37. Pakt mit dem Teufel
KAPITEL SIEBENUNDDREIẞIG
Pakt mit dem Teufel
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PAIGE VERBRACHTE DIESE NACHT bei Remus. Sie hatte ihre Schlafsachen schon heute Mittag vorbeigebracht, daher konnten Sirius (und vielleicht auch James) keine wilden Theorien aufstellen. Also, das könnten sie schon (nur bei Peter war sie sich sicher, dass er keine Fragen stellte), allerdings waren sie dafür zu betrunken, als sie irgendwann ins Bett stolperten. Selbst ihr Gepolter störte Paige nicht, so fest schlief sie in Remus' Armen.
Zumindest tat sie das, bis ein lautes Klopfen durch den Raum hallte. Keiner im Schlafsaal der vier Jungs reagierte. Doch dann ertönte ein erneutes Klopfen. „Potter, bitte, bist du noch wach?", konnte Paige die Stimme von Lily Evans auf der anderen Seite der Tür hören. Verwirrt zog sie die Augenbrauen zusammen. Lily? Was machte Lily denn hier?
Sie murrte etwas in Remus' Brust, der sich nun auch endlich rührte. „Krone", rief er und Paige verzog bei seiner lauten Stimme das Gesicht. „Das ist deine große Liebe, kümmer dich um sie."
Es wurde erneut still im Schlafsaal und Paige wollte einfach nur wieder schlafen. Sie dachte schon, niemand würde sich rühren, bis sie hörte, wie James seine Decke zurückschlug. Paige machte vorsichtig ein Auge auf und drehte kurz den Kopf herum, um einen Blick auf die Tür zu werfen. James schien auf seinem Nachttisch herumzutasten, bevor seine Füße ihn eilig durch das Zimmer trugen. Er beugte seinen Kopf nach vorne und fuhr sich durch die Haare, bevor er die Türklinke nach unten drückte und den Blick auf Lily freigab, die in ihrem blauen Kleid immer noch bezaubernd aussah.
„Potter", sagte sie sofort und klang ein wenig so, als würde sie leiden. „Ich brauch deine Hilfe."
„Was ist denn?", fragte James verwirrt und... ein wenig gereizt. „Es ist halb vier, Evans."
„Ich weiß", gab sie bei dem vorwurfsvollen Ton in seiner Stimme ruppig zurück. „Da unten sind zwei Erstklässler und wollen sich irgendwie prügeln oder so, keine Ahnung. Als Schulsprecher müssen wir doch eingreifen."
„Und das schaffst du nicht alleine?"
„Ich wollte sie auseinanderhexen", sagte sie undeutlich. „Aber ich kann nicht mehr zaubern."
Es wurde still. Paige begann zu erkennen, warum Lily nach diesen Worten einen Lachanfall bekam. „Ich bin zu besoffen, James."
„Lily", entfuhr es ihm deutlich überrumpelt bei dieser Mitteilung und obwohl Paige Schlafunterbrechungen hasste, bekam sie langsam Gefallen an dem, was sich hier vor ihren Augen und Ohren abspielte. „Okay, setz dich erstmal, ich kläre das."
Doch bevor er sie zu seinem Bett führen konnte, ließ sie sich auf das nächstbeste fallen. „Hey!", schrie Sirius laut, der definitiv nie gute Laune hatte, wenn man ihn um irgendeine beliebige Uhrzeit weckte — oder sich auf ihn warf.
„Hey, Sirius", sagte Lily freundlich.
„Evans?"
James seufzte und verschwand unten im Gemeinschaftsraum.
„Wie geht's euch so?", fragte Lily munter weiter.
„Hör auf zu reden", murrte Sirius und wollte sich seine Decke über den Kopf ziehen, was er jedoch nicht konnte, da Lily auf ihr saß.
„Ist es meine weibliche solidarische Pflicht, was zu machen?", flüsterte Paige Remus zu.
„Ich glaub schon", gab er müde zurück.
Paige schob seufzend die Bettdecke zurück und schwang die Beine über die Kante, um aufzustehen. „Hey, Lily", sagte sie so lieb wie möglich und ging auf das rothaarige Mädchen zu, um sich neben sie zu setzen. Lily ließ sich sofort gegen sie sinken und war dankbar, dass Paige einen Arm um sie legte.
