31. Blake Castor

KAPITEL EINUNDDREIIG
Blake Castor

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       DIE STIMMUNG nach der ersten Stunde in Verteidigung gegen die dunklen Künste wurde schnell wieder besser. Paige wurde zumindest hervorragend abgelenkt. Silias war nämlich fest entschlossen, herauszufinden, was da mit Aliana und diesem Jäger Jacob Waters lief und Paige hoffte inständig, dass er im Quidditchteam nicht auf beste Freunde mit ihm machte, um etwas über ihn herauszufinden. Als Silias mit Jacob beinahe schon Arm in Arm in die Große Halle kam, schwand ihre Hoffnung sofort.

Sayria setzte sich neben sie und Harper, gerade als Paige zu Aliana sagte: „Du hättest echt nichts erzählen sollen."

„Außer uns natürlich", fügte Harper hinzu.

Silias kam beschwingt neben ihnen an — zum Glück alleine. Jacob hatte er weiter vorne zu seinen Freunden gehen lassen. „Also...", begann er und setzte sich. „Ich hab ein bisschen mit ihm geredet."

„Was du nicht hättest tun müssen", entgegnete Aliana sofort.

Paige war froh, dass er so eine Nummer nicht mit Remus abgezogen hatte.

„Es ist einfach so..." Als Aliana endlich schwärmerisch zu erzählen begann, lehnte sich Paige zufrieden zurück. Sie liebte Geschichten. Sie wollte alles wissen. „Wir haben uns letztes Jahr in Astronomie kennengelernt und er mag es genauso gern wie ich. Und irgendwie war das so Sympathie auf den ersten Blick, also zumindest glaube ich das... Ich habe ihn nämlich mal angesprochen, seit wann er sich so dafür interessiert, weil er auch meinte, er hätte Bücher darüber und so. Naja, aber das war eben kurz vor den Sommerferien und er hat mir dafür einen ewig langen Brief am Anfang der Sommerferien geschickt. Und nenn mir einen Jungen, der vier Seiten für Buchempfehlungen über Astronomie schreibt. Und dann kamen wir eben so in Kontakt und er ist mir so ähnlich und—"

Paige sah Silias fragend an, als sein Gesicht immer gequälter aussah. Er verzog den Mund, als er ihren Blick bemerkte. Oh je. Was gab es, was Aliana nicht wusste?

„—das könnte wirklich was werden, glaube ich."

„Aliana, ähm...", begann Silias vorsichtig. „Ich weiß gar nicht, wie ich dir das sagen soll."

Unsicher drehte sie ihren Kopf zu ihm. Sie runzelte die Stirn.

„Er hat ne Freundin", sagte er einfühlsam und Aliana entgleisten kurz die Gesichtszüge.

„Der Typ ist sowieso ein Frettchen", meinte Sayria, um ihr gut zuzureden.

„Naja, so leid es mir tut, das trifft es ganz gut", gab Silias zu. „Er kann ja ganz nett sein, aber ich glaube, er versucht ein bisschen... cool zu sein. Hab ihn vor seinen Freunden reden gehört. Und seine Freundin, sie ist... naja, die einzige Eigenschaft, die sie hat, ist hübsch auszusehen, aber sonst ist sie ein bisschen blöd. Wenn man auf so jemanden steht..."

„Ist schon gut", murmelte Aliana, bevor sie schlagartig aufstand. „Ich geh mal kurz auf Toilette."

„Al—", versuchte Silias es, doch sie war so schnell aus der Großen Halle geflüchtet, wie es ging.

„Soll jemand ihr hinterher?", fragte Harper etwas hilflos.

„Lassen wir ihr lieber kurz Zeit alleine", sagte Paige mit einem traurigen Seufzen.

Silias sah nachdenklich auf die Tischplatte. „Es war besser, dass ich es ihr gesagt habe, oder?", fragte er.

„Natürlich war es das!", sagten Sayria und Paige fast gleichzeitig.

Harper drehte derweil den Kopf nach hinten, um zum Slytherin-Tisch zu sehen. Paige musste nicht fragen, wohin er sah und versuchte unauffällig, Calista zu beobachten, deren neuer Freund gerade die Hände um ihre Hüfte legte. Sie sah ein wenig angeekelt aus, aber vielleicht lag das an Paiges Hoffnungen, dass alles gut für Harper werden würde. Sie würde es ihm gönnen.

„Paige!", rief plötzlich eine Stimme vom Gryffindor-Tisch herüber.

„Geh nur", sagte Silias und räusperte sich leicht. „Ich gehe zu Aliana."

