41. Paiges Todestag

KAPITEL EINUNDVIERZIG
Paiges Todestag

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       DER TAG, an dem Harleen Patil Kondome in der Nachttischschublade ihrer Nichte fand, war Paiges Aroras Todestag. Zumindest wünschte sie sich einen schnellen Tod, als sie abends nach dem Besuch bei ihrem Vater nach Hause kam und ihre Tante sie ins Esszimmer rief, um ihr beinahe angewidert die Packungen auf den Tisch zu werfen, als würde sie in die Hölle kommen, sobald sie sie länger berührte. Paige blieb wie vom Donner gerührt stehen und wollte schon verschwinden, als ihr klar wurde, dass das ihre Lebenszeit nur ein wenig verlängern würde, aber nicht auf Dauer.

„Bitte töte mich, ohne mich leiden zu lassen", war das erste, was sie sagte. Ihre Tante verengte die Augen und Paige wusste, dass sie geliefert war, als sie die Hände in die Hüften stemmte. Wer auch immer dort im Himmel war und Zeit für sie hatte, er sollte Gnade mit ihr haben. Sie schluckte und setzte sich langsam an den Esstisch, vor dem ihre Tante stand und auf sie gewartet hatte.

„Was ist das?", fragte Harleen und deutete auf die quadratischen Tütchen.

„Ähm..." Paige tat so, als müsse sie überlegen. „Kondome glaube ich. Manche Leute benutzen sie wohl für Dinge, die sich nicht gehören. Habe ich gehört."

Harleen hob eine Augenbraue, während Paige sich unschuldig im Raum umsah. „Was haben die in deinem Zimmer gemacht?"

Paige atmete tief durch. „Die habe ich nur aufbewahrt für jemanden."

„Für wen?"

„Freunde", sagte Paige souverän, allerdings kam diese Antwort nicht sonderlich gut an.

„Warte nur, bis dein Onkel nach Hause kommt", drohte sie, ohne auf ihre Ausrede einzugehen, bevor sie in der Küche verschwand. Paige fragte sich, ob Flucht ihr nicht doch etwas bringen würde. Sie hob eines der Kondome hoch und betrachtete es nachdenklich. Da wurde man für verantwortungsbewusstes Handeln noch bestraft.

Das Problem war, dass die Zaubererwelt noch konservativer war als die Muggelwelt. Sie sprachen nicht darüber. Durch andere Schüler wurde man zu genüge aufgeklärt, zugegeben, und gerade durch Muggelstämmige erfuhr man doch immer mal etwas Interessantes und kam an zuverlässige Kondome, aber wenn man aus einer reinblütigen Familie kam, wurde meistens einfach nicht darüber gesprochen. Oder nur über das Nötigste.

Es gab Tränke, an denen gearbeitet wurde, die aber alle schwer zu beschaffen oder teuer waren. Muggel und Zauberer hatten bis zu den Hexenverbrennungen mit bestimmten Pflanzen verhütet, die Zauberer noch länger, aber diese Informationen waren nicht immer alle säuberlich aufgelistet irgendwo zu finden. Vielleicht wenn man ellenlange Listen mit Kräutern durchging und zufällig auf ihre Wirkungen stieß...

Wenigstens kämpften einige Muggel darum, ein wenig mehr Offenheit in das Thema zu bringen — das wäre für die Zauberer mal dringend nötig. Aber ihre Tante war wohl auch nicht gerade froh über freie Liebe und das alles.

Als Harleen mit zwei Weingläsern und einem passenden Weißwein zurückkam, hob Paige die Augenbrauen und sah ihr interessiert dabei zu, wie sie sich tief durchatmend etwas einschüttete. „Normalerweise würde ich dir etwas anbieten", sagte sie, „Aber nicht heute."

Bedauerlich.

„Er war so ein netter Junge", fuhr Harleen fast schon enttäuscht fort.

„Das macht ihn ja nicht... unnett." Im Gegenteil.

Ihre Tante trank schweigend einen Schluck Wein.

Paige sah auf die Uhr und wusste, dass ihr Onkel jeden Moment nach Hause kommen würde. „Wollen wir das nicht einfach miteinander klären?", fragte sie. Sonst würde das noch unangenehmer werden, als es sowieso schon war. „Es ist nie hier im Haus passiert."

Harleen sah zu ihr auf.

Vielleicht sollte sie aufhören zu reden.

„Und ich meine, es ist doch gut, dass ich welche benutze. Außerdem bin ich achtzehn, ich bin selbst nach Muggelgesetzen volljährig—"

„Du bist nicht verheiratet", unterbrach ihre Tante sie, fast schon verzweifelt. „Du hast niemanden, der für dich sorgt und der sich dir versprochen hat. Du... Das ist eine Sünde, Paige, wenn du ihn nicht heiratest, nachdem er dich verführt hat."

Fast hätte sie Ich habe mich doch freiwillig verführen lassen oder Vielleicht habe ich ja ihn verführt gesagt, aber als sie Harleens letzte Worte realisierte, hellte sich Paiges Gesicht zufrieden auf. „Na dann ist doch alles gut, vielleicht heiraten wir irgendwann. Eigentlich hat diese ganze Beziehung damit angefangen, dass wir heiraten wollten, es waren so ziemlich meine allerersten Worte an ihn — siehst du, keine Hölle für mich."

