#6 Was kann er bieten

Centurion¹ Gemur Mercisi war durchaus darüber in Kenntnis gesetzt, dass das Oberkommando zwei Flüchtige erwartet.
Und er sah den zweiten Mann ja auch bleich und regungslos im Cockpit des Fliegers sitzen. Aus dem Bitten und Flehen des jungen Mannes vor ihm wie auch aus seiner Wahrnehmung der Einschussstellen im Flugzeug, schloss er, dass der zweite Mann wohl erheblich verletzt war.
Wie praktisch, dachte Mercisi sich, das macht es mir einfacher meinen Befehlen nachzukommen.
Nicht, dass der Centurion kein Mitleid hätte und um ehrlich zu sein, war er nicht besonders glücklich darüber, so einen Befehl erhalten zu haben und ausführen zu müssen.
Aber Generabbasion² Molendis hatte sehr deutlich gemacht, dass es da nichts zu diskutieren gäbe und der Befehl direkt von ganz oben komme.
Bei allen ethischen Bedenken die Mercisi hatte, er verspürte kein Verlangen es sich deswegen mit einem der hohen Divinoble wie Terastan zu verscherzen.

Also befahl er seinen Männer mit ein paar knappen Worten eine Rettungseinheit anzufordern, bevor er sich wieder dem mit erhobenen Händen vor ihm knienden Trevor zuwandte.
"Was kann er mir denn bieten für die Rettung seines Freundes?" fragte er diesen nun scharf.
"Ich..." Trevor war nun kurz davor völlig in den Panikmodus zu verfallen, "ich habe nichts, das Flugzeug und mich..."
Ängstlich verstummte er während ihm Mercisis zufriedener Gesichtsausdruck entging.
"Du könntest deine Freiheit hergeben" stellte er ruhig fest.
"Meine Freiheit?" Trevor verstand nicht was er meinte, "wie... als Sklave?"
"Ja" erwiderte der Centurion ungerührt.
Völlig entgeistert kam es daraufhin von Trevor: "Ihr habt Sklaverei hier?"
"Nein. Aber als Angehöriger einer feindlichen Macht, kann man auf seine Grundrechte verzichten und damit zum Eigentum eines Divinoble werden" erklärte sein Gegenüber ihm, "er kann seine Arme übrigens herunternehmen."

Während er seine Arme nun herunternahm um sich damit auf dem Boden abzustützen überlegte Trevor, dann erkundigte er sich: "Die Bedingungen, sind die verhandelbar?"
Mercisi nickte und erwiderte: "Das was du als Gegenleistung bekommst, das ja!"

Obwohl er weiterhin auf dem Boden kniete straffte sich sein Körper sichtlich und dann sprach er sehr bestimmt: "Isadors Leben wird gerettet, er darf frei in Sore leben und bekommt alle Unterstützung die er braucht. Und einmal alle sechs Monate darf ich ihn sehen um sicherzugehen, dass ihr Wort haltet!"
"Darauf kann ich ihm mein Wort als Offizier von Sore geben" erklärte ihm Mercisi feierlich und schämte sich innerlich dafür, dass er den armen Jungen vor sich derart schäbig auszutricksen half.
"Ja dann, verfügt über mich!" kam es leise von Trevor und er streckte dem Centurion seine Hände entgegen während er seinen Kopf senkte.

Überrascht sah Mercisi auf ihn hinab, dann verstand er, was der Junge wohl erwarte, nämlich, dass man ihm die Hände fesseln würde.
"Steh er auf, das wird nicht nötig sein" grummelte unwirsch worauf Trevor aufstand und mit hängenden Schultern hilflos in der Gegend stand.

