#8 Alle Wege führen nach Sore
Am nächsten Morgen wurde Trevor von einer Hausangestellten geweckt und gebeten in einer halben Stunde bereit für das Frühstück zu sein.
Also stand er auf, duschte sich und als er dann wieder in das Gästezimmer zurückkehrte, war er unsicher, was er jetzt anziehen sollte.
Doch noch während er überlegte öffnete sich die Tür erneut und ein Hausangestellter kam mit Kleidung herein.
"Seine Kleidung" sprach dieser etwas entschuldigend, "ich soll Hilfe leisten..."
Wieder handelte es sich um ein Tunikaartiges Gewand, nur dieses Mal war in den Saum ein aufwändiges Muster aus Gold und Purpur eingewebt, der Hüftgürtel war ähnlich gestaltet und es gab dazu eine Art Stiefel die aus Streifen weißen Leders und einem purpurfarbenen Stoff gefertigt waren, so dass sie einerseits sehr stabil und andererseits dennoch leicht und luftdurchlässig waren.
Insgeheim staunte Trevor über den hohen Tragekomfort als er die ersten Schritten darinne machte.
Daraufhin wurden noch vier breite goldenen Bänder aus einer Art gewirkten Metall von dem Hausangestellten um seine Oberarme und seine Handgelenke geschlungen.
Auf Trevors deutlich fragenden Blick hin meinte dieser entschuldigend "Das ist Vorschrift, weil..." und dann wurde er rot.
"Weil ich ein Sklave bin?" entfuhr es Trevor.
"So würde ich das nicht sagen" wandt dieser sich und es war ihm sichtlich unangenehm, "aber..."
"Schon gut" unterbrach ihn Trevor, "das muss dir nicht unangenehm sein, es ist ja nicht deine Schuld..."
"Das schon" erwiderte der, "aber ich schäme mich, dass wir soetwas heutzutage noch zulassen!"
"Welches System ist schon perfekt?" seufzte der Nordenländer daraufhin, "aber verglichen mit meiner Heimat seid ihr viel näher drann."
Das schien den Angestellten zu beruhigen, denn als alles fertig gerichtet war, wies er Trevor den Weg zur Dachterrasse der Residentur, wo man ihn für das Frühstück erwartete und verabschiedete sich dann mit den Worten: "Ich wünsche dir viel Glück auf deinem Weg!"
Minervan war bereits da, er trug ein purpurfarbenes Obergewand, welches Trevor eine Art langärmelige Tunika zu sein schien, die allerdings mit den Schulterklappen und diversen goldenen Streifen und Symbolen verziehrt zugleich eine Uniform zu sein schien. Auch er hatte einen Gürtel um die Hüfte an welchem ein Attribut der Divinobles, ein Gladion genanntes kurzes Schwert, befestigt war. Dazu eine weiße, enganliegende Hose mit purpurfarbenen Streifen und Stiefel ähnlich denen von Trevor.
Während er sich erhob um Trevor zu begrüßen, fiel dessen Blick auf einen ebenfalls jung aussehenden Mann an seiner Seite, mit dunkelbraunen Haaren, braunen Augen und einem eher zierlichen Körperbau, der ähnlich wie Trevor selbst bekleidet war, allerdings ohne die Bänder um die Arme, dafür aber mit einen silbernen Armreif an dem ein wertvoll aussehender blauer Edelstein funkelte und anstelle des Halsbandes, welches Trevor noch trug, hatte er ein silbernes und geschmücktes Band um selbigen.
"Guten Morgen Trevor!" begrüßte ihn Minervan, dann deutete er zu seinem Begleiter und sagte sehr freundlich, "Darf ich dir An-Vasur ab Voltari, meinen Uxvir¹ vorstellen?"
An-Vasur erhob sich anmutig und nickte Trevor freundlich zu: "Freut mich eure Bekanntschaft zu machen Magnaduxan Trevor..."
"Die Freude ist ganz Meinerseits" erwiderte dieser und deutete seinerseits eine Verbeugung an.
"Setzt euch" forderte Minervan die Beiden nun auf während er bereits Platz nahm.
So platzierte sich Trevor gegenüber den Beiden am Tisch und genoß die warmen Strahlen der Vormittagssonne und den grandiosen Blick über Aquilia bis hin zu den schneebedeckten Spitzen des Großen Südgebirges.