Harleen schien das nicht so einfach zu sehen, sagte aber nichts.

„Wieso haben wir Menschen dann Spaß daran, wenn wir es nicht machen sollen?", fragte Paige verständnislos.

„Dein Geist soll stärker sein als solche Triebe." 

„Das wäre ja, als hätten wir Hunger und es wäre falsch, etwas zu essen."

Harleen sah sie vorwurfsvoll an. „Im Gegensatz dazu musst du essen, um zu überleben", erklärte sie ernst.

Wenn sie durch ihre Augen Remus betrachten würde, würde sie das nicht so leicht behaupten können, da war Paige sich sicher.

„Es ist etwas Heiliges, das zwei Menschen auf ein Leben aneinander bindet. Es ist das Geschenk, das wir bekommen haben, um unsere Liebe zu zeigen, und die Ehe ist der Schutzraum, das zu tun", fuhr ihre Tante fort.

In diesem Moment hörte Paige das Geräusch von zischenden Flammen vom Karmin im Nebenraum und wusste, dass ihr Onkel nach Hause gekommen war. Sobald er um die Ecke ging, lächelte er, wenn auch etwas angestrengt.

„Du musst sofort herkommen", sagte Harleen energisch, als sie ihn ansah. „Die Kinder sind schon oben."

„Dir auch guten Abend, Schatz, ich bin nur heute fast gestorben, aber es geht mir gut, danke der Nachfrage." Avan Patil hielt inne, als sein Blick auf den Esszimmertisch fiel, gerade als er neben Paiges Stuhl stehenblieb und sich mit der Hand auf der Lehne abstützte.

„Du bist fast gestorben?", fragte Paige mit ehrlicher Sorge, als seine Augen an den Kondomen hängenblieben, die in der Mitte des Tischs lagen.

„Ähm, ja", entgegnete ihr Onkel fragend, stellte langsam die Tasche in seiner Hand ab und sah von den Verpackungen zu Paige, zu seiner Frau und schließlich wieder auf den Tisch. „Ich war aber schnell im St. Mungos und— Was genau ist das hier?"

Schweigend schob Harleen ihm ein Weinglas zu und schenkte ihm etwas ein. „Setz dich lieber."

Als er, fast mit einem genauso neben sich stehenden Gesichtsausdruck wie Paige ihn gerade hatte, auf sie hörte, sagte niemand etwas.

Man konnte sich vorstellen, wie unangenehm das war, oder? Nur die Uhr tickte im Hintergrund, bis ihre Tante sie auffordernd ansah. Paige zeigte fragend auf sich.

„Also, wieso sind wir hier?", fragte Harleen sie, vermutlich, damit sie sich schämte.

„Na ja...", begann Paige. Gute Frage. „Harleen hat das in meinem Zimmer gefunden."

„Aha", erwiderte ihr Onkel.

„Ja", antwortete Paige.

Ihre Tante hob auffordernd die Augenbrauen. „Und was ist das?"

Ein wenig genervt antwortete Paige: „Kondome — und jetzt frag mich nicht, wofür ich die brauche."

Sie lugte vorsichtig zu ihrem Onkel Avan, der seltsam ruhig wirkte. Überraschenderweise schien er das Ganze nicht so weltuntergangsgleich zu sehen wie seine Frau. Was irgendwie beruhigend war, weil sie gedacht hätte, er würde gleich losziehen, um Remus vor den Traualtar zu schleppen — oder zu töten. Andererseits war dafür noch Zeit.

„Na ja", sagte Avan nach einer kurzen Pause. „Wenigstens sind sie verantwortungsbewusst."

Paige nickte hastig, um ihm zuzustimmen.

Harleen sah ihren Mann ungläubig an.

„Trotzdem solltest du natürlich verstehen, wie... wertvoll das ist, was ihr jetzt teilt", fügte er an Paige gewandt hinzu.

Das hier ist auch gegen die Natur", sagte Harleen aufgebracht und hielt eines der Kondome hoch. Paige atmete tief durch.

„Stimmt, die sind ja auch ne Grauzone", murmelte sie, bevor sie laut verkündete: „Würde es euch beruhigen, wenn ich konvertiere?"

„Wozu?", fragte ihre Tante und hob die Augenbrauen.

„Ich weiß nicht", gab Paige zurück. „Die Buddhisten sehen das hier glaub ich cooler."

„Was haben wir falsch gemacht?" Die leise Stimme ihrer Tante klang verzweifelt.

„Erstmal beruhigen wir uns kurz", klinkte sich ihr Onkel wieder ein, deutlich diplomatischer. „Und Paige..."

