#34 Luftgefechte

Während sich Politiker und Experten bei der Puremonta noch zerfleischten hatte Terastan einfach noch eins oben drauf gesetzt.
Ab Lionburgh hatte er seinen Zug einfach anstelle des fahrplanmäßigen Schnellzuges 'The Rhodan Limited' verkehren lassen.
Das Erstaunen in Digion, dem einzigen Zwischenhalt dieses Zuges auf dem Weg nach Kingstown-of-the-South, war groß als anstelle der grünen mit dem Spitznamen 'The pregnant Lady' bedachten Elektrolok und ihrem Wagenzug der silberglänzende und windschlüpfrige Zug aus Sore in den Bahnhof fuhr.
Als sich dann Trevor zeigte, standen Bahnbeamte und anwesenden Sicherheitspersonal stramm und salutierten und wartende Reisende riefen "Godan save King Trevon!"
Der als Ablösung wartende Lokführer für den 'Rhodan Limited' fühlte sich hochgeehrt in den für ihn futuristischen Führerstand zu seinem Kollegen aus Sore steigen zu dürfen um den Zug seines neuen Königs nach Kingstown-of-the-South zu lotsen.
Nach fünf Minuten planmäßiger Haltezeit verließ Terastans Zug den Bahnhof von Digion auch wieder um  sich auf den weiteren Weg nach Kingstown-of-the-South zu machen.

Weil alles so gut lief entschied sich Terastan seine Truppen in Lionburgh warten zu lassen.
Aus dem Kommunikationswagen seines Zuges ließ er über Orbitelles und das Telefonnetz eine Verbindung zum Bürgermeister und zum Polizeichef von Kingstown-of-the-South aufbauen.
Er informierte den Bürgermeister und den stellvertretenden Polizeichef, dessen Vorgesetzter sich wohl klammheimlich nach Ecossia abgesetzt hatte, dass ihr neuer König  mit dem 'Rhodan Limited' am Abend im Südbahnhof ihrer Stadt ankommen werde und bat sie,  entsprechende Vorbereitungen für den Empfang Seiner Majestät, dessen Fahrt in den Lupara Palace und die dortige Übernachtung zu treffen.
Beide fühlten sich sehr gebauchpinselt ob des in sie gesetzten Vertrauen und versicherten sie würden ihr Allerbestes geben.

Trevor, der das durchaus mitbekam, hatte durchaus Respekt vor der Schläue Terastans mit der dieser das ganze eingefädelt hatte als auch vor dessen Dreistigkeit.
Anerkennend meinte er: "Ich muss zugeben, ich hätte nicht gedacht, dass wir mit drei Dutzend Mann und einem Zug Kingstown-of-the-South einnehmen..."
"Was hast du denn gedacht?" fragte Terastan daraufhin neugierig.
"Ich habe erwartet, dass du dir rücksichtslos den Weg freibomben und freischießen würdest..." erwiderte etwas kleinlaut, "aber vielleicht reicht im Zeitalter von Fissionswaffen auch die Drohung mit diesen..."
"Es liegt nicht an meinen Drohungen, dass wir in Lugunia so widerstandslos voran kommen, es liegt an dem Chaos in Angevinien" amüsierte sich der Divinoble nun.
Trevor war überrascht: "Ihr habt ihnen nicht gedroht?"
"Oh doch, habe ich" erwiderte der sarkastisch, "aber die Herren in Kingstown-of-the-North glauben nicht an das Märchen von Wunderwaffen..."
Das werden sie noch bereuen fürchte ich dachte Trevor und merkte ironisch an: "Ich sehe schon, ich muss mir intelligenteres Personal holen als das von meinem Großvater..."
Terastan verstand den Witz offenbar nicht denn er erwiderte voller Ernst: "Keine Sorge, dafür bin ich ja da."
Genau das macht mir ja Sorgen ätzte  Trevor still und schenkte Terastan das allerbeste gespielte liebevolle Lächeln aus seinem Repertoire.