„Hallo Gott", sagte Sirius plötzlich ernsthaftig. „Falls du das hier siehst... Ich weiß, was du denkst, aber ich habe die Freundin und Fast-Freundin von meinen besten Freunden nicht absichtlich in mein Bett geholt. Ich begehe gerade keine Sünde, ich schwör's."
Augenverdrehend sah Paige zu ihm, doch er blickte tief im Gespräch versunken an die Decke.
„Fast-Freundin?", sagte Lily da. Merlin. „James und ich sind Freunde. Ganz normale."
Paige wusste nicht, was sie darauf sagen sollte. Sie merkte erst, dass Remus aufgestanden war, als er sich auf die andere Seite neben Lily setzte und ihr einen Arm um die Schultern legte. „Lily", begann er. „Du bist doch gut mit Mary befreundet, nicht?"
Lily schien zu überlegen. „Ja?", sagte sie dann.
„Fühlt es sich genauso an mit James?"
Er fing sich einen anerkennenden Blick von Paige ein. Clevere Frage.
Doch Lily runzelte die Stirn. „Natürlich nicht", sagte sie schnell. „Ich kenne sie ewig."
„Und wenn du James noch ein paar Jahre kennst...", führte Remus seinen Gedankengang seelenruhig aus. „Wäre es immer noch das gleiche? Ihr könntet beste Freunde sein, wäre das nicht schön?"
Lilys Miene verzog sich bei dem Gedanken. Paige hob die Augenbrauen. „Der Gedanke, nur befreundet zu sein, ist komisch, hm?", meinte sie.
Sirius seufzte genervt. „Ich begehe übrigens auch keine Sünden mit Remus, solltest du das denken", redete er weiter mit der Decke.
Und da traf es Lily, die weiter über Paiges Worte nachdachte, wie einen Schlag. „Oh Gott", sagte sie und sprang auf. „Oh Gott."
„Stell dich hinten an, ich rede gerade mit ihm", meinte Sirius trocken.
„Ich muss hier raus." Lily stand wie ein aufgeschrecktes Reh vor Sirius' Bett und sah hektisch von Paige zu Remus, bevor sie zur Tür hetzte, in der James gerade wieder erschien. Manchmal hatte das Schicksal wohl ein Unterhaltungsprogramm nötig. Sie rannte mitten in ihn hinein, starrte ihn mit aufgerissene Augen an und verschwand schließlich die Treppen hinab in ihren Schlafsaal, ohne noch etwas zu sagen.
„Ähm...", begann James. „Was...?"
„Nichts", entgegneten Remus und Paige gleichzeitig. Das mussten sie selbst klären.
James kniff skeptisch die Augen zusammen. „Na gut, sagt es dem armen James eben nicht. Jetzt geht er schlafen, traurig, weil seine Freunde ihn im Dunkeln tappen lassen, obwohl er eben..." Dann schien ihm einzufallen, warum er hier war. „Oh, Paige, dein Cousin will seinen besten Freund wegen irgendeiner Betty umbringen."
Paige klappte der Mund auf.
„Hab ich vergessen", merkte er locker an, bevor er fortfuhr, „Wegen Lily noch mal..."
„Sie steht auf dich", murrte Sirius.
„Hast du ihn gestoppt?", rief Paige im gleichen Moment.
James sah zwischen ihnen hin und her. Dann wandte sich gehetzt an Paige. „Ja", sagte er und legte die Hände flach aneinander, um auf sie zu zeigen, bevor er sich dem halb schlafenden Sirius zuwandte. „Lily hat das gesagt?"
„Na ja", begann Remus.
In diesem Moment hörten die vier, wie eine weitere Bettdecke zurückgeschlagen wurde. Peter setzte sich mit dunklen Augenringen auf und starrte sie völlig verwirrt an. „Lily war hier?"
❂ ❂ ❂
ES WAR DER ERSTE VOLLMOND, an dem Paige sich darüber bewusst war, was wirklich vor sich ging. Sonst hatte sie in ihrem Schlafsaal gelegen und gedacht, dass Remus in der Heulenden Hütte war; eingesperrt und isoliert. Doch nun kannte sie die Wahrheit: Er war nicht eingesperrt. Er bewegte sich völlig frei über das Schulgelände — was sie einerseits freute, weil Remus gesagt hatte, dass er sich seitdem aus Frustration weniger selbst verletzte, andererseits dachte sie daran, wie leichtsinnig es war, wenn ein Schüler oder Lehrer aus welchen Gründen auch immer nachts draußen umherwanderte. Oder wenn sonst etwas schiefging. James, Sirius und Peter waren zwar Animagi, aber das hieß nicht, dass alles immer nach Plan lief.
