26. Der schicksalhafte Sommertag

KAPITEL SECHSUNDZWANZIG
Der schicksalhafte Sommertag

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      ANGST. Sie war eine sonderbare Sache, dieses Gefühl, das man weder steuern noch kontrollieren konnte. So natürlich trat sie auf, wann immer es der Alltag erforderte, so schnell riss sie einen von den Füßen. Sie konnte Leben retten, Menschen über ihre Grenzen gehen lassen und enorme Kräfte hervorrufen — sie konnte aber auch lehmen und blockieren.

Ein Irrwicht war insofern ein interessantes Wesen — eines, das sich nicht an der reflexgesteuerten Angst bediente, sondern an der seelischen, die sich im Kopf abspielte und oft Hintergründe hatte, die man selbst nicht mehr nachvollzog.

Tatsächlich war Paige sich seit ein paar Tagen nicht mehr sicher, worin sich ihr Irrwicht verwandeln würde, sollte sie einem begegnen. Sie war ungewohnt aufgeregt gewesen, als es darum gegangen war, ihrem Onkel von Remus zu erzählen — die Symptome waren da: Schwitzende Hände, Herzrasen, Fluchtbereitschaft. Es würde sie nicht wundern, wenn der Irrwicht plötzlich seine Gestalt annahm und „Aha, ein Freund..." murmelte, so wie er es getan hatte. Doch nach der ersten Minute des stummen Bangens hatte er auf den Platz neben sich auf dem Sofa geklopft und Paige hatte sich nervös neben ihn gesetzt.

„Deine Mutter hätte sich für dich gefreut", hatte er schließlich gesagt und Paige hatte ein breites Lächeln auf dem Gesicht bei dieser Reaktion gehabt. „Wie heißt er?"

„Remus." hatte sie sofort geantwortet und in ihren Augen hatte so viel Stolz gelegen, als sie diesen Namen aussprach, dass selbst ihr Onkel seine Zeitung überrascht gesenkt hatte. „Remus Lupin."

Er hatte kurz überlegt. „Lupin... Kommt mir irgendwie bekannt vor."

„Sein Vater arbeitet im Ministerium."

„Das werde ich schon aus ihm herausbekommen." hatte er mit einem leichten Grinsen gesagt und Paiges Mund hatte sich plötzlich wie ausgetrocknet angefühlt.

„Bitte mach ihm keine Angst." Als sie ihn das gebeten hatte, hatte er nur gelacht.

„Ich bin mir sicher, du hast dir jemanden ausgesucht, der genauso dickköpfig wie du bist und sich nicht so leicht Angst machen lässt." hatte er erwidert. Paige musste zustimmen. „Außerdem bin ich Auror. Ich habe wichtigere Leute auf meiner Abschussliste als den Freund meiner Nichte."

Seine nächsten Worte klangen ihr immer noch im Gedächtnis nach.

„Du siehst aus wie deine Mutter, als sie über deinen Vater gesprochen hat." hatte er nachdenklich gesagt und Paige hatte versucht, sich ein Lächeln aufzuzwingen. „Ich sehe sehr viel von ihr in dir."

Ich glaube nicht, dass das für mich ein Kompliment ist. Sie hatte geschwiegen. „Also hast du nichts dagegen?" hatte sie schließlich gefragt und ihr Onkel hatte eine Augenbraue gehoben.

„Du hattest ja wirklich Angst vor meiner Reaktion."

„Nicht Angst." hatte Paige gesagt. „Aber ich dachte, du wärst ein bisschen... alarmierter."

„Paige, weißt du... Ich habe den Streitereien von Mala und unseren Eltern zugehört, als sie sich in den Kopf gesetzt hat, deinen Vater zu heiraten und ich kann dir nicht wirklich Vorträge halten. Ich habe deine Tante geheiratet, obwohl sie ein Muggel war und meine Eltern jemanden ganz anderen im Auge hatten. Der einzige, der deine Großeltern glücklich gemacht hat, war mein anderer Bruder. Und ich habe manchmal Angst, dass deine Mutter aus dem Jenseits kommt und mir den Hals umdreht, wenn ich dir etwas verbiete, was dich glücklich macht. Wenn das aber so ein Möchtegern-Rocker mit Lederjacke und Motorrad ist, führen wir das Gespräch hier nochmal und dann geht das anders aus."

Paige hatte wirklich ein Lachen zurückhalten müssen. Sie hatte das Bedürfnis, ihm irgendwann Sirius zu zeigen.

„Keine Sorge. Er ist Vertrauensschüler, sehr höflich und gut erzogen. Und intelligent ist er auch."

„Du stellst mir aber nicht Harper vor, oder?"

„Harper ist kein Vertrauensschüler." hatte Paige gelacht. „Und Remus ist in Gryffindor."

„Also hast du dir das Haus mit der geringsten Lebenserwartung rausgesucht?"

Paige hatte keine Antwort darauf gehabt. Manchmal dachte sie darüber nach, wie Remus ihr gesagt hatte, dass er sich für den Widerstandskampf nach der Schule einsetzen wollte. Es machte ihr Angst. Erst an diesem Tag hatte ihr Onkel davon erzählt, wie sehr zwei seiner vielversprechendsten Auroren in Ausbildung, Frank Longbottom und Alice Fortescue, in einem Kampf gegen die Todesser verletzt worden waren.