***

An-Anadur der vor seinem Mann zu An-Taetsin geflohen war, sah sich natürlich gemeinsam mit diesem 'Hodies disputam' an.
"Wie stellt sich Terastan das vor? Trevor als Sklavenkönig oder wie?" regte er sich auf.
"Wenn, dann wäre er Königssklave" erwiderte An-Taetsin grinsend, "und sowas hat es tatsächlich in der Geschichte meiner Heimat einmal gegeben..."
"Ach du immer mit deinen Geschichten von Chitaia¹..." grummelte An-Anadur sofort los, stachelte damit aber nur den Hang seines Gastgebers zur Besserwisserei an: "Geschichten aus Tihonguk¹ wenn schon..."
"Immernoch besser als Chittay wie es die Angeviner nennen" konterte An-Anadur sofort, "in Angevin klingt das doch wie 'Scheiße, ey!'".
"Hmm, vielleicht ist dieser Trevor als König die Chance denen diese Bezeichnung zu verbieten..." überlegte An-Taetsin laut.
"Dafür müsste man den aber erstmal von der Geißel namens Terastan befreien" wandte An-Anadur nun ein, "anders als bei uns beiden war es für den nämlich keine Verbesserung seines Lebens in die Hände eines Divinoble zu fallen."
"Da hast du leider - wieder einmal - Recht" seufzte sein bester Freund, "aber was können wir da schon ausrichten?"
"Das was Isador macht - nur haben wir mehr Erfahrung darinne - nämlich die öffentliche Meinung gegen Terastan wenden" erklärte er.
"Das stimmt - und wir können unsere Männer beeinflussen" merkte An-Taetsin dazu an.
"Da hast du 'am Schwanz packen' jetzt aber nett umschrieben" kicherte An-Anadur, "apropos, wo ist deiner überhaupt?"
"Meran?" kam es von dessem Uxvir daraufhin, "ach, der ist nach Novusberia geflogen, gibt wohl Hinweise, dass Marla und die Schreihälse von Angevinien bereits nach New Lugunia geflohen sind - und zwischen dort und Novusberia liegen ja nur die Mechianischen Inseln."
"Ach, dann hast du also auch kein Sex wegen Terastan?" spottete An-Anadur mit feiner Ironie.
"So sieht das aus mein Bester - und du must zugeben, dafür bin ich einfach noch zu jung" griente der nun.
"Ja mach dich über mich lustig weil ich ja so viel älter bin" zickte An-Anadur sofort.
"Also für die meisten Lebewesen auf diesem Planeten sind 300 Jahre soviel" erwiderte der Jüngere achselzuckend.
"Für die sind aber deine 205 Jahre aber auch nicht taufrisch" bekam er dafür sofort die Retourkutsche.
"Da sagt mein Spiegel aber was anderes" provozierte An-Taetsin nun.
"Hüte deine Zunge, ich bin der Uxvimperator von Sore, ich bin per Definition wunderschön" bekam er dafür auch sofort verbal eins übergebraten.
Mit einer übertrieben devoten Stimme säuselte An-Taetsin nun: "Bitte verzeiht Majestät, Ihr seid das Licht meiner Sonne..." Dann brachen beide in schallendes Gelächter aus.

***

Nach ihrem Auftritt im Colloqemissio begaben sich Trevastan und Isador direkt zurück zu ihrem zu Hause.
Kaum im Auto fragte Isador vorsichtig: "Und.... wie war ich so?"
Liebevoll legte der Divinoble einen Arm um ihn und versicherte ihm: "Du warst großartig, die da Fuora wäre fast geplatzt vor Wut wegen dir..."
"Ist das gut? Sie ist doch die Außenministerin..." kam es unsicher von dem Blonden.
"Oh ja, denn sie ist auch eine der lautesten Krakeeler aus Terastan Lager" erwiderte Trevastan sofort.
"Was denkst du wird jetzt passieren?" erkundigte sich dieser nun.
"Ich bin mir sicher, dass Terastan problemlos ganz Lugunia einnimmt - und wenn Angevinien dann nicht verhandelt, wird er seine Macht demonstrieren" erklärte er.
Isador war erschrocken und keuchte auf: "Du meinst ein zweites Beksach?"
"Ich hoffe nicht, Terastan will Angevinien erobern und nicht nur ein paar Häufchen Asche - aber irgendwas Spektakuläres wird er machen" versuchte Trevastan ihn zu beruhigen. Aber vergebens, denn Isador sprach mit einer tonlosen Stimme: "So oder so, es werden viele Menschen sterben....

