02. Nichts zu danken
KAPITEL ZWEI
Nichts zu danken
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STRENGE EXISTIERTE in den unterschiedlichsten Formen und Gestalten und sie unterschied sich von Mensch zu Mensch. Paige beschwerte sich gerne darüber, dass ihr Onkel zu streng war, aber sie wusste auch, dass er es letztendlich nur gut mit ihr meinte. Es gab Lehrer, denen es an dieser Fähigkeit für den Job, den sie gewählt hatten, zu sehr mangelte und Lehrer, die zu sehr mit ihr Gehorsam erzwingen wollten. Als sie nach Hogwarts gekommen war, hatte sie Professor McGonagall für solch eine Lehrerin gehalten, und ja, sie war streng, doch durch sie hatte Paige gelernt, dass Strenge keine durch und durch negative Eigenschaft war.
Professor McGonagall war zwar autoritär und exakt, aber sie war allem voran gerecht und hatte einen unglaublich genialen Humor, der hin und wieder zum Vorschein kam. Paige hatte im Laufe ihrer Schuljahre einen großen Respekt vor ihr bekommen — etwas, was ihr genau jetzt zum Verhängnis wurde. Nach dem Unterricht hatte ihre Lehrerin in Verwandlung sie direkt darauf angesprochen, ob Sirius sie bereits nach dieser Hausaufgabenpartnerschaft gefragt hatte (oder wie Paige es gerne nennen würde: Die sinnloseste Idee des Jahrhunderts).
Sie hatte so gut wie sie konnte versucht, sich herauszureden, aber Professor McGonagall war eisern geblieben und hatte sich nicht beirren lassen.
Reizend.
„Harper, ich habe dir gestern Abend etwas nicht erzählt", meinte Paige, als sie sich an den Tisch der Ravenclaws setzte und ihrem besten Freund in die blauen Augen sah. Harper war klein für einen Sechstklässler (vielleicht kam das auch nur ihr so vor, weil sie so groß war), hatte aber ein hübsches Gesicht und ein herzliches Lächeln. Paige liebte es, dass sie in ihm jemanden gefunden hatte, der all ihre Interessen teilte und mit dem sie immer ein Gesprächsthema fand.
„Ich wusste es!" rief er aus. „Du hast mir gesagt, du hättest drei Theorien zum nächsten Buch der Drachenreiter von Pern, aber du hast nur zwei erklärt."
„Oh." Paige zog die Augenbrauen zusammen. „Darüber reden wir unbedingt später, aber es gibt etwas anderes, das in dieser Welt passiert ist."
Harper riss die Augen auf. „Es passiert etwas Spannendes in unserem Leben?"
„Naja, spannend..." Paige verzog das Gesicht. „Ich würde es jetzt nicht unbedingt als spannend bezeichnen. Und außerdem kann mein Leben durchaus spannend sein: Ich sag nur Malcolm." Bei der Erwähnung ihres Ex-Freundes verdrehte Harper die Augen, wie man es ordnungsgemäß als bester Freund tat, wenn ein Ex-Partner erwähnt wurde. „Wie auch immer, Sirius Black hat mich nach Nachhilfe in Verwandlung gefragt."
„Der weiß nicht, worauf er sich einlässt. Weißt du noch, als du deiner Tante erklären wolltest, was wir in Arithmantik machen? Du bist fast ausgetickt, als sie's nicht kapiert hat." meinte Harper mit einem leichten Lachen, als er daran zurückdachte und Paige verzog verzweifelt das Gesicht.
„Ich bin nicht ausgetickt. Ich war nur ein wenig ungeduldig." rechtfertigte sie sich, was Harper zum Grinsen brachte. Sie kannte ihn seit ihrem ersten Schuljahr und es war Freundschaft auf den ersten Blick gewesen. In den Booten hatten sie durch Zufall nebeneinander gesessen und nachdem sie beide verschüchtert umhergesehen hatten, musste Harper lachen und meinte, er hätte sich noch nie so schweigsam erlebt. Daraufhin war das Eis gebrochen.
Vielleicht gab es keine Liebe auf den ersten Blick, aber beste Freundschaft auf den ersten Blick, ja, die gab es definitiv und Harper war Paige Aroras Beweis.
Er wusste alles von ihr, bis hin zu ihrer Familie. Ihr Onkel und seine Frau, bei denen sie lebte, seit sie sieben war, kannten Harper bereits so gut, dass es unheimlich war, da er die gruselige Angewohnheit hatten, einmal am Tag in den Sommerferien bei ihr aufzutauchen. Er war der einzige Mensch auf ganz Hogwarts, der wusste, warum sie nicht bei ihren Eltern lebte (von einzelnen Lehrern mal abgesehen).
„Sirius Black hat dich um Hilfe gefragt?" fragte Harper ungläubig nach. Paige kniff die Augen zusammen.
„Hey, was heißt das denn jetzt?" meinte sie belustigt und schmiss ein Stück ihres Toasts auf ihn, was Harper zum Grinsen brachte.
