Kapitel 13
Er schlug Vincent immer wieder ins Gesicht - nein, besser gesagt in die Fresse -, doch dieser lachte nur. Er wusste auch selbst, dass er dem Vampir gerade eigentlich nicht schadete. Aber es tat ihm einfach nur gut. Er beobachtete Emilia weiter hinten auf dem Sofarücken nicht und ließ einfach nur das geschehen, wonach es ihm gerade ging. Doch dann änderte sich Vincents Gesichtsausdruck. Die Augen funkelten ihn wütend an und er grinste gemein. Emilia kreischte seinen Namen. Und er stockte mitten in der Bewegung. Er hatte nicht bemerkt, wie Vincents Hand vorgeschnellt war und in seinen Bauch stach.
"Lidias Bengel, so so." Der Vampir schnaubte finster. "Ich habe dich gewarnt, dass wir uns noch sehen werden. Und, freust du dich noch immer darauf?"
Sein Blut lief langsam über dessen Arm bis zum Ellenbogen, wo es auf das weiße, kurzärmige Hemd tropfte.
"Ja.", keuchte er und versuchte, frech zu grinsen. "Ich konnte dir endlich die Fresse polieren." Er zog scharf die Luft ein, da Vincents Hand sich um etwas in ihm drin schloss und es zu zerquetschen drohte.
Doch im nächsten Moment wurde die Wohnungstür hinter seinem Rücken mit einem lauten Knall geöffnet und jemand schritt auf sie zu. Er vermutete, dass die Tür mit dem Fuß aufgetreten wurde. Und das konnte nur eine Person sein.
"Lass. Ihn. Los.", befehlte Lidia mit fester, kalter Stimme.
Dann war die Katze wahrscheinlich ihr Bote, welcher auf Emilia aufpassen sollte.
"Gute Nacht, Lidia. Tut mir mächtig leid für eine solch miserable Begrüßung.", konterte Vincent schelmisch.
"Vincent, spiele nicht mit mir.", entgegnete sie mit Nachdruck. "Du hast meinen Sohn auf meinem Territorium angegriffen. Meinst du, es geht gut aus? Lass ihn verdammt nochmal los und verpiss dich aus meinem Gebiet. Eine Aufenthaltsgenehmigung hatte ich dir nicht gegeben."
Vincents Hand drückte fester zu und er verzog das Gesicht vor Schmerzen. Emilia sah ihn verzweifelt an und wusste offenbar nicht, ob sie helfen sollte.
"Ich war nicht derjenige, der angegriffen hat. Er war es. Und ich darf mich wohl wehren, oder etwa nicht?"
"Denkst du nicht auch, dass du im Moment schlechte Karten hast, um zu verhandeln? Emilia steht unter meinem Schutz und du hast sie entführt und überfallen, heißt, ihr Schmerzen zugefügt. Meinem Sohn, der ebenfalls unter meinem Schutz steht, willst du die Eingeweide zerquetschen. Selbstverständlich wird er sich davon erholen, jedoch denke ich trotzdem nicht, dass es so eine gute Idee ist, du bist schließlich überall von meinen Leuten umgeben. Und ich glaube nicht, dass unsere Eltern sich dafür interessieren, ob jemand von uns überlebt. Sprich, ich kann dich umbringen. Wie gefällt dir das Leben in der Hölle? Hast du schon deine Sachen für den Umzug gepackt?"
Sie blickte verabscheuend auf den Vampir runter, der sie hasserfüllt ansah. Hatte sie da gerade 'unsere Eltern' gesagt? Waren Vincent und Lidia etwa Geschwister? Das war aber was Neues.
Vincents Griff erschlaffte, er zog seine Hand raus und warf ihn von sich. Sofort eilte Emilia zu ihm und sah ihn erschrocken an.
Vincent rappelte sich hoch, wischte seinen Arm an dem Hemd ab. Er und Lidia tauschten missbilligende Blicke aus und er verließ wortlos die Wohnung.
Lidia kniete sich neben Emilia und betrachtete mit Besorgnis in den Augen die Wunde. "Geht's?"
"Wird gleich wieder heilen.", brachte er heraus.
"Michael!", rief nun Emilia und warf sich ihm um den Hals. "Mach das nie wieder! Mein Gott, hab ich einen Schreck bekommen! Ich werde dich eigenhändig umbringen, wenn dir noch einmal so etwas einfällt."
Er spürte ihre Tränen an seinem Nacken, doch er lachte leise über ihre Worte. Mit einem Arm stützte er sich ab, um halbwegs auf dem Boden zu sitzen, und die andere Hand legte er auf ihren Hinterkopf. "Mir wird schon nichts passieren, ich bin ein Vampir, vergessen? Aber geht es denn dir gut? Was hat er dir angetan?"
"Es ist alles in Ordnung. Nicht dass ich nicht daran gewöhnt bin.", antwortete sie leise.
Lidia lachte, womit sie wieder seine Aufmerksamkeit auf sich zog, und stand auf. "Ihr seid so kitschig!"
"Ach, du bist ja auch noch da.", lächelte er, wurde dann aber gleich ernst. "Danke dir, Lidia. Du hast uns gerettet, wirklich. Ich bin so froh, dass du immer dein Wort hältst."
