#7 Märtyrer des Reiches

Zumindest an sorenisches Essen könnte sich Trevor sofort gewöhnen.
Da war weitaus raffinierter und verfeinerter als die eher bodenständige Küchen von Nordenland, von dem Fraß den man in Angevinien aß einmal ganz zu schweigen.
"Zumindest in der Esskultur seid ihr wahrlich die führende Nation" komplimentierte er seinen Gastgeber während er das auf seinem Teller wunderbar angerichtete Geflügel genoss.
"Ach, dass ist doch nur ein einfaches Pollon Fontonam¹" wehrte Minervan bescheiden ab, ließ aber dennoch erkennen, dass ihn dieses Kompliment freute.
Dadurch ermutigt traute sich Trevor weiter zu gehen: "Da Ihr ja offensichtlich wisst, wer ich bin gehe ich wohl zu Recht davon aus, dass Ihr nicht der Einzige seid?"
Minervans Mimik wurde schlagartig ernst und Trevor befürchtete schon zu weit gegangen zu sein als dieser ihm antwortete: "Nein, eure Ankunft hier war für uns wohl fast weniger überraschend als für euch..."
"Darf ich fragen: Woher...?" stammelte er nun verwirrt.
"Sagen wir es mal so" erklärte ihm Minervan und fand dabei sein Lächeln wieder, "unsere Auslandsaufkkärung ist besser als man sich das in Keizerstad in seinen kühnsten Träumen vorstellen kann..."
"Oh..." kam es von Trevor während sein Gehirn noch damit beschäftigt war, diese Informationen zu verarbeiten, dann aber resultierte daraus sofort seine nächste Frage: "Weiß man schon was über die aktuelle Lage in meinem Vaterland?"

Minervan nickte und sprach dann einfach auf sorenisch in den Raum: "Satli, Visor bitte!"
Am Ende des Raumes öffnete sich, für Trevor wie von Geisterhand, die Decke und ein ziemlich großes Rechteck aus glänzendem schwarzen Glas senkte sich herab.
Das muss wohl ein Bildschirm sein, dachte sich Trevor, denn er hatte ja selbst gehört, wie Minervan diesem Satli befohlen hatte einen Visor zu bringen.
Da hörte er schon wie Minervan wieder sprach: "Satli, zeige aktuelle Nachrichten Reichssender Keizerstad".
Eine künstlich klingende Jungenstimme erwiderte aus dem Off: "Zeige aktuelle Nachrichten Reichssender Keizerstad" und kurz darauf waren auch schon die Fanfaren für Sondermeldungen von Nordens Reichssender zu hören und die wehenden Flaggen auf dem Bildschirm zu sehen.
Dann erblickte Trevor seinen Vater und die ihm nur zu bekannte Stimme der Nachrichtensprechrin verkündete währenddessen sich beinahe überschlagend: "Nach dem hinterhältigen, feigen und bösartigen Anschlag auf seine Familie, das Volk und das Reich wendet sich der geliebter Storledar nun an sein Volk!"
Das genau tat sein Vater mit dem ihm innewohnendem Gespür für Selbstinszenierung dann auch:

"Bürger von Nordenland!

Ich weiß nicht, zum wievielten Male nunmehr ein Attentat auf mich geplant und zur Ausführung gekommen ist. Wenn ich heute zu Ihnen spreche, dann geschieht es aus zwei Gründen:

1. Damit Sie meine Stimme hören und mich sehen und wissen, dass ich selbst unverletzt und gesund bin.

2. Damit Sie aber auch das Nähere erfahren über ein Verbrechen, das in Nordens Geschichte seinesgleichen sucht.

Eine ganze kleine Clique ehrgeiziger, gewissenloser und zugleich unvernünftiger, verbrecherisch-dummer Emporkömmlinge hat ein Komplott geschmiedet und mit dem Feind paktiert um mich zu beseitigen und die Macht in Nordens Reike an sich zu reißen.

Die Verräter werden zur Zeit dingfest gemacht, der Kopf des Verrates, Sakenmann, wurde bereits auf der Flucht erschossen.

Trotzdem unser Reich standhaft bleibt wie auch ich als sein Führer, habe ich als Vater und Bürger auch eine traurige Nachricht zu überbringen.
Der Verräter Sakenmann hat es noch vor seinem schmählichen Ende geschafft meinen Sohn Trevor und dessen getreuen Kameraden Isador fav Turnet zu überraschen und an unsere Feinde auszuliefern!

Nichts kann schlimmer sein, als sein Kind in den Händen der Kinäden von Sore zu wissen.
Deswegen versichere ich Ihnen die schärfste Verfolgung der Verbrecher nicht nur als Ihr Anführer sondern auch als ein Vater der seinen Sohn durch solch' schändliche Tat verloren hat!"