Die Todesser waren ungerecht — sie kämpften mit unfairen Mitteln. Und sie wollte nicht nur, dass Remus nicht verletzt wurde, sie wollte auch nicht, dass er gezwungen wurde, einen Teil von sich selbst zu opfern, wenn er sie mit gleichen Mitteln bekämpfen musste. Paige wusste, dass sie sich selbst verlieren würde, wenn sie in dieser Situation stecken würde. Die Auroren hatten die Erlaubnis, die unverzeihlichen Flüche zu benutzen und sie war sich darüber bewusst, dass es seine Benutzer in einen Rausch bringen konnte, wenn sie sie öfters benutzten, ob bewusst oder nicht. Irgendwann schreckte einen selbst das Grausamste nicht mehr ab, wenn man lange genug davon umgeben war. Es reichte ihr, dass ihr Onkel durch seinen Beruf als Auror in Gefahr war. Gerade in den Ferien war ihr jeder seiner Einsätze viel bewusster und sie bekam Herzklopfen, wann immer er zu spät von der Arbeit kam. Sie wollte nicht dasselbe mit Remus erleben müssen.

Keine Sekunde später war ihr Blick auf die Uhr gefallen. „Fuck, du musst den verdammten Fernsehen zum Laufen bekommen, es läuft jetzt Star—"

Ihr Onkel hatte ihr einen strengen Blick zugeworfen.

„Ich meinte... Oh Nein, was ein unglücklicher Vorfall, bitte hilf mir, den Fernseher anzubekommen, der seit Tagen spinnt, es läuft Star Trek." hatte sie sich korrigiert. „Du fluchst immer, wenn du über die Arbeit redest und ich darf nicht?"

Er hatte nur in sich hinein gelächelt und nicht darauf geantwortet. „Ich kenne mich mit dem Kasten nicht aus. Da musst du Harleen fragen, sie hat auf den Fernseher bestanden und dich mit diesem Doctor angesteckt."

„Der Doctor ist nicht in Star Trek."

Um die Geschichte abzukürzen: Paige hatte die ersten zehn Minuten verpasst, aber zum Glück hatte sie die Folge schon gekannt. Allerdings kannte sie auch noch nicht alle und manchmal lief eine Folge, die sie vorher noch nicht gesehen hatte — und das wäre ärgerlich gewesen.

Überraschenderweise fiel jegliche Aufregung von ihr ab, als sie am nächsten Samstag die Haustür öffnete und Remus hinter einem beachtlichen Strauß roter Rosen entdeckte. Mit einem breiten Grinsen streckte sie ihre Hände nach dem Strauß aus, doch er zog seine Arme zurück, um sie vor ihr fernzuhalten. Sie hatte ihn vermisst und das in nur einer Woche. Wissenschaftlich betrachtet waren es ihre Hormone, die sie auf Wolke 7 schweben ließen, aber als ihr Herz sich bei seinem Anblick voller Wärme füllte, wusste sie, dass das nicht die einzige Erklärung sein konnte. „Die sind für deine Tante." sagte er streng und Paige legte den Kopf schief.

„Ernsthaft?" fragte sie und legte sich eine Hand ans Herz. „Erst machst du mir solche Hoffnungen und dann das?"

Remus schien nun etwas entspannter zu sein und zog eine Rose aus dem Strauß heraus, um ihr die Blüte sanft gegen die Nase zu schlagen. „Hier hast du deine Rose." meinte er und Paige grinste breit, bevor sie sie ihm entgegennahm.

„Nein nein." begann sie und Remus kannte dieses unheilvolle Lächeln nur zu gut. Sie hatte gerade wieder einen ganz speziellen Gedanken bekommen. „Das musst du ein bisschen sexyer machen. So zwischen die Zähne nehmen und dann rowr—" Als sie ihre Löwengeste machte, schüttelte Remus den Kopf, hätte jedoch besser aufpassen sollen, als Paige ihm schon mit der Rose am Gesicht herumexperimentierte.

„Paige, die hat— au." Er fasste sich an die Lippe und Paige zog mit großen Augen die Blume wieder zurück. „Dornen." beendete er seinen Satz und atmete tief durch.

Sie wollte sich wirklich entschuldigen, aber als Remus leicht blutete, konnte sie nicht anders als laut zu lachen.

„Ich lach mich tot." merkte Remus an, aber das machte es nicht besser.

„Genau in diesem Moment hörte sie Schritte hinter sich und drehte sich zu ihrer Tante um, die im Flur wartete. Paige trat etwas zurück, um Remus reinzulassen, der sich immer noch hin und wieder die Unterlippe vorschob, damit seine Oberlippe nicht so stark von Paiges Rosenangriff blutete.

„Wie ist eigentlich der Nachname von deinem Onkel?" wisperte Remus beiläufig und Paige lächelte leicht.

„Patil." antwortete sie und Remus atmete tief durch, bevor er ihre Tante anlächelte.

„Du bist also Remus." sagte sie und schüttelte ihm die Hand, während Remus nickte und ihr die Rosen überreichte.

