Dumbledors Besuch

Mein elfter Geburtstag wurde ziemlich schlicht gehalten. Ein Kuchen, ein Taschenbuch als Geschenk -fertig. Ich wollte eigentlich kein Geschenk. Nicht von den Heimleiterinnen. Aber man konnte auch schlecht ablehnen. Außerdem hatte ich das Gefühl, dass mich Ms. Cole mochte, oder dass ich sie faszinierte. Egal, wie merkwürdig ich mich benahm.

Doch das größte Geschenk kam zwei Tage nach meinem Geburtstag.

Es war ein grauer, wolkenverhangener Tag. Ein Tag, an dem man keine Luftsprünge machte, egal, was einen erwartete.

Es geschah am Vormittag gegen Elf Uhr. Ich hörte die schrille Türklingel durchs ganze Haus schellen.

Wir bekamen nicht sehr oft Besuch. Verwundert sah ich aus meinem Fenster, dort hatte ich die Haustür gut im Blick. Doch ich sah nur noch den grauen Kittel, der von einer Helferin stammen musste, die gerade die Tür schloss.

Ich setzte mich wieder auf meinen Stuhl und blickte auf meine Hausaufgaben auf dem Schreibtisch.

Wie ich Mathe hasste, von Deutsch ganz zu schweigen. Wozu brauchte man diesen Mist? Wenn ich später einen Beruf haben sollte, dann batte et garantiert nichts mit diesen nichtsnutzigen Fächern zu tun. Vielleicht werde ich einmal Premierminister. Dann müssen alle tun, was ich sage. Ja, das würde mir wirklich gefallen! Und diese blöden Hausaufgaben würde ich als erstes abschaffen, soviel stand schon mal fest. Ich grübelte noch über meine Zukunftspläne, als es zweimal klopfte. Hastig schnappte ich mir mein neues Taschenbuch und sprang aufs Bett. Wäre ja noch schöner, wenn mich Ms. Cole bei Hausaufgaben erwischte. Womöglich bot sie mir dann ihre Hilfe an. Nein danke, die brauchte ich definitiv nicht. Ich blickte zur Tür und starrte sie gebannt an.

Da wurde sie auch schon aufgerissen und mein Blick viel zuerst auf die Leiterin. Doch dann wanderte er automatisch auf einen Mann mitte vierzig. Langes kastanienbraunes Haar viel ihm über die Schultern und er hatte einen samtenen Anzug an, von einer pflaumenblauer Farbe.

"Tom?", Ms. Cole riss mich aus dem Bann des Hippies. "Du hast Besuch. Das ist Mr. Dumberton - Verzeihung, Dunderbore. Er kommt, um dir zu sagen - nun, er soll es dir selbst erzählen. "

Der Mann betrat mein kleines Zimmer und sah sich um. Ms. Cole, die sehr nach Alkohol stank, was sie öfters tat, ging hinaus und ließ uns allein.

Dunderbore? Was für ein bescheuerter Name war denn das? Da war sogar meiner noch besser, obwohl Tom wirklich jeder zweite hieß, was mich schrecklich störte. Ich wollte einzigartig sein.

Dieser Dunderbore lächelte freundlich. Was hatte er vor? Wollte er mich untersuchen, wegen den komischen Geschehnissen in meiner Gegenwart? Hatte Ms. Cole deshalb so aufgeregt gewirkt?

"Guten Tag, Tom.", durchbrach der große, schlanke Mann die Stille. Er trat auf mich zu und hielt mir seine Hand entgegen. Ich zögerte kurz, doch dann schlug ich ein und wir schüttelten uns die Hände. Zumindest hatte er keine von diesen wischi-waschi Händen, die wie ein nasses Toasbrot in der Hand lagen, wenn man sie schüttelt.

"Ich bin Professor Dumbledore", stellte er sich vor. Okey, der Name war immerhin noch besser als Dunderbore. Aber nicht viel. Ich starrte ihn an. ">Professor<?", wiederholte ich argwöhnisch. "Ist das wie >Doktor<? Warum sind sie hier? Hat die Sie etwa geholt, damit Sie mich untersuchen?" Ich wies auf die Tür, durch die Ms. Cole eben hinausgegangen war. Ich beobachtete den komischen Kauz misstrauisch. "Nein, nein", sagte Dumbledore lächelnd.

"Ich glaube Ihnen nicht.", erwiderte ich. "Sie will mich untersuchen lassen, stimmt's? Sagen Sie die Wahrheit!", verlangte ich und hoffte, dass ich die letzten vier Worte etwas drohend gesagt hatte, um so mein Verlangen zu bekommen. Ich starrte Dumbledore wütend an, der nicht antworte, sondern unentwegt freundlich lächelte. Diese Fratze regte mich jetzt schon auf.