An dieser Stelle unterbrach Minervan, der an Trevors Mimik längst erkannte, wie es in diesem aussah mit "Satli, Wiedergabe anhalten".
In Trevors Gesicht spiegelten sich Verletzung, Wut, Trauer und Verzweiflung sehr deutlich wieder als er dann höhnisch auflachte und bitter anmerkte: "Ich fass' es nicht, jetzt sitzt der noch fester im Sattel als je zuvor, muss er sich nur noch einen neuen Sohn machen!"
"Der Vorwand für Säuberungen kam deinem Vater wohl nur zu gelegen" erwiderte Minervan traurig.
"Was, wegen Sakenmann" begehrte Trevor daraufhin auf, "den hab' ich abgeknallt!"
"Er wird ja nicht der Einzige bleiben" vermutete Minervan daraufhin und Trevor kam nicht umhin ihm Recht zu geben. Sein Vater würde alle beseitigen lassen die mit Sakenmann zusammengearbeitet hatten, alle die wussten warum Sakenmann gegen Isador vorgegangen war und jeden, der mitbekommen hatte, dass Trevor und Isador nicht entführt worden waren.
"Vermutlich wäre es gnädiger gewesen ich hätte den Leiter des Kontorhuvdhed selbst erschossen" erwiderte Trevor achselzuckend bevor er verstummte und dann sehr betroffen fragte: "Habe ich jetzt den Tod von Hunderten zu verantworten weil ich nicht zulassen konnte, dass man meinen Isador zu Tode foltert?"
"Hast du die persönlich getötet, es befohlen oder es auch nur gewollt?" erwiderte Minervan ruhig.
"Nein, das nicht..." erwiderte er und Minervan unterbrach ihn: "Dann hast du es auch nicht zu verantworten!"

"Da versucht man einmal etwas richtig zu machen und dann profitiert wieder er und man selbst endet als Sklave der Kinäden" kam es sarkastisch von Trevor bevor im selbst klar wurde er, was er da gerade gesagt hatte und sich mit schreckgeweiteten Augen die Hand vor den Mund schlug.

Minervan aber schaute ihn nur mitleidig an und erkundigte sich: "Wieso profitiert er wieder, er hat doch seinen einzigen Sohn verloren?"
"Ja, der war gut" spottete Trevor daraufhin, "er ist die Schwuchtel los, ohne dass irgendwer, der das noch lange überlebt, mitbekommt, dass es eine ist und kann sich dafür noch als Vater eines gefallenen Märtyrers aufspielen und als wäre das nicht genug, hat er jetzt den Vorwand alle diejenigen in Partei und Reich zu beseitigen, die ihm irgendwann in Zukunft noch gefährlich werden könnten." Er holte tief Luft und fügte dann etwas ruhiger hin zu: "Seine Hetze gegen euch wird jetzt auf fruchtbaren Boden fallen, er hat jetzt seinen einzigen Sohn an euch verloren."
"Damit hat er leider noch nicht einmal ganz Unrecht" seufzte Minervan, dann fiel ihm offensichtlich etwas ein und er sagte: "Ich habe deine Bedingungen für die Aufgabe deiner Rechte schriftlich festgehalten. Du wirst sie nachher noch unterschreiben können, dann kommt sie ins Staatsarchiv."
"Und ich dachte immer wir wären bürokratisch" witzelte Trevor.

"Du kannst es einklagen wenn diese Bedingungen nicht eingehalten werden" erklärte ihm Minervan daraufhin ruhig.
"Einklagen? Auch gegen einen der Immortalis?" Trevor war ehrlich überrascht.
"Auch gegen einen der Divinoble!" bestätigte Minervan.
"Dann haben selbst die Sklaven bei euch mehr Rechte als die Bürger in Nordens Reike" lachte Trevor, "wie verrückt ist das denn..."
"Ich kann darüber nicht lachen" sprach der Divinoble daraufhin, "ich finde es befremdlich, dass meine Nation so einen Rechtsstatus überhaupt noch kennt."
"Für mich ist es ungewohnt solche Kritik zu hören" gab Trevor zu, "sowas macht in Nordenland keiner - und wenn doch, nur einmal..."

