#41 Land des Lächelns
Zu Isadors großer Überraschung kam An-Taetsin selbst gefahren um ihn abzuholen.
Und das in einem Camir Frigada in purpurrot-metallic.
Auch wenn Isador sich nicht so sehr für Automobile interessierte, dass ein Camir ein Automarke war, die sich auch in Sore nicht jeder leisten konnte, hatte er durchaus mitbekommen.
Dank Stellariur, der eine große Begeisterung für diesen Hersteller hegte und von einem eigenen Camir träumte, wusste er auch, dass ein Frigada das absolute Spitzenmodell war. Die Karre hatte mehr Leistung als eine typische Schnellzugdampflok in Nordenland und war schneller als viele Verkehrsflugzeuge seiner Heimat. Allerdings kostete dieser Sportwagen auch über anderthalb Millionen Flores, wie Stellariur mehrfach leise seufzend erwähnt hatte.
Alles in allem war das eine Karre nach der sich selbst auf den Straßen von Sore die Passanten umdrehten.
Unnötig zu erwähnen, dass Stellariurs Augen leuchteten als An-Taetsin seinen Wagen schwungvoll vor das Anwesen fuhr und - kaum das dieser zum Stillstand kam - ebenso schwungvoll aus diesem ausstieg.
An-Taetsin trug ein perlmuttfarben-schimmerndes Oberteil, welches nicht nur seine Schultern sondern auch einen Teil seines Rücken freigab. Dazu eine relativ einfache Hose in derselben Farbe.
Er sah umwerfend gut aus und noch während Isador ihn bestaunte rief Stellariur neben ihm völlig hingerissen: "Oh bei Libulan, bitte adoptiert mich!'
Erst dann wurde ihm klar was er da gerade gerufen hatte, er wurde puterrot, drehte sich um und rannte ins Haus hinein davon.
An-Taetsin und Isador aber sahen sich nur an und brachen dann in schallendes Gelächter aus.
Dann lief Isador die Treppe hinab und An-Taetsin öffnete ihm tatsächlich die Tür auf der Beifahrerseite.
"Du siehst umwerfend aus" komplimentierte Isador ihn bevor er einstieg. Der so gelobte stieß ein Zufriedenheit anzeigendes Glucksgeräusch aus während er um seinen Wagen herumlief und so dynamisch wie er hinauskam auch wieder hineinsprang.
Nur um dann ebenso dynamisch anzufahren und Terastans Anwesen zu verlassen.
"Was war das denn eben mit dem Jungen?" erkundigte er sich währenddessen amüsiert bei Isador.
"Oh Stellariur" erwiderte dieser, "er steht wirklich sehr auf Camirs... Ich glaub der Anblick von dir mit dem schicken Flitzer hat bei ihm da oben einen Kurzschluss verursacht..."
"Bei meinem Anblick ja auch verständlich" flachste An-Taetsin.
"Da ist ja jemand garnicht von sich selbst überzeugt" spöttelte Isador daraufhin.
"Na hör mal" konterte An-Taetsin sofort, "ich bin schön, ich bin reich und ich habe einen Divinoble, also bitte..."
Beide lachten und der Blonde erwiderte: "Ja, da arbeite ich noch dran..."
"Also schön bist du schon mal" griente An-Taetsin während er laut hupend an einem Kleinwagen vorbeizog der die linke Fahrspur nicht räumen wollte.
"Hoffentlich nicht bald auch tot" kam es von Isador während er versuchte sich irgendwo in dem Sportwagen zusätzlich festzuhalten.
"Höi!" spielte An-Taetsin den Empörten, "ich fahre seit 150 Jahren Auto und das unfallfrei!"
"Es gab hier vor 150 Jahren schon Autos?" Isador war fassungslos.
"Oh ja, mein erstes Auto war ein Rivaz Occidenan" erzählte ihm An-Taetsin begeistert, "der war für damals schon so richtig schnell..."
"Vor 150 Jahren gab's in Nordenland gerade mal einen einzigen Raddampfer...." konstatierte Isador.