„Ja, tut mir leid", sagte sie ein wenig einsichtiger. „Ich glaube ja an Gott. Ich meine, die Welt ist viel zu krass, um zufällig entstanden zu sein. Aber... Ich glaube nicht, dass er ein großes Problem damit hat. Wir haben die Fähigkeit zu lieben von ihm bekommen und ich kann euch nur sagen, dass wir beide wissen, was dieses Gefühl bedeutet. Wenn überhaupt kommen diese ganzen Restriktionen von der Kirche und dem Patriarchat, um uns Menschen zu kontrollieren. Nicht von Gott." Sie hielt kurz inne. „Todesser quälen, foltern und töten andere. Das ist das Böse in der Welt. Und das kommt in die Hölle. Sie tun Dinge aus Hass, ich aus Liebe. Das kann nicht falsch sein."

Sowohl ihr Onkel als auch ihre Tante sahen sie lange an.

„Wir müssen trotzdem mit seinen Eltern reden", warf Harleen nach einer langen Pause ein.

Hatte Paige erwähnt, dass sie sterben wollte?

Bitte", erwiderte sie, auch wenn es ihr vor Remus' Eltern tatsächlich weniger peinlich war als vor ihrer eigenen Familie. Aber das Ganze war trotzdem schrecklich unangenehm. „Morgen ist Heiligabend."

„Der beste Anlass, das zu klären", gab ihre Tante zurück.

„Habt ihr bis zur Ehe gewartet?", fragte Paige herausfordernd und verschränkte die Arme, als die beiden einen Blick austauschten.

„Ja", sagte Harleen schließlich.

„Ravi ist fünf Monate nach eurer Hochzeit geboren worden", merkte Paige an, die vom Moment, in dem sie diese Frage gestellt hatte, gewusst hatte, dass sie gewinnen würde.

„Größtenteils gewartet", fügte ihr Onkel hinzu.

Paige zog die Augenbrauen zusammen.

„Bis zur Verlobung zumindest", fuhr ihre Tante fort. „Fast."

„Aha." Paige klang nicht sehr begeistert.

„Aber die Tatsache ist, dass wir jetzt verheiratet sind", stritt ihre Tante schnell alles ab. „Du bist doch noch jung, Jugendliche in deinem Alter trennen sich ständig heutzutage. Solltest du irgendwann jemanden anderen heiraten, wird diese Ehe nie so vollkommen sein, weil du vor Gott von jetzt an mit Remus verheiratet bist."

Paige unterdrückte das Bedürfnis, tief durchzuatmen. Zum Glück wusste sie nichts von Malcolm... Aber wenn Paige ehrlich war, hatte das ja auch nichts bedeutet. Mit Remus verstand sie dieses ganze mit Seele und Geist eins werden, von dem sie redete.

„Könnt ihr mir das nicht erzählen, sollten wir uns irgendwann mal trennen?", fragte sie.

Aber ihre Tante bestand auf das Gespräch mit Remus' Eltern. Am nächsten Tag saßen sie also bei Hope und Remus am Esstisch, den sie schon mit einem Brief vorgewarnt hatte. Es tat ihr leid, dass sie damit einen Tag vor Vollmond und Weihnachten zu ihnen kamen, vor allem, da Remus immer Kopfschmerzen hatte, wenn seine Verwandlung so kurz bevorstand. Doch Hope wusste anscheinend schon Bescheid, da sie so souverän und entspannt reagierte, dass Paige eine noch größere Bewunderung für diese Frau entwickelte.

„Ja, ich verstehe", antwortete sie ruhig, sobald Harleen geendet hatte. „Ich war selbst auf einer katholischen Mädchenschule, es liegt nur in meinem Interesse, dass die beiden sich nicht auf solche Wege begeben."

Remus erwiderte ihren strengen Blick mit einem ungläubigen Gesichtsausdruck. Paige sah ihn vorsichtig an und versuchte, sich zum hundertsten Mal stumm zu entschuldigen, aber ihn schien das Ganze doch irgendwie auf eine seltsam peinliche Art zu amüsieren. Allerdings sah sie ihm auch seine Müdigkeit an. Seine Augen wirkten glasig und die leichten Ringe unter ihnen sprachen für sich.

Hope hatte die Rolle der strengen Mutter wirklich drauf. „Wenn sie bei uns sind, müsst ihr euch also keine Sorgen machen, ich werde sie im Auge behalten — und ansonsten appelliere ich natürlich auch noch einmal an sie."

Harleen sah zufrieden aus, als sie das hörte, und Paige tauchte einen erleichterten Blick mit Remus aus.

„Wenigstens haben wir keine Bank überfallen", warf sie ein, um die Stimmung aufzulockern. „Oder jemanden aus Versehen ermordet."

Erst als sie die einzige war, die lachte und Hope leicht mit dem Kopf schüttelte, fiel Paiges erleichtertes Grinsen in sich zusammen.

„Es wäre mir lieber", murmelte Harleen und Paige sah sie verwirrt an. Diebstahl und Mord war also besser? „Der Mord wäre wenigstens aus Versehen gewesen."

„Remus", wandte sich Avan plötzlich an ihn und Paige bekam große Augen, als ihr Onkel ihn ansprach. Er hatte bis jetzt nicht sehr viel dazu gesagt. „Wir möchten nur, dass du verstehst, was das bedeutet. Dass wir es natürlich gerne sehen würden, wenn du Paige irgendwann heiraten möchtest."

Remus schluckte unter seinem Blick, dann räusperte er sich. Paige wünschte mittlerweile, ihre Tante hätte sie einfach umgebracht.

