#74 Der Götterbote
"Irgendetwas ist passiert" seufzte Isador, "aber wenn die Dreharbeiten fertig sind morgen, dann muss ich umgehend nach Sore zurückkehren. Trevastan hat mir extra seinen Flieger geschickt..."
"Dann vermisst er dich sicher einfach sehr" vermutete Mineon.
"Nein, es ist irgendetwas im Gange weswegen ich nach Hause kommen soll" widersprach Isador ihm.
"Es gibt wohl Spannungen zwischen Angevinien und Sore" mischte sich Lovisa Gustonson in ihr Gespräch ein, "es gehen Gerüchte um, dass der High Cesar einen Apostolion ernennen und nach Kingstown-of-the-North schicken wird..."
"Ein Apost....was?" fragten Mineon und Isador unisono.
"Der letzte Apostolion den Sore ausgesandt hat war ein gewisser Meran der nach Kitaien geschickt wurde" erzählte Lovisa.
"War das der Meran den Taehyung einen tuhfuh genannt hat?" erkundigte sich Mineon sogleich neugierig.
"Davon kannst du ausgehen" erwiderte ihm Isador.
"Also damals in Kitaien, das war ja dann eher so eine Militärintervention" stellte er nun seinerseits eine Frage, "denkst du Sore wird Angevinien angreifen?"
"Nein, zumindest nicht sofort" antwortete Lovisa, "aber wenn Sore einen Apostolion losschickt ist das kein gutes Zeichen. Die wollen was von unserem König und befürchten, dass der es nicht will..."
"Ob es was damit zu tun hat, dass unser König diesen Simon aus Sore zum Herzog von Ostoria befördert hat?" stellte Mineon weitere Überlegungen an.
Davon hatte Isador noch nichts mitbekommen und entsprechend fiel er förmlich aus allen Wolken: "Was, Simur ist Herzog?"
"Ja, wegen seiner Verdienste um Angevinien und die Krone hat unser König ihn in den Adelsstand erhoben. Er ist jetzt 'His Grace Lord Simon, Duke of Ostoria' und hat einen Sitz im House of Lords des Parliamentes" berichtete Mineon.
"Oha" kommentierte Isador das und dann fiel ihm ein, was Sore wohl von Trevor wollen könnte. Wenn Simur aus dem diplomatischen Dienst Sores ausgetreten und dafür in den angevinischen Hochadel eingetreten war, bedeutete das, dass er und Trevor nun auch nach außen hin mit dem Anschein einer freundlichen Verbindung zwischen Angevinien und Sore gebrochen hatten. Und man sich in Sore ebenso wie er selbst nun fragte, inwieweit das von Terastan ausging.
Der Apostolion sollte dann wohl eher was von Terastan wollen als von Trevor.
"Ich denke, der Apostolion den Sore da schicken will, will eher etwas vom Prinzgemahl Terastan als von eurem König!" lies er die anderen Beiden am dem Ergebnis seiner Überlegungen teilhaben.
"Aber warum will dich dein Lover dann so dringend heimholen?" wunderte sich Mineon.
"Na ja, man hat den Prinzgemahl in seiner Heimat Sore ziemlich abgesägt, so politisch und so – ich war da auch nicht ganz unbeteiligt dran – und da der wohl ein ziemlich nachtragendes Naturell hat befürchtet man jetzt wohl, dass er sich gegen Sore wenden könnte. Die Tatsache, dass Simur sich nun öffentlich ganz klar zu Trevor bekennt, zeigt doch, dass da was im Busch ist. Ich mein, euer König wurde in Sore nicht gut behandelt, ich befürchte der hat keine großen Sympathien für Sore. Simur geht es ähnlich. Bei allem Glitzern in Sore, da gibt es auch noch üble Slums mit 1000 Jahre alten Häusern. Simur ist so aufgewachsen. Jetzt addiert zu den Ressentiments dieser beiden einen rachdürstigen Terastan und ihr könnt erahnen warum man sich in Sore City Sorgen macht."
