Der Chemie Unterricht bei Mister Kingsley hatte sich Lucia eigentlich anders vorgestellt.
In ihrer alten Schule hatte sie den Chemie Unterricht immer gemocht, da ihre Lehrerin wirklich gut gewesen war und jedem Schülerin individuell bei ihrer Problemen im Fach geholfen hatte. Doch dieser Lehrer war ihr in der ersten Sekunde direkt unsympathisch gewesen. Der Unterricht von ihm war alles andere als interessant gestaltet und gefühlt über die Hälfte der Schüler kamen nicht mit dem Stoff hinterher, da er so schnell war und nicht auf seine Schüler achtete. Watson, die neben ihr saß, schaute verzweifelt auf die Tafel, so wie gefühlt jeder im Raum. Lucia selber hatte kein Interesse dem Unterricht zu folgen, da sie das Thema, dass sie gerade behandelten, bereits in der alten Schule durch genommen hatte.
,,Miss Graves, wie es mir scheint, haben sie kein großes Interesse dem Unterricht zu folgen.", nahm Lucia die scheidende Stimme ihres Lehrers wahr. Lucia hob den Kopf vom Tisch und sah gelangweilt zu ihrem Lehrer.
,,Das stimmt. Das haben sie gut beobachtet.", Lucia klatschte kurz zwei mal in die Hände, ,,Der Unterricht ist aber auch einfach langweilig."
Mister Kingsley schnappte empört nach Luft: ,,Ihr Verhalten ist sehr respektlos und unhöflich, Miss Graves."
,,Und Sie sind entweder ein blinder Fisch oder Ignorant, wenn Ihnen nicht einmal auffällt, dass über der Hälfte der Klasse seit über 10 Minuten nicht mehr hinterher kommt.", konterte die dunkelhaarige nicht minder aufgeregt.
,,Strafarbeit!", presste er wütend hervor, ,,Strafarbeit für ihr Unerhörtes Verhalten! Sie dürfen bis nächste Woche die Elemente des Periodensystem der Reihe nach auswendig lernen!"
,,Nicht das schon wieder...", hörte sie hinter sich einen Jungen aus der Klasse flüstern.
Lucia lachte auf; ein Grinsen war auf ihrem Gesicht abgezeichnet, als sie sich am Tisch abstützte und sich nach vorne lehnte.
,,Das Periodensystem habe ich schon vor 4 Wochen auswendig gelernt! Ich könnte es ihnen auch jetzt aufsagen."
Ein kurzes Raunen ging durch die Klasse. Welche 14 jährige konnte auch schon das Periodensystem auswendig?
,,Das glaube ich Ihnen nicht. Beweisen Sie es. Wenn Sie es tatsächlich fehlerfrei schaffen, lasse ich ihre Strafarbeit weg.", schlug ihr Lehrer ihr vor, was Lucia mit einem knappen Nicken zustimmte. Und dann fing sie an die Elemente aufzuzählen. Einen nach den anderen. Lucia dankte innerlich ihrer alten Mathe Lehrerin, dass sie ihr diese Strafarbeit bereits gegeben hatte. So konnte sie hier jetzt gut damit Punkten und der Strafarbeit entgehen. Als würde Lucia freiwillig das Periodensystem auswendig lernen wollen.
,,Und? Bekomme ich jetzt eine Strafarbeit?"
Grinsend lehnte sich die Schülerin in ihrem Stuhl zurück und genoss die überraschten und bewundernden Blicke der anderen. Ein gutes Gedächtnis zu haben, brachte seine Vorteile.
,,Keine Strafarbeit.", erwiderte der grauhaarige perplex. In der restlichen Stunde Chemie verhielt sich Mr. Kingsley anders gegenüber Lucia, als es zuvor der Fall war. Er ignorierte sie und ihre Unaufmerksamkeit und es schien, als würde er mit seinem Tempo wirklich einen Schritt nach hinten gehen und mehr auf die Schüler achten.
,,Das war unglaublich.", sprach Rosamund die dunkelhaarige an, als sie auf dem Weg nach draußen waren. Beide trugen immer noch die Sachen von Lucia mit sich herum, da sie die Klassenräume immer wechseln mussten. Lucia hob ihre Augenbraue leicht, während sie zu dem Mädchen neben ihr sah, doch die dunkelhaarige blieb still. Lucia hatte schon wieder vergessen, dass Rosie ihr beim Tragen der Schulsachen half.
,,Einfach fantastisch! Bisher hat noch kein Schüler so mit Mr. Kingsley geredet.", fuhr Watson weiterhin begeistert fort. Rosamund hasste diesen Lehrer schon immer und zuzusehen, wie dieser zur Schnecke gemacht wurde, freute sie mehr, als es eigentlich sollte.