Paige sah ihm nachdenklich hinterher, als er ihr schnell hinterherlief, bevor sie auf James zuging, der sie gerufen hatte. Sirius, Remus und Peter waren natürlich auch bei ihm. „Ja?", fragte sie, als sie vor ihnen stehenblieb und kletterte unter dem Tisch durch, um zu Remus und Peter auf die andere Seite zu kommen. Fast hätte sie sich den Kopf gestoßen.

„Wir sind gerade deinen Geburtstag am Planen", verkündete Sirius.

„Ah, das ist ja... nett, dass ihr das macht", entgegnete Paige wenig begeistert.

„Naja, eigentlich kam nur die Frage auf, was du machst und nicht, dass irgendwas von irgendwem geplant wird", warf Remus ein.

„Ich hab mir noch nicht so wirklich Gedanken drüber gemacht."

Sirius sah sie ungläubig an. „Das ist dein 18. Geburtstag!"

„Und?"

Er schüttelte traurig mit dem Kopf. Sie sah hilflos zu Remus.

„Ist das der Abendprophet?", fragte Peter auf einmal. Paige lächelte ihm zu. Er schaffte es irgendwie immer, Fragen zu stellen, die nicht zum Thema passten, aber das machte ihn nur noch sympathischer.

„Jup, kannst du haben", entgegnete James und seufzte. „Die Liste mit den Namen der Toten und Verschollenen wird jeden Tag länger."

„Du zerstörst die Stimmung", beschwerte sich Peter. Womit er recht hatte. Auch Paige kam es nun noch unpassender vor, über ihren Geburtstag zu reden. Eigentlich war ihr seit der ersten Stunde in Verteidigung gegen die dunklen Künste die Laune vergangen. Sie war zu ihrem Onkel gegangen, um mit ihm darüber zu sprechen. Er hatte sofort erklärt, dass es ihm leid tat, ihr nichts gesagt zu haben, aber die freie Lehrerstelle hatte sich wohl recht spontan Ende August ergeben. Ihr Onkel war fair, das wusste sie. Er würde sie nicht anders behandeln als die anderen Schüler und seine Begründung für die Unverzeihlichen Flüche... die klang für Paige immer noch plausibel, auch wenn sie sich mit Remus darin einig war, dass sie den Cruciatus nicht üben würde. Er hatte recht mit dem, was er gesagt hatte.

„Hey, Paige, kanntest du sie nicht?"

Paige blieb kurz das Herz stehen, als sie zu Peter mit dem Zeitungsartikel in den Händen sah. Sie? Durch ihren Kopf rasten Namen von Personen, die sie vielleicht kennen könnte — sprach er immer noch von den Toten oder gab es irgendeinen anderen Artikel? Einen schönen Artikel vielleicht?

Ihr war etwas übel, als sie antwortete. „Wen?"

Remus sah über Peters Schulter, der neben ihm saß. Auch er zog die Augenbrauen zusammen und schien zu überlegen, was er sagen sollte. Er nahm Peter schweigend die Zeitung aus der Hand und hielt sie ihr hin.

Paige würde sie am liebsten einfach gar nicht nehmen. Remus' Reaktion machte ihr Angst. Sie schluckte und sah auf den Artikel vor ihr hinab, dessen Überschrift ihr fett entgegensprang.

BLAKE CASTOR TOT AUFGEFUNDEN

Ihr wurde schlecht. Plötzlich fühlte sich die Luft um sie herum nicht wie eine lebensspendende Mischung an, die hauptsächlich aus Stickstoff und Sauerstoff bestand — sie fühlte sich viel mehr an, als sei sie aus purem Gift. Paige hätte sich genauso gut vor einen verseuchten Zaubertrank stellen und die Dämpfe einatmen können. Ihre Lunge schien keine Luft mehr aufnehmen zu können.

Sie blinzelte.

Blake Castor war ein Mädchen gewesen, das sie kaum gekannt hatte. Doch Blake Castor war die Art von Mädchen gewesen, die man nicht vergas; mit denen man nur drei Worte gewechselt hatte und die irgendetwas in einem berührt hatten.

Als sie sie durch Malcolm kennengelernt hatte, war Blake die ruhigste seiner Freunde gewesen, immer aufmerksam, immer freundlich, aber nicht sie selbst, wie Paige später festgestellt hatte. Blake Castor war wie ein anderer Mensch gewesen, seitdem sie ihrer Familie und ihren Idealen den Rücken gekehrt hatte. Ihr Lächeln und das Leuchten in ihren Augen, das sie im Drei Besen gehabt hatte, als sie sie vor einem Gespräch mit Malcolm bewahrt hatte, brachte Paige fast erneut zum Lächeln.