„Ich liebe Paige, Sir", antwortete er jedoch ruhig. „Und ich werde sie nie verlassen."

Selbst Harleen sah nach dieser Antwort besänftigter aus und Paige warf ihm ein sanftes Lächeln zu. Tatsächlich schien das Schlimmste überstanden zu sein, als die beiden Anstalten machten, sich zu verabschieden, um sie mit Hope alleine zu lassen, die ja streng angekündigt hatte, noch mit ihnen zu reden. Sobald sie das Haus verlassen hatten, sahen Remus und Paige zögernd zu ihr auf.

Hope blickte die beiden schweigend an, bevor sie langsam nickte. „Für die Zukunft", begann sie und ihre Mundwinkel zuckten. „Bewahrt sowas lieber hier auf." Es war kein Vorwurf in ihrer Stimme. Paige und Remus nickten hastig. „Ansonsten müsst ihr mir nur etwas sagen und ich gehe in den Garten oder mache einen Spaziergang."

Remus, dem das Ganze sehr unangenehm zu sein schien, sah gequält aus. „Mum..."

„Danke", erwiderte Paige im gleichen Moment ungerührt. Sie fragte sich, ob ihre Mum genauso cool gewesen wäre.

Hope zwinkerte ihr zu, bevor sie in die Hände klatschte. „Und jetzt geht ins Wohnzimmer und schaut euch einen Film an."

Gerade, als sie sich umdrehen wollte, hielt Paige sie neugierig zurück. „Warst du wirklich auf einer katholischen Mädchenschule, Hope?", fragte sie.

„Oh, ja", antwortete Remus' Mutter ernst und schien sich kurz an diese Zeit zurückzuerinnern, bevor sie mit den Schultern zuckte. „Wenn keine Jungs da sind, küsst man halt die Mädchen."

Und damit verschwand sie in der Küche. Paige nickte anerkennend, bevor sie zu Remus sah, der seiner Mum fassungslos hinterher blickte. Es war das erste Mal, dass Remus und Paige alleine waren, seitdem ihr Onkel und ihre Tante aufgekreuzt waren. „Es tut mir so so leid", war das erste, was Paige hervorbrachte. „Ich meine, ich hab ihnen versucht zu erklären, dass im Grund meine ersten Worte an dich ein Heiratsantrag waren — erst wollte ich natürlich so tun, als gehören sie nicht mir, aber das wäre auch nicht sonderlich glaubwürdig gewesen, also... Ja, mit dieser Schande müssen wir jetzt wohl leben. Du musst mich auch nicht heiraten, fühl dich nicht verpflichtet, ich persönlich finde, dass wir viel zu jung sind, um überhaupt darüber nachzudenken—"

„Paige", unterbrach Remus sie. „Mir war noch nie etwas so unangenehm, aber wir haben es überlebt." Er hielt kurz inne und überlegte, ob er ihr von dem Gespräch mit ihrem Vater erzählen sollte. Vermutlich würde es ihr nur ein komisches Gefühl geben. Doch sie hatte schon längst bemerkt, dass er mit irgendetwas haderte und verengte die Augen.

„Worüber denkst du nach?", fragte sie.

„Nichts."

Sie sahen sich kurz an und Remus biss sich auf die Lippe.

„Na gut", gab er nach. „Aber... Ich weiß nicht, wie ich..."

„Ist es was Schlimmes?", fragte Paige besorgt und trat ein wenig näher an ihn heran.

Remus wich leicht zurück. „Nein, es ist... Als wir bei deinem Dad waren—"

„Er hat dir gedroht", stellte Paige sofort fest. „Ich wusste es."

„Nein", sagte Remus schnell. „Aber er weiß es."

Paige atmete tief durch. Natürlich.

„Und er fand es... besorgniserregend. Er ist natürlich besorgt — verständlich — und er meinte, es wäre das Beste für dich, wenn ich dich gehen lasse."

„Hm", erwiderte sie. Sie spürte, wie sie sich ein wenig von Remus abwandte, beinahe, als erwarte sie, zu hören, dass er lange darüber nachgegrübelt hatte, ob das nicht wirklich das Beste wäre.

Remus, der die Veränderung und Verletzlichkeit in ihrem Blick sah, umfasste ihr Gesicht mit seinen Händen, um ihr energisch in die Augen zu sehen. „Aber das ist es, Paige: Ich habe nicht mal eine Sekunde darüber nachgedacht, dass er vielleicht recht damit hat. Weil er das nicht hat."

Überraschung legte sich in Paiges Gesichtsausdruck und es verwunderte sie selbst, dass diese Worte sie so aus der Bahn warfen. Sie hatte sich fast daran gewöhnt, ihm versichern zu müssen, dass es egal war, ob er ein Werwolf war oder nicht, doch erst jetzt fiel ihr auf, wie lange sie ein Gespräch dieser Art nicht mehr geführt hatten.

