#172 Das Vorbild der Eltern

Isador hatte tatsächlich An-Taetsins heißgeliebten Camir Frigada zu dessen zu Hause fahren dürfen.
Wobei, wenn man ihn ließ machte der Wagen das auch faktisch ganz alleine.
Meran und Trevastan waren ihnen in Merans Wagen gefolgt und nun waren sie alle bei Meran und An-Taetsins zu Hause.
Also Meran und Trevastan im Salon bei einem guten Irepo und Isador mit An-Taetsin in dessen Räumlichkeiten.

"Ich habe ehrlich gedacht, jetzt wo du so mächtig bist, würdest du keine Zeit mehr für mich haben, dich nicht mehr für mich interessieren" gestand An-Taetsin Isador gerade etwas kleinlaut.
"Du hast einfach zuviele schlechte Erfahrungen gemacht mit mächtigen Leuten" erkannte Isador, "aber ich bin nicht wie die - und ich habe es auch nicht vor zu werden!"
"Meinst du, die haben das immer alle gewollt, dass sie so werden?" entgegnete An-Taetsin voller Skepsis.
"Nein, ich denke nicht alle" räumte Isador ein, "ich hoffe du sagst es mir, wenn ich mich dahingehend verändern sollte?"
"Wenn du dann auch auf mich hörst..." erklärte An-Taetsin.
"Ich verspreche es dir!" versicherte ihm Isador, "und ich werde dafür sorgen dass Meran mehr Zeit für dich hat..."
"Hat er dir das gesagt, hat er echt zugegeben, dass er mich vernachlässigt?" An-Taetsin konnte es nicht ganz glauben.
"Er musste nichts sagen" erwiderte Isador, "solche Dinge sehe ich einfach..."
"Darf ich fragen wie du das machen willst?" war An-Taetsin nun neugierig.
"Ich lasse die SSR kapitulieren, dann hat er weniger Arbeit und mehr Zeit" erklärte Isador seinen Plan.
"Du zwingst ein ganzes Land zur Kapitulation?" An-Taetsin schaute ihn mehr als nur ungläubig an: "Nur für mich?"
"Kann man so sehen..." nuschelte Isador und wart ein wenig verlegen.
"Oh...." An-Taetsin war nun sehr gerührt und er rang nach den richtigen Worten: "....das ist... ...ich denke schon... also ich glaube, dass ist das tollste was bisher jemand für mich als Freund gemacht hat..."
"Unterschätz' niemals was ich bereit bin für meine Freunde zu machen" erwiderte Isador nun und grinste ein wenig zufrieden.
Dann wurde er wieder ernster: "Meran hat mir erzählt wie das früher war mit Divinobles und Uxvirs. Liegt es daran, dass du außer An-Anadur kaum Freunde hattest?"
"Die wenigsten Uxvirs damals durften Freunde haben oder wie ich und An-Anadur einfach alleine das Haus verlassen" berichtete An-Taetsin nun, "am Anfang habe ich mich noch mit jungen Menschen angefreundet. Aber keine Freundschaft übersteht es, wenn nach fünfzehn Jahren die einen dann Mitte dreißig sind und man selber immernoch ein Junge von neunzehn Jahren..."
"Ich verstehe..." meinte Isador.
"Ein Teil des Problems bei mir ist wohl auch" fuhr An-Taetsin nun fort, "das ich natürlich viel mehr Lebenserfahrung habe, aber mein Geist und mein Charakter immernoch der eines neunzehnjährigen ist...
...also, ich empfinde das nicht als Problem..." Er kicherte und meinte dann weiter: "Andere Uxvire bleiben wohl nur körperlich jung und ihr Geist wird 'erwachsener'..."
Isador lachte: "Das erklärt zumindest deinen Fahrstil."
"Ja das auch" erwiderte An-Taetsin, "aber ich weiß, dass ich dadurch für Meran auch anstrengend bin. Zu oft zwinge ich ihn sicherlich in die Rolle eines Pators statt in die eines Partners..."
"Das mag sein" erwiderte Isador, "aber da du es nicht absichtlich machst, kann man dir das nicht vorwerfen..."
"Viele Dinge die ich gerne mache" erklärte ihm An-Taetsin daraufhin, "muss ich so halt alleine machen..."
"Dein Faible für Autos..." merkte Isador an
"Oh" kicherte An-Taetsin nun, "das ist nicht mein einziges Deliciuns¹ was viele andere für ein wenig kindisch halten..."
"Was meinst du noch?" erkundigte sich Isador etwas verwundert.
An-Taetsin sprang auf: "Komm! Komm' mit ich zeig es dir!"
Enthusiastisch ergriff er den verwirrten Isador an der Hand und zog ihn mit sich, aus seinem Zimmer und die Treppe hinab.