Sie wusste, dass sie Blake kaum gekannt hatte, doch umso mehr tat es weh, diese Schlagzeile zu sehen. Blake hatte etwas Magnetisches an sich gehabt, zumindest für Paige, und sie wusste, dass sie sich mit dem Mädchen, das diesen Sommer erst ihren Abschluss gemacht hatte, gut verstanden hätte, wenn sie sie näher gekannt hätte. Wenn sie die Möglichkeit bekommen hätte, sie näher kennenzulernen.

„Paige?" Remus streckte seine Hand nach ihrer aus und mit diesem einen Wort nahm Paige wieder das fröhliche Geschnatter in der Großen Halle um sie herum wahr, als hätte man sie aus dem Wasser gezogen.

Sie nahm einen tiefen Atemzug, als wäre es der erste, seitdem sie die Zeitung in die Hand genommen hatte. „Ich... Ich meine, ich kannte sie kaum", sagte Paige mit zittriger Stimme, selbst überrumpelt von ihrer heftigen Reaktion.

Doch es war einfach nicht fair. Blake Castor war glücklich gewesen. Sie hatte mitten im Leben gestanden. Sie hatte Menschen gehabt, die sie liebten — oh nein. Paige hätte am liebsten die Augen geschlossen, als sie zum Slytherin-Tisch hinübersah, auf den Dorcas Meadowes gerade mit ein paar Freunden zulief. Sie wusste es noch nicht.

Paige wollte wegsehen, doch der Gedanke, gleich den Ausdruck einer Person zu sehen, die ihre Geliebte verloren hatte, lähmte sie. Ein rothaariges Mädchen stand vom Slytherin-Tisch auf und ging langsam, vielleicht sogar zögerlich, auf Dorcas zu, die verwirrt stehenblieb, als ihre Freundesgruppe sich bereits setzte.

Sie konnte es nicht. Sie konnte nicht dabei zusehen, wie das optimistische Funkeln, das Glück, aus ihren Augen verschwand. „Ich muss mal kurz raus", murmelte sie, bevor sie darüber nachdenken konnte, und stieß die Zeitung schon von sich, als hätte sie sich verbrannt, um aufzustehen.

Remus tauschte einen kurzen Blick mit Sirius, James und Peter aus, bevor er ihr hinterherging. Paige fuhr sich über die Brust und hatte immer noch das Gefühl, nicht richtig Luft holen zu können, während sie so schnell sie konnte durch den Korridor ging, vor allem, als sie Schritte hinter sich hörte, von denen sie wusste, dass es Remus' waren.

Sie konnte vor Leuten weinen, wenn es um Filme ging, wenn ein Buchcharakter starb, den sie lieben gelernt hatte — weil es nicht real war. Weil man trotzdem noch darüber lachen konnte, weil es nur Fiktion war und nicht in einem Krieg stattfand, den sie nicht wollte. Sie wollte, dass das alles einfach vorbei war. Dass das alles nur eine spannende Geschichte war, in der sie nicht feststeckte und die jemand zum Guten wenden konnte.

„Paige", hörte sie Remus hinter sich sagen und nachdem sie einmal hörbar ausatmete, blieb sie stehen und drehte sie sich zu ihm um.

„Remus..." begann sie langsam, bremste sich jedoch. Sie sagte nichts weiter, da sie fürchtete, dass die Tränen aus ihr herausbrechen würden, denen sie erst Raum geben wollte, wenn sie allein war. Da sie ebenfalls fürchtete, dass ein Blick in seine Augen dafür ausreichen würde, um dies ebenfalls zu erreichen, sah sie an ihm vorbei.

„Ich weiß", entgegnete er leise, bevor er einen Schritt nach vorne trat und sie vorsichtig in den Arm nahm. Paige reagierte für ein paar Augenblicke nicht und schloss einfach nur die Augen, als sie seinen Atem an ihrem Ohr spürte und seinen Geruch einatmete. Durch ihre Vertrautheit beruhigte sie diese simple Geste sofort. Schließlich schlang sie ihre Arme ebenfalls um ihn und die Anspannung in ihren Muskeln löste sich leicht. „Komm, ich kenne einen Ort, wo wir reden können, hm?" Er löste sich von ihr und ließ seine Hände auf ihren Oberarmen ruhen, während er ihr aufmerksam in die Augen sah.

Paige nickte leicht. „Ein geheimer Ort der Rumtreiber?", fragte sie leise.