„Er hatte ein O in Verwandlung." fügte ihr Freund hinzu, schnipste den Krümel von seiner Schulter und nun stand Paige tatsächlich der Mund offen.
„Ein O?"
❂ ❂ ❂
„HEY BLACK, wie war die Party gestern?", fragte Paige herausfordernd, als sie vor Sirius stehen blieb, der gerade mit seinen Freunden am Gryffindortisch saß. Dass Potter, Pettigrew und Lupin sie ansahen, war ihr klar, aber sie hatte Merlin sei Dank kein Problem damit, schräg angesehen zu werden.
„Äh... gut?", meinte Sirius etwas abfällig, während er sie musterte. „Fast ganz Hogwarts war da. Hättest dich ja auch mal blicken lassen können."
Paige schnaubte. „Wie gut, dass ich nicht betrunken sein muss, um cool zu sein. Das geht nämlich, weißt du, Black?"
„Also bist du lieber gar nicht cool?" fragte er gelangweilt zurück und Paige biss die Zähne zusammen, während sie innerlich zu kochen begann. Wieso schlug McGonagall gerade sie dafür vor? Sie war glücklich mit ihrem Alltag und den Leuten, mit denen sie sich umgab und musste nicht noch in den Radar von Sirius Black oder James Potter rücken, nachdem sie es fünf Jahre geschafft hatte, ihrer Aufmerksamkeit zu entgehen.
Anstatt, dass Lupin zu so etwas mit ihr eingeteilt wurde — er schien nett, mit ihm würde sie freiwillig Zeit verbringen. Ohne etwas anzudeuten, aber... Na ja, sie hoffte, hier ein bisschen cool zu wirken, damit er sie cool fand.
Verzweifelt suchte sie nach einer schlagfertigen Erwiderung, aber zu ihrer Enttäuschung fand sie keine. „Ich habe dir doch gesagt, ich bin beschäftigt."
„Womit? Lesen?"
Paige blähte die Nasenflügel auf. „Wenn du es wissen willst: Ja." Sie redete sich immer mehr in Rage. „Dort gab es auch so einen nervigen Typen wie dich und weißt du was: Er ist am Ende gestorben. Das Problem daran ist, ich angefangen habe, ihn zu mögen..." Ihren letzten Satz fügte sie in einem beiläufigen Ton hinzu, bevor ihre Wangen wieder rot vor Aufregung wurden. „Und jedes verdammte Mal, wenn ich anfange, jemanden zu mögen und er zu meinem Lieblingscharakter wird, stirbt er." Frustriert schlug sie auf die Tischplatte und sah theatralisch an ihnen vorbei. Dieses Buch... Das Ende verfolgte Paige seit gestern Abend.
Sirius und James sahen sprachlos und ein wenig verwirrt zu ihr und in diesem Moment erkannte Paige, was sie gesagt hatte. Es hieß nicht zu unrecht, dass Ravenclaws anders waren und man nur schwer in ihren Kopf vordringen konnte. Paige hatte nicht vorgehabt, etwas Seltsames von sich zu geben, aber sie hatte die ganze Nacht nicht geschlafen wegen dieses... blöden Vollmonds. Natürlich hatte sie an solchen Tagen auch noch ihre Periode. Ihr ganzer Körper sehnte sich nach einem Bett und Schokolade. Kein Wunder, dass ihre sowieso schon überreizten Hormone überreagierten und sie Dinge sagte, über die sie noch in einem Monat nachdenken und den Kopf schütteln würde.
Blamiert vor den cool kids der Schule hatte sie sich hiermit schon mal, wundervoll. Und gleichzeitig klang das so, als wünschte sie Sirius den Tod? Merlin, das ließ jetzt ihr Moralempfinden wieder nicht zu.
„Ich will nicht, dass du stirbst", sagte sie schnell und hörte sich vermutlich lächerlich an. „Falls sich das so angehört haben sollte. Ich war wirklich traurig deswegen."
Peinlich.
Sirius sagte immer noch nichts, während James in sein Croissant biss, um nicht zu lachen (wer aß abends Croissants?), Remus sich über die Stirn fuhr, um nicht zu grinsen (fand er sie jetzt komisch oder sogar interessant, wo er doch auch gerne las?) und Peter mit großen Augen zu ihr sah.
„Wenn ich mich kurz einmischen darf: Ich verstehe Paige. Manchmal würde ich dir auch ein Buch vorziehen, Sirius." meinte Remus, um die Stille zu unterbrechen und schlug Sirius kameradschaftlich auf den Rücken.
Paige nickte und hatte nun endlich eine Ausrede, ihre Aufmerksamkeit ihm zu schenken, wobei ihr auffiel, dass er ziemlich blass wirkte, beinahe, als hätte auch er die ganze Nacht nicht geschlafen. Vielleicht reagierten sie beide nicht gut auf den Vollmond. „Danke, Lupin", sagte sie und fragte sich, was er über sie dachte, als er sie ansah.
Er lächelt belustigt. „Nichts zu danken."
