#166 Eine Frage der Macht

Langsam gewann Terastan die Kontrolle über sich selbst zurück. Dann realisierte seine Lage, er hockte in einer schwarzen langen Sporthose und einem ebensolchen Shirt vor Isador auf dem Boden, die Kette eines Hundes um den Hals an einer Hundeleine in dessen Händen.
Wut wallte in ihm auf und Hass, Hass auf Isador der ihn nun das zweite Mal so sehr gedemütigt und seine Pläne durchkreuzt hatte.
Doch kaum, dass er seinen Kopf hob, schaute Isador auch schon spöttisch grinsend auf ihn herab.
"Ich bin kein Sadist Terastan" sprach er dann leise zu ihm, "auch wenn du es einem leicht machst dich so sehr zu verabscheuen, dass man seine Hemmungen verliert, aber eines versichere ich dir: Begehre auf und ich werde dich zu Boden zwingen. Das wird nicht schön für dich!" Wieder leuchteten seine Augen auf und Terastan wusste nicht wie ihm geschah, namenlose Angst erfasste ihn, schnürte ihm den Atem ab, versetzte seinen Körper in Panik. Dann erlosch das Leuchten in Isadors Augen wieder und mit einem leichten Lächeln sprach er weiter während Terastan nach Luft rang: "Oder du bist einfach folgsam und dann darfst du sogar hinter mir herlaufen und musst nicht auf allen Vieren herumkriechen..."
Terastan wollte ganz sicher nicht hinter Isador herkrabbeln müssen. Noch weniger aber wollte er das Gefühl der atemlosen Angst noch einmal verspüren.
Allein der Gedanke daran ließ seinen Puls hochschnellen.
So war Angst ein guter Lehrmeister und Terastan ein gelehriger Schüler.
"Es tut mir leid mein Domion" sprach er daher unterwürfig, "es wird nicht wieder vorkommen..."
"Gute Entscheidung" erwiderte Isador und fuhr dann fort: "Du darfst aufstehen und mir folgen!"

Unter den verwunderten Blicken der anderen stand Terastan nun auf nur um dann gesenkten Hauptes hinter Isador herzulaufen, immer schön dem Zug der Leine folgend.

An-Taetsin war inzwischen wieder an den Pool zurück gekehrt und sah nun Isador mit Terastan im Schlepptau auf sich zukommen.
Als der direkt vor ihm war hielt er inne, lächelte ihn freundlich an und meinte: "Sorry Taetae, ich wollte dich vorhin nicht verschrecken..."
"Aber bei ihm hier" erwiderte An-Taetsin und deutete auf Terastan, "da wolltest du das schon?"
"Da will ich das schon" erwiderte Isador und zwinkerte dann Terastan zu, "aber da er ja nun ein ganz braver Divinoble ist, braucht es das ja nicht mehr..."
"Du hast Terastan ab Apollam unterworfen" konnte es An-Taetsin immernoch nicht fassen.
"Ich habe hier alle unterworfen" entgegnete ihm Isador nun, "du warst nicht da, du hast es nicht mitbekommen...."
"Auch die ganzen Menschen?" Ungläubig starrte er Isador an.
Der nickte nur: "Auch die ganzen Menschen!"
An-Taetsin hatte nun nur eine Frage: "Wie?"
"So wie du Meran verführst" erwiderte Isador als wenn nichts dabei wäre.
"Aber, wie ist das möglich?" wunderte sich An-Taetsin.
"Das weiß ich nicht" erwiderte Isador achselzuckend, "aber möglich ist es."

