#89 Das Verstummen
Für die Einladung von Hernan und An-Marlur wurde es sehr formell im Hause ab Apollam.
Die Hausangestellten liefen tatsächlich in Uniformen herum stellte Isador fest, der bis dahin nicht einmal wusste, dass es in Trevastans Haus überhaupt Uniformen für diese gab
Trevastan selbst trat in einer protzigen Uniform in Erscheinung wie Isador sie bisher nur am Tag von Punta an ihm gesehen hatte und der Tisch für das Dinner war nach einem eher veralteten Verständnis von Rang eingedeckt worden, auf einer Seite wurden die beiden Divinobles platziert, ihnen gegenüber ihre Uxvirs.
Auch Isador selber wurde besonders für den Abend eingekleidet.
Zunächst hielt er das, was ihm angedient wurde, für eine Art perlmuttfarbene knielange Tunika mit Hüftgürtel.
Aber das war es mitnichten.
Denn nicht nur, dass diese Tunika seitlich bis eine Handbreit unter den Hüften geschlitzt war, nein, vom Ausschnitt aus lief sie gerafft über die äußeren Ränder von seinen Schultern nach hinten. Wo sie eigentlich garnichts bedeckte bis eine Handbreit oberhalb der Taille.
Den nackten Rücken bedeckte eine Netz aus zierlichen silbernen Ketten welches an den gerafften Saum der Tunika und an dem ebenfalls perlmuttfarbenem Seidenhalsband um Isadors Hals befestigt wurde.
Um die Taille war ein breites azurblaues Taillenband geschlungen, welches an der rechten Seite verknotet war und in zwei Bändern bis auf dieselbe Tiefe der Tunika hinabreichte.
Passend dazu zierte die Vorderseite des Halsbandes ein blauer Edelstein.
Darüberhinaus wurden seine Haare von einer Tiara aus goldenen Wildrosen gebändigt während seine Füße in diesen typischen sorenischen aus Leder geflochtenen Schuhen steckten die ihn immer sehr an Sandalen erinnerten.
Eines war Isador klar, als er sich in so bekleidet im Spiegel besah: Diese Kleidung wies einem Uxvir eine ganz klare Aufgabe zu. Alles an ihm erklärte ihn für ein bisschen naiv, aber sehr hübsch, besorgt um das Haus seines Virions und natürlich äußerst reizvoll im Bett zu haben.
Wenn es nicht darum gegangen wäre Marlur kennenzulernen, Isador war sich sicher, er hätte das nicht angezogen.
Aber so blieb ihm nichts anderes übrig den Schein zu waren und bei dieser Imitation eines vergangenen Zeitalters zunächst einmal seine Rolle mitzuspielen.
Immerhin, er durfte neben Trevastan stehen, dachte sich Isador als Hernan und An-Marlur eintrafen.
Denn als dieser die Treppen hinaufstieg zu Trevastan und Isador, war sein Uxvir nicht neben ihm. Nein, An-Marlur beschritt die Treppe zwei Schritte hinter seinem Virion.
Der nächste Kulturschock ließ für Isador auch nicht auf sich warten, denn während Hernan Trevastan mit einem festen Händedruck begrüßte, scheute er offensichtlich jeden Körperkontakt mit einem Uxvir, ignorierte die ihm gereichte Hand von Isador. Vielmehr verbeugte er sich knapp vor diesem und begrüßte ihn mit den Worten: "Salve Patrone!¹"
So tat Isador es ihm gleich und erwiderte: "Salve Divimarchision ab Tavolam!"
Umgekehrt wagte nun An-Marlur nicht Trevastan zu berühren, auch wenn dieser, anders als Isador darauf vorbereitet war.
Mit einer tiefen Verbeugung und ohne Trevastan direkt anzuschauen sprach er sehr unterwürfig: "Igo tribuero a Vosta la mia referentia o Dividuxam!²"
Hätte Hernan so etwas von mir auch erwartet? wunderte sich Isador, war sich aber sofort sicher, dass er das dann doch nicht mitgemacht hätte.
