Auch in Golconda war seit einiger Zeit Estefon Pricksburgh.
Von da aus hatte er auch seinen Bitt- und Bettelbrief an Lison geschickt.
Und genau der wurde ihm nun zum Verhängnis.
Denn natürlich hatte der sindhuratische Geheimnis von dem Inhalt dieses Briefes Kenntnis.
Briefgeheimnis? Schön und gut, aber wer als Ausländer von Sindhurat an den Earl of Marlaland und Verlobten des Deputy King von New Lugunia schrieb, geriet beinahe automatisch in das Blickfeld des Geheimdienstes.
Nicht, dass man in Sindhurat aus dem Bittschreiben des Pricksburgh schlau geworden war, aber man hatte verstanden, dass Pricksburgh irgendwie Dreck am Stecken hatte wegen Querelen mit denen ganz oben in Angevinien.

Und nun brauchte man schnell einen Sündenbock.
So verhaftete der Sindhurati Police Service (SPS) am frühen Mittag Ortszeit in Golconda City Estefon Pricksburgh unter dem Vorwurf ein Agent fremder Mächte zu sein (womit natürlich Angevinien gemeint war) welcher an der Entführung sorenischer Staatsbürger beteiligt sei um Unfrieden zwischen Sore und Sindhurat zu stiften.

Natürlich wusste der arme Estefon nichts von einer Entführung und hatte auch sonst von wenig Ahnung.
Das focht die Sindhuratis natürlich wenig an und ein paar Prügelorgien mit dem Schlagstock und ein paar Stromschläge in dessen Genitalien später 'gestand' Estefon Pricksburgh alles was der SPS von ihm hören wollte.

Stolz meldete nun der sindhuratische Botschafter den Sorenischen Sicherheitsrat, dass man einen angevinischen Agenten gefasst habe, welcher an der Entführung beteiligt sei.
Offensichtlich sei das eine Aktion Angeviniens um die guten Beziehungen zwischen Sore und Sindhurat zu stören.
Auf entsprechende Nachfrage musste er aber einräumen, dass "trotz intensiver Befragung dem Subjekt keine Angaben zum Aufenthaltsort der Entführer oder der Entführten zu entlocken" waren.

Entsprechend skeptisch war man in Sore.
So beschloss der Supremator Militaris einmal informell in Angevinien nachzufragen, was man da wüsste und mit dem Namen Estefon Pricksburgh anfangen könnte.
Ein Anruf bei Simur, so dachte sich Meran, könnte da weiterhelfen.
Gesagt, getan und so erhielt Simur gegen Mittags Ortszeit in Angeviniana einen Anruf von Meran.

In Angevinien war man durchaus auf dem Laufenden, denn Simur fragte sofort: "Ich vermute dein Anruf hat etwas mit der Entführung von Marlon Caruso zu tun? Womit kann ich dir helfen?"
"Das hat es allerdings" erwiderte Meran, "sagt dir der Name Estefon Pricksburgh etwas? Soll ein angevinischer Staatsbürger sein, etwa Mitte 20..."
"Estefon Pricksburgh..." überlegte Simur, "ich schaue mal, was soll der denn getan haben?"
"Wenn es nach Sindhurat geht alles..." seufzte Meran.
"Geht es etwas genauer?" fragte Simur nun.
"Er soll ein Agent von euch sein und die Entführung eingefädelt haben um einen Keil zwischen Sore und Sindhurat zu treiben" berichtete Meran.
Simur lachte spöttisch: "Der war gut, kurz bevor wir gemeinsam der SSR den Garaus machen, sollten wir so etwas tun...
...ich versichere dir, das ist Bullshit!"
Dann fiel ihm plötzlich ein wo er den Namen schon einmal gehört hatte: "Estefon Pricksburgh sagtest du?"
"Ja" bestätigte Meran.
"Oh nein..." prustete Simur nun los, "das ist ein harmloser Trottel, ein Architekturstudent. Ehemaliger Kommilitone von Lison. Hat den gemobbt und ist deswegen mit mir aneinander geraten. Hat deswegen wohl Panik geschoben und ist nach Sindhurat abgehauen.
Der hat letztens erst einen Jammerbrief an Lison geschrieben er solle ihm doch verzeihen und ein gutes Wort für ihn bei mir einlegen und bla blubb..."
"Woher kam der Brief?" hakte Meran sofort nach.
"Er hatte als Absender das Banjara Hills in Golconda City angegeben, er hoffte ja auf Antwort von Lison" erklärte Simur.
"Also kein Agent?" fragte Meran der nun auch amüsiert war.
"Nein, eine arme Sau" erwiderte Simur, "falls Sindhurat den an euch ausliefert, überstellt ihn an uns..."
"Gut. Was werdet ihr jetzt tun?" wollte Meran nun wissen.
"Ich werde die Slater und Trevor informieren" antwortete Simur, "dann wird der Botschafter von Sindhurat einbestellt und zur Sau gemacht, weil Sindhurat einen angevinischen Bürger ohne konsularischen Beistand verhaftet und verhört hat und weil Sindhurat gegenüber Sore eine Beteiligung Angeviniens an der Entführung sorenischer Bürger behauptet hat..."
"Dann mal viel Erfolg" wünschte Meran nun.
"Euch auch" erwiderte Simur.