...vielleicht hätte mich Trevor doch besser dem Sakenmann überlassen..."
"Das sehe ich anders" brach es aus dem Divinoble heraus, "sag so etwas nie wieder. Du bist ein wertvoller Mensch und dein Leben kann man nicht einfach gegen das von anderen Menschen aufrechnen!"
"Trotzdem sterben viele Menschen weil ich nicht starb" entgegnete er.
"Diese Menschen liebe ich aber nicht so sehr wie dich!" klang Trevastan fast ein bisschen verzweifelt während er ihn beschwörte.
"Ist das nicht sehr egoistisch?" seufzte der nun, "ich will sicher nicht sterben, aber für mich fühlt sich das falsch an..."
"Was fühlt sich falsch an?" hakte der Divinoble alarmiert nach.
"Dass du hier neben mir bist, dass du mich hältst und liebst, DAS fühlt sich nicht falsch an" versicherte er ihm sofort, "aber dass für mein Weiterleben mit sovielen Leben bezahlt wird, das schon..."
"Terastan und der Storeledar hätten andere Wege gefunden ihre Ziele zu verfolgen" erklärte Trevastan nun, "du bist vielleicht Anlass, aber sicher nicht die Ursache."
"Das ist gut, dass du das so siehst" wisperte Isador und dann nochmals leiser: "Denn ich liebe dich auch!"

***

Als Terastan Zug in die South Station von Kingstown-of-the-South einlief, war ihm und Trevor auf einen Blick klar, dass Bürgermeister und der Vizepolizeichef ihr Wort gehalten hatte.
Der Bahnsteig war mit einem roten Teppich belegt, die Flaggen Angeviniens flatterten im Wind, Polizisten in Gardeuniform standen Spalier, das Orchester der Music Hall von Kingstown-of-the-South spielte die Hymne von Angevinien und eine begeisterte, kleine Fahnen schwingende Masse sang dazu:
"For our King and our Land
Angevinia rules the waves
For this we will always fight
The Angevin will never be slaves!"

Zynisch wendete sich Trevor daraufhin an Terastan und spötte: "Tja und jetzt bekommen sie einen Sklaven zum König..."
Dann öffneten sich die Türen des Zuges und er schritt majestätisch auf den Bahnsteig hinab wo er kurz innehielt bis Terastan zu ihm aufgeschlossen hatte.
Zwei Soldaten, offenbar Offiziere salutierten vor ihm und er grüßte ebenso zurück worauf diese sich umdrehen und im Paradeschritt über den roten Teppich liefen.
Trevor beschloss ihnen zu folgen.
Das war wohl auch der Plan, denn der rote Teppich führte bis draußen auf den Bahnhofsvorplatz wo die Honoratoren der Stadt ihn erwarteten und begrüßten.
So langsam begann Trevor die Sache Spaß zu machen und so ließ er es sich nicht nehmen an den aufgebauten Rednerpult zu treten und eine kleine Rede zu halten:

"My beloved people!
We cannot tell you how pleased We are to enter the land of Our Grandfather, the Honourable King Charlon, for the first time and then to be received so brilliantly!
We thank the people of Lugunia, the citizens of this city and those who made this gift to Us possible through their hard work.

Before we take our leave of them for today, I would like to commend the Deputy Chief of the local police.
In place of his deserter boss, Mr Allenson has done an excellent job.
It is therefore our wish to entrust him with the office of Police Commissioner with immediate effect.
Long live Angevinia!²"

Begeistert antworteten die Massen: "Long live our King, ling live King Trevon!"

Dann geleitete der frisch ernannte Police Commissioner den König und Terastan zu dem offenen Wagen der sie nun zum Lupara Palace fuhr.
Vorbei an jubelnden Massen und entlang eines Meeres an Flaggen glich das beinahe einer Triumphfahrt.
Im Palast angekommen standen die dortigen Bediensteten Spalier und hießen ihren neuen König willkommen.
Man hatte sowohl ein leichtes Abendessen wie auch zwei Schlafzimmer für Trevor und Terastan vorbereitet.
Getrennte Zimmer, etwas das Trevor sehr zu schätzen wusste.
Aber bevor er sich dann von Terastan trennte flüsterte er ihm zu: "Ich mach alles was Ihr wollt, aber bitte kein zweites Beksach. Ich will nicht als Trevon der Blutige oder Trevon der Schlächter in die Geschichtsbücher eingehen..."
Oh du Sensibelchen, der Sieger schreibt doch die Geschichte dachte sich Terastan, zwang sich aber zu einem verbindlichen Lächeln und versprach ihm: "Ich werde keine zivile Siedlung oder Einrichtung in Schutt und Asche legen!"
"Dafür danke ich Euch" sprach Trevor obwohl er das Gefühl nicht loswurde, dass Terastan irgendetwas plante...