Dann allerdings surrte es in der Luft und ein in leuchtendem Rot lackiertes Vehikel, dass in Trevors Augen wie eine Mischung aus Kleintransporter und Hubschrauber aussah, senkte sich zu Boden und landete neben dem Bomber.
Aus diesem stiegen sehr zügig drei Personen die von ihrer Kleidung her nach medizinischem Personal aussahen welche sich sofort daran machten mit der Hilfe einiger der Soldaten unter Mercisis Kommando Isador aus der Maschine zu bergen.
Für Trevor überraschend schnell war dieser auf eine Trage gebettet, aus dem Kampfanzug geschnitten und in das Flugvehikel transportiert worden, durch dessen nun geöffnete Heckklappe Trevor einen Raum sehen konnte, der ihn an einen Operationssaal erinnerte.
Isador wurde an diverse Geräte verkabelt und bekam eine Infusion angelegt, zahlreiche Fernseher zeigten irgendwelche Kurven und Werte an und dann schloss sich die Heckklappe dieses Wundervehikels auch schon wieder und es entschwebte mit Trevor und den drei Rettungskräfte unter einem gewissen Getöse und mit ganz viel Wind wieder in die Lüfte.

"Er wird das schaffen" versicherte Mercisi ihm, während er immernoch diesem Vehikel nachstarrte.
Dekadent sind die hier vielleicht, aber rückständig? Das sehe ich nicht! grübelte Trevor über das gerade Erlebte nach.
Dann plötzlich hob Mercisi ein flaches Kästchen hoch und ein Blitzlicht blendete Trevor bevor der Centurion das Gerät wieder herunternahm und auf der bläulich schimmernden Glasoberfläche mit seinen Fingern herumdrückte.

"Das ist ein Callidcom" erklärte Mercisi ihm auf seinen fragenden Blick hin.
Aber Trevor konnte damit nichts anfangen und sein Blick verriet das auch nur allzudeutlich
"Es ist ein tragbarer, wie sagt ihr in Nordens Reike, Fernsprecher?" erklärte Mercisi ihm nun.
"Und wofür das Blitzlicht?" fragte Trevor nun mutig.
"Es hat auch einen Lichtbildaufnehmer integriert und kann auch Bilder und Texte versenden" antwortete ihm der Centurion mit einem leisen Lächeln.
Man hatte ihn schon darauf vorbereitet, dass es für die Neuankömmlinge, die Sore nur aus der Propaganda ihrer Heimat kannten, ein gehöriger Kulturschock sein würde, wenn sie mit der Realität konfrontiert werden.

"Wenn er bitte in das Auto steigen würde!" sprach Mercisi daraufhin zu ihm, allerdings in einem Ton, der deutlich machte, dass das keine Bitte war.
Und so beeilt sich Trevor in den Fond des Geländewagen-ähnlichen Gefährts einzusteigen, welches sich im Inneren aber eher mit dem Komfort einer luxuriösen Limousine nach den Standards von Nordens Reike entpuppt.
Zu Trevors großer Überraschung ist es im inneren angenehm kühl obwohl das dunkle Fahrzeug bis eben in der gerade untergehenden Sonne stand.
Neben ihm nimmt tatsächlich der Centurion Platz während zwei seiner Untergebenen nun vorne einsteigen und sich das Fahrzeug mit einem Surren, welches Trevor an die Straßenbahnen in seiner Heimatstadt Pedorborg erinnerte, in Bewegung setzte.

"Wo geht es jetzt für mich hin?" traute sich Trevor nach ein paar Minuten zu fragen.
"Wir werden dich nun nach Aquilia bringen" erklärte ihm Mercisi, "und von dort aus wirst du sicherlich nach Sore gebracht..."
Vorsichtig wagt es Trevor eine weitere Frage zu stellen: "Was passiert dann mit mir in Sore?"
"Du wirst einem der Divinobles übergeben" antwortet ihm Mercisi und Trevor glaubt kurz ein bisschen Mitleid in dessen Stimme durchschimmern zu hören.
"Was ist ein Divinoble?" erkundigte er sich nun mutiger geworden.
"Das ist unsere höchste Kaste" erklärte ihm der Centurion daraufhin, "sie sind anders, sie sind Menschen, aber sie sind schöner als wir, altern kaum und leben viel länger als wir. Wir nennen sie die Immortalis..."
"Die Unsterblichen?" staunte Trevor, dessen Beherrschung des Sorenischen durchaus als sehr gut zu bewerten war, "dann sind die Gerüchte also war, dass Sore von den Göttern selbst regiert wird?"
"Sie sind keine Götter" widersprach ihm Mercisi jedoch, "aber die Bezeichnung Divinobles bedeutet in deine Muttersprache übersetzt soviel wie 'göttliche Edle'".
Gerade als Trevor eine weitere Frage stellen wollte bedeutete ihm der Centurion zu schweigen: "Ich habe dir schon mehr gesagt als ich durfte..."