Und so hatte Sore die Gewissheit das Sindhurat es belogen hatte, während Sindhurat nun auch noch Ärger mit Angevinien ins Haus stand.

Als Meran nun dem sorenischen Sicherheitsrat vom Ergebnis seiner Nachforschungen berichtete war die Empörung dort groß.
Als Zeichen des Unmutes berief die sorenische Regierung ihren Botschafter aus Sindhurat zu Konsultationen zurück nach Sore.
Die Abberufung des Botschafters war ein deutliches Warnsignal, doch in Sindhurat schien man das nicht zu verstehen oder verstehen zu wollen.

Dieses Mal war es jedoch Trevastan der gegenüber dem Botschafter von Sindhurat, der gerade langatmig ausgeführt hatte, dass man doch bitte verstehen müsse und die Lage nicht einfach sei für seine Regierung, deutlich wurde:
"Wir verstehen hier sehr wohl, dass Sie uns seit Stunden hinhalten und ins Gesicht lügen. Ich kann nur hoffen, dass Sie und Ihre Regierung sich darüber im Klaren sind, dass das so oder so Konsequenzen haben wird. Die öffentliche Meinung in Sore wird das nicht goutieren!"
"Die öffentliche Meinung scheint mir nicht auf einen Konflikt mit Sore aus zu sein" erwiderte der Botschafter daraufhin provokativ unbedingt.
"Nun, dann warten Sie mal den heutigen Abend ab" erwiderte Trevastan, "den Sorenern wird nicht gefallen was sie da erfahren. Und eines kann ich Ihnen versprechen: Den Angeviniern die von Ihrer Regierung die uns gegenüber vorgetragenen Anschuldigungen gegen Angevinien sicherlich auch nicht!"

Als der Abend kam, war es Luciur der in der Colloqemissio¹ von Sandra Puremonta eingeladen war.
Natürlich hatte die Puremonta auch Ieran, Meran, Trevastan, An-Anadur und sogar Isador angefragt, aber die hatten alle abgesagt, denn keiner wollte in der Öffentlichkeit den Eindruck hinterlassen, er sei auf einen Konflikt aus.
Die hohe Politik war aber dennoch vertreten und zwar in Gestalt der Ministerpräsidentin da Vezura.