Sie wusste nicht, ob sie in dieser Nacht nicht sogar noch besorgter war, auch wenn diese Sorge nun verstärkt Remus' Freunden galt. Erst, als sie die Augen öffnete, realisierte sie, dass sie weggedämmert sein musste. Sie runzelte leicht die Stirn. Na ja, das war auf jeden Fall eine Besserung.
Plötzlich überkam sie mit einem Mal die Erinnerung an den Traum, den sie gehabt hatte, doch es war nur ein Bruchstück, das vor ihrem inneren Auge aufblitzte. Ihr Magen zog sich zusammen und sie hatte das Gefühl, sich bei den Bildern in ihrem Kopf übergeben zu müssen. Sie zog das Laken enger an sich und drehte sich auf die Seite.
Blut. Überall war Blut. Von einem Moment auf den anderen schien es, als hätten jegliche Rezeptoren in ihren Augen, die andere Farben als rot wahrnahmen, aufgehört zu arbeiten. Der graue Kellerboden ließ es aussehen, als hätte man Kirschsaft auf einem alten Schwarz-Weiß-Foto verschüttet, der sich beinahe grotesk von dem schlichten Hintergrund abhob. So sah es in ihrer Erinnerung aus. Leuchtend. Grell. Neben dem schwarzen Haar ihrer Mutter, die bäuchlings in der roten Lache lag, war es der einzige Ton im Farbspektrum, der in dem Raum mit den dreckigen grauen Wänden vertreten war.
Erst dann sah sie ihren Vater, an die andere Seite der Wand gedrückt, zitternd, murmelnd, es nicht glaubend wollend. Er schleppte sich schließlich zu ihr, hob sie an, rief ihren Namen. Paige spürte die Tränen in ihren jungen Augen brennen, als sie zu verstehen begann, dass etwas mit ihrer Mutter nicht stimmte.
In diesem Moment blickte ihr Vater zu ihr auf.
„Paige", hörte sie eine Stimme, doch es waren nicht seine Lippen, die sich bewegten. Es war nicht seine Stimme. Es war nicht seine Hand, die sich auf ihre Schulter legte. Es war...
Die Erinnerung an ihren Traum zerbrach vor ihren Augen und ließ sie mit einer unbehaglichen Leere in sich in ihrem Bett zurück. Sie versuchte krampfhaft, sich zu erinnern, aber da entglitten ihr auch die anderen Teile dessen, was sie heute Nacht gesehen hatte.
So sehr sie sich Schlaf wünschte, um nicht mehr daran zu denken, drehte sie sich weiter hin und her, bis die Sonne aufging. Erst dann beruhigen sich ihre Gedanken und sie driftete erneut ab.
Als ihr Wecker sie wach klingelte, schreckte sie mit schnell klopfendem Herzen auf, und murrte vor sich hin. Die Details ihres Traums hatte sie schon wieder vergessen — jetzt hieß es frühstücken und zum Unterricht gehen. Sirius kam schnell in der Großen Halle zu ihr gejoggt, um ihr mitzuteilen, dass es Remus gut ging, er aber noch im Krankenflügel lag. Sie beschloss, ihn in der Pause nach der zweiten Stunde zu besuchen.
Ihr Tag wurde allerdings nicht gerade besser. Über Zaubertränke wollte sie nach dem zurückbekommenen Test gar nicht mehr nachdenken, aber die Note, die sie erhalten hatte, verfolgte sie mehr, als ihr lieb war. Sie versuchte, sie zu verdrängen und erst später daran zu denken. Die beste Strategie vermutlich — und ihre liebste.
Dafür packte sie umso eifriger ihre Sachen, als Verteidigung gegen die dunklen Künste zu Ende war, um zum Krankenflügel zu gehen. Gerade, als sie ihre Tasche über ihre Schulter warf, fragte ihr Onkel hinter ihr: „Ist Remus krank?"
Paige blickte ein wenig abwesend zu ihm. „Ja, ich bringe ihm schon mal, was wir gemacht haben", antwortete sie. „Er hat öfters mal Migräne."