„Ein geheimer Ort von mir", entgegnete er und hielt ihr seine Hand hin, die sie mit einem schwachen Lächeln ergriff.

Er führte sie durch die Schule, ohne sie mit Fragen oder Worten zu drängen, und Paige folgte ihm ein paar Treppenstufen hinauf, bis er plötzlich bei der Wendeltreppe ankam, die eigentlich zum Klassenzimmer für Wahrsagen führte. Sie runzelte die Stirn, sagte aber nichts, als er die ersten Stufen hinaufging und plötzlich stehenblieb, um nach oben zu sehen. Paige folgte seinem Blick, wo sie etwa drei Meter über ihr eine rechteckige tiefe Aushöhlung in der abgerundeten Wand sah, bei der es sich um einen Fenstervorsprung handelte. „Ich weiß, das wird dich schocken", fand Paige ihre Stimme wieder, „Aber ich kann nicht fliegen."

Remus lachte leise auf und ging zu der Stufe, die am anderen Ende des Fensters war, wodurch er etwas höher stand — immer noch nicht genug, um zu springen oder sich mit den Armen hochzuziehen. „Ich war ein bisschen kleiner, als ich das hier gemacht habe — zu meiner Verteidigung", begann er, als er den Blick über die Steinmauer gleiten ließ. Paige sah ihm dabei zu, wie er mit der Hand über die einzelnen Ziegelsteine fuhr und plötzlich innehielt und an einem von ihnen wackelte. Er war so lose, dass man ihn herausnehmen konnte. Es gab noch zwei solcher Steine, die weiter oben waren, und so begann Remus ohne weitere Erklärung nach oben zu klettern.

„Das ist jetzt ein Scherz, oder?", murmelte Paige. Es lenkte sie ein wenig ab, zugegeben, aber sie dachte, dass Remus bessere Therapiearten als Wir klettern eine hohe Mauer hoch kannte.

„Nope", sagte er mit dem Anflug eines Grinsens, als er oben angekommen war und zu ihr sah, als sie auf die Wand zuging. Ihr Herz klopfte noch schneller, als sie in die erste Lücke zwischen den Steinen griff, aber sie schlug sich ihrer Ansicht nach gar nicht schlecht, auch wenn sie die ganze Zeit krampfhaft versuchte, nicht zu stürzen und zu sterben.

Als Remus ihr half, sich auf den Fenstervorsprung zu ziehen, lehnte sie sich gegen die Wand. „Wieso habe ich mir eigentlich einen Gryffindor ausgesucht?", fragte sie kopfschüttelnd.

„Weil du diesen Ort hier sonst nie kennengelernt hättest", antwortete Remus stolz und sah sich um. Es gab genug Platz, dass sie sich beide gegenübersitzen konnten. Wenn Paige ihre Beine ausstrecken würde und Remus an der Wand ihr gegenüber lehnte, würden ihre Füße bis zu seinen Knien reichen. „Ich war lang nicht mehr hier. Oh— das ist wohl der Grund, warum Madam Pince mir hin und wieder solche Blicke zuwirft. Die Bücher hatte ich ausgeliehen."

„Remus, wann hast du die ausgeliehen?", fragte Paige schockiert, als sie auf den Stapel neben ihm sah, der sechs Bücher beinhaltete. Sieben. Ein ganz schmales lugte zwischen zwei dickeren hervor.

„Äh... irgendwann im ersten Jahr?"

„Na dann", sagte sie übertrieben. „Da hast du noch ein bisschen Zeit, bevor Pince dich lyncht." Ihr Blick fiel auf den obersten Buchtitel und sie runzelte die Stirn, als sie sah, dass sie sich wohl alle um dasselbe handelten. „Sind das alles...?"

„Bücher über dunkle Kreaturen und Werwölfe, ja. Ich wusste, als ich hierher kam, nichts darüber, wie man sie in der Gesellschaft betrachtet", sagte Remus. „Aber darum soll es nicht gehen." Er sah sie besorgt an und rückte näher an sie heran, um nach ihrer Hand greifen.

Für einen kurzen Moment wollte Paige widersprechen, sagen, dass es sehr wohl jetzt darum gehen sollte. Sie hatte ihm nicht erzählt, worum sich ihre Gedanken immer noch kreisten. Dass sie so oft sie konnte versuchte, die Notizen ihrer Mutter zu verstehen — Grundlagen und noch mehr zur Genetik zu lernen — magische Methoden zur DNA-Forschung zu begreifen. Diesen Trank zu verbessern, den ihre Mutter hatte herstellen wollen, wenn sie nur wüsste, wie.