Sie zuckte die Schultern und ein schiefes Lächeln legte sich kurz über ihre Lippen. "Kein Ursache, ich war dir ja einiges schuldig. Passt auf euch auf, ja? Und viel Glück euch."
Er verstand, welche Worte sie gerade versteckt wiederholte. Es war ihr letztes Angebot, ihm mit den Dakes zu helfen. Aber er würde seine Meinung nicht ändern.
Sie drehte sich um und ging zur Tür. Emilia beendete ihre Umarmung und blickte auf.
"Danke!", rief sie seiner Vampirmutter hinterher, wandte sich wieder ihm zu. "Warum hast du mir nicht gesagt, dass Vincent dich gefunden hat? War es das, worüber ihr mit Daniel genuschelt hattet? Und Daniel muss ja auch immer alles von mir geheim halten... Hast du die Verfolgung also nur ausgedacht?"
Er schüttelte den Kopf. "Nein, ich werde wirklich verfolgt. Alles, was ich dir erzählt habe, ist wirklich wahr. Aber ja, mit Daniel haben wir über Vincent gesprochen. Wir konnten es dir nicht antun, von seiner Ankunft zu berichten, Emilia."
Er setzte sich richtig auf, da seine Wunde schon fast verheilt war, und sah ihr in die goldenen verzweifelten Augen.
"Ich liebe dich, Emilia.", sagte er völlig ernst.
Eine Freudesträne lief ihr über die Wange und sie lächelte ihn leicht an. "Und ich liebe dich, Michael."
Als sie nach Hause kamen, erinnerte sie sich daran, warum sie überhaupt so spät rausgegangen war. Irgendwas wollte Michael ihr dringend mitteilen.
"Was war überhaupt der Grund von unserem Treffen?", fragte sie und ließ ihre Tasche auf den Boden fallen. Wollte er ihr doch von Vincent erzählen? Nein, dann hätte er sie nicht allein rausgehen gelassen.
"Ach so. Ehm ja..." Er wandte den Blick von ihr ab. "Uns beiden wurde die Erinnerung daran gelöscht, dass wir uns schon mal getroffen haben. Und... Ich hab mich an dieses Treffen erinnert. Aber na ja, glücklich war es auf jeden Fall nicht ausgegangen."
Das hatte sie sich schon gedacht. Sonst wäre sie ja kaum bei Vincent geblieben. Oh Mann, wie viele Jahre hatte sie bei ihm verloren...
Sie versank in ihren Gedanken und merkte zuerst gar nicht, wie Michael zu ihr näher trat. Sie sah erst auf, als seine Hand ihr Kinn anhieb. Er lächelte sie warm ab und beugte sich zu ihr runter. Ein angenehmes Schaudern lief über ihren Rücken und ihre Arme, als er sanft einen Kuss auf ihren Hals drückte. Er küsste ihn hoch bis zu ihren Lippen und tausend Schmetterlinge flatterten in ihrem Bauch. Es wurde ihr fast schwindelig von einem so guten Gefühl. Ihre Blicke trafen sich, bevor sie die Augen wieder schloss, und seins war so liebevoll... Die Vergangenheit war jetzt nur unwichtige Vergangenheit.
Dann beendete er den Kuss und sie umarmte ihn. Er lehnte seinen Kopf an den Ihren und drehte eine ihre Haarsträhne auf seinen Finger auf. Sein angenehmer Geruch stieg ihr in die Nase und sie atmete tief ein und dann glücklich aus. Sie würde alles geben, um nur weiter so zu stehen.
Seine Hand wanderte wieder zu ihrem Kinn, er hob ihren Kopf an und lächelte freudig. Wieder beugte er sich zu ihr runter und sie versanken in einem weiteren Kuss. Ihre Hände fuhren durch seine weichen Haare, er vergrub seine zweite Hand in ihrem offenen Haar. Es war, als würde etwas in ihrem Bauch - nein, in ihrem Herz explodieren. Es war diese Mauer, die ihre Gefühle zurückhielt. Die sie wegen Vincent errichtet hatte. Und jetzt fühlte sie sich endlich frei, als hätte sie Flügel bekommen.
Nach dem heutigen Geschehen war er so froh, dass Emilia jetzt bei ihm stand. Dass er sie küssen konnte, ihren süßen Geruch einatmete, sie so nah bei sich hatte. Er hätte sie heute verlieren können. Doch das Schicksal wollte es zum Glück anders haben. Die Freude überfüllte ihn und sein Herz schlug so schnell, dass es sich aus ihm zu befreien drohte. Durch Emilia wurde die Mauer seiner Gefühllosigkeit endlich zerbrochen und er fühlte sich einfach nur frei, als hätte er Flügel bekommen. Er vergaß die ganze Welt, für ihn gab es nur sie beide, Emilia und ihn, gefüllt von der unendlichen Liebe. Und jetzt hatte er einen unwiderstehlichen Drang, eins mit ihr zu werden, mit dem Sonnenschein seines ewigen Lebens...
Sie vergaß die ganze Welt, für sie gab es nur sie beide, Michael und sie, gefüllt von der unendlichen Liebe. Und jetzt hatte sie einen unwiderstehlichen Drang, eins mit ihm zu werden, mit der einzigen Freude ihres ewigen Lebens...
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