"Du hast Glück heute" merkte An-Vasur nun an, "selten hat man so eine klare Sicht auf die Montis Nevis²."
Glück dachte Trevor zynisch, ich werde heute nach Sore verfrachtet und dann Eigentum dieses Terastan, ob das Glück ist... Aber er zwang sich zu einem Lächeln und erwiderte: "Es ist wirklich ein schöner Morgen und die Aussicht ist fantastisch."
Das belanglose Geplauder wurde dadurch unterbrochen, dass mehrere Hausangestellte das Frühstück brachten.
Zu Trevors Überraschung bestand das vor allem aus Obstsäften und süßem Gebäck, dazu Obstsalate. Das war auf jeden Fall anders als er das von daheim gewohnt war.
Dieses Mal war es Trevor der die Unterhaltung wieder aufnahm.
"Seid ihr auch ein Divinoble, An-Vasur?" wandte er sich an diesen.
Der lächelte wissend und erwiderte: "Geboren wurde ich als Vasur Voltari, meine Eltern sind... waren beides Menschen. Ich war noch jung als ich Minervan kennengelernt habe und wir haben uns verliebt.
Dann hat er mir die Freude gemacht mich zu erwählen" berichtete er weiter und sein Blick voller Liebe und Glück begegnete dem von Minervan, er errötete ein wenig und fuhr dann fort: "Als Uxvir eines Divinoble kommt man in den Genuß gewisser Privilegien, man altert nicht mehr und vor dem Gesetz wird man als Divinoble betrachtet..."
"Man altert nicht mehr?" hakte Trevor nach, "dann, wie alt seid Ihr?"
"Ich bin 79" schmunzelte An-Vasur.
Trevor brauchte ein paar Sekunden um diese Informationen zu verarbeiten, dann aber stellte er eine Frage die bewies', dass es ihm gelungen war: "Versucht dann nicht jeder Junge sich einen Divinoble zu angeln?"
An-Vasur wurde rot und gerade als Trevor zu einer Entschuldigung ansetzen wollte sprach Minervan: "Zumindest jeder der sich vorstellen kann sein Leben mit einem anderen Mann zu verbringen schon - und Leben meint hier einen langen Zeitraum dann..."
Die Plauderei ging noch ein bisschen weiter, Trevor erkundigte sich über An-Vasurs Herkunft, seine Schulzeit und wie die Beiden sich kennengelernt haben, aber irgendwann war auch das schönste Frühstück vorbei und als eine Frau in einer dunkelblauen und deutlich schlichteren Variante von Minervans Uniform auftauchte, wusste Trevor instinktiv, dass für ihn nun die Zeit gekommen war um Abschied zu nehmen.
Die Frau salutierte vor Minervan und meldete dann: "Priorloctenurion⁵ Gambesi meldet sich zur Überführung des Servienton³ Trevor nach Sore!"
"Missere⁴ da Somia erwartet Sie bereits" erwiderte der Divinoble ihr und betonte dabei das 'Missere' sehr deutlich, was für einen kurzen Augenblick einen Ausdruck der Verwunderung auf ihr Gesicht zauberte.
Aus Trevors Gesicht verschwand das Lächeln nun aber endgültig und er verbarg seine Empfindungen hinter einer ausdruckslos-erstarrten Maske die ihm eine leicht arrogante Aura verlieh.
Er erhob sich, nickte seinen beiden Gastgebern noch einmal zu und begab sich zu der Offizierin.
"Von mir aus kann es losgehen" sprach er und ließ seine Stimme absichtlich sehr desinteressiert klingen.
Diese blickte ihn etwas hochmütig an und griff nach seine rechten Hand, welche ihr Trevor widerstandslos entgegenstreckte.
Als sie sich jedoch daran machte Trevors rechts Handgelenk mit einer Kette an ihren Gürtel zu ketten, war es Minervan der intervenierte: "Was wird das? Sie sollen ihn überführen nicht öffentlich vorführen!"
Seine Stimme klang derart ungehalten, dass die Offizierin erschrocken zusammenzuckt und begann zu stammeln: "Vosta Numeen, ich wollte doch nur... ich dachte... aber ich muss doch...."