Sie wusste nicht, wie Remus' Reaktion darauf sein würde. Sirius und James wussten es, sie verschwiegen und unterstützten es, doch Paige wollte nichts vor Remus geheimhalten. Sagte sie es ihm jedoch jetzt, stand sie mit nichts da. Sie fühlte sich dumm dafür, dass sie so lange brauchte, es zu verstehen.

Paige legte ihre andere Hand auf seine und sah auf ihre verschränkten Hände. „Es ist nur... Eigentlich habe ich nicht viel mit ihr gesprochen, aber sie war so — einer dieser Menschen, die man trifft und die einen faszinieren." Sie atmete tief durch. „Sie hatte das nicht verdient."

„Niemand, den sie töten, hatte das", antwortete Remus bitter. „Deswegen will ich kämpfen."

Paige sah zur Seite und biss die Zähne zusammen, bevor ihr Blick entschlossener wurde und sie zurück zu ihm sah. „Kämpf nicht", sagte sie. Ihre Stimme klang ruhig und leise, es schwang eine Bitte und zugleich eine feste Aussage mit.

„Was?", fragte er verwirrt.

„Warum musst du kämpfen?", fragte sie zurück. „Was bringt das? Du alleine wirst nicht derjenige sein, der Voldemort umbringt."

„Ich werde nicht alleine sein", sagte er ruhig.

„Aber warum kannst du dich nicht einfach raushalten und dein Leben leben?"

„Weil, Paige, wenn jeder so denken würde, wir in einer ganz anderen Art von Welt leben würden. Oder überhaupt nicht leben würden." Er sah auf das Gestein unter ihnen hinab, während Paige den Kopf zur Seite drehte, um zu beobachten, wie die letzten Sonnenstrahlen auf das Gelände der Schule fielen. Der Himmel war in kräftigen Orange- und Pinktönen gefärbt, die den Himmel erleuchteten, um den Tag zu verabschieden. „Ich akzeptiere, dass du das nicht willst und genauso musst du akzeptieren, dass ich nicht damit leben könnte, nichts zu tun."

Sie sah weiterhin aus dem Fenster, ihr Blick wurde trauriger, als sie die Welt so friedlich vor sich liegen sah. Es war schwer zu glauben, dass vielleicht in dieser Sekunde jemand den Todessern — einer fanatischen Ideologie — zum Opfer fiel. Es könnte so harmonisch sein, wenn jeder Liebe als oberstes Ziel sehen würde. Nicht Macht. Nicht Vernichtung oder Arroganz. Paige fühlte in diesem Moment so viel Hass auf Voldemort und seine Anhänger, wie sie ihn noch nie empfunden hatte. Wäre er nicht, müsste sie sich nicht um ihre Freunde sorgen; sie könnte einfach ein normales Leben führen.

„Blake hatte auch jemanden, der sie geliebt hat", begann Paige und schluckte hart. „Und... die Vorstellung, dass—" Da ihre letzten zwei Wörter nur noch gehaucht gewesen waren, biss sie sich auf die Lippe. „Dass es der Name von irgendjemandem ist, der mir so viel bedeutet..."

Dass es dein Name sein könnte, bringt mich um.

„Du wirst in Gefahr sein — in noch mehr Gefahr, wir sind ja schon so in Gefahr." Sie seufzte. „Ich würde auch kämpfen. Wenn ich gut in Verteidigung gegen die dunklen Künste wäre. Und wenn ich nicht das Gefühl hätte, dass... Ich habe eben etwas, was ich liebe und was ich tun will. Würde ich kämpfen, würde ich wegen diesem Krieg das ignorieren, was ich liebe und genau das will ich nicht."

„Ich könnte dir im Duellieren helfen, wenn du magst", bot er ihr an. Paige zögerte kurz; sie hatte schon Schwierigkeiten damit, Nachhilfe zu geben, aber sie zu bekommen? Etwas von Remus erklärt zu bekommen, der besser war als sie? Das würde seltsam werden. Trotzdem nickte sie, als Remus ihre verschränkten Hände anhob und sie sanft auf ihre Finger küsste, während er noch näher an sie heranrückte. „Glaubst du, wenn ich weiß, dass du auf mich wartest, lasse ich mich von irgendwelchen komischen Todessern umbringen?"

Sie schnaubte leicht. „Kommt drauf an", sagte sie, womit sie wieder einmal versuchte, Humor in die Sache zu bringen, um nicht zu emotional zu werden. „Wenn du daran denkst, dass ich auf dich warte, bin ich in dieser Vorstellung angezogen?"