„Es freut mich sehr, Sie kennenzulernen, Mrs Patil." sagte er so höflich wie sie ihn noch nie erlebt hatte und Paige hob ihre Augenbrauen. „Die Rosen sind für Sie."

„Die sind wirklich wunderschön." sagte ihre Tante, roch an ihnen und Remus fuhr sich mit der Hand über den Nacken. „Du blutest ja."

„Oh... äh—" Remus warf Paige einen kurzen Blick zu und sie presste belustigt die Lippen zusammen, um nicht zu lachen.

„Komm besser mal mit in die Küche."

„Das ist wirklich nicht..."

Doch man widersprach Harleen Patil nicht und ein paar Sekunden später folgte Remus ihr. Als er verarztet wiederkam, warf er Paige einen unbezahlbaren Blick zu. Sie sagte nichts und wartete grinsend an der Terassentür, von wo sie ihn wortlos nach draußen schob.

Es war seit zwei Tagen unerträglich heiß und Paige hatte den Großteil des Tages halb schlafend in der Hängematte auf der Wiese verbracht. Zum Lesen war es fast schon zu hell, weil sie trotz Sonnenschirm und Sonnenbrille immer den Drang bekam, die Augen zusammenzukneifen. Die Temperaturen machten sie auch ganz schläfrig und wenn dann auch noch der Schallplattenspieler von den Nachbarn hinüber schallte (die übrigens einen exzellenten Musikgeschmack hatten!) war es vorbei mit ihrer Konzentrationsspanne... gleichzeitig fühlte sie sich aber im Sommer am wohlsten.

„Onkel Avan..." begann sie langsam und ihr Onkel blickte interessiert vom bereits gedeckten Terassentisch auf. Er sah etwas überrascht aus, als er Remus erblickte und Paige fragte sich, mit wem er bitte gerechnet hatte, dass es diese (wenn auch positive) Überraschung rechtfertigte.

„Ich bin Remus, Sir." stellte Remus sich neben ihr vor und Paige stand etwas unbeholfen neben ihm, während er die Hand ihres Onkels schüttelte.

„Du kannst mich Avan nennen, hm?" schlug ihr Onkel vor und Remus nickte mit sichtlicher Erleichterung. Sie schüttelten sich immer noch die Hand und Paige beobachtete die beiden etwas verzweifelt, während sie mit ihrem Fuß über die Fließen fuhr, um sich abzulenken. „Freut mich, dich kennenzulernen."

„Ich will ihn auch kennenlernen." sagte Esha, die jüngste der drei, ungeduldig und stand von ihrem Stuhl auf, um Remus mit übertriebener Geste und breitem Grinsen die Hand hinzuhalten. Remus lachte leicht und ergriff sie. „Ich bin Esha und ich werde in einer Woche sechs Jahre alt."

„Wow, sehr cool." entgegnete Remus und Paige legte bei Eshas stolzer Reaktion überrascht den Kopf schief. Sie wusste gar nicht, dass er so gut mit Kindern konnte.

Lautes Bellen tönte plötzlich durch den Garten und als Paige das Halsband klirren hörte, drehte sie sich zu Nashira um, die aufgeregt mit dem Schwanz wedelte und ohne auf Paige zu achten auf Remus zurannte. Sie sprang an ihm hoch und Paiges Blick wurde sofort streng und eisig. „Nashira, aus!" sagte sie so energisch und laut, dass selbst Remus zusammenzuckte, doch Nashira hörte auf sie und ließ ihre Pfoten wieder von ihm. „Sitz!" befahl Paige und spürte Remus' Blick auf sich, als sie das sagte. Nashira murrte leise. „Und knurr mich nicht an."

„Ja genau, knurr sie nicht an." imitierte Remus sie mit einem leichten Lachen und Paige bemerkte, dass ihr Onkel sie aufmerksam beobachtete, als sie Remus einen gespielt vorwurfsvollen Blick zuwarf. Er grinste nur, bevor er sich vor den Golden Retriever hinkniete und ihm die Ohren kraulte.

„Hi." unterbrach ihn dabei Paiges zweite Schwester und Remus sah ein wenig überrascht von der Hündin vor ihm auf.

„Oh... hi." entgegnete er und Nalina grinste breit mit ihren zwei Zöpfen.

„Ich weiß ein Geheimnis von dir." fuhr sie fort und Remus warf Paige einen fragenden Blick zu. Sie zuckte mit den Schultern. „Ich sag es dir und du sagst mir, ob es richtig ist, ja?"

Nalina beugte sich vor, um ihm etwas ins Ohr zu flüstern und als sie wieder einen Schritt zurücktrat, lachte Remus leicht und errötete, als er zu Paige aufsah. „Ich schätze schon." meinte er schließlich, während er in sich hinein lächelte und Paige wurde jetzt schon ungeduldig, da sie erfahren wollte, worum es ging.

„Ravi, stell dich vor und bleib nicht so unhöflich auf deinem Platz sitzen." sagte ihr Onkel zu dem einzigen Sohn der Familie, der gerade in seine... rebellische Phase kam. So nannte Paige sie zumindest.

„Ich hab' Hunger." beschwerte er sich und Remus stammelte schon, während er wieder aufstand, dass es kein Problem war — er wollte dieses Begrüßungskomitee scheinbar genauso schnell hinter sich bringen wie sie — doch Ravi hörte schließlich doch auf seinen Vater und kam zu Remus. Sie wusste damit umzugehen.

