08. Der richtige Förderer

KAPITEL ACHT
Der richtige Förderer

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„Ich weiß nur nicht, ob die Bücherei..." Malcolm brachte Paiges Beschwerden schnell zum Ersticken, indem er sie küsste. Dieses Mal schloss sie ohne Protest mit einem Seufzen die Augen und kicherte leise, als er seine Lippen über ihren Hals streifen ließ.

„Du hast selbst gesagt, dass Madam Pince nie in diese Ecke kommt." wisperte er gegen ihre Haut, was ihr ein angenehmes Kribbeln bescherte.

„Stimmt." murmelte sie und zog ihn näher zu einem Kuss an sich heran. Ihre Hände fuhren zu seinen lockigen, dunklen Haaren und sie presste sich näher an seinen Oberkörper, während sie ein Bein um seine Hüfte schlang.

Für einen kurzen Moment gelang es ihr an nichts zu denken. Nicht an das A in Verteidigung gegen die dunklen Künste, nicht an ihre Unsicherheit über das Date mit Remus, da sie seit der Stunde heute nicht miteinander geredet hatten und nicht an Sirius, dem sie heute wieder „Nachhilfe" geben musste.

Es gab nur noch Malcolm.

Vielleicht war es besser, dass sie die Beziehung zu ihm von Anfang an so sachlich wie möglich betrachtet hatte. Harper sprach immer von der großen Liebe, von dem einen Moment, in dem die ganze Welt still stand und es nur noch diese eine Person gab, aber manchmal... manchmal da hatte Paige beinahe Angst davor, dass es diesen Moment tatsächlich gab. Was, wenn es ihr nur wehtat? Und ihr Leben besser gewesen wäre ohne die „große Liebe"? Was, wenn das alles enden würde wie bei ihren Eltern?

„Geht's dir gut?" fragte Malcolm plötzlich und Paige sah ihn mit großen Augen an, da sie nicht im geringsten mit dieser Frage gerechnet hatte, als er sich von ihr löste. Mit dem Ärmel ihres weiten, honiggelben Pullovers wischte sie sich eine Träne weg, die ihr über die Wange gelaufen war.

„Nichts Wichtiges."

Malcolm schwieg und sah sie aufmerksam an, bevor er leicht lächelte. „Ist wieder einer deiner Lieblingscharaktere gestorben?"

Das brachte Paige nun doch leicht zum Lachen und er stützte sich mit den Händen auf dem Tisch ab, auf dem sie saß.

„Weißt du..." Er lehnte sich zurück und zog sich einen Stuhl heran, um seine Füße auf ihm abzulegen, als er sich neben sie auf den Tisch setzte. „Ich wollte dich etwas fragen."

Paige runzelte die Stirn und sah ihn fragend an. „Keine Sorge, ich komme schon mit der Situation hier klar."

„Darum geht es nicht." antwortete er knapp. „Du bist eine der schlausten deines Jahrgangs. Neben Snape, Potter und dieser Evans."

„Wahrscheinlich." kommentierte sie seine Worte mit einem schiefen Grinsen, denn verlegen oder rot wollte sie nur wegen eines solchen Kompliments nicht werden. Doch Malcolm erwiderte nichts auf ihre Worte und sprach weiter, als hätte er sie nicht gehört.

„Aber nur Snape nutzt seine Talente... auf eine vielversprechende Weise." Sie runzelte die Stirn und Malcolm sah sie an, als wartete er darauf, dass die Galleone bei ihr fiel. Als er erkannte, dass sie nichts sagte, fuhr er hastig fort. „Warum hast du dich noch nie an dunkler Magie versucht? Du wärst vermutlich unglaublich mächtig... so mächtig, dass jeder dich auf seiner Seite—"

„Worum geht es hier?" unterbrach sie ihn schnell und ihre noch eben zugeneigte Körperhaltung wurde abweisender.

„Ich habe mich nur gefragt... meine Freunde meinten, du wärst dem Gedanken abgeneigt und dass es sich nicht lohnt, darüber mit dir zu reden, aber vielleicht habe ich mich zu schnell von ihnen davon überzeugen lassen. Deswegen musste ich mehr Zeit mit dir verbringen. Du hast selbst gesagt, dass du das größtmögliche Potenzial aus dir herausholen möchtest und dunkle Magie..."

„...ist nicht zu unterschätzen." vervollständigte Paige seinen Satz. Ihr wurde mulmig zumute, als sie ihn so reden hörte.