"Da fallen Sore jetzt sozusagen seine unerledigten Probleme auf die Füsse" konstatierte Lovisa.
"Das kann man so sagen, denke ich" bestätigte Isador.
"Dann verstehe ich warum dein zukünftiger Mann dich bei sich wissen will" merkte Lovisa an.
"Ich auch" bekräftigte Isador, "und deswegen bin mich morgen dann auch weg..."
*****
"Roman, wirklich?" An-Anadur war mit der Wahl seines Virion für den Apostolion nicht wirklich einverstanden. "Ist das nicht unter dem Strich einen diplomatische Mission? Und dann schickt ihr einen impulsiven und in diesen Dingen unerfahrenen Viriliamisso¹ zu Trevor?"
Ieran grummelte etwas unverständliches worauf sein Uxvir nun erst richtig ausholte: "Gibt es bei euch Divinoble eigentlich auch so was wie einen Lerneffekt? Aus den Fehlern beim letzten Apostolion so nichts gelernt?"
"Was denn, Meran hat doch letztendlich Sores Anliegen in Tschinkyu durchsetzen können?" gibt sich Ieran störrisch.
"Ja aber um welchen Preis? In Chitaia nennt man ihn noch immer 'Meran der Schlächter'! Und Angevinien heute ist nicht Kitaien von damals" hielt An-Anadur dagegen.
"Woher willst du das wissen?" maulte Ieran.
"Hat An-Taetsin mir erzählt. Auf Isadors Geburtstagsparty hat Prinz Taehyung von 'Meran tuhfuh' gesprochen. In der Gegenwart von An-Taetsin. Nicht einmal mit Absicht, aber da siehst du doch wieviel Porzellan dein letzter Apostolion auf seiner Mission zerdeppert hat" erklärte sein Uxvir ihm.
Trotzig widersprach er: "Das ein Angehöriger des kitaischen Kaiserhauses das so sieht verwundert mich nicht."
"Und dass du das so siehst wundert wiederum mich nicht!" An-Anadur war mal wieder sauer und da kam auch schon der Satz den Ieran dann fürchtete: "Ich bin dann bei An-Taetsin, nur falls du wieder zu Verstand kommst und mich brauchst!"
Und mit einem theatralischen Türenknallen verschwand er.
Erst als er schon auf dem Weg zu An-Taetsin war, fiel ihn noch ein weiterer Grund ein, der gegen Roman sprach.
Roman ab Tavolam war in Wahrheit ein Urenkel von Abrutan lo Prodition.
Sein richtiger Name, der nie genannt wurde, war eigentlich Roman ab Iuniam-Ressis. Und die Familie Iuniam galt neben den Iovams und den Apollams als eine der stärksten und mächtigsten unter den Divinobles.
Was wenn Trevor es tatsächlich geschafft hatte Terastan zu unterwerfen? Und was, wenn er da mit einem forsch auftretenden Roman völlig unbeeindruckt dasselbe machen würde? Dieser Hitzkopf würde ihm bestimmt einen passenden Vorwand liefern.
An-Anadur hatte zwar keine konkrete Vorstellung, was ein König wie Trevor mit zwei hochrangigen Divinoble anfangen könnte, aber sein Bauchgefühl sagte ihm, dass er das könnte und das nicht unbedingt eine gute Sache für Sore wäre.
Aber da er auch eine kleine Diva war, dachte er jetzt garnicht daran nochmal umzudrehen und Ieran seine Bedenken vorzutragen. Der war schließlich Divinimperator und er ja nur sein Uxvir. Soll er sich doch ganz majestätisch selbst die Finger verbrennen. Es war ja nicht so, dass er, An-Anadur, keine Sympathien für Trevor hatte. Und der würde ja sicherlich nicht gleich Sore im Sturm erobern und seinen Virion vom Thron stoßen. Ein kleiner Dämpfer hingegen könnte der divinoblen Selbstüberschätzung ja auch nicht schaden.