Während Isador sich nun weiter auf den Weg machte etwas zu essen für sich zu besorgen da er riesigen Hunger verspürte, begab sich An-Taetsin weiter zu An-Anadur und Taejo.
"Wie kann er so mächtig geworden sein?" begrüßte ihn An-Anadur sofort.
"Das frage ich mich auch" erwiderte An-Taetsin, "hat es je einen von uns gegeben, der nicht nur andere Divinobles außer seinem Virion, andere Uxvires sondern sogar Menschen und Hunde beeinflussen konnte?"
"Hat es je einen von uns gegeben, der die Genannten alle so unterwerfen konnte?" ergänzte Taejo.
"Es gab Sidapan" bemerkte nun An-Anadur, "er war der Gemahl von Libulan."
"Aber war er nicht selbst ein Gott oder zumindest ein Divinoble?" hielt nun An-Taetsin dagegen.
"Das ist eine gute Frage" erwiderte An-Anadur, "es gibt auch Stimmen die ihn als ersten Uxvir überhaupt sehen, als An-Sidapur..."
"War er so mächtig wie Isador?" fragte jetzt Taejo.
"Manche Überlieferungen bezeichnen ihn als mächtiger als Libulan selbst" antwortete An-Anadur darauf.
"Da aber nachfolgend alle Uxvirs weniger mächtig waren als die Divinobles, hat man solche Quellen zunehmend ignoriert, ihn zum Gott erklärt und auch solche Überlieferungen nicht mehr verbreitet. Divinobles wie Pragoman, Hernan und viele Andere hatten kein Interesse an Überlieferungen über mächtige Uxvirs" erläuterte nun An-Taetsin.
"Aber selbst wenn wir Sidapan als historische Figur betrachten, wie lange ist das dann her?" warf Taejo nun ein.
"Mindestens 3500 Jahre" erwiderte An-Anadur.
"Wie also kommt Isador an Fähigkeiten die mindestens 3500 Jahre niemand mehr hatte?" stellte An-Taetsin die entscheidende Frage.
"Das ist die Frage deren Antwort ich sehr gerne wüsste" gab An-Anadur unumwunden zu.

Elasan, Simur und Marlur standen ebenso beisammen und sprachen über das was vorgefallen war.
"Wie kann er das können?" wunderte sich Elasan.
"Ein Uxvir mit solchen Fähigkeiten, gab es so etwas schon mal?" staunte Simur.
"Das kommt darauf an" meinte Marlur nun.
"Worauf an?" wollte Elasan wissen.
"Ob man Sidapan als Uxvir betrachtet" erklärte Marlur.
"Ist der nicht ohnehin eine mythische Figur?" hielt nun Simur dagegen.
"Eben" bekam er sogleich Unterstützung von Elasan, "ich meinte einen historisch auch dokumentierten Uxvir!"
"Es gab starke Uxvires" meinte Marlur nun, "aber so etwas, das gab es meines Wissens noch nicht!"

"Können wir sowas auch wenn...?" erkundigte sich Lison vorsichtig bei Luciur.
"Ich glaube nicht" erwiderte der, "ich glaube nicht, dass das normal ist für einen Uxvir..."
"Ich hoffe es" gab Lison ehrlich zu, "weil das, das macht mir Angst!"
"Angst? Warum, so übel ist doch Macht über andere nicht?" entgegnete Luciur neugierig.
"Und wenn man dann jemanden verletzt ohne das zu wollen?" gab Lison zu bedenken, "was wenn man Gedanken hat die man nicht kontrollieren kann und die dann anderen schaden? Außerdem wer weiß was so eine Macht mit einem macht, nachher muss man eingesperrt werden um sicher zu gehen. Das finde ich schon beängstigend..."
"Oh... so gesehen..." war Luciur plötzlich ganz nachdenklich.
"Und dann noch Medikamente. Verglichen mit mir ist Isador direkt zuverlässig was das angeht" meinte Lison.
"Aber man könnte jeden verführen..." hielt Luciur nun dagegen.
"Klar" stimmte Lison ihm zu, "theoretisch könnte man ja willige Menschen versammeln und sie dann alle notgeil machen. Für Sex. Die Vorstellung hat schon was....
Aber sowas wie Isador da heute... da hätte ich Angst vor mir selbst!"
"Womöglich ist es doch besser wenn man nur seinen Virion geil machen kann" gab Luciur nun zu, "man wird ja vermutlich bei so einer Fähigkeit nicht auswählen können was man haben will..."
"Und wenn zwei das könnten wäre die Frage: Was passiert, wenn die aufeinander treffen?" stellte Lison nun eine durchaus berechtigte Frage.
"Du meinst zwei Isadors im Duell?" erwiderte Luciur, "hmm, ich befürchte das würden zufällig Anwesende kaum überleben..."
"Eben" bekräftigte Lison, "also so eine Macht zu haben wäre für mich kein Reiz Uxvir zu werden..."