Lokesh nickte. „Bestell ihm gute Besserung von mir."
Und Paige fand in diesem Moment, dass Remus sich schon im ersten Schuljahr hätte mit ihr anfreunden müssen. Sie wäre seine perfekte Hilfe für glaubwürdige Ausreden gewesen. James, Sirius und Peter wüssten bis heute nichts davon, das war sicher. Remus' imaginären Onkel jeden Monat umzubringen oder seine Mutter krank zu machen wäre wirklich nicht nötig gewesen. Migräne war so realistisch — bei manchen trat sie nur wenige Male im Jahr auf, aber bei manchen auch jeden Monat oder jede Woche.
Ein paar Minuten später stieß sie die Tür zum Krankenflügel auf und ließ ihre Augen prüfend über die Krankenbetten gleiten. Als sie das mit einem grünen Vorhang davor sah, lächelte sie und wollte sich schon in Bewegung setzen, als wie aus heiterem Himmel Madam Pomfrey vor ihr stehenblieb und sie prüfend ansah. „Wohin möchtest du?", fragte sie streng.
Paige runzelte die Stirn. „Zu Remus", antwortete sie langsam. „Sonst ist ja auch niemand hier."
Die Heilerin warf einen kurzen Blick auf die leeren Betten und schließlich wieder auf sie, als würde sie erst jetzt erkennen, dass Paige recht hatte. „Geh nur zu ihm", meinte sie schnell mit sanfteren Ton. „Es geht ihm gut, er braucht nur Erholung." Sie rieb ihr leicht über den Oberarm und schob sie in Richtung des Krankenbetts, eine Geste, der Paige nur zu gerne nachkam.
Grinsend schob sie ihren Kopf durch den Vorhang. Remus, der bis eben die Augen geschlossen hatte, öffnete sie langsam, um zu ihr zu sehen, als er hörte, dass jemand ihn offenbar besuchte. „Hi", sagte Paige leise und ging auf ihn zu, sobald er lächelte. Sie schob den Stuhl neben seinem Bett zu sich heran und beugte sich zu ihm heran, um ihm einen Kuss zu geben. „Wie geht es dir?"
Er war blass und seine Augen glänzten erschöpft, als er sie sanft ansah, aber er schien keine starke Verletzung oder dergleichen zu haben. Eine Last fiel von Paige ab, als sie das, was Sirius gesagt hatte, mit eigenen Augen sehen konnte. „Nur ziemlich fertig", gab er zurück und nahm ihre Hand in seine, um zaghaft mit dem Daumen über ihren Handrücken zu streichen. „Wie war der Unterricht so?"
„Könnte mir nichts Schöneres vorstellen", erwiderte Paige sarkastisch.
„Was sollte auch schöner sein als Schule?", merkte Remus an.
„Eben." Dann seufzte sie.
„Außer du natürlich", fügte Remus da mit einem leichten Grinsen hinzu.
Aus Reflex schlug Paige ihm auf den Arm und fuhr erst erschrocken zurück, als Remus zusammenzuckte. „Paige, mir wurden letzte Nacht alle Knochen gebrochen—"
„Ich weiß." Sie verzog das Gesicht. „Tut mir leid, das war nur... verdächtig geschickt übergeleitet, du kleiner Flirter."
Remus lachte leise, ging aber darauf ein. „Es war nur ein Kompliment und dafür werde ich geschlagen?"
Paige verdrehte die Augen, erleichtert, dass es ihm gut genug dafür ging. „Ich bedanke mich später", sagte sie übertrieben höflich und grinste frech. Sie konnte sehen, wie er fragend die Augen verengte. „Was ist denn?", fragte sie unschuldig.
Er wich schelmisch lächelnd ihrem Blick aus. „Nichts", entgegnete er schnell, um nicht noch einen Schlag zu riskieren. „Weißt du noch, dass Sirius meinte, er will auf deiner Feier jemanden zum Rummachen finden?"
Überrascht, aber doch sehr neugierig angesichts dieses Themenwechsels runzelte sie die Stirn. „Lebhaft, ja."
„Er hat Dorcas angeflirtet", erzählte Remus weiter. „So sehr, dass sie irgendwann meinte ‚Sorry, aber ich stehe nicht auf Männer'. Und Sirius meinte..." Remus tat so, als würde er seine nicht vorhandenen Locken über die Schultern schütteln. „Immer diese wählerischen Menschen."