*****
"Nos, Ieran ab Iovam, ab Libulan origam Divinimperator do Imperion Sorenam, ad omnam tempes augeror do imperion, confiteron e pandoron que nos denominaron Divicomes Roman ab Tavolam come noi Apostolion!²"
Die Ernennung eines Apostolion war in Sore ein richtiger Staatsakt der auch erstmalig im Fernsehen übertragen wurde. Was allerdings nicht verwundert, da die letzte solche Ernennung beinahe 200 Jahre her war.
Woran man schon merken konnte, dass dergleichen kein alltägliches Ereignis war. Die meisten Sorener erlebten so etwas in ihrem Leben überhaupt nicht und wenn, dann höchstens ein einziges Mal. Selbst Divinoble und ihre Uxvirs waren bei der Ernennung eines Apostolions im besten Falle vier oder fünf Mal in ihrem Leben anwesend.
Die angevinische Übersetzung als 'Besunder Envoy of the High Cesar'³ wurde der wirklichen Bedeutung eines Apostolions nicht ganz gerecht, ein Apostolion war mehr als nur ein Sondergesandter des Staatsoberhauptes von Sore. Da die Divinimperator ihre Legitimation zur Herrschaft von ihrer Abstammung von Libulan herleiteten und sich daher auch als Nachfahren und Repräsentanten von Libulan sahen – so war es zumindest Staatsdoktrin in Sore – war ein Apostolion mehr eine Art Bote der Götter als ein Diplomat des Staates Sore.
Damit einhergehend war die Ernennung eines solchen auch alleine das Recht und die Aufgabe des Divinimperators. Nichtsdestotrotz hatte der sorenische Staat im Zweifel die Suppe auszulöffeln die dieser Apostolion – und der Divinimperator durch ihn – ihm womöglich einbrockten. Auch das war ein Grund warum die Divinimperatoren von diesem Recht nur selten Gebrauch machten.
Nun aber war es geschehen und ein frischgebackener Apostolion namens Roman ab Tavolam war bereit nach Kingstown-of-the-North aufzubrechen um dort den wahren Willen von Terastan zu erfahren.
Nein, letztere teilte man der Bevölkerung natürlich nicht mit, da hieß es beschönigend, dass der Apostolion mit Terastan ab Apollam und An-Trevur ab Somnia über die Konsequenzen für die Thronfolge in Sore sprechen sollte, die sich womöglich aus der Tatsache ergeben könnten, dass Terastan zugleich Prinzgemahl von Angevinien und An-Trevur als König Trevon Staatsoberhaupt desselbigen war.
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Natürlich blieb bei all' dem Pomp die Ernennung eines Apostolion auch in Kingstown-of-the-North, Tschinkyu und den anderen Hauptstädten nicht unbemerkt.
Trevor hatte sich noch in der Nacht mit Lord Simon, dem Lord High Stewart, dem Lord of the Household, der Premierministerin, dem Außenminister und einigen führenden Militärs getroffen.
"Also, Kronprinz Taejo spricht uns im Namen von ganz Kitaien sein Bedauern darüber aus, dass Sore eine so unerfreuliche Maßnahme gegen uns ergreift" berichtete er, "nach den Erfahrungen die sie in Kitaien mit einem Apostolion gemacht haben, rät man uns, diesen umgehend zur unerwünschten Person zu erklären und unser Militär in Alarmbereitschaft zu versetzen. Auf keinen Fall sollten wir den ins Land lassen..."
"Das ist aber nicht der Weg den Eure Regierung vorschlägt, Sire!" merkte Mrs. Slater dazu an.
"Keine Sorge Premierministerin, das ist auch nicht der Weg den Wir zu gehen gedenken" beruhigte sie Trevor sofort.
"Unser Plan sieht vor, dass wir den Sondergesandten mit allen Ehren in Kingstown-of-the-North empfangen.
Dann hören wir uns sein Begehr an und dann entscheiden Wir, ob Wir dem stattgeben wollen" erklärte Trevor nun wie er vorzugehen gedachte.
"Dieser Roman ab Tavolam wird mit Sicherheit den Auftrag haben mit Eurem Gemahl zu sprechen" wandte der Lord High Stewart nun ein.
