#60 Aber Bitte in Farbe
Sorgfältig wurde die Flagge Angeviniens noch einmal ausgerichtet, denn das große Tuch mit dem gelben Schrägkreuz auf blauem Grund von Ecossia in der Gösch, dem weißen Feld mit den vier goldenen Lilien von Lugunia darunter und der roten Hälfte mit den beiden goldenen Löwen von Angevinien würde, von einem Gebläse sanft in Bewegung gehalten, nun gleich eine wichtige Rolle spielen.
Dann trat King Trevon in einer Galauniform vor die Kameras der ABC in der Kingly Albert Hall.
Es war der Abend vor dem Vortage des Tages, der in Sore als Tag von Punta ein hoher Feiertag war, es war hier in Kingstown-of-the-North bereits elf Uhr Abends, in New Kingstown sieben Uhr Abends und an der Westküste von New Lugunia und New Ecossia hingegen erst drei Uhr am Nachmittag.
Nichtsdestotrotz hatten sich Millionen Menschen im ganzen Angevinischen Reich vor den Fernsehgeräten versammelt und starrten gebannt auf das Schwarz-Weiß-Bild ihres Königs.
Dieser begann nun zu den Zuschauern zu sprechen:
"Good evening my people!
Thirty-five years ago, Our grandfather spoke to you for the first time on the radio, and twenty years ago you were able to see him for the first time on your farseers redyships at home.
Today is another landmark in the sagan of Angevin.
In an eyeblink, the flag of Our Great Kingdom will appear on your screens.
And then you will witness our beloved banner shining in the full glory of our beloved hues on your screens.
We will then address you in full hues for the first time."¹
Dann erschien die Flagge Angeviniens auf den Bildschirmen und während die Melodie der Hymne von Angevinien ertönte, wurde aus der Fahne in Schwarz-Weiß eine Fahne in Farbe.
Zumindest bei den 16 Millionen glücklichen Angeviniern die sich zuvor eines der neuen Empfanggeräte fürs Farbfernsehen hatten leisten können und wollen.
Als die Hymne verklungen war, richteten sich die Kameras auf wieder auf Trevor und viele Angevinier sahen ihren König zum ersten Mal in Farbe, was bis dahin allenfalls beim Lesen von farbig bebilderten Zeitschriften möglich war.
"Wenn nun alles funktioniert hat, was Wir hoffen, sollten Uns nun sehr viele von Ihnen farbig auf Ihren Bildschirmen sehen.
Da Wir aber auch wissen, dass ein Reden schwingender König auch in Farbe nicht sehr unterhaltsam ist, verabschieden Wir uns nun von Ihnen, aber nicht ohne Ihnen den Ranksheets²-Stürmer des letzten Monats, Isadon of the Tower, anzukündigen und Ihnen viel Spaß mit Ihm und der Show - in Farbe - zu wünschen."
Isador hatte mit großem Lampenfieber hinter dem glitzernden, mit einem Regenbogen versehenen Vorhang gewartet, nun aber war sein Stichwort und während das Orchester der Kingly Musical Hall zu spielen begann, trat er durch diesen Vorhang und auf eine gläserne Treppe, in den Haaren ein Diadem mit blauen Edelsteinen, die, ebenso wie diejenigen die an seinen Ohren hingen, mit seinen Augen um die Wette funkelten.
Dank Simurs Bemühungen gepaart mit Trevor diskreter Promotion hatten es seine Aufnahmen nicht nur in die diversen Radiosender von Angevinien geschafft sondern hatten schon den einen oder anderen Auftritt im Fernsehen der ABC, wenn natürlich bisher nur in Schwarz-Weiß.
Insofern war es nicht ganz verwunderlich, dass er hier nun in einem weißen Rakishan mit den goldenen Lilien von der Flagge Angeviniens stand, die Tatsache dass das aber sein erster Live-Auftritt in Angevinien und im angevinischen Fernsehen überhaupt war, machte seine Aufregung aber auch nicht gerade geringer.