„Einen wunderschönen guten Tag." sagte Ravi und fasste sich übertrieben ans Herz. „Ich bin ja so erfreut, euch alle an diesem schicksalhaften Sommertag zu begrüßen!"

Remus sah ihn überrascht an.

„Mein Name ist Ravi und falls es dir auffällt, meinen Humor hat Paige vollständig von mir, wobei ich nicht so langweilig bin." fuhr er fort.

„Du weißt, dass ich immer noch volljährig bin, oder?" warf Paige ein.

Ravi lachte unsicher. „Pff." meinte er schließlich und winkte ab. „Paige ist nur grantig, weil sie seit Neujahr zugenommen hat. Ich hoffe, du hattest nichts damit zu tu—"

„So, das reicht!" rief Paige aus und als sie nach ihm griff, fluchte Ravi und rannte in den Garten. Paige lief ihm hinterher und lachte so sehr dabei, dass auch Remus sanft lächeln musste, bis sie im Vorgarten verschwand und er mit Paiges Onkel und ihren beiden Cousinen alleine blieb. Nashira folgte den beiden laut bellend.

„Du sitzt neben mir." ordnete Nalina an und zog Remus mit sich, bevor Esha ihm einen Stuhl zurückzog und er schließlich neben den beiden saß. Paiges Onkel sah ihn an und Remus fuhr sich unbeholfen über den Nacken. Er wollte das echt nicht verbocken. „Wie habt ihr euch kennengelernt?" fragte Paiges Cousine neugierig und stützte ihr Kinn auf ihrer Hand ab.

„Äh... Ein Freund von mir brauchte ein bisschen Hilfe in Verwandlung und Paige hat ihm geholfen." Als er das sagte, musste er fast lachen. Wenn Paige wüsste, dass Sirius ein Animagus war... sie würde irre werden.

„Sirius?" fragte Nalina.

„Ja." entgegnete Remus ein wenig verwundert. „Paige hat von ihm erzählt?"

„Sie lacht immer, wenn sie über ihn redet." entgegnete Esha. „Aber Harper meinte, du bist cooler als er."

Remus lächelte in sich hinein. „Harper ist einer der besten Menschen, die ich je getroffen habe." sagte er schließlich und ohne, dass er es bemerkte, wurde das Gesicht von Paiges Onkel zufriedener.

„Ich zieh' dich durch den ganzen Garten, wenn's sein muss, du Kobold!" hörte er in diesem Moment Paige rufen, als sie wieder um die Ecke kam und Ravi durch die Wiese zog. Ravi hatte die Hände hinter seinen schwarzen Haaren verschränkt und schien es beinahe zu genießen, dass Paige ihn an seinem Bein gepackt hatte und durch das Gras zog. Die Hündin schien das ganze jedoch nicht so lustig zu finden und bellte Paige vorwurfsvoll an, als sie neben ihr herlief.

„Hey, Paige, nicht so schnell, ich wollte der Zecke da einen guten Tag wünschen." sagte er und drehte den Kopf zur Seite.

„Paige, ich glaube, ich sehe nicht richtig." Paige ließ Ravis Bein fallen, als sie die Stimme ihrer Tante von der Terrassentür hörte. Harleen stemmte die Hände in die Hüften. „Und zieh dir eine Sonnenbrille an. Vom Augen kneifen gibt es früher Falten."

„Holst du sie mir?" fragte Paige.

„Ich dachte, du bist volljährig und kannst zaubern." mischte sich Ravi vorlaut vom Boden ein.

Paige seufzte, holte ihren Zauberstab aus ihrer Tasche und schwang ihn, bevor sie ihre Hand ausstreckte und geduldig darauf wartete, dass das Etui der Brille in ihr landete.

„Krass." rief Ravi aus, weil sie den Zauber nicht laut ausgesprochen hatte. „Bringst du mir das bei?"

„Wir werden sehen." meinte sie geheimnisvoll lächelnd, bevor sie wieder auf die Terrasse ging und die Sonnenbrille herausholte, um sie sich aufzusetzen.

„Oh Nein." murmelte Remus.

„Was?" fragte sie. „Sirius hat mich wieder in eine Queen-Phase gebracht und ich dachte eine Sonnenbrille à la Freddie Mercury... Und als Geschenk für meine guten Noten habe ich sie bekommen." Sie warf ihrem Onkel ein strahlendes Lächeln zu, der nur abwinkte, als wäre es keine große Sache.

„Du hättest es ruhig sagen, wenn du mich loswerden wolltest." rutschte es aus Remus heraus, bevor er mehr darüber nachdachte. Es war einfach Paiges und sein Humor — so redeten sie miteinander. Doch er wusste nicht, wie ihr Onkel darüber dachte. Dieser lächelte jedoch nur und folgte seiner Frau in die Küche, um mit Magie das Essen heraus schweben zu lassen. Paige stellte sich hinter Remus und schlug ihm scherzhaft auf den Hinterkopf. Anschließend legte sie ihre Hände auf Nalinas Kopf.

„Sag mal, Maus..." begann sie. „Ist dein Platz nicht eigentlich da drüben?"