,,Dann wurde es wohl langsam Zeit.", antwortete Lucia drauf, ein leichtes Lächeln spiegelte sich auf ihrem Gesicht. Weniger deswegen, was sie getan hatte, sondern mehr darüber, dass Rosamund so begeistert von ihr schien. Sowas war auf jeden Fall neu für sie. Doch in gewisser Weise gefiel es ihr, dass jemand gefallen daran hatte, was sie tat.
,,Wäre es ok, wenn ich nach der Schule mit zu dir komme?", fragte Rosamund sie, was Lucia auf dem Schulgelände stehen bleiben ließ.
,,Sonst müsstest du die ganzen Sachen ja alleine nach Hause bringen.", versuchte sie sich zu erklären, da Lucias Verhalten sie wieder etwas verunsichert hat.
,,Klar, das wäre wirklich sehr hilfreich.", antwortete sie nach kurzem Zögern. Lucia hätte früher reagiert, wäre sie nicht so überrumpelt von ihrer Frage gewesen. Die beiden kannten sich erst seit ein paar Stunden und Lucia galt nicht unbedingt als eine Person, die sehr gesellig war. Lucia schob die Einladung einfach auf Rosies Hilfsbereitschaft, ihr mit ihren Sachen zu helfen. Weshalb sollte sie auch sonst freiwillig mit zu ihr nach Hause wollen?

Nach dem Unterricht machten die beiden sich auf dem Weg zu ihr nach Hause. Rosie hatte vergessen ihrem Vater bescheid zu sagen, dass sie erst später nach Hause kommen würde, weshalb sie das gerade jetzt machte.
,,Ja, Dad. Ich werde zurück sein, bevor es dunkel wird. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen, du kennst mich. Ich bin immer rechtzeitig zurück."
Für einen kurzen Moment herrschte Stille, bis Rosie wieder weiter sprach: ,,Ok, gut. Dann weiß ich bescheid. Tschüss, Dad, hab dich lieb."
Lucia grinste leicht, da sie spürte, dass es Rosie ein bisschen unangenehm war. Dabei waren besorgte Eltern was ganz natürliches. Ihre Tante war da nicht besser; sie wollte auch nie, dass Lucia abends draußen herumspaziert, aber das hielt die Schülerin nicht davon ab, sich heimlich herauszuschleichen. Und bisher ist immer alles gut gegangen. Lucia kam vor dem Gartenzaun ihres Hauses an und öffnete diesen so gut es mit belegten Händen ging. Sie achtete darauf, ihre neuen Bücher nicht auf den Boden fallen zu lassen.
,,Schöner Garten.", hörte sie Rosamund hinter ihr sagen und konnte dem nur zustimmen. Der Garten war wirklich schön und schützte zudem Fußgänger davor ins Haus zu schauen.
,,Noch eine kurze Warnung, bevor wir reingehen. Meine Tante ist sehr .... naja freundlich.", versuchte Lucia zu erklären, was auf sie zukommen würde.
,,Mit Freundlichkeit komme ich zurecht.", erwiderte die Blondhaarige amüsiert, während Lucia mit ihren Büchern auf die Klingel drückte. Es dauerte einen kurzen Moment, bis die Tür von einer rothaarigen Frau geöffnet wurde. Sie trug eine Kochschürze um ihren Bauch und ein warmes Lächeln lag auf ihren Gesicht. Sie wirkte auf Rosie noch recht jung; sie tippte auf Ende dreißig, aber wahrscheinlich war sie doch schon um einiges älter. Tante Sues Blick glitt an Lucia vorbei zu Rosie. Die rothaarige wirkte im ersten Moment überrascht, strahlte aber dann begeistert.
,,Oh, Lucia, du hast jemanden zum Essen mitgebracht. Wie toll. Kommt rein, Kommt rein.", bat sie die zwei schnell ins Haus.
,,Ich bin Lucias Tante Sue, du kannst ruhig Sue zu mir und mich duzen.", fuhr sie fort und schüttelte die Hand von der Schülerin.
,,Ich bin Rosie. Freut mich dich kennen zulernen. ", stellte sie sich vor. Lucias Tante wirkte von der Erscheinung und ihrem Verhalten her gar nicht wie Lucia.
,,Wir bringen kurz die Sachen hoch in mein Zimmer und kommen dann zum Essen.", meinte Lucia und ging direkt weiter den Flur entlang; Rosie folgte ihr schnell, da sie sich in dem Haus nicht auskannte.
,,In 5 Minuten ist das Essen fertig.", rief Lucias Tante ihnen hinterher und verschwand schnell wieder in der Küche.