„Es wäre so dumm, dich von mir zu stoßen, um dich zu schützen, weil es uns beide nur unglücklich machen würde — und davon abgesehen will ich es auch nicht. Ich brauche dich und ich habe lange nicht gewusst, ob ich dich wirklich verdiene, aber du hattest so recht, als du meintest, dass rein gar nichts an meinen Gefühlen anders wäre, wenn du der Werwolf wärst. Also weiß ich jetzt, dass... Es würde komisch klingen, zu sagen, dass ich weiß, dich zu verdienen, aber ich weiß, dass du mich liebst und dass ich dich liebe. Und das wollte ich dir die ganze Zeit sagen, weil ich weiß, wie dämlich ich am Anfang war und dass ich dich verletzt habe."

Paige blinzelte ein paar Mal überrumpelt, bevor sie recht dümmlich wiederholte: „Mein Vater meinte, es wäre besser, dich von mir fernzuhalten und du hast Nein gesagt?"

Remus schien kurz zu überlegen, bevor er lächelte. „Ja", antwortete er übermütig, bevor ihm die Bedeutung dieser Worte wirklich klar wurde. Er lachte leicht. „Ja."

Nun lachte auch Paige, deren Mundwinkel sich immer weiter hoben. Etwas fiel von ihr ab — etwas, von dem sie nicht gewusst hatte, dass es überhaupt da war. Kurz empfand sie Wut bei dem Gedanken, dass ihr Vater sich so hinter ihrem Rücken hatte einmischen wollen, aber sie schluckte sie herunter. Auf einmal blinzelte sie verdächtig oft und versuchte, sich das nicht anmerken zu lassen. „Immer wenn wir bei dir sind, werden wir poetisch", murmelte sie leichthin, unsicher, wie sie reagieren sollte. „Hast du was zu trinken?"

Remus sah sie ein wenig überrascht an, dann lächelte er, weil er wusste, dass es nicht nötig war, mehr zu sagen. Vielleicht war er auch zu müde, um nachzuhaken. „Meine Mum hat Baileys gemacht", antwortete er. Sehr gut, er verstand schon.

(Remus' Mutter machte göttlichen Baileys, wie man hinzufügen musste.)

„Schokolade?", fragte er weiter. Paige nickte natürlich.

„Da fällt mir ein, bei der ganzen Aufregung hab ich nicht mal Schokolade dabei", fiel es ihr ein, als er mit zwei Gläsern zurückkam. Gerade als sie ihres entgegennehmen wollte, hielt er es wieder von ihr weg.

„Du hast was?", fragte er zutiefst empört.

„Das passiert mir sonst nie."

Remus schüttelte mit dem Kopf. „Paige", sagte er ernst.

Sie verzog das Gesicht.

„Du trittst hier gerade unsere Beziehungsgrundlage mit Füßen — ich... ich weiß wirklich nicht, wie ich das mit uns jetzt noch weiterführen kann."

„Ja, ich weiß", seufzte Paige betrübt. „Ich habe uns verraten."

Remus nickte. „Du weißt doch, es war mein Hauptgrund, mit dir zusammenzukommen, dass du immer Schokolade dabei hast. Das ist wirklich praktisch. Ich meine, seitdem habe ich mir sogar angewöhnt, immer welche dabei zu haben."

Sie zeigte mit dem Finger auf ihn. „Ich erinner mich sogar daran", meinte sie stolz. „Du hast mich daraufhin gefragt, ob ich dich damit rumkriegen will. Wollte ich natürlich", antwortete sie für ihr damaliges Ich.

Remus reichte ihr grinsend die angebrochene Tafel Vollmilchschokolade, die er aus der Küche mitgebracht hatte, und folgte ihr auf die Couch. Die beiden begannen mit ihrem Beziehungsritual, schweigend nebeneinander zu sitzen und Schokolade zu teilen.

Sobald sie den dritten Schluck ihres Baileys genommen hatte, seufzte sie wohlig. „Perfekt zum Vorglühen", murmelte sie nach einer Weile.

„Wofür vorglühen?", fragte Remus ein wenig verwirrt neben ihr.

„Oh, Lokesh hat mich doch wieder zu einer Familienfeier eingeladen", erklärte sie, auch um auf das Thema überzuleiten, dass sie seit sie bei ihrem Dad war beschäftigte. Remus, der sich den Kopf hielt und recht angestrengt aussah, blickte ebenfalls auf.

„Irgendetwas ist zwischen ihm und deinem Vater offensichtlich vorgefallen...", meinte er ruhig. „Etwas, worüber er nicht reden wollte."

Paige nickte.

„Bist du sicher, dass du hingehen willst?"

Sie lächelte leicht bei der Sorge in seiner Stimme, konnte aber nicht leugnen, dass sie ein ähnlich mulmiges Gefühl hatte. „Das wird schon", antwortete sie deswegen. „Vielleicht kann ich mit ihm sogar darüber reden."

„Ich wäre vorsichtig", gab Remus zu. „Da sind nur Reinblüter, nicht? Ich will deinem Onkel nichts unterstellen, aber in diesem Krieg sind die Allianzen vieler reinblütiger Familien recht klar."

„Ich weiß."

Paige dachte an diesen Sommer zurück, wo sie Sirius' Mutter über den Weg gelaufen war. Sicher hielten sich dort nur wenige gute Menschen auf...