Kurz war es still und beide hängen ihren Gedanken nach doch dann fühlt sich Trevor willkommen genug um seiner Neugierde nachzugeben:
"Erzählt mir was von Euch, habt Ihr Familie, eine Frau, darf ich fragen wie alt Ihr seid?"
Minervan schmunzelt, dann erwidert er: "Es gibt keine weiblichen Divinobles"
"Ihr seid nicht... ähhh... kompatibel mit normalen Menschen?" wundert sich Trevor.
"Das ist eine sehr komplizierte Angelegenheit" erklärt ihm der Immortali, "aber Divinoble haben keine Beziehungen zu Wesen mit einem anderen Geschlecht. Was dachtest du, warum die Propaganda deines Landes so sehr auf dem Thema herumreitet?"
So weit hatte Trevor noch nicht gedacht und seine nächste Frage zeigte das auch: "Wie ist dann die Stellung der Frau in der sorenischen Gesellschaft?"
'Niemand darf wegen seines Geschlechtes oder seiner Identität benachteiligt werden' bestimmt unser Leix Basic²" erwiderte Minervan.
"Aber ihr Immortalis seid doch..." wandte Trevor ein, sein Gegebenüber unterbrach ihn jedoch: "Das ist weil wir die Divinobles sind - und da es keine weiblichen Divinobles gibt, ist das keine Benachteiligung wegen des Geschlechtes oder der Identität."
"Oh..." realisierte Trevor, "das ist... raffiniert!"

"Aber ich habe einen Partner, falls das deine Frage war" merkte Minervan dann an, "wenn du ihn kennenlernen willst, dann wird er morgen mit uns frühstücken..."
"Das wäre mir eine Ehre" versicherte Trevor ihm und war sichtlich angetan von der Idee, was wiederum Minervan sehr gefiel, denn dieser lächelte breit und meinte dann: "Um deine Frage nach meinem Alter zu beantworten, ich kam im Jahre 2405 acS ins Leben, ich bin der jüngste Sohn von Serenan ab Iovan IV. und An-Vermur ab Aquileion."
2405? dachte Trevor, jetzt sind die im Jahre 2708, das bedeutet der verdammt gutaussehende Kerl ihm gegenüber war...
"Ihr seid 303 Jahre alt?" entfuhr es ihm so perplex, dass er nicht einmal bemerkte, dass, nachdem was Minervan ihm zuvor erzählt hatte, dessen Eltern ja beide hätten männlich sein müssen.
"Noch nicht, ich kam erst im Spätherbst ins Leben" erwiderte ein sichtlich amüsierter Immortali.
"Ich bin neidisch, ehrlich!" gestand Trevor freimütig.
"Ich verstehe das, ehrlich!" erwiderte der Divinoble ihm, worauf beide ihn ein unbekümmertes Gelächter ausbrachen.

In der Nacht, als Trevor längst schlief, erlangte Isador im Instituto Central Clinice³ von Aquilia sein Bewusstsein wieder.
Als er seine Augen öffnete, fand er sich in einem in pastellen Blautönen und dezenten Grau gestaltetem Raum in einem Bett liegend wieder, an seinen Händen mit diversen Schläuchen verbunden, dazu noch für ihn seltsame runde Pflaster auf seinem Körper die mit Kabeln verbunden sind, welche nach irgendwo hinter ihm führen woher er ein regelmäßiges, leises und irgendwie einlullendes Piepsen vernahm.
Ich muss in einem Krankenhaus sein! dachte er sich, nur wo? Das letzte woran er sich erinnerte, war, dass Trevor den Luftkampf mit den beiden Jagdflugzeugen aufnahm und dann der Schmerz...
Trevor! durchfuhr es ihn siedenheiß und obwohl das eigentlich überhaupt keinen Sinn ergab, fing er an leise und dann zunehmend lauter zu rufen: "Trevor? Trevor?"

Aber nicht Trevor erschien an seinem Bett, sondern ein hübscher junger Mann mit dunkelbraunen Haaren und grünen Augen.
Dieser lächelte ihn an und sagte mit einem starken Akzent: "Schön, Sie sind wieder aufgewacht..."
"Wer sind Sie?" wollte Isador sofort wissen und ein leichtes Mißtrauen zeigte sich in seinem Blick.
"Meine Name ist Erur, ich bin Krankenpfleger hier im Krankenhaus" erklärte dieser ihm freundlich, "Sie hatten eine Verletzung und wurden operiert."
"Wo ist 'hier im Krankenhaus'?" kam es verwirrt von dem jungen Blonden.
"In Aquilia, Sie sind im Sorenisches Imperium" erwiderte ihm sein Gegenüber.
"Wo ist Trevor, was passiert jetzt mit mir, geht es ihm gut, werde ich wieder gesund?" Die Fragen sprudelten nur so aus Isador heraus.
"Langsam, langsam, ich hole jetzt Ihre Ärztin und den Vicariator, die werden Ihnen alles erklären und Ihre Fragen beantworten" sprach der Pfleger und entschwand aus Isadors Gesichtsfeld.