"Was immer Sie wollten, dachten oder zu müssen glaubten, wenn Sie sich außerstande sehen Missere da Somia nach Sore zu begleiten ohne das Ganze wie einen Tiertransport aussehen zu lassen, dann treten Sie lieber jetzt von Ihrem Auftrag zurück!" herrschte Minervan die Offizierin jetzt an und die Dominanz in seiner Stimme ließ selbst Trevor leicht zusammenzucken.
Zu dessen Überraschung fasste sich die Offizierin aber rasch und wandte sich nun an ihn: "Wenn Sie mich zum Wagen begleiten würden!"
"Selbstverständlich" erwiderte Trevor freundlich und nachdem sie noch einmal vor Minervan salutierte und sich dann in Bewegung setzte, folgte er ihr einfach.
Draußen vor der Residentur wartete ein dunkles Auto auf sie und ein Uniformierter der Trevor die Tür zum Fond öffnete während die Offizierin sagte: "Bitte steigen Sie ein!"
Wieder tat Trevor wie sie wünschte und nachdem sie sich neben ihn gesetzt hatte, stieg auch der Uniformierte ein und startete den Wagen bevor er losfuhr und sie den Innenhof der Residentur verließen.
Ob wir jetzt mit dem Auto bis nach Sore fahren? fragte sich Trevor, aber als sie nach knapp einer Viertelstunde Fahrt durch Aquilia vor einem großen Gebäude hielten an dessen Fassade der Schriftzug 'Stazio Principio'⁶ prangte, wurde ihm klar, dass das nicht der Fall sein würde.
An der Seite der Offizierin die wohl langsam zu begreifen schien, dass Trevor nicht vor hatte ihr zu entkommen, betrat er nun die riesige Halle des Bahnhofes.
Wieder fiel ihm die Vielzahl an riesigen Bildschirmen auf, die an jeder Ecke zu finden waren, dazu Durchsagen und viele, viele Menschen die riefen, redeten und lärmten, doch was den wirklichen Unterschied zu den Bahnhöfen seines Vaterlandes machte, fiel ihm erst nach einigen Minuten auf: Es roch nicht nach verbrannter Kohle oder verbranntem Gasöl, die Halle war frei von Ruß und Rauch.
"Wir müssen auf Gleis 5 Sektor 1" teilte ihm seine Begleiterin mit nachdem sie einen der Bildschirme konsultiert hatte.
Er nickte nur und folgte ihr in einen Fußgängertunnel, dann auf eine Rolltreppe, hinauf auf einen Bahnsteig und auf diesem ganz nach vorne.
"Wird gleich kommen" merkte sie an und bevor er etwas erwidern konnte ertönte es auch schon aus dem Lautsprecher: "Gleis 5 Trenem Inter Civites Rapidam 534 nach Sore Principio, Vorsicht bei der Einfahrt!"
Zu Trevors Verwunderung war die windschlüpfrige Nase des Zuges fast halb so lang wie dessen erster Wagen. Kaum, dass sich die Türen öffneten stieg seine Aufpasserin ein und er folgte ihr.
Durch eine Glastür bog sie sofort nach links ab in ein Abteil mit vier voluminösen Ledersesseln. Doch was Trevor wirklich beeindruckte war die Tatsache, dass man durch eine weitere Glasscheibe direkt auf den Lokführer und durch die Frontscheibe des Zuges nach draußen blicken konnte.
Währenddessen betätigte die Offizierin einen Schalter und die Glastür, durch welche sie das Abteil betreten hatten, färbte sich wie von Geisterhand schwarz, so dass keiner mehr hindurchsehen konnte.
"So stört uns keiner" merkte sie dazu an, "setzen Sie sich wo Sie mögen."
Und während Trevor sich den Platz aussuchte der ihm den besten Blick nach draußen versprach, setzte sich die Offizierin bereits und holte eines dieser Callidcom genannten Geräte heraus, von denen Trevor wusste, dass man damit wohl Ferngespräche führen kann, Bilder anfertigen und diese sowie Texte versenden konnte.
Offensichtlich war das für die Menschen in Sore eine spannende Beschäftigung, denn die Frau schien völlig hingerissen von ihrem Glimmerkasten.