Paiges Mundwinkel hoben sich und sie sah ein wenig unbeholfen zu den anderen beiden. „Wie auch immer, wegen der Nachhilfe in Verwandlung..." Sie hielt inne, als James neben Sirius zu lachen begann.
„Nachhilfe in Verwandlung?", fragte Potter ungläubig und auch Lupin sah ihn irritiert an.
„Sirius, du hattest ein O", meinte er und während Sirius nur vor sich hin grinste, nickte Paige zustimmend.
„Darauf wollte ich hinaus: Du hast ein verficktes O, Black." Vielleicht fluchte Paige zu viel, eine Eigenschaft, die ihr Onkel und ihre Tante verabscheuen würden, aber dann hätten sie sie nicht nach Hogwarts schicken sollen, wo nur Jugendliche waren, die sich eben nicht auf die feine Art ausdrückten. „Mach doch einfach deine blöden Hausaufgaben und dann ist McGonagall zufrieden."
„Professor McGonagall", antwortete Sirius langsam. Paiges Blick wurde finsterer. „Aber sieh mal: Meine Zeit ist zu kostbar, um Hausaufgaben zu machen."
Paige und Remus hoben gleichzeitig eine Augenbraue.
„Und dadurch und andere gewisse Vorfälle denkt sie, ich... keine Ahnung, verderbe mir irgendwas. Das heißt, ich mache einfach wieder im Unterricht mit; sie denkt aber, es wäre wegen dir und damit ich die Hausaufgaben mache, gehe ich wirklich zu dir. Und wir alle profitieren."
„Wo profitiere ich dabei?" fragte Paige ungläubig. „Und wieso fragst du nicht ihn? Er ist clever." Sie deutete auf Lupin.
„Danke, Arora", merkte er trocken an und Paige nickte mit einem leichten Grinsen, um seine Worte von eben zu wiederholen.
„Nichts zu danken."
„Remus hasst mich. Wenn er mir hilft, trennt er Schule von Freunden und ist schlimmer als McGonagall. Und außerdem habe ich noch nie was zu Stande bei ihm gebracht", meinte Sirius, was Paige mit einem Kopfschütteln verzweifelt zum Lächeln brachte. Das hatte sie wohl mit Lupin gemeinsam. Und gegen Sirius hatte sie ja nichts persönlich — wenn sie ehrlich war, könnte es vielleicht sogar lustig werden, Zeit mit ihm zu verbringen, wenn er oder seine Freunde anfingen, sie zu mögen? — und langsam kam ihr erhöhter Puls wieder runter, da die ganze Situation etwas Amüsantes gewonnen hatte. Man musste ja das Positive in solchen Dingen sehen... Einfach das Beste draus machen, richtig?
Also drehte sie ihren Kopf zu Lupin. „Hätte gar nicht gedacht, dass du so streng sein kannst", sagte sie mit einem leichten Grinsen.
Lupins Gesichtsausdruck nahm etwas Überrumpeltes, fast schon Verlegenes an und dieses Mal sah er sie tatsächlich mit so etwas wie Interesse in den Augen an. „Ja, das, ähm, muss man bei ihm auch sein", entgegnete er dann betont ernst.
Paige musterte ihn kurz. „Das glaub ich", sagte sie, ließ ihren Blick noch ein paar Sekunden auf ihm verweilen und drehte sich zu Sirius. „Okay", sagte sie schließlich.
„Okay?", fragte Sirius nach und Paige nickte.
„Ich mag Professor McGonagall und erfülle ihr ihren Wunsch."
Was selbstverständlich der einzige Grund war...
„Ich erwarte natürlich Disziplin", sagte Paige sehr ernst. „Du wirst dir Lupin noch zurückwünschen, Black."
Während nun auch Sirius leicht grinste, drehte Paige ihren Kopf noch mal zu Lupin, um ihm zuzunicken, und sah ihn amüsiert schnauben, bevor er ihre Geste erwiderte. Dann drehte sie sich um und hatte ohne zu wissen den Eindruck hinterlassen, den sie beabsichtigt hatte.
Remus hatte nachdenklich eine Hand am Kinn und sah ihr fasziniert hinterher. Wie Sirius zu reden begann, merkte er überhaupt nicht, als er nachdenklich beobachtete, wie sie sich an ihren Haustisch setzte.
Während Sirius darüber sprach, dass sie bestimmt total auf ihn stand oder es zumindest noch tun würde, wanderte James' Blick jedoch zu Remus und ein unheilvolles Schimmern huschte durch seine Augen, als sich auf seinen Lippen ein Grinsen abzeichnete.
Ach, Sirius, dachte er. Ich glaube, da irrst du dich gewaltig.
· · · note! · · ·
Hach ja, Paige...
Sie ist zwar selbstbewusst, aber gleichzeitig so awkward ahhh... und das ist nur der Anfang xD
Paige ist mir ein sehr wichtiger Charakter und es würde mich freuen zu erfahren, was ihr bisher von ihr haltet. Ich habe auf jeden Fall noch einiges mit ihr vor und auch Paige hat ihre kleinen Geheimnisse (;
(tbh, Paige ist so ein Fangirl, das ist für mich sehr relatable)
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