„Aber sie ist so unglaublich stark." Die Art und Weise, wie er dieses Wort aussprach, verpasste Paige eine Gänsehaut — und dieses Mal nicht im positiven Sinne.

„Malcolm..." begann sie, doch er unterbrach sie.

„Du kannst mir nicht sagen, dass du noch nie daran gedacht hast, diese lächerlichen Grenzen, von denen die Lehrer sprechen, hinter dir zu lassen." fuhr er fort und war so in Rage, dass Paige zurückweichen wollte. Doch sie konnte es nicht. In Malcolms Augen funkelte etwas, das ihr nicht gefiel. „Wenn du die ganze Macht willst-"

„Ich bin nicht einmal gut in Verteidigung gegen die dunklen Künste. Mir liegt die Theorie, das Tränke brauen..." versuchte sie das Thema klein zu reden, doch Malcolm ließ sich nicht beirren. Sie wollte, dass er von selbst aufhörte, darüber zu sprechen, doch ihre jämmerlichen Versuche machten nichts besser.

„Und du denkst, mit Tränken könntest du nichts bewirken? Paige, weißt du nicht, wie viele Möglichkeiten es gibt? Du könntest mächtiger sein als jeder Zauberer, wen auch immer du willst kontrollieren... hast du denn nie darüber nachgedacht?"

Natürlich hatte sie das. Doch ihr war eine Sache beigebracht werden: Dunkle Magie kam mit einem teuren Preis daher und hatte der Welt noch nie Gutes gebracht. Paige war neugierig und hätte sie keine moralischen Wertvorstellungen, hätte sie sich längst daran versucht... doch sie hatte sie und sie würde sie nicht aufgeben für eine bloße Versuchung.

„Du könntest so leicht nach dieser Macht greifen. Wir könnten das." Er legte seine Hand an ihre Wange, doch es war keine sanfte Berührung, sondern eine eindringliche, die sie dazu zwang, ihm in die braunen Augen zu sehen.

„Wir sind siebzehn." redete sie langsam auf ihn ein. Sie konnte ihm nicht offen ins Gesicht sagen, wie sehr ihr der Gedanke widerstrebte, das zu tun, was er vorschlug. „Was glaubst du denn, was wir bewirken könnten?"

„Wir werden daran wachsen... und mit dem richtigen Förderer könnten wir alles erreichen. Und irgendwann wirst du diese Zweifel nicht mehr haben. Dann wirst du wissen, dass es das einzig Richtige war diese Ma-"

„Alles in Ordnung hier?"

Paige fühlte sich, als wäre sie die ganze Zeit unter Wasser gewesen und konnte erst wieder atmen, als sie die Stimme von Sirius hinter sich hörte. Während Malcolm mit einem finsteren Blick hinter sie sah, schloss Paige kurz die Augen und fühlte die Anspannung von sich abfallen, als er aufstand und sich von ihr entfernte.

„Sehen wir uns morgen?" fragte Malcolm und Paige nickte zögerlich, zu verunsichert, um seine Frage zu verneinen. Mit einem auf Sirius gerichteten abfälligen Seitenblick verließ er die Bibliotheksecke, die immer Paiges Lieblingsort gewesen war, da sie sich sicher hier fühlte.

Sie zog den Stuhl, den Malcolm benutzt hatte mit den Beinen näher an sich heran, um ihre Füße darauf abzustellen und versuchte den Blick zu ignorieren, den Sirius ihr zuwarf, während er seine Tasche auf den nächsten freien Stuhl warf.

„Geht's dir gut?" fragte Sirius und setzte sich neben sie auf den Tisch. Zugegeben, Paige war ein wenig überrascht, gleichzeitig brachte es sie aber leicht zum Lächeln, weil er nachfragte und sie wohl doch nicht so sehr verabscheute, dass es ihm egal war.

„Erst sagst du mir, ich soll mich von dir fernhalten und jetzt fragst du mich, wie es dir geht?"

„Schätze schon." erwiderte Sirius und sie spürte, dass sein Blick über ihre zerzausten Haare und ihre Bluse glitt, deren drei obere Knöpfe aufgeknöpft waren und erkannte, was für ein Bild sie abgeben musste.

„Kein Grund, sich Sorgen zu machen." antwortete sie und ihre Stimme klang stumpf. Malcolms fanatische Worte hatten ihr mehr Angst gemacht, als sie zugeben wollte. „Er ist mein Ex-Freund."