Remus sah sie besorgt an. „War Malcolm beim letzten Mal da?"

Ohne dass sie es kontrollieren konnte, zitterten ihre Hände leicht, als sie diese Frage hörte. Vielleicht lag es nur an dem kühlen Glas, in dem die Eiswürfel gegeneinander klirrten. „Nein." Sie atmete tief ein. „Aber seine Eltern. Also... vielleicht heute."

„Wenn es dir lieber wäre, kann ich mitkommen", schlug Remus vorsichtig vor.

„Du solltest schlafen", murmelte sie und drehte ihren Kopf zur Seite, um ihm eine Hand an die Wange zu legen. Er schloss die Augen und sie sah, dass er sie vor lauter Anstrengung am liebsten nicht mehr öffnen würde.

„Falls es dir lieber wäre, jemanden dabei zu haben, kannst du auch Sirius oder James fragen. Wobei James vermutlich weniger auffallen würde bei anderen Reinblütern als Sirius."

Paige ließ ihren Kopf schweigend auf seine Schulter fallen, ihr Herz raste plötzlich bei dem Gedanken an heute Abend. Sie sollte nicht so nervös sein, aber normalerweise trog sie ein seltsames Gefühl nicht. Das hatte es bei Remus auch nicht, als er ihr verheimlicht hatte, ein Werwolf zu sein. Oder es zumindest versucht hatte.

„Danke", sagte sie plötzlich leise.

„Wofür?", fragte Remus mit sanfter Stimme.

Sie wusste es selbst nicht. Für alles? „Dafür, dass du es mit mir aushältst", lachte sie leicht.

Sie spürte Remus mit dem Kopf schütteln. „Ich halte es sehr gerne mit dir aus."

❂ ❂ ❂

        SIRIUS UND JAMES flankierten Paige von beiden Seiten, als sie das Haus ihres Onkels betrat, jeweils einen ihrer Arme angehoben, damit sie sich bei ihnen einhaken konnte. Sie wusste nicht, was für einen Anblick sie abgaben, aber sie zogen einige Blicke auf sich, als sie in den Salon gingen. Es brachte Paige dazu, zufrieden zu lächeln.

Sirius' Locken kringelten sich noch stärker als sonst, James' Haare standen wie immer unordentlich ab, passten aber heute so gut zu ihm, dass es gewollt wirkte, und Paige hatte ihre Haare gelockt und oben zusammengesteckt.

„Mission: ‚Verdächtige Dinge an Paiges Onkel finden' startet hiermit", merkte James mit einem Grinsen an, das Paige die Augen verdrehen ließ. Sie fühlte sich in ihrem roten Kleid wie inmitten von zwei Bodyguards, so wie sie da mit ihren schwarzen Anzügen neben ihr herliefen, Sirius an ihrer linken auf ihrer Höhe und James auf ihrer rechten einen halben Kopf größer als sie. Er schob sich grinsend die Brille zurück und seine Haare fielen ihm verschmitzt in die Stirn. „Und dazu noch so ein edles Ambiente, hach."

Paige verdrehte bei seiner Wortwahl belustigt die Augen, während Sirius sich in dem großen Saal umsah. Der Boden war schwarz-weiß gekachelt und von der Decke hing ein Kronleuchter. Wie auch im Sommer standen lange Tische am Rand des Raums, auf denen Essen serviert wurde. Hauselfen liefen umher, um Getränke zu bringen.

„Ihr hättet wirklich nicht am Heiligabend kommen müssen", beschwichtigte sie noch einmal die Dramatik, mit der sie an die ganze Sache herangingen.

„Oh Paige", meinte Sirius, dessen Augen interessiert durch den Raum wanderten. „Du hast ja keine Ahnung, wie sehr ich das alles vermisst habe."

Paiges Blick fiel auf das grüne Kleid von Amelia, Lokeshs Frau, die mit einem Lächeln auf sie zukam, als sie sie entdeckte. Sie fühlte sich wirklich besser, jetzt, wo James und Sirius dabei waren, wenn sie ehrlich war. Auch sie suchte den Raum nach ihrem Onkel ab.

„Sirius?", fragte Amelia überrascht und setzte einen strahlenden, höflichen Gesichtsausdruck auf, als sie vor ihnen stehenblieb. Paige wusste nicht, ob er echt war. „Was für eine Überraschung, dich zu sehen." Ehe James und Paige sich versahen, zog sie ihn in eine Umarmung. Ihnen entging jedoch nicht, dass sie nicht definiert hatte, ob es eine gute oder schlechte Überraschung war.

„Auch für mich", entgegnete Sirius charmant. „Du siehst wunderschön aus."

„Ach du", sagte Amelia kopfschüttelnd und strich ihm über den Arm. Paige beobachtete ihr scheinbar gekünsteltes Verhalten interessiert. „Du hast schon immer gerne Komplimente gemacht."

„Wie mein Onkel, nicht? Muss wohl in der Familie liegen", gab Sirius mit dem gleichen Lächeln zurück, das Amelia nun auf dem Gesicht gefror. „Cygnus, du erinnerst dich? Der verheiratete."

