#151 Alter Groll frisch aufgebrüht

Acht Stunden brauchten Luciur und sein Begleiter, der sich Fayur nannte um sich über die Hügel und durch die Primosilva¹ von Seselia bis zur nächsten Straße durchzukämpfen.
Denn umzukehren wagte es keinen von ihnen.
Zum Glück war wenigstens Vollmond, denn auf Seselia war es ab sieben Uhr dunkel.

Als sie dann mitten in der Nacht an der Straße anlangten war Fayur, welcher schließlich verletzt war, am Ende seiner Kräfte.
Gerade noch konnte Luciur verhindern dass er einfach umfiel, doch dann lag er am Fahrbahnrand und schaffte es trotz aller Bemühungen von Luciur auch nicht mehr aufzustehen.
Noch während Luciur überlegte ob er bei ihm bleibe oder weiterlaufe um Hilfe zu holen – und falls Letzters, in welche Richtung der Straße folgend, hörte er die Geräusche eines fahrenden Autos und dann sah er das Licht von Scheinwerfern durch den Wald brechen.

Kreischend und sein Shirt wild schwankend hüpfte er nun auf der Fahrbahn auf und ab. Und er hatte Glück, das Fahrzeug hielt nicht nur, es war sogar ein Streifenwagen der Firmatores Stratalis².
Erschöpft deutete Luciur wortlos auf Fayur was dazu führte, dass die Firmatores erst einmal einen Rettungswagen alarmierten.

Dann aber wollten sie doch wissen, was die Beiden – und noch in so einem Zustand – mitten in der Nacht in der Primosilva machten.
Mit knappen Worten schilderte Luciur war vorgefallen war und Fayur ergänzte Dinge die Luciur nicht wusst, wie zum Beispiel Name und Adresse des Feriendomizils.

Hektisch wurden sie, die beiden Firmatores.
Ein Divinoble war mit Waffengewalt entführt worden, noch dazu ein Prominenter der auch noch ein Freund des Dividuxams und des Divinuxvirs war.
Und das ausgerechnet von einem anderen Divinoble.
Darüber hinaus bestand der dringende Verdacht, dass der entführte Divinoble über das Meer ins Ausland gebracht würde.

Aufgeregt bellten die Firmatores in ihre Communicatores³ und nach etwa fünfzehn Minuten wurde es laut auf Seselia.
Zahlreiche Extorquerores⁴ dröhnten durch den nächtlichen Himmel und leuchteten mit ihren Scheinwerfern die Gegend und die Küsten ab, dann ertönten laute Knalle als die von Diegur Garciam gestarteten Volvenatores⁵ vor der Küste von Seselia durch die Schallmauer brachen.

Inzwischen war Fayur im Rettungswagen entschwunden und Luciur im Wagen der Firmatores auf dem Weg ins Polizeipräsidium von Seselia.