Ich merke, dass meine Taktik so nicht funktionierte, also versuchte ich es anders. "Wer sind sie?", fragte ich.

"Das habe ich dir bereits gesagt. Mein Name ist Professor Dumbledore umd ich arbeite an einer Schule namens Hogwarts. Ich bin gekommen, um dir einen Platz an meiner Schule anzubieten - deiner neuen Schule, falls du kommen möchtest.", fügte er noch hinzu.

Ich explodierte fast vor Zorn. So schnell ich konnte, sprang ich vom Bett und wich soweit ich konnte von diesem Typ zurück. Dachte Ms. Cole wirklich, dass ich auf diese Witzfigur reinfallen würde? Da musste sie sich schon was besseres einfallen lassen, um mich unters Messer zu bringen.

"Sie können mich nicht reinlegen!", schrie ich ihn beinah an, "Sie kommen in Wirklichkeit vom Irrenhaus, stimmt's? >Professor<, ja natürlich - also, ich geh da nicht hin, verstanden? Dieses alte Biest gehört eigentlich ins Irrenhaus. Ich hab der kleinen Amy Benson oder Dennis Bishop nie etwas getan, fragen Sie die doch, die werden's Ihnen sagen!", rief ich wütend.

"Ich bin nicht vom Irrenhaus", sagte der Professor geduldig, "ich bin Lehrer, und wenn du dich jetzt hinsetzt, werde ich dir von Hogwarts erzählen. Wenn du lieber nicht in die Schule kommen möchtest, wird dich natürlich keiner zwingen -"

"Das sollen die erst mal versuchen", höhnte ich, in Gedanken an die olle Cole, wie sie mit ihrem Schlagbesen drohend vor mir stand.

"Hogwarts", fuhr Dumbledore fort, als hätte er meine Worte nicht gehört, "ist eine Schule für Menschen mit besonderen Veranlagungen-" "Ich bin nicht verrückt!", unterbrach ich ihn. "Ich weiß, dass du nicht verrückt bist. Hogwarts ist keine Schule für Verrückte. Es ist eine Schule der Magie." Stille trat ein.

Ich war erstarrt. Meine Augen verengten sich. "Magie?", wiederholte ich flüsternd. "Richtig", meinte Dumbledore.

"Ist das... ist das Magie, was ich kann?", staunte ich und war mir schon ohne seine Antwort sicher. Ich war ein Magier. Ich sah mich schon Ms. Cole und ihre blöden Helferinnen in kleine hilflose Frösche verwandeln. "Was kannst du denn?", wollte interessiert Dumbledore wissen. "Ganz viel", hauchte ich. Aufgeregt erzählte ich:"Ich kann machen, dass Dinge sich bewegen, ohne dass ich sie anfasse. Ich kann machen, dass Tiere tun, was ich will, ohne dass ich sie dressiere. Ich kann machen, dass Leuten, die mich ärgern, böse Dinge zustoßen. Ich kann machen, dass es ihnen wehtut, wenn ich will."

Ich zitterte sosehr, dass ich mich aufs Bett setzen musste, um nicht umzufallen. Ich würde von hier wegkommen. Ich durfte gehen und zaubern. "Ich hab gewusst, dass ich anders bin", flüsterte ich meinen bebenden Fingern zu. "Ich hab gewusst, dass ich besonders bin. Ich hab immer gewusst, dass da irgendwas ist." "Nun, du hattest vollkommen Recht. Du bist ein Zauberer."

Ich hob meinen Kopf und starrte gierig Dumbledore an. "Sind Sie auch ein Zauberer?" "Ja, das bin ich.", meinte er schlicht.

"Beweisen Sie es!", verlangte ich prompt. Dumbledore zog die Brauen hoch. "Wenn du, wie ich vermute, deinen Platz in Hogwarts annimmst-" "Natürlich tue ich das!", unterbrach ich ihn unwirsch.

"Dann solltest du mich mit >Professor< oder >Sir< anreden." Dumbledore sah mich an.

Meine Miene verhärtete sich. Doch ich zwang mich, freundlich zu sein. "Verzeihung, Sir", sagte ich höflich "Ich meinte - Bitte, Professor, können Sie mir zeigen -?" Ich starrte ihn an und sah wie gebannt auf ein dünnes Holzstöckchen, das er auf meinen Schrank richtete. Er schnippte.

Mein Schrank ging in Flammen auf und brannte lichterloh.