Er sah sie kopfschüttelnd an. „Meistens schon."

„Meistens?", wiederholte sie. „Dass das hier nicht zum Standard wird."

„Paige." Remus verdrehte die Augen. „Tu das nicht immer. Du hast Angst mich zu verlieren — glaubst du, mir geht es anders mit dir und James und Peter und Sirius?"

Sie schüttelte langsam den Kopf und versuchte, seinem Blick standzuhalten. Es zu hören, war seltsam, aber in dem Moment, in dem er es aussprach, realisierte sie, dass er recht hatte. Sie wollte ihn nicht verlieren. „Ich will dich nur nicht überfordern."

Remus runzelte die Stirn.

„Manche Jungs wären... verschreckt", begann sie zu erklären. „Ich will nicht, dass du dich davon überfordert fühlst und denkst, ich liebe dich zu sehr oder so."

„Beim besten Willen", sagte er mit einem leichten Lachen und beugte sich nach vorne. „Du könntest mich gar nicht zu sehr lieben."

„Ich habe manchmal das Gefühl..."

„Du denkst, du liebst mich mehr als ich dich?", fragte er stirnrunzelnd.

„Nein", antwortete Paige schnell. „Aber du bist manchmal so... ruhig mit allem. In Momenten, in denen ich dich... in die nächste Ecke zerren könnte." Bei seinem Blick verzog sie das Gesicht. „Siehst du."

„Es gibt drei Situationen, in denen ich dich nicht in die nächste Ecke zerren möchte. Erstens..." Er hob einen Finger. „Wenn unsere Familien dabei sind. Zweitens: Wenn Erstklässler in der Nähe sind. Drittens: Wenn unsere Freunde Schrägstrich Sirius dabei sind. Wenn du in irgendeiner Situation, in der nichts davon gegeben war, dachtest, ich wäre nicht dabei, lagst du sehr falsch. Ich sehe dich und bin körperlich schon halb in der nächsten Ecke, weißt du? Ich wusste nur nicht, dass du die nächste Ecke auch so toll findest."

Paige lachte herzlich, als sie das hörte. „Gerade trifft nichts von den drei Situationen zu", sagte sie und biss sich auf die Lippe.

„Hm", antwortete Remus mit einem leichten Grinsen. Es war die beste Ablenkung, die beste Art, das schwere, unruhige, hilflose Gefühl in ihrer Brust loszuwerden, ihn zu küssen. Und kaum, dass sich ihre Lippen berührten, fühlte sich Paige wieder wie ein normaler Teenager, der sich mit ihrem Freund in eine geheime Ecke des Schlosses geschlichen hatte, um ungestört rummachen zu können. Kein Krieg, kein Voldemort — einfach nur Normalität. Das war doch alles, was sie sich wünschte.

Als Remus seine Hände an ihre Wangen legte, richtete Paige sich etwas auf, um sich auf seinen Schoß zu setzen und sich mit ihrem Körper komplett an ihn heran drücken zu können, während sie ihre Hand in seinen Haaren vergrub. Aufgrund ihrer plötzlichen Bewegung und wie sie den Kuss intensivierte, entfuhr Remus ein leises Brummen, das ihr durch Mark und Bein ging und ihr am ganzen Körper eine Gänsehaut verpasste.

Das war es, worüber sie mit ihm schon länger reden wollte — dieses Verlangen, das sie in Momenten wie diesen fühlte und dass sie wirklich, wirklich nicht mehr warten wollte. Nicht mehr warten konnte.

Remus begann, mit seinen Lippen über ihren Kiefer und schließlich über ihren Hals zu fahren, während er seine Hand mitbewegte. Paige zuckte zusammen, als er ihre Brust streifte, völlig reizüberflutet und empfindlich. Er sah sie aufmerksam an und kaum, dass er ihre Lippen für diesen kurzen Blickaustausch von ihrem Hals nahm, griff Paige nach seiner Hand und führte sie behutsam, aber bestimmt, unter ihren Pullover.

Er zog sie nur noch näher an sich heran, sein Griff um ihren Nacken verstärkte sich. Paige windete sich leicht unter seiner Hand, die über ihren Bauch fuhr, weil sie ein heftiges Kribbeln hinterließ, und bewegte sich auf seinem Oberschenkel. Sie konnte ihren Puls in ihren Ohren hören; die Geräusche, die sie von sich gaben, das nach Luft schnappen, das Schmatzen, das leichte Wimmern, das Paige entfuhr, als seine Hand ihre Brüste fand, blendete sie völlig aus. Sie musste ihm einfach nur nahe sein.