****

Mitten in der Nacht schrillte der Connection Continuuam⁶ genannte Apparat im Schlafzimmer von Meran und An-Taetsin.
Und wenn der schrillte war jeder wach.
So fuhren die Beiden nahezu simultan aus dem Schlaf hoch.
Hastig griff sich Meran den Hörer: "Ja?"
Leider konnte An-Taetsin nicht mithören und so konnte er nur aus Merans Bemerkungen wie "Nicht wahr!... Weiß man wer dahinter... Ganze Flotte soll sofort auslaufen... Bringt ihn umgehend nach Sore Urbs..." und dann "Ja ich komme, bin in zwanzig Minuten da!" schließen, dass etwas Größeres im Gange war.
"Was ist los?" erkundigte er sich auch sofort als Meran aufgelegt hatte.
"Marlan wurde von Seselia mit Waffengewalt entführt, drei tote Mitarbeiter der Ferienanlage, ein weiterer und Luciur verletzt, ein schwer verletzter Angreifer zurückgelassen..." erzählte der auch bereitwillig.
"Wer?" fragte An-Taetsin sofort.
"Zeugen wollen Hernan am Tatort gesehen haben" erklärte Meran.
"Hernan? Diese dreckige Arschratte, das wird er bereuen, ich hoffe ihr erwischt ihn!" empörte sich An-Taetsin sogleich.
"Wir arbeiten drann" erwiderte Meran.
"Der zurückgelassene Angreifer?" wollte An-Taetsin nun wissen.
"Aguateram" erwiderte Meran nur.
"Ja, das kommt davon wenn man Privatunternehmen Militär spielen lässt" schimpfte An-Taetsin sogleich, "war doch klar, dass Aquateram früher oder später bei sowas seine dreckigen Finger im Spiel haben würde! Militärischer Dienstleister, das ich nicht lache, dreckige Söldner sind das!"
"Nun, ich denke das waren sie" erwiderte Meran.
"Warum?" fragte An-Taetsin.
Doch Meran antwortete ihm nicht sondern wählte eine Nummer.
Offenbar ging am trotz nächtlicher Stunde jemand dran.
"Doctora da Selena?" erkundigte sich Meran und als seine Gesprächspartnerin das wohl bejahte fuhr er fort: "Meran ab Martiam, entschuldigen Sie die nächtliche Störung, aber ich muss Sie als Supremator Militaris leider darüber in Kenntnis setzen, dass der dringende Verdacht besteht, dass Aguateram in umstürzlerische Aktivitäten mit Waffengewalt verwickelt ist..."
Doctora da Selena erwiderte etwas worauf Meran sagte: "Madomina Praeses⁷, ich weiß, dass sie darauf hingewiesen haben..."
In dem Moment fiel An-Taetsin ein wer die Frau Doktor da Selena war.
Das war die Präsidentin des Defendion do Constitution⁸ von Sore.
"Der DefCon stürmt denen jetzt die Bude" hörte er Meran sagen, "klingt gut in meinen Ohren, viel Erfolg..."
Dann war das Gespräch zu Ende.
"So, ich fahre jetzt ins Büro" erklärte er nun An-Taetsin, "ich wäre dir dankbar wenn du dich fertig machen würdest, in zwei Stunden landet Luciur hier und ich denke er braucht jemanden den er kennt..."
"Natürlich!" erwiderte An-Taetsin.
"Ich schicke dir einen Wagen und einen schriftlichen Befehl" fuhr Meran fort.
"Das wäre hilfreich" bestätigte An-Taetsin.

Fünf Stunden später hatten der DefCon, die Imperiale Polizei und beide Geheimdienst Luciur bereits ausgiebig befragt und ihn dann zu An-Taetsin nach Hause entlassen, wo der, völlig erschöpft, bereits seit einer Stunde schlief.
Fünf Stunden später tagte auch der Sicherheitsrat des Imperion Sorenam in Sore Urbs.
Dort war die Stimmung alles andere als gut.
Die Beschreibungen von Fayur und Luciur was das Schiff angeht waren gut genug um es nach der Durchsuchung der Firmenzentrale von Aguateram als deren Fregatte 'Invisibilitor' zu identifizieren.
"Wer kam eigentlich auf die glorreiche Idee einem privaten Unternehmen den Besitz so eines Schiffes zu genehmigen" tobte die da Selena, "das ist selbst für unser Radar unsichtbar und im Dunkeln der Nacht konnten die so das Weite suchen. Das ist unerhört und muss Konsequenzen haben!"

Aber es kam noch schlimmer.
Sorenische Volvenatores⁵ hatten am Morgen etwa 200km vor der Küste von Sindhurat ein verdächtiges Schiff ausgemacht, auf welches die Beschreibungen der 'Invisibilitor' zutrafen.
Als sie aber tiefer und näher heranfliegen wollten, waren sindhuratische Jagdflieger erschienen und hatten sie abgedrängt.
Sofort hatte man den Botschafter von Sindhurat einbestellt, der Herr ließ aber auf sich warten.

Ebenfalls hatte man das Anwesen von Hernan gestürmt, aber wie zu erwarten war, war der Vogel ausgeflogen und hatte alles in einem so verdächtig 'sauberen' Zustand hinterlassen, dass schnell deutlich wurde, dass mit der Hausdurchsuchung gerechnet worden war.
Zumindest fand man nichts was in Bezug auf die Ziele oder den Aufenthaltsort von Hernan ab Tavolam Aufschluss gab.

Der verhaftete Chef von Aguateram wurde dem Rat vorgeführt.
Doch es stellte sich heraus, dass der auch nichts wusste, als dass Hernan ab Tavolam sich das Schiff und eine Gruppe Söldner für eine Kommandoaktion gemietet hatte. Er, so seine Aussage, war davon ausgegangen, dass es sich um eine verdeckte Operation der Regierung gegen die SSR handelte und Hernan nur als Strohmann diene.
Und das war eine Annahme die alles andere als abwegig war und die man dem Chef auch nicht vorhalten konnte, hatte sich das Imperion Sorenam doch in der Vergangenheit nur allzu gerne Aguaterams bedient für die Drecksarbeiten.