Aber nicht für Lange und als er wieder auftauchte hatte er eine Frau bei sich und einen jungen gutaussehenden Mann mit silbernen Haaren und violetten Augen.
Noch nie hatte Isador einen Menschen mit violetten Augen gesehen und so starrte er diesen voller Verwunderung an.
Erst als Erur mit dem Finger schnippte, beendete er sein Starren und konzentrierte sich wieder auf diesen.
Der lächelte ihn sehr verständnisvoll an und sprach dann: "Darf ich vorstellen, Ihre behandelnde Ärztin Dr. Caponi und der Vicariator Elasan ab Dianam..."
Isador nickte und Erur fragte ihn: "Sprechen Sie Sorenisch oder Angevin? Dr. Caponi beherrscht leider kein Norisch..."
"Beides geht so..." erwiderte Isador ihm.
So sprach ihn Dr. Caponi auf Angevin an: "Du kannst mich Gema nennen" worauf Isador lächelte und erwiderte: "Freut mich, Isador.."
"Also Isador, du hattest zwei Verletzungen durch Projektile, hohen Blutverlust, aber du hattest Glück, keine wichtigen Organe wurden verletzt. Also konnten wir dich wieder zusammenflicken, dein Blut etwas auffüllen und du wirst wieder vollständig gesund werden.
Nicht einmal Narben werden auf deinem Körper zurückbleiben, auch wenn wir dafür noch eine Nachbehandlung brauchen."
"Das klingt doch eigentlich gut?" merkte er dazu an.
"Ja, das denke ich auch, ich würde sagen in 10 Tagen können wir dich hier entlassen" sprach die Ärztin sodann.
"Danke, Gema!" sagte Isador und es war das was er in diesem Moment auch fühlte.
"Nichts zu danken, das ist meine Arbeit und sie macht mir Freude" lachte die Ärztin und verließ ihn wieder, gefolgt von Erur.

"Hallo Isador, ich bin Elasan" stellte sich nun der Violettäugige vor und zu Isadors stiller Erleichterung sprach er seine Muttersprache.
"Du wirst sicherlich ganz viele Fragen haben wie es jetzt mit dir weitergeht und ich bin hier um dir alle diese Fragen zu beantworten" fuhr er dann fort. "Ich habe gehört, du hast vorhin nach Trevor gerufen. Also, deinem Freund geht es gut, er lebt und er hat schon ein Abkommen mit dem Imperium geschlossen was auch dich angeht.
Du wirst in Sore bleiben können, du wirst hier frei leben können, du bekommst jede Bildung und Ausbildung die du dir erstrebst oder um es kurz zu machen, Trevor hat das 'Rundum sorglos'-Paket für dich herausgehandelt.
Dein Protector in Sore ist niemand geringeres als Trevastan ab Apollam,  wofür dich hier sehr viele Menschen beneiden werden. Ich bin sein Vertreter für den Norden von Sore und deswegen bin ich jetzt hier."

Auch wenn die Informationen nur so auf Isador einprasselten hatte er schon gleich Fragen: "Was ist ein Protector?"
"Ein Protector ist jemand der einem Schutz bietet" erklärte Elasan ihm.
"Oh, dann ist dieser Trevastan ein echt hohes Tier?" wunderte sich Isador.
"Ein richtig richtig hohes Tier" schmunzelte sein Gegebenüber.
"Ich schätze dann kann ich mich wohl glücklich schätzen.." mutmaßte der Blonde daraufhin, "aber was ist mit Trevor?"
Kurz sah es so aus als husche ein leichter Schatten über Elasans Gesicht, dann aber lächelte er wieder und meinte: "Der hat eine andere Aufgabe bei einem anderen echt hohen Tier..."
"Werde ich ihn sehen können?" wollte Isador wissen.
"Ja, mindestens zwei Mal im Jahr, aber Trevastan wird gucken ob es nicht auch häufiger zu machen ist" versicherte ihm Elasan.

Isador grübelte und dann erkundigte er sich zaghaft: "Weiß man was über zu Hause... meine Eltern?"
"Du und Trevor seid die tragischen Helden die von bösen Verrätern zum Feind verschleppt wurden. Deine Eltern sind die Eltern eines Märtyrers des Reiches, ihnen wird wohl nichts passieren." berichtete ihm Elasan jedoch zu seiner großen Erleichterung.
"Dann hat Sakenmann alles noch vertuscht?" murmelte er mehr zu sich selber.
"Sakenmann wohl eher nicht, der Hochverräter wurde auf der Flucht erschossen" kam es daraufhin lapidar von Elasan.
"Oh...." machte Isador und schämte sich der klammheimlichen Freude die ihn gleichzeitig erfüllte.

¹sorenisches Gericht mit Hühnerbrust
²wörtlich Grundgesetz, die Verfassung von Sore
³wörtlich: Zentralinstitut für bettlägrige Verletzte/Kranke

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