Während sie sich die Bluse zuknöpfte, schnaubte Sirius neben ihr. „Das hat für gewöhnlich nichts zu heißen."

„Du bist früher als sonst." wechselte Paige nach ein paar schweigenden Sekunden das Thema und stand von dem Tisch auf, um sich auf den Stuhl zu setzen.

„Keine Minute zu spät." Als Sirius merkte, dass er nicht mehr aus ihr herausbekommen würde und sie nicht darüber sprechen wollte, setzte er sich ebenfalls neben sie. „Du und Rookwood hattet also was?"

Sie schwieg.

„Habt immer noch was miteinander?"

Paige verdrehte die Augen. „Und wenn's so wär..."

„Du bist also doch keine verklemmte, langweilige Jungfrau."

„Fick dich doch, Black."

„Deswegen sitzt du hier ganz hinten, wo dich niemand sieht und Madam Pince dich nicht erwischt." Als ihr Blick finsterer wurde, fuhr er fort. „Du verstehst nicht, du hast meine größte Anerkennung."

„Das spricht nicht gerade für mich." Sie warf ihm einen gezielten Blick zu und als Sirius ihn so ernst wie möglich erwiderte, begann Paige herzlich zu lachen und nach ein paar Sekunden stimmte auch er bellend mit ein.

Merlin, sie lachte mit Sirius Black. Vielleicht hatte Malcolm sie bereits verflucht.

Nach ein paar Ansätzen hatten sie sich wieder beruhigt und Paige prustete sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht, während sie ihn mit funkelnden Augen ansah.

„Wenn du mir nichts erzählen willst, muss ich wohl dramatische Anekdoten aus meinem Leben mit dir teilen." begann Sirius theatralisch und während Paige schon die Augen verdrehte, wurde ihr Blick nachdenklicher und ernster.

„Dann wollen wir das wohl nicht riskieren." begann sie leise und fing mit einem Seufzen zu erzählen an. Warum sie gerade Sirius Black ihr Gespräch mit Malcolm anvertraute, wusste sie nicht, aber er war die einzige Person in der Nähe... und Paige hatte das Gefühl hysterisch zu werden, wenn sie nicht darüber sprach. „Er hat über schwarze Magie gesprochen."

Paige musterte Sirius misstrauisch, da sie sich nicht sicher war, ob er tatsächlich zuhörte. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass er sich dafür interessierte, aber nach ihrem ersten Satz erwiderte er ihren Blick aufmerksam.

„Genauer gesagt hat er mich gefragt, warum ich mich noch nie daran versucht habe und dass ich... mächtig sein könnte." fuhr sie fort und verteidigte sich schnell. „So hat er es gesagt. Ich halte nicht viel davon. Aber ich fürchte, dass er sich vielleicht... Voldemort anschließt. Oder angeschlossen hat."

Sie sah ihn vorsichtig an und beobachtete ihn, wie er sich auf seinem Stuhl zurücklehnte. Als er tief durchatmete, fiel Paige auf, dass sie ihn noch nie so ernst erlebt hatte.

„Es würde mich nicht wundern. Wahrscheinlich sind es schon mehr, als wir denken."

„Aber er war immer ein guter Mensch. Ich verstehe einfach nicht, wann das passiert ist." hielt sie dagegen und hörte Sirius schnauben.

„Arora, du hast echt keine Ahnung, wie das in solchen Familien abläuft, oder?"

„Ich meine, ich bin Reinblut, aber meine Familie legt keinen großen Wert darauf, wer wen heiratet oder befreundet ist. Gut, beim Heiraten haben sie gerne ihre Hände im Spiel, aber mein Onkel hat mir versprochen, mich zu nichts zu zwingen."

„Dann kannst du dich glücklich schätzen. Dein Rookwood hat diese ganzen Prinzipien von klein auf eingetrichtert bekommen — er kann gar nicht anders als daran zu glauben, vor allem nicht bei dem Freundeskreis. Keiner kommt da raus, wenn er schon so tief mit drinsteckt."

Sie schwieg betroffen, bevor sie mit einem sanften, neugierigen Lächeln ihre Stimme wieder fand. „Außer dir."

„Was?"

„Du bist rausgekommen. Du hast ihnen nicht geglaubt."

„War nicht immer so."