"Wo geht's jetzt hin?" erkundigte sich Meran als sie durch den Salon liefen.
"Ich zeige Isa mein Sculpturion!" rief An-Taetsin und zog diesen einfach weiter und hinab bis in den Keller.
"Das hier!" meinte er und stieß die Tür zu seinem Reich auf.

Der Anblick der sich bot war beeindruckend. Auf mehr als tausend Quadratmetern erstreckt sich eine Welt im Kleinen.
"Krass!" entfuhr es Isador, "wie lange hast du dafür gebraucht?"
"Angefangen habe ich vor 52 Jahren" erklärte An-Taetsin und ein bisschen stolz schwang in seiner Stimme mit.
"Trevor hatte auch eine daheim" erinnerte sich Isador, "aber natürlich nicht so groß und in Nordenland waren die Modelle nicht so genau und voller Details..."
Dann beugte er sich herunter und betrachtete die Züge vor seiner Nase: "Schon genial wie weit ihr uns selbst bei so etwas uns voraus wart schon vor fünfzig Jahren - Spielzeug ist das ja nun wirklich nicht!"
Die Bemerkung freute An-Taetsin und leicht errötend meinte er: "Meran hat mir halt immer die teuren Kleinserien aus Orichalcun² gekauft, die Massenware für den Normalverbraucher war auch in Sore vor fünfzig Jahren nicht auf dem Niveau..."
"Das hat er, weil er dich liebt" stellte Isador fest und An-Taetsin erwiderte leise: "Ich weiß..."
"Vonwegen kindisches Deliciun¹" merkte nun Isador an, "in Xanadu Castle stand auch ein riesiges Layout³ - und der Erbauer von Xanadu Castle war sicher kein Kind mehr..."
"Echt? Das habe ich garnicht gesehen" staunte An-Taetsin nun.
"Wenn ich es gewusst hätte, hätte ich es dir gezeigt" erwiderte Isador, "echt jetzt, warum hast du mir nie früher davon erzählt?"
"Ich...." An-Taetsin verstummte und begann dann leise noch einmal "ich hatte Angst du würdest mich belächeln..."
"Was wäre ich für ein Freund dann?" Isadors Frage war ersichtlich rhetorischer Natur so dass An-Taetsin nicht darauf antwortete und er fortfuhr: "Kannst du was fahren lassen?"
An-Taetsin seufzte und meinte: "Nein, ist was kaputt gegangen...
...deswegen hab ich mich heute ja so aufgeregt und dann mit Meran gestritten..."
"Dann will ich es sehen wenn es wieder läuft!" beschloss Isador.
An-Taetsin erwiderte zwar nichts, aber es war unübersehbar, dass er sehr, sehr glücklich war.