Diese war eher zurückhaltend und an keinem Konflikt interessiert.
Als sie dann aber tatsächlich anmerkte: "Man muss halt auch ein gewisses Verständnis für Hernan haben. Wissen Sie, wenn die Dinge Jahrhunderte lang so waren wie sie waren und dann plötzlich sich alles ändert, dann kann das einen – gerade jemanden der auch schon Jahrhunderte lebt – auch schon mal überfordern..."
"Ach und wenn man überfordert ist, dann ist es völlig in Ordnung wenn man den alten Zustand einfach wieder mit Gewalt herstellt?" fiel Luciur ihr nun wütend ins Wort, "wenn also Eius Numeen Sublimeen mit der Demokratie überfordert wäre, Sie jetzt einfach mit Gewalt absetzt und wieder – wie Jahrhunderte zuvor üblich – den Alleinherrscher spielt, dann hätten Sie Verständnis?"
"Nein natürlich nicht..." begann die da Vezura eine Erwiderung und erneut fiel ihr Luciur ins Wort: "Natürlich nicht. Nur wenn es um Uxvire und deren Grund- und Bürgerrechte geht, dann ist etwas anderes!"
"Ich muss doch bitten!" empörte sich die Ministerpräsidentin nun.
"Ja, das muss ich auch. Ginge es um die Rechte von Frauen und Ehefrauen, dann haben Sie sicherlich kein Verständnis für Virilta Toxicam² wie die eines Hernan!" warf ihr Luciur nun vor.

Infolge drehte sich das Gespräch um die Emanzipation von Uxvires und die Frage, warum die Widerstände der konservativen Seite dort so groß seien.

Doch dann kam das Thema, darauf, wie Sore jetzt mit Sindhurat verfahren sollte.
Wieder sprach die Ministerpräsidentin von intensiven Verhandlungen und wiegelte ab.
Dann wandte sich die Puremonta wieder an Luciur und fragte ihn: "Und was denken Sie sollten wir tun? Es spricht ja alles dafür als habe Hernan ihren zukünftigen Virion mit der Unterstützung oder zumindest Duldung von Sindhurat entführt."
"Igo mallo vinditta!³" erwiderte Luciur grimmig.
"Rache?" hakte die Puremonta nach.
Worauf Luciur aufstand, in die Kamera blickte und zu singen begann:
"Si vinditta, tremendam vinditta
Ese mia anima solo desion
Ad punire suo la hora festinare
Cho fatalis per soi esfone
Come fulmin iactarese divio
Come fulmin iactarese divio
Suo prosternerfe le magne Sore!"⁴

Die Rachearie des Meran aus dem Melodrama schlug bei den Zuschauern ein wie eine Bombe.
Da konnte die Ministerpräsidentin reden was sie wollte, der Zug war förmlich abgefahren.

Zwanzig Minuten später postete Isador den Ausschnitt aus der Fernsehsendung mit dem singenden Luciur und unterlegte sie mit der Tonaufnahme aus dem Melodrama.
Nun sang Luciur mit Orchester, was der Wirkung keinen Abbruch tat.

Eine Stunde später dominierte auf der Website des Spectaro die Schlagzeile 'Si, vinditta!' und mit 'SI, VINDITTA!' in fetten Blockbuchstaben titelte auch die gedruckte Ausgabe am nächsten Morgen.

Noch in der Nacht hatte Stellariur für Isador eine Variante auf Angevinisch gemacht.
Noch in der Nacht spielten die ersten Sender in Angevinien dann Isadors:
"Yes, revenge, terrible revenge
is all that my heart desires.
The hour of your punishment hastens on,
that hour which will be your last.
Like a thunderbolt from the hand of Godan,
Like a thunderbolt from the hand of Godan,
great Sore's revenge shall strike you down."

So fand sich dann in den Abendausgaben der angevinischen Yellow-Press dann auch ebenso fett gedruckt 'YES, REVENGE!' als Schlagzeile.