Wenig später setzte sich der Zug in Bewegung und erreichte bald eine Geschwindigkeit die Trevor mehr an das Tempo älterer Propellerflugzeuge seiner Heimat als an die eines Schienenfahrzeuges erinnerte.
Von dieser Geschwindigkeit ließ der Zug auch nicht mehr ab während er die Küste entlang durch unzählige Tunnel nach Süden brauste.
So erreichte der Zug nach knapp fünf Stunden bereits den unter der Erde liegenden Hauptbahnhof von Sore, was Trevor überraschte, denn nach seinem geografischen Wissen hätte die Entfernung von Aquilia nach Sore etwa 200 nordensche Meilen⁷ betragen sollen.
"Kommen Sie!" sprach seine Aufpasserin die nun ihr Flimmerkästchen endlich wegpackte. Als hätte Trevor irgendeine andere Option gehabt als ihr zu folgen.
Schon auf dem Perron wurden sie erwartet.
Zwei junge Männer ähnlich gekleidet wie Trevor, nur ohne die Armbänder, standen da, der eine schaute ihn gelangweilt, der andere hingegen finster abweisend an.
Beide aber sprachen kein Wort mit ihm.
Mit den Worten "Ist er das?" wandte sich der finster dreinguckende Typ an die Offizierin, die bestätigte das und der gelangweilt dreinschauende Mann gab ihr ein Dokument worauf sie salutierte und sich mit einem letzten "Viel Glück Junge" an Trevor gerichtet entfernte.
Der finster dreinguckende Typ bedachte Trevor nun mit einem malignen Lächeln bevor eine Kette mir zwei halbmondförmigen Endstücken hervorholte. Eh Trevor wusste wie ihm geschah, setzte der diese Endstücke an den Armbändern um seine Handgelenke an, dann aktivierte der andere Kerl diese auf für Trevor unerklärliche Weise mit einem dieser Kommunikationskästchen und mit einem leisen Surren schienen diese fest mit den Armbändern verbunden.
Weiterhin böse grinsend riß der erstere Typ nun an der Kette und Trevor stolperte nach vorne, realisierend, dass er nun mit dieser Kette an dem Händen gefesselt war.
Empört keuchte er auf und Wut machte sich in seinem Blick breit.
Doch da zischte ihm der Typ der an der Kette riß im boshaftem Ton zu: "Gewöhn dich daran, oder ich werde dir mit größtem Vergnügen deinen Platz zeigen!"
Der gelangweilte Kerl guckte nun hoch und meinte dann ziemlich gleichgültig zu dem anderen Typen: "Lass' mal Simur, das wird Terastan schon selbst übernehmen..."
Der Simur genannte grummelte etwas unverständliches, bedachte Trevor noch einmal mit einem abwertenden Blick bevor er sich umdrehte und loslief, während er Trevor einfach an der Kette hinter sich herzerrte.
Selbstverständlich erregte diese Szenerie einiges an Aufsehen und Trevor war wütend und zutiefst beschämt als er bemerkte, wie die Menschen um sie herum ihn angafften und seine Scham stieg ins Unermessliche, als immer mehr von den Gaffern begannen mit ihren Callidcoms Bilder von ihm zu schießen.
Seine beiden Sklaventreiber schien das aber wenig zu stören, auch wenn Trevor sich die ganze Zeit fragte, was er bitte verbrochen hatte, dass er ihre Ablehnung und Wut und diese Demütigung verdient haben könne.
Eines wurde ihm aber schlagartig klar: Die Zeit wo jemand eine schützende Hand über ihn hielt war nun vorbei.
Und wenn die Handlanger dieses Terastan sich öffentlich so ihm gegenüber verhalten durften und konnten, was war dann wohl von diesem selbst zu erwarten?
¹ nicht zu übersetzender Begriff, sinngemäß: männliche Gattin.
² Schneebedeckte Berge, sorenischer Name des Großen Südgebirges.
³ bedeutet Leibeigener, eine etwas freundlichere Bezeichnung für Servon = Sklave.
⁴ Missere = eine Anrede wie Herr, Monsieur.
⁵ Oberleutnant
⁶ Hauptbahnhof
⁷ eine nordensche Meile sind 7,5km, 200 Meilen also 1500km.
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