Derweil stellte Trevastan ein Stockwerk höher fest: "Er ist mit Isador in DEN Keller oder?"
"Da ich nicht davon ausgehe, das sie in den Bunker oder den Pool gehen, würde ich sagen: Ja ist er" erwiderte Meran.
"Eigentlich beneide ich dich ja ein bisschen um Taetaes Deliciun¹" gab Trevastan nun zu.
"Was, wieso?" verstand Meran nicht worauf er hinaus wollte.
"Du weißt immer was du ihm schenken kannst" erklärte Trevastan grinsend.
"Oh ja... das ist wohl wahr" stimmte Meran zu, "nur einen Freund der das Deliciun¹ mit ihm teilt, den habe auch ihn nicht für ihn..."
"Ganz früher, also noch vor Pragoman und so" erzählte Trevastan nun, "da gab es Divinoble die haben einen Freund ihres Uxvirs zu ihrem Connexpotionam⁴ gemacht und es ihren Uxvires so ermöglicht lebenslange Freundschaften zu haben."
"Die müssen ihre Uxvires aber sehr geliebt haben..." meinte Meran und Trevastan unterbrach ihn: "...oder zumindest sehr respektiert haben..."
"...da fragt man sich, wann das verloren gegangen ist..." brachte Meran seinen Satz zuende, "wenn ich da an meine Eltern denke, mein Pator hätte einen Freund meines Mators eher beseitigt als sein Leben verlängert..."
"Mein Pator hat nicht einmal geduldet, dass Terastan und ich Freunde haben die keine Divinobles sind als wir selbst noch Kinder waren" erzählte Trevastan.
"Wie hat er deinen Mator behandelt?" wollte Meran nun wissen.
"Wer, Teomastan?" erwiderte Trevastan und als Meran nickte, meinte er nur: "Du weißt, dass er Lucretur di Cattanei erwählen musste weil Pragoman das so wollte. Teomastan war selbst erst einundzwanzig, das ist für einen Divinoble sehr, sehr jung wenn es darum geht sich zu verbinden. Der arme Lucretur war erst fünfzehn und es ist sehr zweifelhaft, dass er sich überhaupt vom eigenen Geschlecht angezogen fühlte.
Aber sein Vater, Ludovecur lo Moron di Cattanei, Duxam de Mediolane, wollte unbedingt Mitglied im Consilion de Decem⁵ werden und dafür opferte er gerne seinen jüngsten Sohn.
Ich weiß nicht ob mein Pator irgendetwas für Lucretur empfand, aber wenn, war das dahin, als der arme Junge sich nicht willig und folgsam von ihm nehmen ließ sondern panisch reagierte.
Teomastan nahm ihn natürlich dennoch und band ihn auch.
Aber es spricht schon Bände, dass es dann bis zu meiner Geburt mehr als dreihundert Jahre gedauert hat und bis zu der von Terastan noch mal vier Jahre mehr..."
"Was denkst du warum es so lange gedauert hat?" erkundigte sich Meran.
"Nun, ich vermute er - also Teomastan - hat An-Lucretur etwas versprochen dafür, dass er da mitmacht..." erklärte Trevastan.
"Was versprochen?" erkundigte sich Meran.
"Das wissen wir nicht" stellte Trevastan nun fest, "aber vieles spricht dafür, dass er ihm versprochen hat, dass er ihn nicht mehr anrührt, dass er sein Divinpotion ohne Biss und Beischlaf bekommt und sich Lucretur mit Frauen vergnügen darf..."
"Wie kommt ihr darauf?" erkundigte sich Meran überrascht.
"Nun ja, unser Mator hatte immer Freundinnen, das war ungewöhnlich. Und Terastan hat ihn dafür verachtet..."
"Was ist passiert als Teomastan gestorben ist?" war nun Meran neugierig.
"Mein Mator begann zu altern. Er ist mit einer seiner Freundinnen zusammengezogen und hat in Aquileia gelebt bis er dann zweiundachtzig Jahre nach Teomastans Tod friedlich eingeschlafen ist." berichtete Trevastan, dann fügte er hinzu: "Das Problem wenn man jemandem so junges bindet, ist ja, dass der Körper sich zwar weiter entwickelt bis zum Stand eines menschlichen Alters zwischen achtzehn und zwanzig, aber der Geist eben nicht unbedingt..."
"Ja, das habe ich bei An-Taetsin auch gemerkt" erklärte nun Meran, "heute bereue ich es nicht noch ein oder zwei Jahre gewartet zu haben..."
"Lucretur war gefühlt drei Jahrhunderte lang fünfzehn und alleine eingesperrt in angstvoller Erwartung des nächsten Besuches seines Virions" sprach Trevastan nun, "er war doch noch ein Kind und er war mein Mator. Das ist etwas, das kann ich meinen Pator nicht verzeihen..."