Paige lachte verzweifelt auf und zog dabei die Augenbrauen zusammen.
„Auf jeden Fall sind sie jetzt wohl allerbeste Freunde."
„Was ist mit mir?", fragte Paige enttäuscht.
„Du...", begann Remus und hob ihren Handrücken zu seinen Lippen. „Du musst jetzt sowieso mehr Zeit mit mir verbringen."
Seine Augen funkelten schelmisch, während Paige grinsend mit den Augenbrauen wackelte.
„Also", fuhr Remus fort, als wäre nichts gewesen, „Was gab es in Verteidigung?"
Ausnahmsweise ließ Paige ihm diesen Themenwechsel durchgehen, war nun aber wieder an den unangenehmeren Teil dieses Morgens erinnert. „Wir haben ein paar alte UTZ-Aufgaben zu dunklen Kreaturen bearbeitet. Ich hab dir welche mitgebracht."
Remus nickte und stellte dann die Frage, die sie wirklich nicht hören wollte: „Wie ist der Test in Zaubertränke ausgefallen?"
Es war peinlich, wenn sie ehrlich war. Sie war in Zaubertränke immer gut gewesen — sie konnte sich das wirklich nicht erklären. Eigentlich hatte sie ein gutes Gefühl gehabt, trotz Zeitnot. Einige Fragen waren sehr schwierig gewesen, aber sie hätte gedacht, dass sie noch genug um die Ecke gedacht hatte, um sie richtig zu beantworten. „Nicht so gut", gab sie dann zu. „Es gab keine Os. Viele haben ein M — aber du hast ein A."
Remus entfuhr ein triumphierender Laut und er ballte seine Hand zu einer Faust, um sie in die Luft zu reißen. „Ha!", freute er sich stolz. „Das ist nicht durchgefallen."
Paiges Miene zeigte wenig von solcher Freude, auch wenn sie versuchte, ihren Missmut nicht zu offenbaren. Doch es fiel Remus sofort auf, als sein Blick wieder auf sie fiel. Schnell ließ er seine Hand sinken. „Was hast du?"
Sie zog die Schultern hoch. „Auch ein A", sagte sie dann. Ihr Tonfall machte deutlich, wie sehr sie diesen Buchstaben gerade verabscheute.
„Oh", entgegnete Remus und versuchte, eine positive Geste zu machen. „Aber... Sieh mal. Das, ähm, ist nicht durchgefallen?"
„Darum geht's nicht", sagte Paige schnell und seufzte tief. „Darf ich... Kann ich mich neben dich legen?"
Ihre Worte schienen Remus zu überraschen und tatsächlich zögerte er kurz. Sie wollte ihre Frage schon zurücknehmen, als er sagte: „Ja, äh — Also es ist nur, ich hab nicht so viel an gerade."
Paige blinzelte dreimal, bevor sie das verarbeitete. „Okay", sagte sie dann. „Ich lege mich nur auf die Decke und ich denke, sonst hätte ich den Anblick schon irgendwie überlebt."
Aber sie brauchte diese Nähe jetzt. Sonst würde sie das noch den ganzen Tag mit sich herumschleppen. Sie legte sich nah an den Rand des Bettes, um Remus so wenig Platz wie möglich wegzunehmen und lehnte ihren Kopf leicht an seinen Arm, der auf der Decke lag.
„Rem, das ist die erste Note dieses Jahr", begann sie leise. „Ich muss mich bis Anfang Januar beworben haben. Und mein jetziger Schnitt in Zaubertränke ist ein A."
Als sie nichts weiter sagte, fing Remus an, sich eine gute Antwort aus den Fingern zu ziehen, die sie beruhigen würde. „Aber die wissen da auch, dass man nicht immer perfekt ist, Paige", meinte er. „Du bist die einzige aus unserem Jahrgang, die sich bewirbt, oder? Die wollen doch auch jemanden aus Hogwarts. Klar bewerben sich Zauberer aus der ganzen Welt und vielleicht auch ältere, aber durch den Krieg gibt es weniger Bewerber aus Großbritannien. Dann kriegst du noch eine wundervolle Empfehlung von Professor Slughorn und... Professor Flittwick?"
„Ich wollte McGonagall fragen", schniefte Paige.
