Elternabend
Lucia öffnete ihre Augen. Wasser umgab sie. Es löste eine innerliche Ruhe in ihr aus. Keine Geräusche, nichts. Von unten sah sie den Bade-Schaum, der die gesamte Wanne verdeckte. Lucia würde es niemals zugeben, aber sie liebte es, mit dem Schaum zu spielen, ihn zu verformen, um etwas daraus entstehen zu lassen, nur damit es in paar Sekunden wieder zerfällt. Die 14-jährige fuhr aus dem Wasser, als sie die Luft nicht länger anhalten konnte. Sie griff nach einer Stoppuhr, die hinter ihr auf der freien Fläche lag und stoppte die Zeit. Lucia hob Missbilligend eine Augenbraue. Ihre Zeit hatte sich nicht wirklich verbessert. Nur ein paar Millisekunden, die nicht wirklich der Rede wert waren. Die Stoppuhr platzierte sie auf dem Platz zurück. Sie legte ihren Kopf entspannt nach hinten auf den Wannenrand ab, und schloss die Augen. Das Ergebnis würde sie später in ihrer Liste eintragen.
,,Und bist du schon aufgeregt? Also ich bin es auf jeden Fall. Das wird unsere erste Übernachtung.", erklärte Rosie gut gelaunt. Die Blondhaarige lief vor ihr weg, allerdings rückwärts, sodass sie sich beide ansahen. Die Schule war gerade zu Ende, weshalb viele Schüler um sie herum ebenfalls zum Ausgang marschierten. Ein etwas ältere Junge joggte in deren Richtung und rief nach ihnen. Es war der Junge, der schon öfter mal mit Rosie gesprochen hatte.
Rosie blieb stehen, weshalb Lucia es ihr eher widerwillig gleich tat.
,,Danke, fürs warten. Mein Vater nimmt uns mit. Er war eben noch bei deinen Eltern und hat es mit ihnen abgesprochen.", sprach er zu Rosie. Er rückte einige Strähnen zurecht, die ihm ihm ins Gesicht gefallen sind.
,,Ist gut", lächelte sie zurück, ,,Übrigens, dass ist meine Freundin, Lucia."
Rosie zeigte auf die andere Schülerin. Der Junge hielt ihr die Hand hin; sein Lächeln war charmant. Er wirkte wie der perfekte Vorzeigefreund, den man seinen Eltern gerne vorstellte.
,,Hey, ich bin Will", stellte er sich vor.
,,Lucia." Sie ergriff seine Hand.
,,Huch, ganz schön kräftig.", kommentierte er grinsend, als er die Hand zurück zog, ,,Hätte ich nicht erwartet."
Lucia hob spöttisch eine Augenbraue.
,,Von einem Mädchen, meinst du? Nicht nur Jungs können zupacken." Lucia sah, wie sich die Augen den Jungen weiteten.
,,Oh, tut mir Leid, ich wollte nicht-", stammelte er. Lucia unterbrach ihn schnell, indem sie desinteressiert abwinkte und sagte: ,,Schon gut. Diese Geschlechterrollen und Stereotypen werden von der Gesellschaft als Norm sugeriert, sodass sich das in den Köpfen der Leute festsetzt, ohne das diese es hinterfragen. Bestes Beispiel: Blau für Junge, Pink für Mädchen. Ausgedachter Schwachsinn."
Wills Mund stand leicht offen, und auch Rosie schenkte ihr einen seltsamen Blick.
,,Zu viel?", fragte Lucia sie. Diese nickte mechanisch.
,,Ach egal. Da vorne ist Greg", lenkte Rosie das Thema ab. Sie zeigte auf einen Polizisten des Scotland Yard. Der Mann hatte ergraute Haare und ein etwas dunkleren Hautton als käme er frisch aus dem Urlaub. Er lehnte an seinem Dienstwagen und tippte etwas in seinem Handy ein. Der Erwachsene hat sie noch nicht bemerkt.
,,Dad!", rief Will und sorgte dafür, dass sein Vater aufschaute.
,,Ah, da seid ihr ja. Dann wollen wir mal."
Es dauerte nicht mehr lange, bis sie bei der Baker Street ankamen. Lucia saß rechts neben Rosie, die in der Mitte saß. Will hätte sich nach vorne setzen können, doch stattdessen saß er bei den Mädels hinten. Lucia spürte oft den Blick des Detective Inspectors auf sich. Sie verstand nicht ganz wieso. Es kam einem so vor, als würde er sie von oben bis unten abchecken.
Lucia lief das Wasser im Mund zusammen, als sie die große Familien-Pizza auf dem Tisch sah.
,,Ich hoffe, Pizza ist in Ordnung, Lucia?", wandte sich John zu ihr, als die vier, bestehend Lucia, Rosie, John und Sherlock, in der Küche Platz nahmen.