Dann stand An-Marlur vor ihm und die beiden Uxvirs beäugten sich unsicher, dieses Mal war es offensichtlich nicht nur Isador der nicht wusste, wie er sich verhalten sollte.
Schließlich aber streckte er An-Marlur beide Hände entgegen der diese zu seiner Überraschung auch ergriff, dann zog er diesen damit zu sich heran und sprach: "Ich bin außerordentlich stolz und glücklich die Stimmes des Bicentenion³ in unserem Haus begrüßen zu dürfen!"
Das hatte An-Marlur nicht erwartet, womöglich war er nicht einmal davon ausgegangen, dass Isador überhaupt etwas über seine Vergangenheit weiß, den er wurde leicht rot bevor unbändige Freude seine Mimik ergriff die erst wieder hinter einer professionell-freundlichen Maske verschwand, als Hernan sich in offensichtlicher Mißbilligung räusperte.
Zu Isadors Freude verstand Trevastan das absichtlich falsch und bot Hernan sofort einen äußerst exquisiten Wein an, da seine Kehle "dringend befeuchtet" werden müsse.
Kaum das Hernan abgelenkt war stahl sich das Strahlen zurück auf Marlurs Gesicht und er wisperte: "Danke für die Einladung, ich bin so aufgeregt und glücklich zugleich..."
"Dann folgen wir unseren Divinoble mal zu Tische" sprach Isador dabei und wies An-Marlur den Weg hinter Terastan und Hernan her, die sich mit Weinglas in der Hand bereits in distinguierter Unterhaltung befanden.
Durch die Begrüßung vorgewarnt, sah Isador nun davon ab sogleich am Tische Platz zu nehmen, vielmehr schielte er unauffällig zu An-Marlur hinüber und da der sich nicht setzte bevor beide Divinobles saßen, beschloss Isador es ihm gleich zu tun. Auch wenn er sich so an seinem Stuhl stehend bis der geschwollen daherschwätzende Hernan endlich Platz genommen hatte, ziemlich blöd vorkam.
Trevastan hatte es da einfacher, er war Divinoble und Ranghöchster am Tisch, er konnte sich setzen wie ihm lustig war.
Ob wir Uxvir dann auch aufstehen müssen wenn einer der Beiden aufsteht? überlegte Isador und dann: Ob Marlur wohl alleine aufs Klo darf?
Der letztere Gedanke ließ ihn unwillkürlich grinsen und das fiel natürlich sofort Hernan auf, der sich gerade wortreichen Lamentos über die Anmaßungen von Trevor echauffierte.
Pikiert wandte er sich sofort an Isador: "Was gibt es denn da zu Lachen Messere iuvenam⁴?"
Maliziös erwiderte der sofort: "Ach nichts, ich amüsiere mich nur, wie man sich so sicher im Urteil über eine andere Person sein kann, wenn man diese nicht einmal kennt, Vosta Numeen."
"Und Sie kennen den etwa besser?" konterte Hernan sofort.
Isador, der natürlich etwas sehr naheliegendes darauf erwidern wollte entschied sich angesichts eines flehenden Blickes von Trevastan und dessem leichten Kopfschütteln dann doch um und sprach mit gut vorgetäuschter Ergebenheit: "Die Antwort darauf kennt Ihr angesichts Eures bemerkenswerten Urteilsvermögens sicherlich schon längst!"
Nun war es Trevastan der Mühe hatte ernst zu bleiben, denn es war nun wahrlich kein Geheimnis, dass Isador Trevor fraglos besser kannte als Hernan das tat. Aber dieser hatte das ganz offensichtlich nicht auf seinem Schirm.
Oh Godan, das überstehe ich nur mit Alkohol dachte sich Isador indessen und bat einen der Bedienungen, ihm einen Cocktail zu servieren.
Aber auch das erregte die Aufmerksamkeit und offensichtlich auch das Missfallen von Hernan, der, nach er das Getränk skeptisch und mit hochgezogenen Augenbrauen gemustert hatte, sich mit geheuchelter Besorgnis an Trevastan wandte: "Er ist doch kein Superbibor⁵ euer Uxvir?"