"...und etwas, das Terastan deinem Mator nicht verzeihen kann" stellte Meran fest, "manchmal ist es schwer zu glauben, dass ihr wirklich Brüder seid."
"Warum hat Teomastan überhaupt noch mit Lucretur Kinder bekommen?" wollte nun Meran wissen.
"Das war ein Seitenhieb gegen Ieran" erklärte Trevastan, "Ieran hatte gerade An-Anadur erwählt und es war klar, dass sie keine Kinder bekommen würden. Und Ieran hatte sowohl Pragoman, Teomastans Pator, als auch Lucreturs Vater hinrichten lassen. Dass Teomastan Kinder bekam mit dem Uxvir den Pragoman für ihn ausgesucht hatte, war also ein deutliches Zeichen Richtung Divinimperator. Auch weil Teomastan wusste, dass er und dann seine Söhne Thronfolger wären würde Ieran ohne Kinder bleiben.
Ich vermute auch, dass Lucretur Ieran den Tod seines Vaters nie verziehen hatte und deswegen bereit war, da mitzuziehen.
Und natürlich war es ein politisches Signal. Arrangierte Verbindung bekommt Kinder, Verbindung aus Liebe bleibt ohne Söhne..."
"Dass das nicht weiter eskaliert ist" sinnierte Meran nun.
"Oh, das ist es ja" erwiderte Trevastan, "Teomastan war lange Zeit der Gegenspieler von Ieran, zumindest in den Zeiten wo die Politik im Imperium noch Sache der Divinoble war. Das Verbot der Sklaverei war eine knappe Sache und dass Leix Basic⁶ stand auf der Kippe, auch weil Teomastan und seine Anhänger nicht verstanden haben, dass die Menschen uns sonst früher oder später einfach gestürzt hätten."
"Denkst du er hätte das Leix Basic⁶ zu Fall gebracht?" fragte Meran.
"Das möchte ich nicht ausschließen" erwiderte Trevastan, "aber dann ist Teomastan ja auf dem Weg zur Senatsdebatte über unser Leix Basic⁶ mit dem Flugzeug abgestürzt...."
"War ja auch ziemlich mutig sich einer solchen, gerade zehn Jahre zuvor erfundenen Technik anzuvertrauen" merkte Meran an.
"Mutig oder dumm?" erwiderte Trevastan, "aber ob Ieran das Leix Basic⁶ auch durch den Senat und den Rat gebracht hätte wenn Teomastan noch lebend dagegen opponiert hätte? Ich habe Zweifel. So war es natürlich für Ieran ein leichtes das Ganze als ein Zeichen der Götter und Vorsehung hinzustellen."
"Du meinst es war eine gute Fügung?" stellte Meran fest.
Trevastan nickte: "Absolut. Es war das Beste was unserem Land in dem Moment passieren konnte..."
"Das sieht Terastan sicher anders" vermutete Meran.
"Ganz sicher sieht mein Bruder das anders" erwiderte Trevastan und fügte dann zynisch hinzu: "Aber jemand der zu diesem Zeitpunkt schon seinen ersten Uxvir auf dem Gewissen hatte, war auch kein Befürworter einer Verfassung, die den Menschen umfassende Rechte gab."
"Sicher nicht, erst kurz zuvor war er ja noch mit eurem Pator ganz groß für das Wesenstest-Gesetz aufgetreten..." erinnerte sich Meran.
"'Kurz zuvor' waren auch knappe dreißig Jahre..." lachte Trevastan nun.
"Ja nun, für Menschen ist das viel Zeit..." erwiderte Meran, "aber für uns...."
"Wohl wahr" stimmte Trevastan zu, "aber um zum Ausgangspunkt unserer Diskussion zurück zu kommen: Mal angenommen Taetae fände einen Freund der sich für dieselben Dinge wie er interessiert und so zwischen achtzehn und fünfundzwanzig Jahren ist, würdest du in Erwägung ziehen, den dann zu deinem Connexpotionam⁴ zu machen?"
"Dass ist eine schwierige Frage" entgegnete ihm Meran, "ich hätte Angst, dass ich für diesen Freund dann womöglich mehr empfinden würde als ich möchte. Man sagt doch, dass für einen Divinoble ein Connexpotionam⁴ ziemlich unwiderstehlich ist?
Und selbst wenn nicht, der braucht ja auch jemanden mit dem er... du weißt schon... wenn er mein Divinpotion bekommt... Muss ich dann dessen Partner auch zu meinem Connexpotionam machen, denn sonst geht's dem ja auf Dauer noch schlimmer als meinem Schatz..."
"Du hast dir darüber wirklich viele Gedanken gemacht" stellte Trevastan voller Anerkennung fest.
Just in dem Moment als Isador und An-Taetsin wieder in den Salon traten.
Und Letzterer wollte nun sofort wissen: "Worüber hat sich mein Virion viele Gedanken gemacht?"

¹Hobby
²Messing
³Anlage
⁴Durch das Potion verbundener
⁵Rat der Zehn
⁶Grundgesetz

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