"Das sah in Tihonguk nicht anders aus" erwiderte An-Taetsin
"Tiho...was?" kam es von Isador, "ist das da wo du herkommst?"
"In Nordenland nennt ihr das Kitaien, hier in Sore Chitaia, aber in meiner Muttersprache heißt es Tihonguk" erklärte An-Taetsin.
"Wie bist du vom Fernen Osten hierher gekommen?" Isador war immernoch und überhaupt sehr beeindruckt von dem Kitaier.
"Das Melodrama, was wir gleich sehen werden, erzählt diese Geschichte. Ettorur Guislano war ein guter Freund von Meran und hat einen Roman über uns geschrieben und die großartige Strepponi hat darauf basierend dann 'Lo Paesion do Rision' komponiert..." erläuterte ihm An-Taetsin um dann mit den Worten "Und da wären wir schon" zwischen zwei gigantischen Säulen im klassischen Stil der Säulenreihe eines riesigen Gebäudes hindurch auf eine Rampe unter dem Vordach zu fahren.
Mittels dieser Rampe fuhr er auf eine Art riesigen Balkon wo er anhielt.
"Wo sind wir?" wollte Isador wissen, nachdem er ausgestiegen war und sich vor einer zweiten Reihe Säulen wiederfand in deren Mitte ein Eingangsportal prangte, dass es in diesen Dimensionen nicht einmal bei Nordens Palästen gab.
"Das ist der Eingang für die Divis.." erwiderte An-Taetsin und wandte sich noch einmal zu seinem Auto.
Zur Verblüffung des Blonden sagte er nun: "Frigada 22, Parken bis Abruf!"
Er spricht mit seinem Auto! staunte Isador.
Noch mehr aber staunte er als das Auto antwortete "Stimme authentifiziert als Eigentümer, Parken bis Abruf", sich dann wie von Geisterhand in Bewegung setzte und eine weitere Rampe hinab aus seinem Blick entschwand.
"Dein Auto fährt alleine?" kam es ungläubig von ihm.
"Na sicher doch!" erwiderte An-Taetsin.
Gerade als sie sich dem Eingang zuwenden wollten fuhr ein weiteres Fahrzeug die Rampe hinauf und An-Taetsin rief ein wenig überrascht: "Oh, der Divinimperator!"
Tatsächlich standen kurze Zeit später Ieran und An-Anadur vor ihnen und während An-Taetsin sich tief verbeugte und "Ich wünsche Vosta Numeen Sublimeen einen guten Abend" sprach, flüchtete Isador fast ein wenig hinter hin wo er sich ebenfalls verbeugte und die Worte von ihm wiederholte.
Seinen Freund An-Anadur begrüßte An-Taetsin nicht so formell und so fand sich Isador unversehens alleine dem Divinimperator gegenüberstehend.
"Nicht so steif und schüchtern" sprach der ihn auch sogleich an, "das ist ja kein Staatsakt hier..."
"Ja Vosta Numeen Su..." stammelte er aber Ieran unterbrach ihn: "Ich heiße Ieran und würde mich sehr freuen wenn wir uns privat Duzen würden."
Isador guckte wie ein Reh im Scheinwerferlicht. Der Hochkaiser von Sore hatte ihm nicht wirklich gerade das Du angeboten?
Doch, das hatte er.
"Das ist mir eine große Ehre... Ieran..." stotterte er, "ich heiße Isador, aber das wisst I..äääh.. du ja sicher schon."
"Dann komm' mit rein, die beide Ans werden uns schon folgen" griente Ieran und so betrat Isador das Imperiale Opernhaus von Sore das erste Mal an der Seite von niemand geringerem als dem Divinimperator von Sore.
****
Als Trevor zur selben Zeit den kleinen Thronsaal des Chaudosham Palace betrat, war niemand an seiner Seite.
In der Uniform eines angevinischen Field Marshall gekleidet trat er unter den Baldachin aus Samt während die anwesenden Herren sich verbeugten und die anwesenden Damen einen Hofknicks machten.