So schaute Trevor hinaus in die Landschaft der Region Padonien.
Die Dörfer durch die sie fuhren sahen wohlhabend aus, die Häuser waren hell, modern mit großen Fenstern. Nur wozu die ganzen blauschwarz glänzenden Glasflächen auf den Dächern wohl gut waren, dass konnte sich Trevor nicht erklären.

Dann fuhren sie auf eine breite Straße auf und Trevor kam aus dem Staunen garnicht mehr heraus.
War man in seiner Heimat so stolz auf die Motorsnellvegen, so waren diese nichts gegen diese Art Straße.
Vier Fahrstreifen pro Fahrtrichtung, eine massive Barriere welche die Fahrtrichtungen trennten, im inzwischen hereinbrechendem Dunklen leuchtende Markierungen auf der Fahrbahn und ebensolche Hinweisschilder, welche an einer Art kleinen Brücken über die Fahrbahn angebracht waren, dazu richtig viel Verkehr mit Fahrzeugen die alle wie im Windkanal geformt aussahen und gefühlt alle mit einem Tempo unterwegs waren, welches in seinem Vaterland allenfalls von den teuren Wagen überhaupt erreicht wurde.
Sein Staunen wuchs noch mehr, als er vorne in dem Auto in welchem er sass eine Art kleinen Farbfernseher entdeckt der offensichtlich eine Landkarte zeigte und auf dem die aktuelle Position des Fahrzeuges mit einem kleinen blauen Fahrzeugsymbol markiert wurde.

Trevor wusste wie schwer es ist zu navigieren und seine Position und sein Ziel zu finden.
Und hier konnte ein einfaches Auto seine Position auf einem Bildschirm anzeigen.
Wenn die so etwas auch in ihren Flugzeugen oder ihren Schiffen haben überlegte er, und wenn dass dann auch noch auf unserem Gebiet funktioniert...
Mit einem Schlag wurde ihm klar, dass nichts was ihm über Sore erzählt wurde wahr war und dass alles was er über Sore zu wissen glaubte so vermutlich nicht richtig war.
Ob Ostarien so zufällig untergegangen war nachdem es Sore angegriffen hatte?

Irgendwann kamen sie in einer großen Stadt an.
"Das ist Aquilia" erklärte ihm der Centurion unvermittelt, "wir werden gleich die Autovia verlassen und dich zur Residentur bringen. Da trennen sich dann unsere Wege!" Trevor wusste darauf nichts zu erwidern und so fügte Mercisi leise hinzu: "Viel Glück dir, Junge!"

Wenig später erreichten sie ein palastartiges Gebäude.
Als der Centurion wortlos ausstieg, folgte Trevor seinem Beispiel.
Er folgte ihm auch in das Innere des Gebäudes, wobei ihm die Soldaten welche ihn von hinten flankierten, auch keine andere Wahl ließen.

In einem prunkvoll eingerichteten Büro trafen sie auf einen jungen Mann von herausragender Schönheit welcher sofort Trevor aus violetten Augen aufmerksam musterte.

Der Centurion wechselt ein paar Worte mit diesem, dann salutierte er und trat beiseite.
"Hinknien!" zischte ihm einer der Soldaten zu und versetzte Trevor einen Stoß, so dass dieser sich auf die Knie fallen ließ.
"Dass ist Divicomes³ Minervan ab Aquileion, er ist der Resident von Padonien und wird sich nun mit dir befassen!" hörte Trevor den Centurion noch erklären, dann vernahm er an den Schritten, dass dieser mit seinen Mannen den Raum verließ.

