedanken schon verrückt.
"Michael, alles in Ordnung?", brachte ihn Emilias Stimme in die Wirklichkeit.
Sie stiegen gerade in die U8 Richtung Hermannstraße ein. Leider gab es nur Stehplätze, was auch kein Wunder um solche Uhrzeit war.
"Ja, sicher.", antwortete er. "Schade, dass wir uns nicht gesehen haben. Aber wahrscheinlich hätte ich dann sowieso nur gestört."
"Aber nein. Daniel tat mir ehrlich gesagt leid, weil Cecile und ich die ganze Zeit über Frauensachen geredet haben und er und nur hinterhergelaufen war. Weißt du, ich muss euch mal vorstellen. Ich glaube, ihr würdet euch gut verstehen."
Da zeigte sich Emilia ja von einer ganz anderen Seite - selbstbewusst und nicht mehr schüchtern.
Halt. Hatte sie gerade Cecile gesagt? Nein, wahrscheinlich hätte er sich nur verhört. Bestimmt hatte sie Celine gesagt. Mann, Emilia, Daniel und Cecile konnten einfach nicht bekannt sein.
"Ich werde mich auf ein Treff mit deinem Sohn freuen.", lächelte er. Und das war durchaus ehrlich gemeint.
Emilia musterte ihn. "Du wirkst ziemlich abgelenkt.", bemerkte sie verständnislos.
"Tut mir leid. Meine Gedanken lenken mich ein bisschen ab, mach dir keinen Kopf draus. Lass uns lieber über etwas schönes reden. Du meintest, du redest gern über deine Kinder. Erzähl mir etwas von ihnen."
"Gern doch.", lächelte sie fröhlich.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top