Zu Terastans Überraschung sah ihn Isador am Buffet angekommen an und erkundigte sich: "Hast du Hunger, möchtest du etwas essen?"
Vorsichtig nickte er worauf Isador jovial meinte: "Dann such dir was aus..."
"Egal was?" hakte er nach. Angst lehrte auch Vorsicht. Und Terastan war ein gelehriger Schüler.
"Was immer du magst" bestätigte Isador, "such dir was aus, es wird uns dann gebracht..."
Terastan wagte nicht zu fragen wohin gebracht.
Aber nachdem er und Isador ihre Wahl getroffen hatte, führte der ihn in einen Palmenhain in dem Tische und Stühle aufgestellt waren.
Zielstrebig steuerte Isador einen Tisch an und setzte sich.
Unschlüssig stand Terastan nun neben dem Tisch.
"Setz dich" forderte Isador ihn nun auf und als Terastan zögerte meinte er leise zu ihm: "Ich weiß, dass du an meinem Ende der Leine mich hättest stehen oder neben dem Tisch knien lassen. Aber das unterscheidet uns eben, ich bin kein Arschloch!"
Nun beeilte sich Terastan Platz zu nehmen.
Und dann wurden ihnen tatsächlich genau die Speisen gebracht die sie zuvor ausgesucht hatten.

"Darf ich Euch etwas fragen?" erkundigte sich Terastan nachdem sie eine Zeit lang schweigend gegessen haben.
"Frag ruhig" erwiderte Isador unbekümmert, "ich muss ja nicht antworten..."
"Mein Bruder" stellte Terastan seine Frage, "wie geht er um mit Eurer Macht?"
Isador kicherte, dann meinte er: "Das werden wir zu Sonnenaufgang erfahren."
"Zu Sonnenaufgang... ich verstehe nicht..." war Terastan nun verwirrt.
"Nun" erklärte Isador ihm vergnügt grinsend, "ich denke dann etwa wird dein Bruder hier eintreffen..."
"...und Trevor dann wohl auch..." vermutete Terastan.
"Davon ist auszugehen" bestätigte Isador diese Vermutung, "und sie werden beide nicht gut auf dich zu sprechen sein..."
"Sie werden mich wieder einsperren wollen, wenn nicht mehr noch" sprach Terastan und er klang echt ein wenig bekümmert.
"Es würde mich wundern wenn sie das nicht wollen" merkte Isador an.
"Ihr werdet mich ihnen sicher ausliefern" versuchte der Divinoble nun dem Blonden etwas über sein weiteres Schicksal zu entlocken.
"Wäre dir das lieber als an der Leine hinter mir herzulaufen?" wollte Isador daraufhin von ihm wissen.
Darauf wusste sich Terastan keine Antwort und so schwieg er.

Die Party kam wieder in Schwung und schon bald hatten sich die Anwesenden daran gewöhnt, dass ein paar Schritte hinter Isador Terastan an der Leine lief.
Letztendlich war der Anblick nichts was in Safflowerwood oder Sore jemanden hinter dem Ofen vorlockte. Solche Vorlieben und Fetische waren gang und gäbe und ein Typ an der Leine war nicht wirklich geeignet ein Aufsehen zu erregen.

Lison zumindest war sehr überrascht, wie schnell alle verdrängt hatten wozu Isasor in der Lage war.
Obwohl das nicht stimmte, denn zumindest Terastan hatte es offensichtlich ganz und gar nicht verdrängt. Anders zumindest konnte sich Lison nicht erklären warum er so sehr bemüht war das folgsame Hündchen zu geben.
"Wirst du auch so wie Isadon wenn Simur dich heiratet?" erkundigte sich Estefon nun bei ihm.
"Nein, das ist wohl nicht zu befürchten" erwiderte Lison ihm.
"Oh gut" meinte Estefon und war fast ein wenig erleichtert, "sag mal, dieser Terastan, ist das nicht der erste Prinzgemahl unseres Hochkönigs. Der wo die Ehe dann annulliert wurde?"
"Oh, da fragst du mich was" meinte Lison, "aber lass uns Simon fragen, der weiß das bestimmt..."