Nalina verzog enttäuscht das Gesicht, gab aber nach und ließ zu, dass Paige sich neben Remus setzte.

„Läuft doch gut." meinte sie und Remus hob eine Augenbraue.

„Wirklich perfekt. Erst sorgst du dafür, dass ich halb verblute—"

Paige begann herzhaft zu lachen. „Komm, das vergessen wir nie." Sie senkte ihre Stimme. „Was hat Nalina eigentlich gefragt?"

„Oh..." Remus lachte leicht. „Sie hat gefragt, ob ich es war, für den du dich in den Weihnachtsferien so schick gemacht hast."

„Standest du etwa nicht eine Stunde für mich vor dem Spiegel?" fragte sie dramatisch und bevor er antworten konnte, kamen ihr Onkel und ihre Tante zurück.

Sie hatte Ravi noch nie so schnell laufen gesehen, wie als die Töpfe durch die Tür schwebten. Paige beäugte ihren Löffel und als ihr ein Fleck vom Spülen auffiel, sah sie zu Remus' Löffel, der besser aussah, bevor sie nach ihm griff und tauschte. Remus warf ihr einen fragenden Blick zu.

„Wenn Flecken auf ihrem Besteck ist, dreht Paige total ab." meinte Ravi.

„Sie hat uns mit sieben erklärt, dass sie Angst davor hätte, zu sterben, wenn sie davon isst." erklärte ihr Onkel, der gerade gegenüber mit Harleen Platz nahm.

„Ah, und deswegen kriege ich es?" fragte Remus amüsiert und Paige errötete, bevor sie mit den Schultern zuckte.

„Man stirbt ja nicht wirklich dran." erklärte sie.

„Ravenclaws." murmelte Ravi und Paige warf ihm einen Blick zu.

„Nur weil du nach Gryffindor willst, bitte..." Sie verdrehte die Augen und sah Remus neben ihr in sich hinein grinsen. Sie trat ihn leicht unter dem Tisch.

„Gryffindor ist so cool." Ravi sah stolz aus, als hätte der Hut bereits für ihn entschieden. „Ich will ja nicht nach Hufflepuff wie Dad. Oder nach Slytherin, ich meine, offensichtlich... Und nenn mir einen Gryffindor, der nicht cool ist."

„Wenn du hinkommst: Du", entgegnete Paige trocken.

Ravi schnitt eine Grimasse und Paige erwiderte sie. „Du bist in Gryffindor, oder?" fragte er schließlich an Remus gewandt. Er nickte. „Was ist dein Lieblingsfach?"

„Verteidigung gegen die dunklen Künste." entgegnete Remus ohne zu zögern.

Ihr Onkel nickte anerkennend.

„Er hat natürlich auch ein O in den ZAGs gehabt." fügte Paige hinzu, um ihn noch ein wenig mehr zu beeindrucken. „Und in den meisten anderen Fächern."

„Paige..." begann Remus, doch ihr Onkel sah zufrieden aus.

„Wirklich?" fragte er.

„Naja... ja. Aber die ZAG-Prüfung in Verteidigung war auch nicht gerade schwer."

„Paige hatte ein A." feixte Ravi und Paige könnte schwören, wenn ihr Onkel nicht zu ihm geschaut hatte, hätte er ihr die Zunge rausgestreckt.

„Nur wegen—"

„—des praktischen Teils." vervollständigten alle, bis auf Remus, ihren Satz.

Paige schmollte.

„Wie auch immer", fuhr Ravi fort. „Wenn ich nach Gryffindor komme, kann ich euch beide besser im Auge behalten, so wie Dad es—"

„Ich würde sagen, wir beginnen mit dem Essen." unterbrach ihr Onkel ihn und räusperte sich. Paige öffnete empört den Mund, Remus errötete.

Währenddessen reichte ihre Tante die Schüssel mit den Glasnudeln herum und deutete auf die Dosen in der Mitte des Tischs. „Ich habe nicht so scharf gewürzt — wer also mehr will: nehmt euch."

Esha griff ohne das Gemüse mit den Linsen zu probieren nach der Dose und würzte ihr Essen, sodass selbst Remus große Augen machte. Als er die Erdnusssauce probierte, schien er hin und weg. Paige unterdrückte ein Lachen, als Harleen ihm anbot, ihm das Rezept zu geben. Jetzt gaben sich ihr Freund und ihre Tante auch noch Kochtipps, wo war sie denn nur gelandet?

Fünf Minuten später wich Remus' Begeisterung jedoch Stille und Paige beobachtete ihn schweigend und stellte fest, dass er verdächtig oft blinzelte.

„Soll ich dir Milch bringen?" fragte sie.

„Was?" entgegnete Remus mit einem betont lockeren Lachen. „Ich brauche keine Milch." Er warf Esha einen Blick zu, die beim Essen keine Miene verzog.

„Klar." sagte Paige, als er sich das dritte Glas Wasser eingoss.

„Wenn du gut in Verteidigung gegen die dunklen Künste bist, hast du dann schon mal an eine Ausbildung als Auror gedacht?" fragte ihr Onkel und nun war Paige es, die nach der Wasserkaraffe griff. Jetzt klärte er also ab, wie es um Remus' Zukunft stand. Sie kannte ihn und warf ihm einen Blick zu.