Immer mehr aber kristallisierte sich doch langsam heraus, dass Hernan den Marlur nach Sindhurat, genaugenommen nach Golconda verschleppt hatte – oder zumindest dabei war, das zu tun.

Auch wenn Sindhurat nun eine Republik war und Golconda ein Teilstaat dieser Republik, die Familie der Fürsten von Golconda besaß weiterhin große Macht und Einfluss in Golconda und ganz Sindhurat.
Das aktuelle Familienoberhaupt war Mirbakat Jah, ein direkter Nachfahre des Navabion Mirali von Golconda.
Mirbakat war ein konservativer Mensch, einer der die Republik verachtete und ablehnte und von einer Rückkehr auf den Thron von Golconda träumte oder um es kurz zu machen: Seine Weltsicht stand der von Hernan ab Tavolam an Gestrigkeit und Rückwärts-Gewandheit in keinem Deut nach.
Und das war wohl auch der Punkt über den beide zueinander gefunden hatte.
Denn das Hernan freundschaftliche Beziehungen mit den Jahs von Golconda pflegt, war nach der Hausdurchsuchung bei ihm doch offenbar geworden.

Allerdings wurde es damit nun richtig brenzlig.
Den Falls Hernan Marlur tatsächlich mit Wissen, Hilfe und Duldung von Mirbakat Jah entführt hatte, hatte er eines nicht bedacht, nämlich dir historischen Verbindungen zwischen Mirbakats Familie und dem Divinimperator und Divinuxvir von Sore.

Mit Ierans Gelassenheit war es abrupt vorbei als diese Information aufkam.
"Wenn Sindhurat und vor allem wenn diese Nachfahren von Mirali ihre Finger im Spiel bei der Entführung von Marlur haben" tobte er, "dann erwarten Wir ernsthafte Konsequenzen. Diese Golconda-Hunde habe ich damals ungeschoren davon kommen lassen für dass was sie Unserem Uxvir angetan haben und vielleicht war das ein Fehler! Aber sicher ein Fehler den Sore zu wiederholen Wir mit allen Mitteln zu verhindern gedenken!"
"Aber Vosta Numeen Sublimeen" versuchte Meran ihn zu beruhigen, "die Angevinier haben doch am Ende Mirali gehenkt..."
"...und dann seinen Sohn Golconda als Princely State weiter regieren lassen" schnaubte Ieran, "da sieht man doch, nur eine Ratte hängen reicht nicht aus wenn man es mit Generationen von Ratten zu tun hat!"

So lange auf sich warten gelassen zu haben zahlte sich für den Botschafter von Sindhurat nicht aus, denn nun im Rat einzutrefen war ein denkbar ungünstiger Zeitpunkt.

"Vosta Numeen Sublimeen, Vosta Numeens, Eure Exzellenzen, Ihr habt mich rufen lassen" hob er in geschulter Diplomaten-Höflichkeit an, doch da unterbrach ihn schon Ieran: "Richtig. Weil wir Antworten erwarten. Ein sorenischer Bürger wurde entführt, drei sorenische Bürger dabei getötet und es verdichten sich die Anzeichen, dass der Entführte nach Sindhurat gebracht wird und das mit Wissen oder gar der Unterstützung der Regierung Ihres Landes!"
"Darüber ist mir nichts bekannt, Vosta Numeen Sublimeen" erwiderte der Botschafter routiniert.
"Die Tatsache, dass Sie mehr als zwei Stunden gebraucht haben um Unserer Vorladung Folge zu leisten wie auch die Tatsache, dass die Streitkräfte ihres Landes die Inspektion eines verdächtigen Schiffes durch unsere Einsatzkräfte aktiv verhindert haben sprechen da eine andere Sprache!" hielt im Ieran vor.
"Was möchtet Ihr damit andeuten?" erkundigte sich der Botschafter nun in einem leicht indignierten Ton.
"Dass Wir Ihnen vorschlagen, dass sich sich informieren und mit den zuständigen Stellen Ihres Landes in Verbindung setzen und Uns dann Bericht erstatten wenn Sie informiert sind!" hielt ihm Ieran nun in einem latent ungehaltenen Ton vor.
"Ich verwahre mich gegen den Vorwurf ich würde Euch hier hinhalten" empörte sich der Botschafter nun.
"Das interessiert hier niemanden" fuhr Ieran ihn nun an, "sehen Sie zu, dass Sie dieses Mal keine zwei Stunden brauchen.
Denn eines versichern Wir Ihnen, sollte sich bewahrheiten, dass die Familie Jah von Golconda da ihre Finger im Spiel hat, dann wird Unsere Geduld mit denen nach 300 Jahren schneller zu Ende sein als Sie sich vorzustellen vermögen.
Und dieses Mal werden Wir das Aufräumen in Golconda ganz sicher nicht den Angeviniern überlassen!"
"Soll meine Regierung das als eine Drohung auffassen?" erkundigte sich der Botschafter nun pikiert.
"Wenn das Ihrer Regierung hilft in der Angelegenheit zu kooperieren, dann darf sie das gerne als Drohung auffassen" erwiderte Ieran kühl.
Hilfesuchend schaute der Botschafter nun zu den Anderen im Sicherheitsrat.
Die Ministerpräsidentin erbarmte sich schließlich seiner und bemerkte: "Sie haben Eius Numeen Sublimeen gehört, dem ist seitens meiner Regierung wenig hinzuzufügen. Wir erwarten die volle Kooperation Sindhurats. Sollte sich der entführte Bürger Sores auf dem Boden Sindhurats festgehalten werden erwarten wir die umgehende Befreiung desselben samt Überstellung an Sore ebenso wie wir die Festnahme und Auslieferung aller in diesem Fall Tatverdächtiger erwarten, seien sie nun Sorener oder Sindhurati.
Im Moment spielt ihre Regierung aus unserer Sicht mit dem Feuer und wir können nur eindringlich vor den Konsequenzen die sich daraus ergeben können und werden warnen!"
Darauf wusste der Botschafter nichts zu erwidern worauf ihm Ieran barsch bedeutete: "Sie sind vorerst entlassen, Sie können dann jetzt gehen."