,,Mehr als in Ordnung."
John lächelte zufrieden. Jeder nahm sich ein Stück und begann zu essen. Sherlock knabberte noch an seinem ersten Stück, während John und Rosie bereits bei ihrem zweiten und Lucia sogar schon bei ihrem dritten war. Das Gespräch verlief ruhig und ereignislos. John fragte die beiden Schüler über die Schule aus und Sherlock blieb still. Etwas, dass John und Rosie zu überraschen schien. Zumindest bekam die Braunhaarige mit, wie die beiden dem Consulting Detective öfter Blicke zu warfen, als würden sie erwarten, dass dieser jede Sekunde an die Decke springt. Die beiden wussten nichts über ihr kleines Gespräch, daher gingen sie davon aus, dass sie sich heute zum ersten mal getroffen hätten. Die Ruhe blieb nicht ewig. Tatsächlich hielt sie solange bis das Thema auf den Elternabend fiel. Sherlock und John gerieten in einen Streit. Wie Rosie bereits vorher erwähnt hatte, offensichtlich nicht der Erste dieser Sorte.
,,Sherlock, du kannst ja wohl einmal mit Verantwortung übernehmen und mit mir dort hinfahren!"
,,Da sind Menschen, John, Menschen."
,,Ja, und. Du musst ihnen ja nicht zuhören. Du kannst das Sodoku-Buch, dass ich dir gekauft habe, zur Ablenkung lösen. Mir ist es nur wichtig, dass du anwesend bist. Mehr verlange ich nicht."
,,Aber, Jawn-" Sherlock klang fast schon verzweifelt. Die Pizza lag mittlerweile bei beiden unberührt auf den Teller. Lucia und Rosie tauschten Blicke aus. John seufzte und warf frustriert seine Hände in die Luft.
,,Ich kann es nicht mehr hören.Ich gebe auf. Dann bleib halt hier bei deinen Experimenten."
John sah auf sein Handy. Er entspannte sich wieder und sah zu Lucia.
,,Lucia, Sue müsste gleich da sein. Wenigstens nimmt sie ihre Elternrolle ernst." Sherlock kassierte einen vorwurfsvollen Blick seitens John. Der Dunkelhaarige saß kerzengerade auf seinen Stuhl.
,,Sue?", fragte Sherlock.
,,Mein Tante", erwiderte Lucia gelangweilt. Die angebissene Pizza in ihrer Hand war gerade um einiges interessanter.
Das Abendessen war bereits beendet. Lucia und Rosie saßen im Wohnzimmer auf Sherlock und Johns Sessel und spielten Mensch Ärger dich nicht. Sherlock stand geigespielend am Fenster und John saß mit seinem Laptop auf dem Schoss auf der Couch. Sie hörten alle gleichzeitig in ihrer Aktivität auf, als die Tür klingelte. Lucias Tante. Man hörte gedämpft Stimmen von unten. Mrs. Hudson musste die Tür geöffnet haben. Darauf folgend klopfte Sue an die offene Wohnzimmertür.
,,Hallo", sang sie fast schon, ,,eure Vermieterin war so nett und hat mir die Tür geöffnet."
John kam ihr schnell entgegen und schüttelte ihre Hand. Lucia und Rosie erhoben sich ebenfalls.
,,Hallo Sue, vielen Dank nochmal, dass du mich mitnimmst."
,,Uns", unterbrach Sherlock. Er kam gefühlt aus dem nichts hinter John hervor, ,,Ich bin Sherlock Holmes. Sherlock reicht vollkommen."
Er drückte ihre Hand kurz und verschwand aus dem Wohnzimmer.
John sah ihn perplex hinterher. Sue holte einen kleinen Handgepäckkoffer hinter sich hervor und gab ihn an Lucia weiter.
,,Hey, Lucia. Ich hab ein paar Sachen für dich eingepackt. Kosmetikbeutel, Wechselsachen. Ich wünsche dir viel Spaß hier." Sue drückte Lucia kurz an sich. Das Mädchen erwiderte die Umarmung und löste sich von ihr.
,,Wir werden zurecht kommen.", erwiderte sie. Sherlock trat mit Mantel und Schal wieder ins Wohnzimmer und musterte John abwartend. Dieser drückte seine Tochter nochmal kurz an sich.
,,Mrs. Hudson wird später nochmal nach euch sehen. Sollte was sein, geht zu ihr oder ruft an, ja?" Rosie nickte.
,,Werden wir."
Sherlock, John und Sue verabschiedeten sich von ihren Kindern und verließen die Wohnung.
Rosie drehte sich zu Lucia und fragte: ,,Was war das denn?"
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