***

In Kingstown-of-the-North hatte niemand das Versprechen von Terastan gehört und so lag die Stadt wie ganz Ecossia in totaler Verdunkelung und harrte ängstlich der Dinge die da kommen würden.
Doch so sehr die angevinischen Radarstationen die Luft durchsuchten und die Radaranlagen der angevinische Flottenverbände die Meere und Ozeane um Ecossia absuchten, es war kein Feind zu sehen.

So entschlossen sich die Verantwortlichen in Kingstown-of-the-North gegen Mitternacht das Modernste was die Royal Air Force besass, ihre Jet Fighter Meteor in die Luft zu schicken und über die Meerenge nach Lugunia zu senden um die Lage zu erkunden.

Darauf hatte man im sorenischen Oberkommando nur gewartet und startete die direkt an der angevinischen Grenze stationierten V-25 Rapax Jagdfliegerstaffeln.
Für das angevinische Radar unsichtbar und mit mehr als zweifacher Schallgeschwindigkeit überflogen diese nun Lugunia und trafen auf die angevinischen Meteor noch bevor diese das Festland erreichten.
Gleich Geistern stießen sie von oben auf die angevinischen Flugzeuge und erledigten eines nach dem anderen.
Entsetzt und ratlos sah man beim angevinischen Oberkommando in Kingstown-of-the-North wie die eigenen Flugzeuge wie von Geisterhand von den Radarschirmen verschwanden ohne dass man einen Gegner sah, noch ohne dass man auch nur einen Mucks von den eigenen Piloten vernahm.
Aufgebracht kontaktierte der Supreme Commander der Royal Air Force, Sir Harrison, den First Lord of the War der auf dem Weg nach New Lugunia war und schrie diesen förmlich an, dass man vielleicht doch ein wenig mehr an die Wunderwaffen von Sore glauben sollte, denn seine Flugzeuge würden  einfach vom Himmel verschwinden wie Mücken die von Vögeln geschluckt werden!

Doch die Sorener kannten auch den Effekt der psychologischen Kriegsführung und so ließen sie ihre Rapaxe mit Überschall durch die tiefliegenden Wolken über Kingstown-of-the-North fliegen bevor sie zu ihren Stützpunkten nach Sore zurückkehrten.
Wie Donnerschläge erschütterten die Überschallknalle die Stadt wieder und wieder und unten standen die Soldaten von Angevinien vor ihren Radaranlagen und an ihren Scheinwerfern und konnten den Feind zwar deutlich hören, sahen aber nichts.
Nein, Terastan musste keine Bomben werfen um die Überlegenheit von Sore zu demonstrieren, das ging auch anders.


¹Tihonguk, in Sore als Chitaia bekannt ist ein Land im Fernen Osten von Sore aus gesehen.
²Mein geliebtes Volk!
Wir können euch garnicht sagen wie sehr es Uns freut zum ersten Mal das Land Unseres Großvaters, des ehrenwerten König Charlon, zu betreten und dann so fulminant empfangen zu werden!
Wir danken den Menschen von Lugunia, den Bürgern dieser Stadt und denen dieses Geschenk an Uns durch ihre fleißige Arbeit ermöglicht haben.
Bevor Wir uns nun für heute von ihnen verabschieden möchte ich dennoch den Vizechef der hiesigen Polizei lobend erwähnen.
Anstelle seines fahnenflüchtigen Chefs  hat Herr Allenson eine hervorragenden Arbeit geleistet.
Unser Wunsch ist es daher ihn ab sofort mit dem Amt des Polizeipräsidenten zu betrauen.
Lange lebe Angevinien!

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