Sie trat einen Schritt zurück und nickte mit Würde. Sirius hob die Augenbrauen.

„Wenn ihr etwas trinken wollt", sagte sie mit weitaus kühlerer Stimme, „Fragt nur die Hauselfen."

Paige lächelte verunsichert und drehte sich zu Sirius. „Was war das denn?", fragte sie.

„Ah ja, die gute Amelia Greengrass... Arora... hatte mal etwas mit meinem Onkel — meinem sehr verheirateten Onkel", erklärte er locker. James hielt derweil einen Hauselfen an, der mit einem Tablett durch den Raum lief, und reichte Paige und Sirius ein Sektglas. „Und siehst du den?" Sirius beugte sich zu Paige hinüber. „Seine Vorfahren waren Potters und Blacks übrigens."

James und Sirius grölten leise und schlugen sich ab. Paige schüttelte mit dem Kopf.

„Auf jeden Fall hat er was mit ihr da hinten. Was in Ordnung ist, weil ihr Mann mit ihrem Bruder schläft. Die gute Mrs. Avery da hinten schläft mit ihrem Schwiegersohn."

Paige verzog bei diesen ganzen Informationen das Gesicht, bis Sirius plötzlich in eine andere Richtung rief: „Na Reggie, und mit wem hast du hier was am Laufen?"

Sowohl James als auch Paige sahen zur Seite, als Sirius so provokant mit einem Jungen in der Nähe sprach. Paige kannte ihn vom Sehen aus der Schule — und selbst wenn sie das nicht täte, war seine Verwandtschaft mit Sirius unverkennbar. Er hatte die gleichen stechend silbernen Augen und schwarzen Locken der Blacks geerbt, aber sein schmales Gesicht mit den scharf definierten Wangenknochen war von noch markanteren Zügen geprägt als das von Sirius. Im Gegensatz zu Sirius' Aura, die wie ein Wirbelsturm voller Emotionen um sich wütete, trug Regulus sich mit einer ruhigen Eleganz und einer greifbaren Gleichgültigkeit. 

„Was machst du hier?", fragte er kühl, als er an ihn herantrat.

„Ich bin als Begleitung hier", sagte Sirius schlicht und Regulus' Blick flackerte nur beiläufig zu Paige. Es war die Black-Arroganz, die sie teilten, doch es war das erste Mal, das Paige sie so bewusst am eigenen Leib zu spüren bekam. „Komm schon, wer war das Mädchen, mit dem du dich so nett unterhalten hast?"

„Mutter ist auch hier." Es war das einzige, was Regulus sagte und sein Gesicht zeigte keine Gefühlsregung. Sirius blickte ihm lange in die Augen und nickte schließlich, ein Lächeln zierte seine Lippen.

„Wie schön für sie."

Die beiden sahen sich stumm an und Paige bewegte sich ein wenig unruhig auf ihrem Platz hin und her, bis Regulus ruhig sagte: „Also, wieso begleitest du Lupins Freundin hierher?"

„Oh, Regulus, wie unhöflich von dir", mischte sich James spöttisch ein. „Es ist auch schön, dich zu sehen und Lupins Freundin freut sich, deine Bekanntschaft zu machen."

Regulus drehte sich genervt zu ihm um, bevor er ein Lächeln aufsetzte, um sich an Paige zu wenden. „Ich bin Regulus", sagte er und streckte seine Hand aus.

„Paige", erwiderte sie, als wäre nichts geschehen, während sie seine Hand ergriff und schüttelte.

„Das ist das Haus deines Onkels, nicht?"

Sie nickte bei seiner Frage.

„Ich würde dir viel Spaß wünschen, aber ich verzichte darauf, weil du von Potter und meinem Bruder begleitet wirst—"

„Und wir haben uns doch mal so gut verstanden", sagte James kopfschüttelnd, doch Regulus strich nur seinen Anzug glatt und verschwand schnaubend in der Menge.

Sirius sah ihm nachdenklicher hinterher, als er es zugeben wollte, also hakte Paige sich behutsam bei ihm unter, um ihm irgendwie zu zeigen, dass sie hier war. Er sah zu ihr hinab und nickte leicht, als wolle er Danke sagen. Dann schob er sie wieder von sich und legte ihr einen Arm um die Schulter.

„Da hinten ist Kieron", sagte er plötzlich. „Vielleicht küsse ich ihn, wenn meine Mutter rüberschaut."

Und bevor Paige überhaupt den Mund öffnen konnte, war er über alle Berge.

„Mehr Essen für uns", merkte James schlicht an und sah sich hungrig wie er war am Essensbuffet um. Paige sah jedoch immer noch nachdenklich Sirius hinterher. „Ich muss dir noch was erzählen."

Nun galt ihre Aufmerksamkeit ganz James, der wie ein kleines Kind grinste, als er in eine Scheibe Baguette biss.

„Als ich mich von Lily vor den Ferien verabschieden wollte, hat sie plötzlich Potter, warte gesagt", erzählte er mit verdächtig viel Stolz in der Stimme.

„Wie hat sie das gesagt?", fragte Paige begeistert.

„Als würde es..." Er grinste. „Sie Überwindung kosten."