Während er nun die Stufen der Treppe hinabschritt, erstrahlte jede Stufe in einer anderen Farbe und er begann zu singen:
"Was a beautiful boy in the old days
And Simon they say was his name
Lived far from the gates of Sore
In a hut made of clay and of straw
It was springtime
On a Sunday
The divar³ came in a golden chariot
And he saw him, saw Simon the Handsome
Yes, his heart was on fire so hot.
'Thou comst with me now
And I will give thou
Gold and gems
And thou wilt be mine'
'Cannot go with you,' so said Simon
'You cannot force my love
Better a life as free as a bird
Than in a golden cage to be
Better a life as free as a bird
Than in a golden cage to be'"
Während vor der Bühne die nun - überwiegend weiblichen Fans - in teils schrille Geräusche der Begeisterung ausbrachen, saßen auch Simur und Terastan im Chaudosham Palace vor dem Fernseher. Simur hatte das, auch aus Mitleid mit dem Divinoble - und weil er Trevor auf diese Veranstaltungen nicht begleiten konnte - angeboten und Trevor hatte keine Einwände gehabt.
"Er hat ein Lied über mich" war Simur völlig aus dem Häuschen, "Simon the Handsome..."
"Da siehste mal" erwiderte Terastan voller Ironie, "für dich hat er ein Lied, bei mir hat es nur für einen Fluch gereicht..."
"Glaubst du an sowas wie Flüche?" wunderte sich Simur.
Terastan sah ihn mit einem rätselhaften Blick an, dann entgegnete er: "Schau mich doch an, ich sitze hier als wäre ich Trevors Hund, bewacht von meinem ehemaligen Sub, einem Jungen aus Chibera. Glaubst du nicht, es könnte mir schwer fallen, langsam nicht mehr an Flüche zu glauben?"
"Erwartest du jetzt mein Mitleid?" Simurs Stimme ließ zumindest kein solches erkennen.
Terastan verzog seine Gesicht als hätte man ihm ins Gesicht gespuckt: "Bitte nicht, nichts ist schlimmer als Mitleid..."
Simur war sichtlich irritiert: "Was ist so schlimm an Mitleid?"
"Das kann ich dir sagen" begann Terastan eine Erklärung, "Mitleid bekommst du, wenn du eine Person siehst, die Hilflosigkeit ausstrahlt und in einer Situation ist, in der du nicht bist und in der du nicht sein möchtest...."
"Ja und?" Simur sah immer noch nicht wo das Problem lag.
Terastans Blick zeigte allerdings deutlich, dass da ein Problem sah und mit einer Mischung aus Sarkasmus und Besorgnis fuhr er Simur an: "Ich strahle Hilflosigkeit aus?"
Da verstand auch der Jüngere was genau das Problem für Terastan war. Dieser sah sich selbst als derjenige, dem andere hilflos ausgeliefert sind und der Gedanke, dass er von anderen - und dann auch noch Menschen - so gesehen würde wie er einst auf Simur, Trevor und viele andere sah, völlig egal ob mit Mitleid, Verachtung oder dem Gefühl einer Überlegenheit, war für ihn unerträglich.
So grinste er ihn spöttisch an: "Nee, du strahlst dieselbe Arroganz aus wie immer - und selbst wenn, hätte ich mit dir kein Mitleid, also mach' dir da mal keine Sorgen..."
Terastan schnaubte nur abfällig so dass Simur sich provoziert fühlte noch "Trevor hat sicherlich auch kein Mitleid mit dir, nur zu deiner Beruhigung..." nachzuschieben.
Inzwischen hatten sich die Fans vor der Bühne der Kingly Albert Hall wieder ein wenig beruhigt, so dass der berühmte Anchorman der ABC, Joseon Godandard, einige Worte an das Publikum und an Isador richten konnte:
"Ladies and Gentlemen, Your kingly Highness! Ich begrüsse Sie alle ganz herzlich zu 'Songs and hues, Angevinia all gaudy 'n gaily' der ersten Sendung und der ersten Show in Farbe in der ABC.