Ein Klang hallte in ihrer Nähe wider, den Paige erst beim zweiten Mal wirklich wahrnahm. Auch Remus hatte es gehört und unzufrieden registrierte sie, wie er seine Hand von ihr nahm, um sich mit der anderen abzustützen und über den Vorsprung zu sehen. Er seufzte angestrengt. Und als Paige ein Maunzen hörte und sich ebenfalls zur Seite beugte, verdrehte sie die Augen. „Dieser kleine Saftsack", sagte Paige. „Nicht mal ein Jahr alt und ich will sie umbringen."

Remus musste bei ihrer Formulierung auflachen, schien aber auch nicht gerade froh darüber zu sein, dass Filchs Katze — mal wieder — störte. „Du hast ja keine Ahnung", entgegnete er.

„Andererseits ist es nur eine Katze", sagte Paige schnell und küsste ihn erneut, bevor er reagieren konnte. Remus leistete keinen Widerstand und lehnte sich sofort wieder in ihre Richtung, bis das Maunzen wieder ertönte. Und wieder. Und wieder. „Schmeiß einen Schuh nach ihr", murmelte sie gegen seine Lippen.

„Ich kann keinen Schuh auf eine Katze werfen", entgegnete Remus und löste sich erneut seufzend von ihr, um wieder zu Mrs Norris zu sehen.

„Deswegen sind Hunde besser", meinte Paige.

Er verdrehte die Augen und legte seine Lippen einfach wieder auf ihre, um sie zum Schweigen zu bringen. Als Paige begann, Küsse auf seinem Kieferknochen zu verteilen, hielt er plötzlich inne. „Paige?", fragte er.

„Hm?", murmelte Paige, ohne aufzuhören.

„Ist es nicht irgendwie verdächtig... ruhig?"

Nun hielt Paige doch inne und setzte sich ein wenig auf.

Remus sah zu ihr hoch. „Abhauen?", fragte er.

„Abhauen", stimmte sie frustriert zu.

Remus vergrub sein Gesicht in ihrer Halsbeuge. Er schien genauso wenig gehen zu wollen wie sie. Nach ein paar Sekunden fuhr Paige mit ihren Händen über die Seiten seines Kopfes durch seine weichen Haare, damit er sie ansah.

„Wir sollten gehen", sagte sie. Remus grummelte etwas, bevor er sich aufsetzte, Paige von ihm herunterrutschte und die Steinmauer hinabsah. „Da komm ich nicht runter."

„Doch, kommst du", entgegnete er. „Du bist auch hochgekommen."

„Das ist nicht dasselbe."

Remus lachte leise. „Soll ich vorgehen?"

Sie nickte nur. Innerhalb von wenigen Sekunden stand er bereits unten. „Wieso kann man in Hogwarts nicht apparieren?", beschwerte sie sich, als sie einen Fuß in die obere Lücke setzte.

„Damit Schüler, die sich nachts illegal herumtreiben, nicht abhauen können?", schlug Remus vor.

„Vermutlich", murrte Paige, als sie sich über die Steinmauer geschwungen hatte und mit dem Oberkörper immer noch oben lag, während ein Bein lose in der Luft schwang.

„Paige?", fragte Remus, als sie sich nicht mehr bewegte. „Hätte ich gewusst, dass das länger dauert, hätte ich mich ein bisschen mehr beeilt. Filch wird höchstwahrscheinlich kommen und wie willst du erklären, dass wir nicht mehr beim Abendessen sind?"

„Wir haben uns den Sonnenuntergang angesehen", erklärte sie.

„Den hab ich gar nicht bemerkt", sagte Remus überrascht.

„Wie kann man den nicht... Merlin, wie auch immer."

„Ich war ein bisschen abgelenkt, weißt du?"

Paige schnaubte und setzte ein Bein in eine der Lücken. „Wieso ist da oben denn nichts zum Festhalten?", beschwerte sie sich und in diesem Moment lehnte sich Remus neben sie, auf der Seite, auf der ihr Fuß in der höheren Lücke war.

„So hoch ist das nicht", meinte er, bevor er seine Arme ausstreckte. „Okay, komm her." Als sie zu ihm sah, streckte sie zögerlich ein Bein nach ihm aus, um sich schließlich um seine Hüfte klammern zu können und sich von oben fallen zu lassen. Remus stolperte wegen ihres Gewichts leicht nach hinten und Paige lachte, als er mit dem Rücken gegen die Wand prallte.