Remus sah zu ihr herunter. „Weinst du?", fragte er.
Paige schwieg. „Nein", sagte sie dann.
Er seufzte, bevor er sich sich mit einem angestrengten Ächzen ein wenig aufrichtete, um seinen Arm um sie zu legen. Es dauerte keine zwei Sekunden, bis Paige sich zu ihm drehte und in die Decke über seiner Brust weinte. Sie fühlte sich schlecht, weil sie deswegen in Tränen ausbrach, aber die Angst schnürte ihr die Luft ab. Was, wenn sie nicht genommen wurde? Sie hatte sonst keine Pläne, das war ihr Traum.
„Red doch mit Slughorn", sagte Remus plötzlich. „Er weiß ja, dass du dich bewerben willst."
Paige nickte stumm und drückte sich weiter an ihn heran. Ihn neben sich zu spüren und seine Wärme in sich aufzunehmen, beruhigte sie. „Mir ist eben nur was ins Auge geflogen", erklärte sie nach einer Weile.
„Weiß ich doch", erwiderte Remus. „Und was ich auch weiß, ist, dass du einmal eine unglaublich gute und bekannte Tränkebrauerin wirst—"
„—die Werwölfen das Leben verbessern wird", sponn sie den Gedanken weiter. „Ja, das klingt gut."
Irgendetwas gab ihr das Gefühl, dass Remus in diesem Moment lächelte. Paige schwieg eine lange Zeit und genoss die stummen Minuten zwischen ihnen.
Nach einer Weile holten sie im gleichen Moment tief Luft, als hätten sie sich abgesprochen. Paige begann mit „Ich würde dich gern meinem Vater vorstellen", während Remus mit ruhiger Stimme „Was hast du eigentlich bisher gefunden?", fragte. Paige wusste, dass er dahinter nur die Hoffnung verbarg, die er empfand. Sie lachten leicht.
„Ich würde sehr gerne deinen Vater kennenlernen", übernahm er es, als erstes zu antworten.
Paige lächelte leicht, auch wenn ihr bei diesem eher spontan gekommenen Gedanken das Herz bis zum Hals schlug. Würde ihr Vater es merken? Und wenn, wie reagierte er? Aber sie hatte das Gefühl, es wäre wichtig, sie einander vorzustellen.
Dann kam sie zu seiner Frage. „Es ist kompliziert", gab sie zu. „Ich hatte nicht so viel Zeit, seit die Schule wieder angefangen hat, um ehrlich zu sein."
„Ich habe es dreizehn Jahre überlebt, ich kann warten", scherzte Remus. „Lenk dich nicht zu sehr deswegen ab."
Doch Paige wollte sich wenigstens erklären. „Meine Mutter hat versucht, auf biologischer Ebene die Ursache für die Verwandlungen zu finden. Wenn man wenigstens den Ursprung kennen würde, wäre es einfacher", fuhr sie nach einer kurzen Pause hinzu. „Die Infektion wird übers Blut übertragen, nicht über Vererbung. Das heißt, einen Werwolf als Vater zu haben, ist ungefährlich."
Remus schwieg kurz. „Aber wieso—"
„Kann ich an Vollmond nicht schlafen? Blutkontakt bei der Geburt. Allerdings mit meiner Mutter, die nach ihren eigenen Angaben leichte Symptome gezeigt hat, die zum Beispiel bei einem Biss eines nicht verwandelten Werwolfs auftreten. Ich weiß nicht, woher sie sie hatte. Zumindest habe ich dadurch wohl etwas bei der Geburt abbekommen — oder durch die Muttermilch. Schlimm ist es ja nicht." Remus fuhr ihr mit seiner Hand über den Rücken. „Ich habe im Sommer einige Sagen gelesen, irgendetwas, um den Ursprung von Werwölfen herauszufinden. Wenn man weiß, wie es anfing, kann man definitiv eine Lösung finden. Es ist nur... Völlig egal, ob bei Muggeln oder bei uns, Werwölfe gibt es in den Überlieferungen schon ewig. Wirklich. Wir wissen genauso wenig, seit wann und wieso es Zauberer gibt. Einer der ersten Plätze, wo Magie überliefert wurde, war das alte Ägypten, Mesopotamien und Babylon — vermutlich auch China. Egal, welche Mythologien du dir ansiehst — griechisch, römisch, nordisch, hebräisch — in allen wird von magischen Praktiken berichtet. Schon in der Steinzeit gab es Höhlenmalereien mit irgendwelchen magischen Ritualen.