Ich freue mich auch ganz besonders heute Isadon of the Tower, den Shootingstar der angevinischen Ranksheets der letzten Monate bei uns begrüßen zu können.
Isadon, wie ist das, zum ersten Mal live in Angevinien auf der Bühne zu stehen und seinen Fans gegenüberzutreten?"
Isador, dessen Aufregung sich inzwischen gelegt hatte, strahlte über das ganze Gesicht als er nun antwortete: "Es ist unbeschreiblich, Joseon und ich bin wirklich sehr dankbar und glücklich heute Abend hier sein zu dürfen anlässlich dieses historischen Ereignis!"
Sofort kreischten dessen Fans wieder los von denen nur Joseon und Trevor wussten, wie sie an die ganzen teuren Karten in den ersten Reihen gekommen waren.
Mit einer Handbewegung sorgte Joseon wieder für Ruhe und meinte dann: "Ich hoffe du hast uns noch weitere Songs mitgebracht, vielleicht sogar noch einen neuen, eine weitere Premiere nach 'Simon the Handsome'?"
"Selbstverständlich habe ich das Joseon, also wenn du erlaubst...?" erwiderte Isador sehr souverän worauf Joseon sagte: "Dann räume ich jetzt mal die Bühne und überlasse sie dem Künstler.
Während nun der Anchorman die Bühne verließ, brachte sich Isador in Position, gab den Beleuchtern und dem Dirigenten des Orchesters der Kingly Musical Hall das entsprechende Zeichen während nun farbig angestrahlter Kunstnebel ihn umwaberte, begann er erneut zu singen:
"Once upon a time I had a lover
And he was the nicest boy of all
Remember how he looked at me so lovingly
And thinking of all the great things we would do.
Those were the days, my friend,
We thought they′d never end,
We'd sing and dance forever and a day;
We′d live the life we choose we'd fight and never lose
For we were young and sure to have our way
Then, suddenly, the fate turned against us
We had to fight and lost the way.
If by odds I'd see you in the toweard⁴
We′d smile at one another and we′d say:
Those were the days, my friend,
We thought they′d never end,
We'd sing and dance forever and a day;
We′d live the life we choose we'd fight and never lose
For we were young and sure to have our way.
Now it is the time thou art in power
Nothing seemed the way it used to be
In the news I saw a strange perception
Was that lonely man there really thou?
Those were the days, my friend,
We thought they′d never end,
We'd sing and dance forever and a day;
We′d live the life we choose we'd fight and never lose
For we were young and sure to have our way."
Erneute frenetische Begeisterung unter den Fans im Saal.
Aber nicht nur in Angevinien verfolgte man Isadors Auftritt, auch in Sore saßen Trevastan und An-Taetsin vor dem Televisor und sahen zu.
"Der Song bezieht sich doch auf Trevor?" kommentierte An-Taetsin den auch sogleich.
Trevastan guckte immernoch voller Entzücken auf die Bilder des ersten großen Auftritt seines Sonnenscheins, bekam aber dennoch genug mit um An-Taetsin zu antworten: "Ja, das würde ich jetzt auch sagen..."
"Kein bisschen eifersüchtig?" nickte der ihn nun.
"Nein" entgegnete Trevastan, "warum sollte ich?"
Auch Simur und Terastan waren sich sofort einig, dass der Song eine Hommage an die Freundschaft mit Trevor war.
"Tja, hätte Trevor nie was für Isador empfunden, hätte er nie mit ihm nach Sore flüchten müssen, wäre nie in deine Hände gefallen, nie König in Angevinien geworden und du wärst vielleicht noch Supremator und nicht hier eingesperrt" teilte Simur ein wenig gegen Terastan aus.