****

"Ich mache dich wieder zu meinem!" verkündete Hernan.
"Das sagtest du bereits" spottete Marlur und klimperte ein wenig mit der Kette mit der man ihn an eine der Säulen in einem der vielen Räume des Chowmahela-Palastes gekettet hatte, "aber wie du das anstellen willst ist mir eine Rätsel..."
"Ich muss dieses Zeug wieder aus dir herausbekommen" erwiderte der.
"Dieses Zeug?" höhnte Marlur, "und wie willst du das anstellen?"
"Ich gebe dir einfach mehr von meinem Divinpotion, dann wirst du wieder zu meinem Uxvir" erwiderte Hernan.
Marlur, der nicht nur sehr gut wusste, dass das so nicht funktioniert sondern auch wusste, was dann passiert, ließ sich nichts anmerken und meinte nur: "Ich glaube nicht, dass das so funktioniert. Außerdem ist das verboten..."
"Das ist mir doch egal, hier geht es um meine Ehre" gab sich Hernan trotzig.
"Deine Ehre, so, so..." bemerkte Marlur sarkastisch, "na ob man das in Sore auch so sieht?"
"Die Mehrheit der Divinobles denkt wie ich!" gab sich Hernan überzeugt.

Indessen hatte Marlur die Fernbedienung für den Fernseher im Raum in die Finger bekommen und schaltete diesen ein.
Nach einigem hin und her zappen fand er er einen Sender aus Sore auf dem gerade über die Sendung der Puremonta berichtet wurde.
Während Marlur gefiel was er sah, gefiel es Hernan nicht.
Als dann die Szene gezeigt wurde in der Luciur anfing 'Si, vinditta...' zu singen, entriß Hernan Marlur wutentbrannt die Fernbedienung und schaltete das Gerät aus.

Marlur aber lief nun mit einem triumphierenden Grinsen durch den Raum und sang:
"Si vinditta, tremendam vinditta
Ese mia anima solo desion
Ad punire suo la hora festinare
Cho fatalis per soi esfone
Come fulmin iactarese divio
Come fulmin iactarese divio
Suo prosternerfe le magne Sore!"⁴

Das ging Hernan gewaltig den Strich, seine Miene verdunkelte sich und dann brüllte er Marlur an: "Sei still, verdammt sei endlich still!"

Marlur dachte garnicht daran still zu sein, sondern trällerte in leichter Abwandlung einer berühmten Arie weiter:
"Uti in la pugna, lo exvirion prope
Victoconscire, la pecta tumere!
Rabiat'ipo oscille lu sceptrun
Ist ese ita nimiun!"

"DU SOLLST DEIN VERDAMMTES MAUL HALTEN!" brüllte Hernan nun.
"Ach, du willst nur meinen Körper zurück aber nicht auch mein Maul?" provozierte ihn Marlur gleich weiter.
Und sang dann auf dieselbe Melodie weiter:
"Scopart tei mio caro, ita non fluxir'.."⁶
"RUHE!" brüllte Hernan wieder und dann etwas weniger gebrüllt: "Gib Ruhe oder ich stopf dir dein verdammtes Maul!"
"Was? Mit deinem kleinen Schwanz etwa?" setzte Marlur nun alles daran ihn zur Weißglut zu treiben.
Und es gelang ihm.
Mit einem wütenden Schrei stürzte sich Hernan auf ihn.
Dabei hatte er nur eines vergessen: Marlur war jetzt ebenso Divinoble wie er. Und konnte ebenso gut austeilen.
Als Marlurs Faust mit einem hässlichen Geräusch seine Nase traf und er benommen zurücktaumelte, hatte Hernan das auch verstanden.

¹Talkshow
²toxische Männlichkeit
³Ich will Rache!
⁴Ja, Rache, fürchterliche Rache
Ist meiner Seele einziger Wunsch
Sie zu bestrafen die Stunde eilt schon
Die für sie fatal sein wird (sicher wird!)
Wie ein von den Göttern geschleuderter Blitzschlag
Wie ein von den Göttern geschleuderter Blitzschlag
Wird euch niederstrecken, das große Sore!
(Wer wissen will wie das klingt, Verdi, Rigoletto, Si, vendetta...)
⁵Auf in den Kampf, der Ex-Mann naht
Siegesbewusst, stolzgeschwellt die Brust
Wütend schwingt er das Zepter
Dies' ist sehr zuviel!"
(Bizet, Carmen, Auf in den Kampf, Torero)
⁶Fick dich mein Lieber, so läuft es aber nicht...