„Das ist dafür, dass du mich in solche gefährlichen Situationen bringst", sagte sie mit einem Grinsen. Er schüttelte mit dem Kopf, als sie sich auf den Boden stellte. Nachdem sie die Steine wieder in die Lücken in der Mauer geschoben hatten, griff er nach ihrer Hand, als sie die Stufen hinabgingen und kaum, dass sie um die Ecke gingen, hörten sie ein Räuspern in ihrer Nähe.

Ein Räuspern, das sich zu weiblich für Filch anhörte... Oh Merlin.

„Professor McGonagall!", sagte Remus mit einem Lächeln. „Guten Abend."

Die Hauslehrerin der Gryffindors sah ihn unbeeindruckt an. Es war keine Sperrstunde — es war ja sogar noch Abendessen in der Großen Halle! Was sollten sie denn—

„Das Gemälde im Wahrsageturm hat sich über... Ruhestörung beschwert", erklärte Professor McGonagall sachlich.

—verbrochen haben? Ups? Man sollte meinen, es wäre einfacher, wenn man mit seinem Freund in einem Schloss zusammen wohnte, aber wenn überall Geister, Gemälde und Mitschüler waren, war das das Gegenteil von einfach. Vor allem, weil die Lehrer natürlich zu enge Beziehungen zwischen ihren Schülern verhindern wollten.

„Wir waren nur kurz hier, um uns den Sonnenuntergang anzusehen", entgegnete Remus mit gespielter Verwirrung. Paige sah zu ihm auf und verzog leicht das Gesicht, da die blauen Flecken unter seinem Kiefer seine Glaubwürdigkeit nicht unterstützten.

„Das ist bereits das zweite Mal in diesem Schuljahr und das hat vor nicht einmal zwei Wochen angefangen."

„Professor—", begann Paige.

„Arora, Lupin, ich habe Sie beim letzten Mal schon davon kommen lassen." Professor McGonagall seufzte und sah sie über ihre Brille hinweg an. Ihre schwarzen Haare waren wie immer streng zurückgebunden. Manchmal fragte sich Paige, wie sie offen aussahen — was jetzt nicht wichtig war, weil sie vermutlich Nachsitzen bekommen würden, aber trotzdem.

Hastige Schritte hallten auf dem Steinboden wider und Paige und Remus sahen zur Seite, nur um zu erkennen, wie Filch gehetzt auf sie zulief. Mrs Norris lief neben ihm, ein beinahe triumphierender Blick lag in ihren Augen. Paige zog eine Grimasse und sah sie finster an. Blöde Katze. Eines Tages würde es dafür Rache geben. Vielleicht, wenn sie Nashira mal nach Hogwarts schmuggelte... Mrs Norris würde sicherlich Augen machen, wenn sie einem Golden Retriever gegenüberstand.

„Professor", sagte Filch schadenfroh. „Wie ich sehe, haben Sie sie gefunden. Mrs Norris hat genau gemerkt, dass sich Schüler im Schloss herumtreiben und etwas im Schilde führen."

„Keine Sorge, Argus, ich bringe sie schon zurück in die Große Halle, Nachsitzen können sie dann morgen."

Paige und Remus warfen sich einen Blick zu. Sie sah ihn finster an und er machte eine verteidigende Geste.

„Arora, Lupin, mitkommen."

„Nachsitzen..." murrte Filch, als Paige und Remus auf Professor McGonagall hörten und ihr folgten. „Früher—"

„Da wurden solche schrecklichen Schüler wie wir an der Decke aufgehangen", murmelte Paige augenverdrehend und Remus lachte leise. McGonagalls Mundwinkel zuckten ebenfalls nach oben. „Bekommen wir wirklich Nachsitzen?"

„Ja, Miss Arora", antwortete die Verwandlungs-Lehrerin ihr, als sie vor der Großen Halle ankamen. „Und jetzt gehen Sie schon."

Remus und Paige stahlen sich so schnell sie konnten von ihr weg und gingen auf ihre Haustische zu. „Ich gehe wieder zu Harper und den anderen, okay?"

„Geht es dir denn besser?", fragte er.

Ging es das? Es würde wohl immer ein Thema sein, solange dieser Krieg nicht vorbei war. Sie würde immer Betrübnis empfinden, wenn sie an Blake Castor dachte — wenn sie an Dorcas Meadowes dachte. Doch gerade hatte sie Nachsitzen bekommen und es fühlte sich so normal an, dass sie sich an Remus' Worte aus den Sommerferien erinnerte. Mit ihm fühlte sich tatsächlich jede einzelne Sekunde wie für immer an — und vielleicht war das gerade das Wichtigste.

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