"Steh' auf" sprach der Divicomes nun mit einer sanften und sehr melodischen Stimme zu ihm.
Trevor tat wie ihm befohlen, wagte es aber nicht sein Gegenüber anzuschauen.
"Schau' mich an" bat ihn dieser nun ebenso freundlich. Und so schaute Trevor hoch und blickte direkt in die violett schimmernden Augen des Mannes ihm gegenüber.
"Keine Angst" sprach der nun weiter, "du bekommst jetzt ein Bad, etwas zu essen und frische Kleidung, folge mir!"

Trevor beeilte sich ihm zu folgen und stand wenig später in einem großzügigen Badezimmer.
"Gib mir deine Kleidung" sprach Minervan zu ihm und obwohl er weiterhin freundlich klang, war Trevor sofort klar, dass ihm keine Wahl blieb.
Also zog er sich unter den aufmerksamen Blicken des Anderen aus und reichte ihm dann, etwas beschämt, seine Kleidung.
Dass seinem Gegebenüber das Gefiel was er sah, merkte allerdings sogar Trevor deutlich und wurde rot während er versuchte seinen Intimbereich notdürftig mit seinen Händen zu verdecken.
Doch außer, dass Minervan sich abwandte und mit seiner Kleidung den Raum verließ passierte nichts.
Sichtlich erleichtert stieg Trevor daraufhin unter die Dusche und genoß das warme Wasser welches seinen Körper überströmte.

Nachdem er sich mit den bereitgelegten Badetüchern abgetrocknet hatte, stand er etwas hilflos im Raum, bis Minervan wieder hineinkam und ihm eine weiße Art Tunika mit einem Gürtel reichte, welche ihm bis an die Knie reichte.
Dann allerdings kam hinter Minervan noch eine Person hinein, die einen kleinen Koffer trug.
Minervan öffnete den Koffer und holte eine Art Halsband aus einem Kunststoffgewebe heraus.
"Das muss ich dir leider anlegen" erklärte er.
Dann legte er es Trevor um den Hals und als dieser nun in den Spiegel blickte entdeckte er vorne ein kleines Kästchen an dem Halsband in dessen Mitte eine unfassbar kleine Lampe ein bläuliches Licht verstrahlte.
"Versuch' bitte niemals das abzulegen" mahnte ihn der Divinoble nun, "du möchtest nicht erfahren, was dann passiert..."
Trevor hatte keine Vorstellung was dann passiert, aber er verspürte auch kein Verlangen, das herauszufinden.

"Dann komm mit" befahl ihm Minervan nun und so folgte Trevor ihm bis sie in einem kleinen Esszimmer anlangten, wo ein Tisch für zwei Personen eingedeckt war.
"Ihr speist mit mir?" erkundigte sich Trevor überrascht angesichts dieses Anblicks.
In sehr höflichem Soreanisch erwiderte dieser nun: "Magnaduxan⁴ Trevor ab Somia, ich weiß sehr wohl wen ich mit dir vor mir habe. Heute Abend werde ich dich als Meinesgleichen an meinem Tisch begrüßen. Du wirst noch früh genug erfahren, was man dir genommen hat, aber soviel sei von mir dazu gesagt: Ich habe das nicht befürwortet!"
Trevor verstand nur soviel davon, dass er hier und heute Abend von Minervan nichts zu befürchten hatte und dieser vor hatte, ihn mit Respekt zu behandeln.
Und so senkte er sein Haupt und sprach leise: "Ich danke euch!"

¹militärischer Rang entspricht einem Hauptmann
²etwa ein Brigadegeneral
³Titel der die Zugehörigkeit zu den Divinobles anzeigt und soviel wie Graf bedeutet.
⁴soreanisch für Großherzog und die soreanische Version von Trevors Nachnamen

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