Nachdem er sich endlich soweit gefasst hatte, dass er im Stande war von den Fliesen des Bades aufzustehen, seinen Schmerz und das Gefühl der Demütigung hinunter zu schlucken, stellte er fest, dass das Badezimmer einen zweiten Ausgang hatte.
Er hatte sich einen Bademantel übergeworfen und hatte dann festgestellt, dass er durch die zweite Tür auch wiederum in einem Ankleidezimmer führte.
Nachdem er das festgestellt hatte, griff er zum Haustelefon und kam beim Lord of the Household¹ heraus.
Dem hatte er einfach gesagt, dass Ihre Majestät sich in besagtem Raum befände und unverzüglich Hilfe beim Ankleiden und Frisieren, Kleidung und dergleichen benötige.
Der Lord of the Household war schockiert gewesen und es hatte nicht lange gedauert bis eine große Anzahl an Dienern den Raum stürmte, ihm verschiedene Kleidungsstücke zur Auswahl vorführten und ihn sodann für den Abend herrichteten.
Terastan hatte wohl nicht mehr nach ihm geschaut, denn als er fertig war, hatte er diesen holen lassen und war dann ohne Worte in den Thronsaal gelaufen, Terastan schön hinter sich.
So stand der nun neben dem Baldachin und Trevor machte keine Anstalten ihn näher an sich heran zu bitten.
Der Lord High Stewart² stellte ihm nun Peers und die wichtigsten Mitglieder von Regierung und Verwaltung vor, soweit diese anwesend waren, die schwörtem ihm ihre Treue und er wechselte jeweils ein paar Worte mit denen.
Ein paar Stunden waren dafür sicher veranschlagt und in der ganzen Zeit durfte Terastan nun stumm und tatenlos neben ihm stehen, wie ein Stück Dekoration.
Der hasste das und deswegen liebte Trevor es.
****
Isador war gleich doppelt gefesselt von der Aufführung. Erstens weil das hier so ganz anders, so viel emotionaler war, als das Musikspiel daheim in Nordenland. Und zweitens, weil An-Taetsin ihm gesagt hatte, dass das gezeigte Stück auf seinem und Merans Leben - also zumindest einem Teil davon - basieren würde.
So verfolgte er die Aufführung gebannt und klebte nun gerade förmlich am Geländer von ihrer Loge während unten der Contertenor, der den Tetrur sang, gerade die berühmte Lamento du Tetrur³-Arie anhob.
Tetrur lebte im fernen Chitaia als ein Lustknabe, soviel hatte Isador bis jetzt verstanden, konnte aber kaum glauben, dass das wirklich auf der Biographie von An-Taetsin beruhte.
"Si tuo, o fation, aves miseria con mei, tun mitteres do caielo sett'amo par mei..."⁴ ertönte es durch den Saal.
Tetsur bat das Schicksal um jemanden der ihn liebt und um Erlösung davon als Spielzeug den Gelüsten anderer Männer dienen zu müssen.
Verstohlen blickte Isador zu An-Taetsin. Wenn dieses Melodrama wirklich auf wahren Begebenheiten beruhte, dann musste An-Taetsin in meinem Alter zur Prostitution gezwungen worden sein!
Und dieser war ein guter Freund von An-Anadur, kein Wunder also, dass dieser die Behandlung von Trevor durch Terastan so sehr verabscheute.
Die nächste Szene zeigte die Ankunft der sorenischen Flotte in der Bucht von Tschinkyu in Chitaia.
Und damit kam auch der erste Auftritt von Merean, der Figur, die den Divicomes Meran, den Gemahl von An-Taetsin zum Vorbild hatte nachdem was Isador inzwischen erfahren hatte.
Gesungen von einem Tenor zeugte seine erste Arie auch von dem damaligen Selbstverständnis Sores:
"Igo eso hico per soi addo libertion!⁵"
Zu Beginn des 26. Jahrhunderts acS hatte es sich Sore zum Ziel gesetzt den Handel mit Menschen zu unterbinden. Zu diesem Unterfangen hatte man eine Flotte von Novusberia in die Gewässer von Chitaia geschickt und das nicht zum Gefallen des Kaisers von Tihonguk.