Auch wenn Paige keine Ahnung von den Verhältnissen hatte, in denen er aufgewachsen war, spürte sie, dass Sirius viel miterlebt haben musste. Sie kannte ihn nicht gut genug, um Details zu verlangen — dafür war sie auch immer noch zu aufgewühlt. Etwas unbeholfen schwieg sie, da sie nicht die richtige Antwort auf seine Aussage fand. Vermutlich war das der Grund, warum er so empfindlich auf ihre Worte letzte Woche reagiert hatte.

„Hast du ihm gesagt, dass du nichts davon hältst?" fragte Sirius in die Stille und Paige biss sich betroffen auf die Lippe, während sie mit den Schultern zuckte.

„Wahrscheinlich nicht." entgegnete sie vorsichtig.

Er hob eine Augenbraue bei ihren vagen Worten. „Weißt du, wenn du das ernst mit Remus meinst, solltest du das mit Rookwood komplett beenden. Nicht nur wegen der Todessergeschichte, sondern auch, weil Remus niemand für etwas Lockeres ist. Das hat er nicht verdient."

Überrascht von seiner Ernsthaftigkeit, hob sie die Augenbrauen und lachte leicht, um ihre plötzliche Unsicherheit zu überspielen. „Okay, wie sind wir jetzt auf das Thema gekommen?" fragte sie und holte derweil ihr Buch aus der Tasche, um sich nicht auf Sirius konzentrieren zu müssen.

„Es war immer Thema." sagte er dramatisch und Paige schüttelte mit einem Grinsen den Kopf, während sie das Buch auf den Tisch legte. Eigentlich war Sirius gar nicht so verkehrt, aber sie wollte nicht mit ihm über ihre Dates und Beziehungen reden. (Vor allem hatte sie sich nur dreimal alleine mit Remus unterhalten, also konnte sie Sirius schlecht versprechen, dass sie sich ihm für den Rest ihres Lebens versprach.)

„Ich hoffe doch, du bist nicht eifersüchtig." scherzte sie, froh, dass sie das Thema mit Scherzen überspielen konnte, ohne dass Sirius ihr an die Gurgel ging,

„Wieso sollte ich wegen Remus eifersüchtig auf dich sein?" fragte Sirius, aber es klang weniger abfällig als verwundert.

„Ich meinte nicht— Egal. So oder so, ich hatte nicht vor, ihn schlecht zu behandeln, wenn es darum gehen sollte." meinte sie, wobei ihr anzusehen war, dass sie am liebsten das Thema wechseln würde. Ich hatte aber auch nicht vor, mich zu verlieben, fügte sie in Gedanken hinzu und bekam plötzlich ein schlechtes Gewissen.

Vielleicht klang es dumm, aber es war für sie beruhigend gewesen zu wissen, dass sie sich bei Malcolm nicht darum sorgen musste, ob er es so ernst meinte, dass er eine Zukunft mit ihr plante. Manche Menschen glaubten nicht an wahre Liebe, aber Paige wusste, dass sie existierte und wie sie die Zukunft ihrer Eltern geprägt hatte.

Ihr Vater hielt sich seit dem Tod ihrer Mutter irgendwie über Wasser und gab sich die Schuld daran, was mit ihr geschehen war — aber vermutlich trugen sie sie beide aufgrund ihrer Leichtsinnigkeit.

Vielleicht war es tatsächlich dumm, da es auch glückliche Paare wie ihren Onkel und ihre Tante gab, aber es hatte Paige schon immer viel mehr Angst gemacht, die richtige Person zu finden und sie zu verlieren, als sie nie zu finden. Und was war, wenn sie sich in jemanden verliebte, der ihr nicht guttat?

Paige wusste, dass sie zu viel nachdachte, aber der Gedanke, mit jemandem einen so großen Teil ihres Lebens und ihrer Seele zu teilen, ängstigte sie.

Möglicherweise wäre es viel zu egoistisch mit ihrer verkorksten Denkweise mit Remus auszugehen, der vermutlich ganz anders war als sie. Er stieß Menschen nicht so von sich wie sie.

Außerdem hatte sie ihre Freunde, denen sie bedingungslos vertraute und wenn sie jemandem ihr Herz gegeben hatte, war es Harper. Vielleicht war es sogar schwere wahre Freunde zu finden als die wahre Liebe.

„Das hoffe ich doch stark." antwortete Sirius mit einem Grinsen und Paige hob die Augenbrauen und deutete auf seine Schultasche, um das Thema zu wechseln.

„Ich dachte, wir sind hier, damit ich dich zum Hausaufgaben machen zwinge."

„Aber natürlich sind wir das..."

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