Kiddie-Alarm
"Anna! Der Tom hat es schon wieder getan! Annaaaa"
Ich sah es schon kommen. Wie das Kindermädchen wutschnaubend die Treppe hochstürmt, mit dem plärrenden Alex am Rockzipfel und mich windelweich schlägt.
Aber nicht mit mir!
Ich stürmte in mein Zimmer und schlug die Tür zu. Da hörte ich auch schon die stöckeligen klack-klack Geräusche, die ihre Hacken von sich gaben. Ich blickte gebannt zur Tür. Gleich würde sie hier herein walzen.
Die Türklinke wurde gedrückt.
Doch es kam niemand herein. "Tom!", rief Anna zornig. "Sperr sofort diese Tür auf! Woher hast du überhaupt einen Schlüssel? Niemand hat einen Schlüssel." Ich erstarrte. Ich hatte die Tür nicht abgeschlossen. Wie auch? Anna hatte ja recht. Die einzige, die einen Schlüssel zu allen Zimmern besaß, war die Waisenhausleiterin, Ms Cole.
"Ich hab nicht zugesperrt.", sagte ich trotzig durch die Tür zur Helferin und hoffte, sie würde sich damit zufrieden geben. Von wegen.
"Lüg nicht, Tom. Und mach jetzt sofort die Tür auf!" Missmutig stand ich auf und stieß die Tür auf. Ohne Widerstand ließ sie sich öffnen. Komisch.
Aber wenn ich irgendwo war, - wirklich egal wo - passierten häufig komische Dinge.
Letztens zum Beispiel. Ich war mir sicher, dass ich schon alles aufgegessen hatte. Es hatte wie jeden Dienstag Haferbrei gegeben und ich hatte richtige Bauschmerzen vor Hunger. Doch mein Teller war bereits leer. Und wie ich dann auf den Teller gestarrt hatte, füllte sich mein Teller wie von Zauberhand erneut randvoll mit Haferbrei. Zuerst war ich verwundert gewesen, doch dann hatte ich mich sehr gefreut. Diese Freude war jedoch nicht von langer Dauer. Eine andere Helferin - Martha war ihr Name - hatte meinen gefüllten Teller entdeckt und war felsenfest davon überzeugt, ich hätte mich an der Portion vom kleinen Olly bedient. Es war doch so ungerecht! Was konnte ich dafür, wenn mein Teller anscheinend meinen knurrenden Magen gehört hatte und mir eine Freude bereiten wollte.
Vor allen Kindern im Speisesaal hat sie mich zur Schnecke gemacht. Und das Klo musste ich zur Strafe auch noch putzen.
Dumme Gans.
Aber diesmal würde ich nicht wieder klein beigeben. Es war nicht meine Absicht gewesen, dass der Farbstift von Alex einen Meter über dem Boden geschwebt war.
Außerdem hatte ich gar nichts gemacht.
Anna sah mich mit großen Augen an. "Und?", giftete sie. "Wo ist der Schlüssel?" "Im Büro von Ms. Cole, vermute ich mal.", antwortete ich.
Die Helferin steckte ihren Kopf wütend in mein Zimmer, konnte wohl auf die Schnelle keinen Schlüssel finden und ließ es damit beruhen. "Heute hast du noch einmal Glück gehabt, Tom Riddle. Doch sei gewarnt, wenn du nochmal Eigentum der Hausleiterin stiehlst, kommst du nicht mehr so leicht davon!"
Ich nickte nur. Sie würde mir ja sowieso nicht glauben.
Danach schimpfte sie mich noch wegen des fliegenden Stifts.
Und obwohl ich ihr gesagt habe, dass Alex bestimmt Halluzinationen hatte und es keine fliegenden Stifte gibt, glaubte sie lieber ihm. Ich war immerhin schon sieben und somit zwei Jahre älter als Alex. Warum glaubte sie ihm?
Ja, der fliegende Stift war real gewesen. Doch als Erwachsener musste man doch denken, dass die Fantasie mit Alex durchgegangen war. Wer hatte schon einmal von Stiften gehört, die sich von ganz allein bewegen konnten?
Natürlich niemand. Es gab so etwas ja auch nirgendwo. Außer bei mir.
Endlich verschwand die Helferin mit Alex und ließ mich allein. Allein war ich sowieso am liebsten. Denn - wers glaubt oder nicht - ich hatte keine Freunde. Und das will schon was heißen.
Seit sieben Jahren (genauer: seit meiner Geburt) lebte ich in diesem stickigen, heruntergekommenen Loch. Länger als alle anderen Kinder.
Ich kannte jeden Winkel des Hauses. Ich wusste, wie man in die Küche schleichen konnte und -ohne gesehen zu werden (versteht sich)- ein paar Äpfel zu stehlen.
Eigentlich musste ich beim Stehlen gar nie richtig aufpassen. Immer wenn ich etwas mopste, schienen alle zu beschäftigt zu sein, um auf mich Acht zugeben. Einmal hat mich die dicke Köchin gesehen, wie ich in der Vorratskammer herumwühlte, doch sie verpfiff mich nicht.
Ich glaube, die Köchin mag mich. Ich redete auch gern mit ihr. Doch noch lieber war ich in meinem Zimmer und dachte nach. Hört sich an wie ein Eigenbrötler und Außenseiter. Das war ich in gewisser Weise auch. Nur, dass es mich nicht im geringsten Störte. Irgendwann, das schwor ich mir, riss ich von diesem Haus aus und erlebte wilde Abenteuer. Wo es ganz normal war, wenn man von fliegenden Stiften und selbst auffüllenden Tellern umgeben war.
Ich legte mich aufs Bett. In meinem Zimmer war alles grau. Graue Bettdecke, grauer Teppich und sogar hellgraue Wände.
Nur der rostrot - braune Schrank hob sich farblich vom Rest ab. In meinem Schrank hatte ich all meine Habseligkeiten versaut. Auch die ein oder andere kleine Trophäe von meinen Beutezügen hatte darin ihren Paltz gefunden.
Oft lag ich einfach nur auf meinem Bett und starrte auf die Decke.
Wann konnte ich endlich fort von diesem tristen Ort?
Es würden noch vier Jahre vergehen, bis der kleine Tom seine wahre Bestimmung kennenlernen würde. Doch bis dahin sollte er noch das ein oder andere kleine Abenteuer bestreiten.
Hey
Ich hoffe euch gefällt meine Idee, mal die Geschichte aus Tom's Sicht zu schreiben:)
Viel Spaß:)
♥Michi
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