„Ich habe ehrlich gesagt noch nicht wirklich eine Ahnung, was ich machen möchte." meinte Remus mit einem kurzen Lächeln. „Aber es zu versuchen schadet sicher nicht."

Ihr Onkel nickte, doch Paige merkte sofort, wie Remus' Schweigen, während er aß, betroffener wirkte als eben. Kaum, dass sie fertig gegessen hatten und alle ins Haus gegangen waren, befand sich Paige mit Remus auf der Hängematte im Garten unter dem Sonnenschirm. Wenigstens saßen sie jetzt sicher, nachdem sie eine Minute damit gekämpft hatten, nicht auf dem Boden zu landen.

„Er denkt jetzt wahrscheinlich, ich hätte eine tolle Zukunft vor mir." meinte Remus ganz von alleine, als er schweigend an dem Stoff der Hängematte zog. „Tut mir leid, enttäuschen zu müssen, aber das Ministerium würde mich vermutlich nach zwei Monaten für immer rausschmeißen."

„Remus..." begann Paige und er seufzte.

„Es ist nur: Mir bleibt doch gar nichts anderes übrig als mich dem Kampf gegen Du-weißt-schon-wen anzuschließen. Voldemort, meine ich."

Paige schluckte schwer. „Ja." murmelte sie, ohne ihn anzusehen. Sie sollten sich nicht über solche Dinge Gedanken machen müssen. „Aber ich würde jetzt nicht alles schwarz malen, bevor es soweit ist."

„Und was lässt dich glauben, dass es bei mir anders wird als bei deinem Vater? Du hast selbst gesagt, dass er keinen richtig Job findet, zu Hause sitzt und sich bemitleidet."

„So habe ich das nicht gesagt." entgegnete Paige neutral und Remus atmete tief durch.

„Tut mir leid." Er griff nach ihrer Hand und sie strich mit ihren Fingern über seine.

„Werden wir uns immer darüber streiten?" fragte sie, auch wenn sie keine Antwort von ihm erwartete. Vielleicht war es ein Problem, dass sie beide zu viel an die Zukunft dachten. Doch es war Paige unmöglich, nur für den Moment zu leben. Sie konnte nicht anders, genau wie er. Sie legte sich zurück und seufzte, während sie die Augen schloss. „Kommst du?" fragte sie und streckte ihre Hand nach ihm aus.

Remus sah zu ihr und lachte leicht. „Ich hab' ein bisschen Angst davor, dass deine Familie uns durch das Fenster beobachtet."

„Du sollst dich einfach neben mich legen." meinte sie amüsiert und genau in dem Moment hörte sie die ersten Töne von Imagine von John Lennon aus dem Nachbargarten.

„Das ist gerade die kitschigste Szene, die du hättest planen können." Er lachte. „Wir haben Hintergrundmusik — Hintergrundmusik. Wie im Film."

„Ich hab's das nicht geplant." sagte sie mit einem Lachen und Remus schüttelte den Kopf, bevor er sich neben sie legte und die Hängematte zum Wackeln brachte. „Die spielen die ganze Zeit Musik und ich liege unschuldig hier und lasse mich beschallen." Sie drehte sich zur Seite und hakte ihren Arm in seinen, um sich gegen ihn zu kuscheln. Für ein paar Sekunden schloss sie die Augen und versuchte an nichts anderes zu denken als an diesen Augenblick.

„Also: Was ist die momentane Lektüre, über die du etwas loswerden willst?" fragte Remus schließlich und sie lachte leise.

„Herr der Ringe." entgegnete sie.

„Dein erstes Mal?"

„Jup." meinte sie.

„Was sagst du?"

„Hm..." Sie schwieg kurz. „Der Anfang war ziemlich zäh. Und mich stört es, dass es keine richtigen inneren — wie soll ich das sagen? Wir sehen nur die Guten und dann gibt es die komplett Bösen. Das nervt mich. Wieso gibt es niemanden mit richtig komplexen Motiven? Und wo sind die Frauen? Alle sind so schön und weise und mächtig, Éowyn war die einzig coole und dann heiratet sie und wird jetzt was? Von der Kriegerin zur Hausfrau und Mutter? Und Arwen hat ihre Unsterblichkeit nur für Aragorn aufgegeben? Okay, wer kann's ihr vorwerfen: Er ist König, kann mit dem Schwert umgehen und... gut, würde ich vor ihm stehen, würde ich wahrscheinlich auch "Heirate mich, Aragorn!" schreien."

„So schnell bin ich abgeschrieben für— ernsthaft, einen König mit Schwert? Wenn du wenigstens Charaktereigenschaften aufgezählt hättest..."

Paige lachte böse. „Ich meine, ich dachte, du wärst ein richtiger Trekkie mit Leib und Seele." begann sie. „Aber als du meintest, du kennst Star Trek, meintest du auch nur kennen."

„Das war ja keine Lüge." verteidigte er sich.

„Dann muss sich Harper aber auch keine Sorgen machen, dass er seine Diskussionspartnerin verliert."

„Siehst du, dafür hast du deinen besten Freund." meinte Remus und lachte leise. „Und jetzt stell dir vor, wir müssten auch noch über Star Trek diskutieren. Paige, wir würden zu nichts anderem mehr kommen und ich könnte dich höchstens einmal die Woche küssen."