Das wurde in der nächsten Szene mit dem Auftritt des Imperator da Chitaia als Bass auch sehr deutlich:
"Nos eson lo region do medzo, umbilicion mundiam, sempro existon e perseveron eternam..."⁶
Dass der dann folgende Mißbrauch des Tetrur durch den Kaiser von Chitaia tatsächlich auf historischen Begebenheiten beruhte, bezweifelte Isador zwar, hier ging es sicherlich mehr um die Symbolik, Chitaia als düsteres Unrechtsregime und Sore als strahlender Interventor⁷, die folgende Arie des Tetrur ließ ihn dennoch einige Tränen in die Augen steigen.
"Non, igo nes supporto ampliam lo tormention, lo pavion cho mei rube la esperanza!
Per quela debition igo debero solvato?
Coda consacre mei caput allo felicition falsam..."⁸ wehklagte Tetrur und wünschte sich lieber zu sterben als weiter so leben zu müssen auch "si ip tamcosi acamaro di morir sina aver umai amo!⁹"
Isador hatte sehr viel Mitleid mit Tetrur und auch mit An-Taetsin folglich, war aber trotzdem froh, dass er, als nun die Lichter zu ersten Pause angingen, die letzten Tränen aus seinen Augenwinkeln entfernt hatte.
Trotzdem, wie sollte er An-Taetsin jetzt begegnen? Dieser hatte einst viel Leid erfahren und war dann fern seiner Heimat so weit aufgestiegen.
Isador fragte sich ob das auch sein Schicksal sein würde, auch wenn sein Leid sicherlich nicht einmal ansatzweise mit dem von An-Taetsin zu vergleichen war.
Zum Glück beendete An-Taetsin seine Gedankengänge in dem er ihn anstupste und meinte: "Komm' wir werden zur Pause in der Loge des Divinimperator erwartet..."
"Oh..." war das Einzige was Isador hervorbrachte bevor er einfach blindlings An-Taetsin nachlief.
"Wie hat unserem kleinen Barbaren die Aufführung bis jetzt gefallen?" erkundigte sich Ieran sofort mit leisem Hunor bei Isador, kaum dass sie in dessen Loge waren.
"Ich.... ähm..." stotterte der, "ich glaube ich bin noch ein wenig überwältigt..."
Ieran kam näher und wisperte: "Wir müssen alle bei 'Non, igo nes supporto...' uns ein paar Tränen verdrücken, also keine Sorge, hier in Sore darf Mann Emotionen haben und zeigen."
"Aber An-Taetsin, er tut mir so leid..." flüsterte Isador zurück.
Der Divinimperator lächelte wissend und erwiderte: "Der hat in den letzten 180 Jahren genug Zeit gehabt um das zu verarbeiten und darüber hinwegzukommen..."
Beide guckten nun zu An-Taetsin der mit An-Anadur herumgiggelte, dann merkte Isador an: "Wirklich unglücklich oder depressiv wirkt er jetzt nicht wirklich..."
"Er hat ja auch Meran" kam es von Ieran.
"Wie haben die zwei sich dann denn nun...?" wollte Isador nun wissen, aber Ieran unterbrach ihn lachend: "Das wirst du im zweiten und im dritten Akt schon noch mitbekommen..."
Bild oben wie ich mir An-Taetsin vorstelle.
¹Leiter des königlichen Haushaltes
²Hofmarschall
³Klage des Tetrur.
⁴Hast du, o Schicksal, erbarmen mit mir, dann schicke vom Himmel auch Liebe zu mir...
⁵Ich bin hier euch die Freiheit zu bringen!
⁶Wir sind das Reich der Mitte, der Nabel der Welt, immer schon da und ewig weiterbestehend
⁷Ein Akteur der in fremde Angelegenheiten interveniert.
⁸Nein, länger trag' ich nicht die Qualen,
Die Angst, die jede Hoffnung raubt!
Für welche Schuld muss ich bezahlen?
Was weiht dem falschen Glück mein Haupt
⁹wenn es so bitter sei, zu sterben, ohne je geliebt zu haben.
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