Der beruhigte ihn: "Nein, auch kein Exbibor⁶, ich denke ihr macht ihn ein wenig nervös..."
"Ich sehe, er hat noch viel zu lernen Euer junger Uxvir" bemerkte Hernan daraufhin ein wenig herablassend.
Zu alledem schwieg An-Marlur, ja, er wagte es nicht einmal zu Trevastan oder wenigstens zu Isador hinzuschauen.
Aber Isador schaute zu ihm. Und das war einmal die Stimme des Jahrhunderts, der Sänger des goldenen Zeitalters des Melodramas⁷? dachte er nur, einst war er ein gefeierter Bühnenstar und nun traut er sich nicht einmal mehr einem anderen Uxvir in die Augen zu schauen...
Eines aber wollte er unbedingt wissen, wie konnte ein so talentierter, berühmter und gutaussehender Mann wie es Marlur Caruso einst war, bei jemandem wie Hernan enden? Was bitte hatte Hernan gemacht, was bitte hatte der ihm geboten damals, dass Marlur der Erwählung und damit ihrer Verbindung zugestimmt hatte?
Fest entschlossen das heraus zu finden saß er nun da und zählte die Minuten bis sich Hernan und Trevastan zwecks Beratungen über Roman endlich zurückziehen würden.
****
"Tritt ruhig ein" sprach Simur aufmunternd zu Roman, der sich aber dennoch entschloss zu klopfen und die Tür erst zu öffnen, als von drinnen ein deutlich vernehmbares "Herein!" erscholl.
"Ah, Roman" begrüßte ihn Trevor der an seinem Schreibtisch saß und aufmerksam auf den Bildschirm seines Computers sah.
"Sire!?" erwiderte der verunsichert, aber da drängte sich schon Simur an ihm vorbei: "Ich habe ihn mitgebracht, er wollte lieber nicht mehr mit dem Madman zusammen sein müssen..."
Während Roman betroffen zu Boden guckte merkte Trevor jovial an: "Oh, niemand hat dafür mehr Verständnis als ich."
"Das wissen wir" erwiderte Simur nur, "die Frage ist, behälst du in hier im Chaudosham Palace oder soll ich ihn mit zu mir auf Carlton Palace nehmen?"
"Wenn Roman nichts dagegen hat, darf er gerne zu dir auf Carlton Palace" entschied Trevor ohne zu zögern, "allerdings bürgst du mir für ihn."
"Er gab mir sein Wort als Divinoble des Imperion Sorenam" erwiderte Simur, "und mein Bauchgefühl sagt mir, dass ich mich darauf verlassen kann..."
"Ja dann, was hält euch noch hier? Seine Sachen lasse ich euch später nachbringen" sprach Trevor.
"Apropos seine Sachen" fiel da Simur noch etwas ein, "irgendwo ist noch sein Callidcom verwahrt. Darinne fänden wir die Nummer seines Pators. Roman ist sich nämlich sicher, dass der gerne mit uns sprechen und verhandeln würde..."
Ein prüfender Blick von Trevor fiel auf Roman, dann meinte er: "Schön, dass es auch Eltern gibt die sich um ihr Kind sorgen..."
Er wandte sich wieder seinem Schreibtisch zu und drückte auf einen Knopf bevor er in ein verstecktes Mikrofon sprach: "Bitte das wireless Telephone von Mister ab Tavolam in mein Büro bringen."
Dann bat er Roman und Simur sich zu setzen bevor er weiter an seinem Computer arbeitete.
Etwas mehr als zehn Minuten später kam ein Diener und brachte das Callidcom.
Trevor reichte es an Roman und forderte ihn auf: "Dann teile uns einmal die Nummer mit."
Dieser wischte, nachdem er es eingeschaltet hatte, ein wenig auf diesem herum bis er die Nummer hatte, dann reichte er es an Trevor zurück, der sich die Nummer notierte.
"Wann ist denn dein Pator gut zu erreichen?" erkundigte sich Trevor nun.
"Ihr wollt ihn einfach anrufen?" war Roman überrascht.
"Ja" erwiderte Trevor schlicht darauf, "und?"
"Abends!" erklärte ihm Roman.