"Dafür wäre mein Bruder noch immer einsam und das kleine Goldkehlchen stände jetzt nicht auf dieser Bühne" grummelte der sogleich dagegen, "also der Kleine soll sich mal nicht beschweren, in Nordenland wäre aus dem doch nie was geworden..."
"Und wie hat er dir das gedankt?" frotzelte Simur nun.
"Mit einem Fluch" seufzte Terastan und Simur ließ es sich nicht nehmen mit "Eben!" das letzte Wort zu haben.
Doch nicht nur in Sore und Angevinien wurde dem Ereignis Beachtung geschenkt, auch in Keizerstad saß der Storeledar vor dem Fernsehgerät und verfolgte die Show im fernen Kingstown-of-the-North.
Und zu seinem Leidwesen war er durchaus beeindruckt.
"Eines muss man den Kinäden ja lassen, Inszenierung und Propaganda haben sie wirklich drauf" knurrte er.
Sein Umfeld wusste nicht so ganz was es dazu sagen sollte und so schwiegen alle.
Doch der Storeledar hatte längst einen Plan gefasst und der Anblick des singenden Isadors im angevinischen Fernsehen hatte ihn letztendlich darinne bestätigt.
"Meine Herren, wir können vor den geänderten Verhältnisse nicht auf Dauer die Augen verschließen.
Von daher sind ab sofort aus der Willenslenkung des Reiches alle Schriften, Lieder und Aufnahmen aller Art zu entfernen, die sich gegen die Kinäden, gegen Sore und allgemein gegen gleichgeschlechtlich ausgerichtete Menschen richten.
Weiterhin ist die strafrechtliche Verfolgung von widernatürlicher Unzucht einzustellen und die Presse ist anzuweisen jede Berichterstattung über solche Fälle zu unterlassen. Ab sofort gilt: Was zwei erwachsene Menschen hinter geschlossenen Türen miteinander in ihrem Bett machen hat alleine wegen der Tatsache, dass die des gleichen Geschlechts sind, niemanden mehr zu interessieren!"
"Soll das Strafgesetzbuch geändert werden?" erkundigte sofort einer seiner Mitarbeiter.
"Nein, die entsprechende Tatbestände werden ab sofort nicht mehr zur Anzeige angenommen und von der Staatsanwaltschaft ignoriert!" erklärte der Storeledar.
"Eine Willenslenkung ganz ohne Feindbilder?" gab nun ein anderer zu bedenken.
"Aber nicht doch" erwiderte der Storeledar mit einem fiesen Lächeln, "dafür haben wir ja noch Silistrien..."
"Ah ja Silistrien" bemerkte der Fragesteller daraufhin süffisant.
"Gut" meinte der Storeledar nun, "und wenn das alles erledigt ist will ich einen Auftritt von Isador vom Turme in Keizerstad! Also, an die Arbeit meine Herren!"
Isador aber, der nach der Show völlig erschöpft in sein Hotelbett fiel, ahnte von alledem nicht.
Sogar um wegen dem Empfang bei König Trevon am nächsten Morgen aufgeregt zu sein, war er einfach zu müde und schlief sehr schnell ein.
¹Guten Abend, mein Volk!
Vor fünfunddreißig Jahren sprach unser Großvater zum ersten Mal zu Ihnen im Radio, und vor zwanzig Jahren konnten Sie ihn zum ersten Mal auf Ihren Fernsehgeräten zu Hause sehen.
Der heutige Tag ist ein weiterer Meilenstein in der Geschichte von Angevinien.
Gleich wird die Flagge unseres großartigen Königreichs auf euren Bildschirmen erscheinen.
Und dann werden Sie sehen, wie unser geliebtes Banner in der vollen Pracht unserer geliebten Farben auf euren Bildschirmen erstrahlt.
Im Anschluss werden Wir dann zum ersten Mal in vollen Farben zu Ihnen sprechen. (the farseers redyship = die Fernseher Gerätschaft)
²Charts
³angevinisch für einen hochrangigen Divinoble.
⁴angevinisch für Zukunft.
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