Ich sprang hoch. Was viel diesem Arsch eigentlich ein? Meine ganzen Trophäen! Meine Habseligkeiten! Alles was ich besaß war in diesem Schrank. Vor Wut heulte ich los und schrie mit blinder Wut auf diesen 'Professor' ein. Da hörte mein Schrank plötzlich auf zu brennen und mein Schrank blieb völlig unversehrt zurück.

Ich starrte ihn einen Moment lang an, dann deutete ich gierig auf diesen Zauberstab, mit dem man so viele Dinge machen konnte. "Wo kann ich so einen kriegen?"

"Alles hat seine Zeit", sagte der Mann. "Ich glaube, da will etwas aus deinem Schrank heraus. " Und tatsächlich, ein leises Rascheln war aus dem Schrank zu hören. Ich blickte ihn erschrocken an. "Öffne die Tür", verlangte Dumbledore. Ich zögerte, dann durchquerte ich das Zimmer und warf die Schranktür auf.

Meine kleine Pappschachtel, in der meine Trophäen von Beutezügen verstaut waren, wackelte.

"Nimm sie heraus", sagte Dumbledore.

Geknickt sah ich die Schachtel an. Würde er sein Angebot mit der Schule zurück ziehen?

"Ist irgendetwas in dieser Schachtel, das du eigentlich nicht haben solltest?", fragte Dumbledore. Ich warf ihm einen langen, scharfen Blick zu. "Ja, ich denke schon, Sir.", sagte ich schließlich mit tonloser Stimme. Dumbledore verlangte, dass ich die Schachtel öffnete. Ich nahm den Deckel ab und kippte den gesamten Inhalt aufs Bett. Das JoJo rollte aus dem Durcheinander vom Bett. Auch die angelaufene Mundharmonika fiel herunter.

"Du wirst sie ihren Besitzern zurückgeben und dich entschuldigen. ", sagte Dumbledore ruhig und steckte den Zauberstab zurück in sein Jackett. "Ich werde erfahren, ob du es getan hast. Und sei gewarnt: Diebstahl wird in Hogwarts nicht geduldet."

Ich starrte ihn kalt und abschätzend an. "Ja, Sir.",meinte ich dann.

Danach erklärte er mir, dass ich in der Schule lernen werde, wie ich Magie lernen und beherrschen würde. Ich durfte nicht außerhalb der Schule zaubern und musste in jeden Sommerferien in das Waisenhaus zurückkehren. Ich nickte überall.

Dann kamen wir auf Bücher. "Ich habe kein Geld. ",sagte ich. Das sei nicht so schlimm, man würde mir helfen können. Er zog einen ledernen Beutel hervor und gab ihn mir. Ich musterte die riesigen goldenen Münzen und hörte Dumbledore weiterhin zu.

Er erklärte mir, wie man in eine Straße in London kam, wo es alles für Zauberer gab. Winkelgasse nannte sie sich. Als er mir seine Hilfe für die Einkäufe anbot, lehnte ich entschieden ab. "Ich brauche Sie nicht. Ich bin es gewohnt, Sachen selber zu machen, ich geh ständig allein in London rum."

Er erzählte mir auch von einem Wirt namens Tom,der im 'Tropfenden Kessel' arbeitete, von wo man aus in die Gasse gelangen konnte. Ich verzog das Gesicht. Schon wieder Tom. Wirklich fast alle hießen so.

Da platzte was aus mir heraus, dass ich schon längst fragen wollte: "War mein Vater auch ein Zauberer? Er hieß auch Tom Riddle,hat man mir gesagt. " Doch Dumbledore enttäuschte mich: "Ich weiß es leider nicht.", sagte dieser mit sanfter Stimme. "Meine Mutter kann nicht magisch gewesen sein, sonst wäre sie nicht gestorben. Er muss es gewesen sein.

Also- wenn ich alle meine Sachen habe - wann soll ich in dieses Hogwarts kommen?"

Der Professor drückte mir einen Umschlag in die Hand und erklärte den Weg zum King's Cross und zum Gleis neundreiviertel, hinter dem sich ein Zug befindet, in den ich am ersten September steigen sollte. Ich nickte immer.

Dann stand Dumbledore auf und verabschiedete sich. Da rutschte es mir heraus:"Ich kann mit Schlangen reden, ist das normal für einen Zauberer?"

"Es ist ungewöhnlich", meinte er nach kurzem Zögern. "Aber man hat schon davon gehört. "

Stolz schwoll ich an. Sogar bei den Zauberern war ich außergewöhnlich. Wir schüttelten uns noch einmal die Hände und Dumbledore sagte: "Auf Wiedersehen, Tom. Wir sehen uns in Hogwarts."

Ich nickte nur, machte die Tür hinter ihm zu und ließ mich erschöpft, doch zufriedener denn je aufs Bett fallen.

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