"Nun, dann erwarte ich euch beide heute Abend wieder hier!" ordnete Trevor nun an, "dann bis später, ihr entschuldigt mich, ich habe noch zu tun!"
Derart hinauskomplimentiert beeilten sich Simur und Roman das Büro zu verlassen.
"Und nun?" fragte Roman im Flur.
"Abendessen bei mir" erwiderte Simur nun.
****
Hurra, er war nicht besoffen und war mit Hernan auch nicht noch einmal aneinander geraten, freute sich Isador, als dieser sich endlich mit Trevastan zurückzog um über das Vorgehen in Bezug auf seinen Sohn zu beraten.
"So, du kannst hochschauen, sie sind weg" wandte er sich sofort an An-Marlur.
Tatsächlich taute der ein wenig auf und erwiderte: "Er ist anstrengend oder? Kann ich ein Lied von singen.."
"Singst du es mir einmal vor?" scherzte Isador.
"Ich bin anders als du außer Übung" entgegnete der, "das ist unfair..."
Er weiß also etwas über mich dachte Isador und sprach: "Aber du bist die Stimme des Bicentenion, das Goldkehlchen, der berühmte Caruso!?"
Ein trauriges Lächeln erschien in Marlurs Gesicht als er leise feststellte: "Ich war das. Nun bin ich nur noch der Uxvir von Hernan. Und der ist nur noch ein Schatten des Marlur Caruso von einst..."
"Und doch überschattet selbst dein Schatten alles was nach dir kam und auch dich..." entgegnete ihm Isador.
Darauf erwiderte Marlur nichts und lächelte traurig.
Isador hingegen beschloss ein Wagnis einzugehen und so stand er auf und holte tief Luft bevor er zu singen begann: "Etiam solon una umbra ipio inipso esve Taorminur l'olim itapere formosam...⁸"
Marlur zuckte förmlich zusammen als die ersten Töne seine Ohren erreichten. Doch dann stand er auf und bewegte sich langsam auf Isador zu.
Als dann der Part der Taorminur begann öffnete er seinen Mund und fiel ein: "Igo, Taorminur, esv'olim lo formossimo des puers, nescirvo l'amo neque lo dolor ip'adde..."
Isador verstand sofort, warum man diese Stimme nie vergessen hatte.
Er war so im Bann der Darbietung von Marlur, dass er selbst vergaß seinen Part weiter zu singen.
Als Marlur endete, fragte er ihn sofort: "Was um aller Götter willen ist passiert, dass du aufgehört hast zu singen? Das Schicksal hat dir eine große Gabe verliehen und du verstummst einfach?"
Wieder lächelte Marlur traurig: "Wie es Taorminur so schön singt: Kannte nicht die Liebe – und dann ist sie passiert. Oder besser er ist mir passiert..."
"Hernan?" fragte Isador nach und Marlur nickte.
"Warum hast du ihn dann dich erwählen lassen?" wunderte sich der Blonde nur.
Mit allem hatte er gerechnet nur mit Marlurs Antwort nicht: "Er hat nicht gefragt. Er hat mich erwählt in unserer ersten Nacht..."
"Wie das?" verstand Isador nicht was Marlur da berichtete.
Leicht resigniert erwiderte Marlur: "Er hat mich erwählt in dem er mich gebissen hat beim ersten Mal, das wir das Bett geteilt haben..."
¹Heil dem Herr des Hauses = im Sinne von Hausherr, Hausmann, Patrona ist die Hausherrin, die Hausfrau.
Den echten Herrn eines Hauses würde man als Patronion titulieren.
²Ich entrichte an Euch meine Ehrerbietung o Dividuxam!
³Zweijahrhundert = der letzten 200 Jahre
⁴junger Herr
⁵wörtlich Übertrinker = Alkoholiker
⁶wörtlich Austrinker = Säufer
⁷Oper
⁸Nur noch ein Schatten seiner Selbst war Taorminur, der einst so Schöne.
⁹Ich Taorminur, war einst der Schönste der Jungem, kannte nicht die Liebe noch den Schmerz, den sie mit sich bringt..."
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