"Oh" bestätigte Trevor, "davon ist auszugehen!"
"Und was gedenkt Ihr dann zu tun?" fragte der Außenminister nun.
"Nun, zunächst werden Wir ihm mitteilen, dass der Prinzgemahl von Angevinien ihn nicht empfangen möchte" erwiderte Trevor.
"Ihr glaubt aber nicht ernsthaft, dass Ihr damit durchkommt" gab sich die Slater nun skeptisch.
"Nein. Aber damit gewinnen wir Zeit" lautete Trevors Antwort, "und wenn dieser Roman dann weiter insistiert, dann darf er mit meinem Gemahl sprechen!"
"Aber, dann kehrt der nach Sore zurück und berichtete da alles!" wandte der Lord High Stewart sofort ein.
Nun meldete sich Simur zu Wort: "Immer vorausgesetzt, er kehrt nach Sore zurück. Roman ab Tavolam heißt eigentlich Roman ab Iuniam-Ressis und ist ein Nachfahre von Abrutan dem Verräter und Caisaron von Misrata. Darüberhinaus ist er wie alle Divinoble sehr von sich selbst überzeugt, hält sich für etwas besseres und er ist sehr impulsiv."
"Was wollen Sie damit sagen, Lord Simon?" hakte die Slater sofort nach.
"Nun" erwiderte der, "erstens, ist es nicht beleidigend, dass man uns einen Nachfahren des schlimmsten Verräter der sorenischen Geschichte schickt? Und was, wenn dieser Roman gegenüber seiner königlichen Hoheit übergriffig würde? Sowas haben wir aus guten Gründen schließlich auch nicht seitens Terastans geduldet. Warum sollten wir dergleichen bei einem Roman dulden?"
"Aber dieser Apostolion wird doch niemals gegenüber seiner königlichen Hoheit, dem König, übergriffig werden!" hatte der Lord of the Household nun Bedenken.
"Ach, wird er nicht?" konterte Simur süffisant, "nun, der Satz 'In der Politik ist eine starke Behauptung oft besser als ein schwacher Beweis' ist Ihnen geläufig?"
"Ja natürlich" entgegnete der, "aber dann steht ja Aussage gegen Aussage?"
"Die Aussage des Königs von Angevinien, eines Dukes der Peerage von Angevinien, des Lord High Stewart und womöglich auch der Premierministerin gegen die Aussage eines Romans, den herzuschicken schon eine Beleidigung für ganz Angevinien ist" korrigierte Simur ihn jovial.
"Wir werden uns sicherlich nicht mit diesem Roman in Anwesenheit seiner ganzen Entourage und aller Medienvertreter von Sore und Angevinien unterhalten" kam es zynisch von Trevor.
"Ihr wollt, dass dieser Roman im Zweifel eurem Gemahl längerfristig Gesellschaft leistet" hakte jetzt einer der Militärs noch einmal nach, "habt ihr nicht Angst, dass Sore uns dann den Krieg erklärt?"
"Sore wird uns nicht den Krieg erklären meine Herren!" mischte sich die Slater ein, "haben Sie ein wenig Vertrauen, aber wir sind kein rückständiges Kitaien mehr, dass man nach Belieben herumschubsen kann wie vor 200 Jahren!"
"Also dann" sprach Trevor nun, "bereiten sie alles vor für den großartigsten und pompösten Staatsempfang den Angevinien je gesehen hat. Ich will alle Peers, die Vizekönige aller Gebiete und die Spitzen der Geistlichkeit präsent haben. Ich will Spitzenküche, Theater, Konzerte, Musical, Tanz und Unterhaltung. Schöpfen Sie aus dem Vollen!"
¹ Macho
²Wir, Ieran ab Iovam, durch Anstammung von Libulan Hochkaiser des Sorenischen Imperiums, zu allen Zeiten Mehrer des Reiches bekennen und tun kund, dass wir den Divincomes Roman ab Tavolam zu unserem Apostolion ernennen!
³Sondergesandter des Hochkaisers
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