Kaum hatte der Botschafter den Saal verlassen übte die Ministerpräsidentin aber Kritik am Divinimperator: "Vosta Numeen Sublimeen, ich bitte Euch bei allem Verständnis für Euren Groll davon abzusehen ohne vorherige Absprache mit meiner Regierung mit Krieg zu drohen."
Natürlich wusste auch Ieran, dass die Zeiten wo er alleine über Krieg und Frieden entschieden konnte, vorbei waren.
Nicht aber waren die Zeiten vorbei wo er die öffentliche Meinung beeinflussen konnte.
So murmelte er eine laue Entschuldigung, worauf der imperiale Sicherheitsrat eine Pause einlegte.
Im allgemeinen Aufbruch schlenderte nun Ieran zu Trevastan und sprach diesen an: "Wenn Sindhurat nicht kooperiert, wird es eine Lektion geben, ob mit oder ohne diese Regierung. Wenn du die Güte hättest samt Isador zur Cena⁹ bei An-Anadur und mir zu erscheinen. Ich denke wir sollten uns ein wenig um die öffentliche Meinung kümmern..."
"Sehr gerne!" erwiderte Trevastan und schickte sofort Isador eine Nachricht.
Dann ging Ieran zu Meran und lud auch ihn ein: "Wenn du und An-Taetsin Zeit fänden mich und An-Anadur zur Cena⁹ zu beehren, ich denke wir sollten ein wenig über unsere öffentliche Haltung zu den jüngsten Ereignissen reden....
...ach, und bringt ruhig diesen Luciur mit..."
"Ich denke ich werde dafür Zeit finden müssen und wollen" erwiderte ihm Meran.
"Nun dann, sehen wir uns gegen eins bei uns...." verabschiedete sich Ieran.

Daheim im Domus Aureus traf Ieran dann auf An-Anadur.
Und anders als sonst, war der dieses Mal nicht derjenige, dessen Besonnenheit Ieran mäßigte oder der dessen Haltung geschickt hinterfragte und so ausbalancierte.
Denn mit den Jahs von Golconda hatte An-Anadur eine eigene Geschichte und ja, auch An-Anadur konnte nachtragend sein.
Und wenn sich jetzt die Nachfahren von Mirali mit einem der führenden Köpfe des politischen Gegners in Sore zusammengetan hatte um die Gleichberechtigung der Uxvirs nicht nur in Frage zu stellen sondern sogar mit Gewalt zu torpedieren – und so sah An-Anadur die Entführung von Marlur – dann war es auch bei An-Anadur vorbei mit Mäßigung und Zurückhaltung.

¹Urwald
²Straßenwache, Verkehrspolizei
³Funkgerät
⁴Hubschrauber
⁵Jagdflieger
⁶ständige Verbindung, Standleitung
⁷Frau Präsidentin
⁸Verfassungsschutz
⁹Mittagessen


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