Paige lachte leicht und drehte sich ein wenig, um ihr Kinn auf den Händen abzustützen und ihn anzusehen. „Also ist dir mich zu küssen wichtiger als mit mir zu reden?"

„Ich dachte, das wäre offensichtlich." meinte er trocken und sie schlug ihm spielerisch auf den Arm. „Ist das nicht der einzige Grund, warum wir zusammen sind? Hey, hör auf zu lachen, ich bin gerade ehrlich schockiert."

„Weißt du, ich würde dich jetzt küssen, wenn du mir nicht den Gedanken in den Kopf gesetzt hättest, dass mich meine Familie beobachtet." meinte sie schelmisch und legte sich wieder zurück. „Und um es von der positiven Seite zu betrachten: Ich glaube mein Onkel mag dich. Und meine Tante sowieso, ihr könnte ja einen Kochclub gründen."

Sie musste nicht hinsehen, um zu wissen, dass Remus mit den Augen rollte. „Dein Onkel soll nur nicht denken, dass wir nicht so unschuldig sind, wie wir aussehen." sagte er.

„Ich habe ihm gesagt, dass du sehr vernünftig bist." meinte Paige grinsend.

Remus legte sich eine Hand auf die Brust. „Aber das bin ich doch auch." sagte er und strahlte sie an, als sie zu ihm aufsah.

„Außerdem sind wir doch wirklich ein unschuldiger Anblick. Solange ich dir hier nicht einen blase, kann sich ja wohl niemand beschweren, dass wir zu viel Körperkontakt haben."

Remus verschluckte sich bei ihrer Aussage und legte sich eine Hand an die Stirn. „Paige..." begann er. „John Lennon singt gerade von einer friedlichen Welt, in der alle Menschen gleich sind—"

„Oh, ich wette, du wärst auch sehr friedlich."

„Du zerstörst die Stimmung." meinte er lachend.

„Und ich dachte, es wäre kitschig mit der Musik im Hintergrund."

„Ich habe nie etwas gegen kitschig gesagt."

Paige grinste und vergrub ihr Gesicht in seinem Hemd. Sie atmete tief ein und genoss es, ihn endlich wieder sehen zu können. Sie schwieg eine Weile, bevor sie leicht seufzte. „Was glaubst du, woran es liegt, dass wir Magie verwenden können?" fragte sie plötzlich und Remus sah fragend zu ihr hinab.

„Was meinst du?"

„Naja..." Sie schwieg kurz. „Was unterscheidet uns von Muggeln? Genetisch meine ich. Warum haben nur wir Zugang zu Magie? Und warum können manche Kinder von Muggeln sie plötzlich benutzen?"

„Du überforderst mich." meinte Remus mit einem leichten Lachen. „Aber das ist nicht alles." stellte er weiter fest. In seiner Stimme lag eine Frage. „Worauf willst du hinaus?"

Paige wollte Remus nicht mit den Dingen überfallen, über die sie sich Gedanken gemacht hatte. Doch sie wollte ihm helfen. Es gab nichts, was sie mehr wollte.

„Was, wenn man durch mehr Forschung herausfinden könnte, was deine Verwandlungen auslöst?"

Sie spürte, wie Remus sich unter ihr versteifte. Er sagte nichts.

„Wenn man die Ursache kennen würde—"

„Nein." unterbrach Remus sie und setzte sich auf, um sie anzusehen. „Nein. Paige, war es nicht das, was deine Mum... umgebracht hat? Dass sie Werwölfen helfen wollte? Was hat es ihr gebracht?"

„Ich wäre vorsichtiger." sagte Paige. „Ich kenne ihre Fehler."

Remus schüttelte den Kopf.

„Was, wenn da ein Weg ist, dich zu heilen? Remus..."

„Paige." sagte er fest und atmete tief durch. „Erst einmal musst dich jetzt auf dein letztes Schuljahr konzentrieren — und deine Bewerbung für die Akademie. Und vielleicht dann... irgendwann... aber übernimm dich nicht. Nicht für mich. Du weißt, wie das mit deiner Mum ausgegangen ist und ich glaube, es würde dich mehr mitnehmen dich damit zu beschäftigen als du jetzt vielleicht denkst."

Seine Worte klangen den ganzen Tag in ihrem Kopf nach. Sie wusste, dass er recht hatte, spätestens, als sie ihre erleuchtete Zauberspitze über das Notizbuch ihrer Mutter hielt und angestrengt darin las. Sie lehnte ihren Kopf gegen die Wand hinter ihr und zog ihre Bettdecke näher an sich heran.

Paige hatte es einst als einfach empfunden zu sagen, dass sie sich davon distanzieren würde, aber es wurde immer schwieriger, je mehr sie verstand, was ihre Mum für ihren Vater empfunden haben musste. Manchmal machte es ihr Angst, wie stark ihre Gefühle geworden waren und wie gern sie Remus all den Schmerz nehmen würde, den er ertragen musste.