Vielleicht hatte Paige am Anfang ihre Zweifel gehabt, aber mittlerweile glaubte sie wirklich an die beiden (trotz Wette mit Sirius). Es wäre so süß. „Und?"

„Wir treffen uns demnächst."

Paige atmete tief ein und hielt sich eine Hand vor den Mund, quietschende Laute verließen sie. „Wieso wusste ich davon noch nichts?"

„Weil du im Zug bei deinen Freunden saßt", erwiderte James herzgebrochen, was sie zum Lachen brachte. Wenn jemand sie immer zum Lachen bringen konnte, dann war es James Potter. Es war schwer zu erklären, manchmal war es einfach nur die Art, wie er Dinge betonte oder wiederholte.

„Paige", erklang da die Stimme ihres Onkels und sie wusste nicht, ob sie froh war, ihn endlich zu sehen oder ob sie es gerne noch länger hinausgezögert hätte. Als sie sich umdrehte und bemüht war, ihr Lachen von eben unter Kontrolle zu halten, wusste sie, dass es letzteres war. Neben ihm stand Malcolm, mit einem schiefen, fast schon triumphierenden Grinsen. James richtete sich neben ihr auf.

„Paige", ließ auch Malcolm ihren Namen über seine Zunge rollen. „Ich habe deinem Onkel gerade gesagt, was für ein lustiger Zufall es ist, dich hier zu sehen."

„Das ist es in der Tat", erwiderte sie mit einem charmanten Lächeln und hielt seinem nicht einmal von ihr ablassendem Blick stand, als er nach ihrer Hand griff, um sie zu küssen. Sie wischte sich demonstrativ ihren Handrücken an ihrem Kleid ab, sodass nur er es sah, und setzte einen lieblichen Gesichtsausdruck auf. Er lächelte zurück.

„Begleitet von James, wie ich sehe", stellte ihr Onkel fest, während Malcolm Paige fest in die Augen sah. „Einer meiner besten Schüler."

„Oh, Professor", sagte James verlegen. Oder zumindest übertrieben geschmeichelt, obwohl er genau wusste, dass es stimmte. Doch auch er ließ Malcolm nicht aus den Augen.

„Wo hast du Lupin gelassen?", fragte Malcolm ruhig.

„Er fühlt sich nicht gut", antwortete Paige mit angespanntem Kiefer.

„Er ist recht anfällig", merkte ihr Onkel locker an und sah sie eindringlich an. „Aber wenigstens in regelmäßigen Abständen."

Er wusste es, war das erste, was Paige in den Sinn kam. Er wusste, dass Remus ein Werwolf war. Wenn es ihr Vater gewusst hatte... Warum nicht er? Doch sie würde ihm seinen Verdacht nicht bestätigen.

„Würdest du gerne tanzen?", fragte Malcolm, bevor irgendjemand etwas erwidern konnte und streckte elegant seine Hand aus. Paige würde vieles gern, aber sicherlich nicht das.

„Um ehrlich zu sein", antwortete James souverän, „Werde ich jetzt mit Paige tanzen."

„Tut mir sehr leid", log Paige offensichtlich mit einem bedauernden Lächeln, bevor sie sich von James in die Mitte des Saals führen ließ. „Sie wissen was", wisperte sie leise, sobald James einen Arm um ihre Taille legte und sie sicher zur Musik führte. „Zumindest mein Onkel und—" Ihr Blick fiel überrascht auf James und sie zog die Augenbrauen zusammen. „Du kannst das gut."

„Ich weiß", grinste James selbstsicher und ließ sie sich demonstrativ eindrehen, um sie gekonnt wieder im Arm zu halten und weiter im Takt zu bewegen. Dann sah er ernster aus. „Egal, was er weiß, Remus wird erstens nichts davon erfahren und zweitens nicht darunter leiden, wenn er was dagegen hat." Sein Blick verfinsterte sich. „Zur Not sorge ich dafür."

Und Paige, deren Augen selten so entschlossen ausgesehen hatte, verengten sich mit demselben Feuer. „Glaub mir", entgegnete sie. „Ich auch."

Während sich zwei Freunde das Versprechen gaben, den zu schützen, der ihnen am Herzen lag, hatten andere an diesem Abend weniger reine Absichten. Malcolm stand am Rand des Saals, ein Glas Champagner in der Hand, und beobachtete James, in dessen Armen sich Paige im Takt bewegte. Sein Blick war finster, als er das Glas zu seinen Lippen führte, bevor er den Kopf leicht zu seinem kleinen Bruder, der neben ihm stehenblieb. „Und?", fragte er ungeduldig.

Kieron atmete tief durch, seine Krawatte hing lockerer um seinen Hals als eben. „Was und?", gab er eine Spur zu patzig zurück.

„Du solltest dich nicht einfach so mit ihnen befreunden, du Nichtsnutz", sagte Malcolm mit tiefer Stimme, dem sein Tonfall nicht gefiel. „Irgendetwas Nützliches musst doch selbst du aus ihnen herausbekommen können."

Kierons Blick flackerte nachdenklich zu Paige und James, und schließlich zur Sirius auf der anderen Seite des Raums. Er tat doch sein Bestes.

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