„Und wann wurde das erste Mal von Werwölfen gesprochen?", fragte er interessiert.
Paige seufzte. „Na ja, es gab ein paar Sagen, in denen Menschen in einen Wolf verwandelt wurden, aber im 1. Jahrhundert hat das erste Mal jemand davon berichtet, dass diese Verwandlung an Vollmond stattfand. Es gibt verschiedene Versionen bei den Muggeln. Allgemein glaubte man aber, dass solche Verwandlungen nur durch einen Pakt mit dem Teufel möglich sind oder sie eine Strafe von Gott sind."
„Reizend", sagte Remus. „Mein vierjähriges Ich war super gut mit dem Teufel befreundet, wo ich drüber nachdenke."
Sie schmunzelte leicht, auch wenn ihr nicht danach zumute war. Es war so schrecklich unfair. Remus und ihr Vater... Das waren doch keine schlechten Menschen. Ihr Vater— Er hatte nichts dafür gekonnt. Es war der Wolf gewesen, nicht er. Ihn traf keine Schuld. Plötzlich fragte sich Paige, wie sie sich verstehen würden. Ob sie sich mögen würden. „So weit hergeholt ist das gar nicht, so blöd es klingt", entgegnete sie. „Ich persönlich denke, dass es mit dunkler Magie losging und jemand von einem Zauberer oder einer Hexe verflucht wurde. Und von ihm oder ihr hat es sich verbreitet. Werwölfe waren ganz klar Teil der magischen Welt, der Glaube bei den Muggeln an sie hat sich parallel mit dem an Hexen im Mittelalter bei den Muggeln entwickelt. Viele Männer wurden in Werwolfprozessen hingerichtet."
Remus zögerte. „Und... Wurde je etwas über Heilung gesagt...?"
„Ähm... Es gab da ein paar seltsame Erwähnungen in der Muggelwelt. In unseren Überlieferungen eher weniger." Sie hielt kurz inne und versuchte sich an alles zu erinnern. „Einmal mit Medizin. In der meisten ist Wolfswurz enthalten, den auch meine Mutter in ihrem Trank verwendet hat — daher muss ein wenig etwas an den Überlieferungen dran sein. Dann gab es ein paar chirurgische Techniken, aber das ist meistens ziemlich... ähm... tödlich ausgegangen. Und das Übliche wie Exorzismus, Bekehrung zum Christentum, Heilige anbeten und so. Oh, ich glaube, irgendein arabischer Glaube hat besagt, dass man die Hände des Werwolfs mit Nägeln durchbohren muss."
Remus sah auf seine Hände herab. „Ja, das lassen wir mal lieber", meinte er dann, bevor Paige schon fortfuhr.
„Im Norden von Deutschland, in einem ihrer Bundesländer, dessen Namen ich nicht aussprechen kann, wurde angeblich ein Werwolf geheilt, indem man ihn in seiner Wolfsgestalt dreimal mit seinem Vornamen angesprochen hat. Und die Dänen glaubten, man muss mit ihm schimpfen."
„Stell dir mal vor, das würde klappen", merkte er schmunzelnd an. „Muss man auf dänisch schimpfen?"
„Ich will es gar nicht ausprobieren. Es wäre so dämlich, dass ich mich fast schon ärgern würde." Sie hielt kurz inne. „Der Punkt ist, dunkle Magie kann gebrochen werden, aber es muss ein unglaublich mächtiger Fluch gewesen sein. Wer auch immer ihn ausgesprochen hat, war mindestens so mächtig wie Merlin. So einen Fluch zu brechen, würde genauso viel Macht erfordern, wenn nicht noch mehr."
„Also ist vollständige Heilung unwahrscheinlich", schloss Remus. Paige würde es gerne schöner ausdrücken, musste aber zustimmen.
„Ziemlich, ja — aber der Trank würde es möglich machen, dass dein Gehirn nicht alles bis auf Instinkte blockiert. Du wärst quasi du, nur ein bisschen..."
„Haariger?", fragte Remus.
Paige lachte. Und in diesem Moment hatte sie das Gefühl, dass sie zumindest dieses Werk ihrer Mutter vervollständigen würde.
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