Und ja, sie hatte Angst vor der Zukunft. Die Leute sprachen aus einem Grund von der ersten Liebe. Es war selten die letzte. Immer war es nur die erste, immer nur die unglaubliche Erfahrung, die man nie vergaß — es gehörte dazu, dass das Herz gebrochen wurde. Paige wusste, dass es die falsche Einstellung war, doch manchmal hatte sie Angst, dass es wahr war und Remus eines Tages nur eine Erinnerung sein würde, von der sie ihren Kindern erzählte.

Irgendwann, als sie von dem Thema abgelassen hatte und sich wieder hingelegt hatten, hatte sie ihm eine Frage gestellt, die ihr ein mulmiges Gefühl bereitete. „Remus?" hatte sie gesagt und er hatte ihr übers Haar gestrichen, um ihr stumm zu zeigen, dass sie ihre Gedanken aussprechen sollte. „Was glaubst du, wie lange für immer ist?"

Kein Paar war glücklich bis ans Ende ihrer Tage. Es gab immer Krisen — und sie hatten auch noch einen Krieg. Sie hatte erwartet, dass er etwas mehr darüber lachen würde, weil sie heute so viele philosophische Fragen stellte, doch er war todernst geblieben. Und das machte Paige wieder klar, dass ihre Gedanken nicht unberechtigt waren. Ihre Sorgen und Ängste ebenso wenig.

„Ich glaube, dass selbst eine einzige Sekunde für immer sein kann." hatte er gesagt. „Man muss sie nur richtig nutzen."

Ohne Remus zu sein würde ihr nicht nur das Herz brechen, sondern auch ihre Seele — und das klang vielleicht dramatisch, aber Paige hatte Remus einen Teil von ihr anvertraut, den er mit einer falschen Tat zerschmettern konnte als wäre er aus Glas. Sie fühlte sich schwach bei diesem Gedanken und trotzdem brachte es sie zum Lächeln.

Das war es, was sie sich gewünscht und was sie gleichzeitig immer gefürchtet hatte. Doch vielleicht war es Zeit sich diesem Teil zu stellen.

Sie gähnte und blinzelte dreimal, um ihre Müdigkeit zu überspielen, als sie über die Seiten las, in denen ihre Mutter das Blut ihres Vaters untersucht hatte. Sie hatte es analysiert und Paige las sich die Randnotizen aufmerksam durch, wenn auch zum vierten Mal. Ihre Gedanken schienen hin und her zu springen, doch langsam glaubte Paige, einen Überblick zu gelangen. Ihre Mum hatte mehrere Theorien und Anmerkungen gemacht, was besonders sein könnte und Hinweise gab. Daraufhin folgten die ersten Seiten und Gedanken zu dem Trank, den sie entwickeln hatte wollen, basierend auf den Forschungen seines Blutes und seiner DNA.

Paige fragte sich, ob sie dieselben Besonderheiten, die ihre Mutter hier niedergeschrieben hatte, bei Remus wiederfinden würde. Die Ursache musste in den Genen liegen. Es war eine Mutation, vielleicht eine magische, aber sie musste biologische Gründe haben, richtig? Man sprach nicht umsonst von einer Infektion. Es war kein Fluch im klassischen Sinne. Lykantrophie wurde durch einen Biss übertragen: durch direkten Kontakt von Speichel und Blut.

Doch auch wenn sie das Mikroskop von ihrer Mum bei ihrem letzten Besuch bei ihrem Dad mitgenommen hatte — das wie immer recht unbeholfen verlaufen war, auch wenn er sich größte Mühe gab — konnte sie Remus schlecht nach seinem Blut fragen. Er schien ihre Idee nicht gutzuheißen. Sie verstand, was er meinte, aber sie wollte ihm doch nur gut.

Als sie das Buch müde auf den Nachttisch legte und beim Anblick der Rose in der Vase neben ihr lächeln musste, hielt sie plötzlich inne und setzte sich schlagartig auf. Die Rose. Die Dorne. Sie hatte bereits Blut von Remus.

Ohne darüber nachzudenken schmiss sie die Bettdecke von sich und eilte so leise wie möglich die Treppenstufen hinunter. Ihre Schritte führten sie in die Küche und sie öffnete die Schublade, in der sich die Mülltonne befand. Da sie ihren Zauberstab oben liegen gelassen hatte, schob sie den Eimer nach vorne und begann ein paar Apfelschalen zur Seite zu schieben. Und plötzlich hielt sie es in den Händen: das Papiertaschentuch, das Harleen ihm offensichtlich gegeben hatte, um sich das Blut von der Lippe zu tupfen.

Für einen kurzen Moment zögerte sie. Remus hatte sie darum gebeten, sich nicht zu viel zuzutrauen — aber sie traute sich nicht zu viel zu. Es war alles in Ordnung. Er musste sich keine Sorgen machen.

Paige würde das schaffen.



· · · note! · · ·

Remus' und Paiges Reise in diesem Teil der Geschichte wird unglaublich spannend und ich freue mich riesig darauf. Die beiden sind für mich solche relationship goals, ich komme nicht ganz drauf klar xD
In diesem Kapitel war irgendwie alles drin: süße und lustige Momente, aber auch die Angst vor der Zukunft und hoffentlich etwas, das euch neugierig auf die nächsten Kapitel macht...

Und wie findet ihr Paiges Familie? Mit Ravi wird es wohl lustig im nächsten Schuljahr auf Hogwarts, was meint ihr? xD

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