Simur fanden sie im Gespräch mit Taejo und Baron Dean – und zu Lisons stiller Überraschung diskutierten sie nicht über das Vorgefallene, sondern ganz banal über den Ausbau des Straßennetzes, über den Bau von Intershire-Highways auch in Kitaien und über Tempolimits.
"Dürfen wir euch mal kurz unterbrechen?" fragte Lison.
"Du immer mein Darling" erwiderte Simur sofort und schenkte ihm ein warmes und liebevolles Lächeln.
"Wir haben da eine Frage" fuhr Lison nun fort, "dieser Terastan, ist dass der erste Prinzgemahl von Hochkönig Trevon gewesen?"
"Ja" erwiderten Simur und Taejo beinahe simultan.
"Dann sollte der wohl nicht einfach hier auftauchen oder?" traute sich nun auch Estefon eine Frage zu stellen.
"Sicher nicht, Trevon hat den ganz sicher nicht einfach laufen lassen" erwiderte Simur darauf.
"Was passiert mit dem jetzt?" war Lison nun neugierig.
"Nun, das werden wir erfahren sobald König Trevon hier ist" erwiderte Taejo nun.
"Der Hochkönig kommt hier her?" staunte nun Estefon.
"Er ist schon unterwegs" bestätigte Simur.

Dass das mit dem Verdrängen aber doch nicht ganz funktionierte wurde Isador allerdings schnell bewusst.
Die anwesenden Divinobles wie auch die Uxvires und die Boyfriends der Divinobles gingen ihm aus dem Weg.
Also nicht so offensichtlich, dass man sagen konnte, sie schnitten ihn, aber durchaus so, dass man sagen konnte, sie mieden ihn.
Darüber, dass das nichts mit Terastan in seinem Schlepptau zu tun hatte, war sich Isador sehr rasch im Klaren auch ohne ein Wort mit einem von ihnen gewechselt zu haben.
Sie mieden ihn, weil er ihnen Angst machte, sie mieden ihn, weil sie mißbilligten was er tat. Und sie mieden ihn vielleicht auch, weil sie ihm seine Fähigkeiten neideten. Nicht unbedingt bewußt und aktiv, aber aus einem unbewusst unterbewussten Empfinden heraus.

Obwohl ihn das zutiefst verletzte, sagte Isador nichts dazu. Auch drängte er sich nicht auf, denn er wollte niemanden seine Gesellschaft aufzwingen, dem er damit Unbehagen bereiten würde – außer Terastan natürlich.
So ging der Blonde nun seinerseits denjenigen aus dem Weg welche er am Ehesten als seine Freunde bezeichnet hätte.
Er plauderte hier und da Belangloses mit den Stars und Sternchen aus Safflowerwood, aber tief in seinem Innersten, da wuchs das Gefühl abgelehnt und ausgestoßen zu werden weil er – einmal mehr – anders war als alle um ihn herum.

Ganz langsam erodierte sein Vertrauen in seine Freunde und Mitmenschen. Kaum dass er es selber wirklich bemerkte, unbemerkt von den Anderen zerbröseltes es wie eine Sandburg in Sonne und Wind.

Sie sahen nicht die Gefahr, wenn man jemanden mit einer großen Macht das Gefühl gab nicht mehr willkommen zu sein.

Nur Lison hatte kein gutes Gefühl dabei und meinte irgendwann: "Isador wirkt im Moment sehr alleine. Sollten wir uns nicht kümmern, wenigstens irgendwer von uns?"
Er erntete nur betretenes Schweigen.
Worauf er sich entschuldigte und sich dem Schweigen anschloss.


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