#138 Dunkle Aura

Wo er schon einmal in Angeviniana war, hatte Trevor Simur dann auch gleich als Deputy King von New Lugunia eingesetzt.

Als Simur und Lison nun am Mittag des folgenden Tages erneut nach Plumbie zu Lisons Eltern fuhren – dieses Mal im gepanzerten Salonwagen 'Magellon Ferry' des Deputy King of New Lugunia – ergab sich für Simur aus diesem Umstand eine verwirrende Vielfalt an Höflichkeitsformen in der Ansprache die ihm zustanden.
Als Archduke gebührte ihm die Anrede mit 'Your High Grace'.
Als Duke die Anrede 'Your Grace' und dann als Deputy King noch 'Your Aweness'
Während bei der Anrede für den Duke noch klar war, dass die für dem Archduke höherrangig und sozusagen inkludiert war, stellte sich die Sache für die Anrede als Deputy King nicht so einfach da.

Zur Lisons große Überraschung hatte sein Vater für dieses Problem sogar eine Lösung gefunden die einigermaßen elegant war.
Fast schon untertänig begrüßte er seinen Schwiegersohn in spe mit "Your high and awe Grace!"¹

Sein jüngster Enkel war da weniger zimperlich. Mit einem begeisterten "Onkel Lison und Onkel Simon!" stürzte er sich förmlich auf die beiden und plapperte gleich weiter: "Ich habe euch im Fernsehen gesehen. Ihr wart sooooo nah am König. Fliegt ihr jetzt auch auf Manian?"
"Hello Gaston" begrüßte ihn Simur liebevoll, "nein, wir bleiben auf Bumia, keine Sorge."
"Wenn ich älter bin will ich auch nach Manian fliegen" verkündete Gaston darauf im Brustton kindlicher Überzeugung.
"Natürlich wirst du das" bekräftigte Lison nun und strich ihm liebevoll über die Haare.
"Wenn Simon jetzt Deputy King ist" machte sich nun auch Brandon bemerkbar, "kann er dann nicht Dad zurückbringen?"
Und brachte damit Simur in eine echte Zwickmühle. Theoretisch hätte er Marcon Wanker wohl begnadigen können, tatsächlich aber hatte Simur das keinesfalls vor.
So war er dankbar als Leona an seiner Stelle antwortete: "Brandon, Schatz, dass hat Onkel Simon nicht zu entscheiden, darüber entscheidet das Gericht."
"Hat Dad denn etwas so Schlimmes getan?" wollte Brandon nun wissen.
Worauf Gaston naseweis bemerkte: "Hat er wohl. Isser ja im Knast!"
"Was ist den das für ein Wort Gaston?" mahnte nun seine Großmutter.
"Haben die in der Schule gesagt. Dad ist im Knast weil er gemein zu Onkel Lison war und das geht nicht weil Onkel Lison nun Deputy Queen wird" verteidigte sich Gaston trotzig.
"Also" mischte sich nun Lison ein, "ich werde nicht Queen sondern, wenn Simur mich heiratet Deputy King Consort und Knast ist kein so schönes Wort. Besser du sagst Gefängnis..."
"Also ist Dad wegen Onkel Lison eingesperrt?" erkundigte sich Brandon nun und bedachte seinen Onkel mit einem mißtrauisch-abweisenden Blick.
"Dein Dad ist eingesperrt weil er etwas gemeines gemacht hat und das dem König nicht gefallen hat" erklärte ihm nun Simur.
Brandon war nicht davon überzeugt, dass nicht doch sein Onkel Lison Schuld war, aber er traute sich nicht Simur zu widersprechen und so schwieg er.

Am späten Nachmittag brachte Simur seinen Lison dann zurück nach New Kingstown wo er ihn höchstselbst in seinem Wohnheim an der Peton-Jellon-Union ablieferte.
Auch um mit seinem Erscheinen sicher zu stellen, dass Lison durch seine Abwesenheit wirklich keine Nachteile entstanden.

****

Stellariur, dieser Fuchs, hatte wenige Stunde nach der Rede von Trevor bereits eine angevinische Version von 'Vol't mei ad Bulan' ausgearbeitet.
Isador allerdings fand es unangemessen den Song nun auch selber auf Angevinisch zu singen, was Stellariur angesichts dessen Ehe mit Trevastan auch nachvollziehen konnte.
Doch klever und geschäftstüchtig wie die beiden waren, fanden sie eine Lösung in Gestalt von Mineon Saley.
Gegen eine nette Gewinnbeteiligung überließen sie ihm die angevinischen Variante des Liedes und so kam es, dass Mineon nicht nur sein Debüt als Sänger hatte sondern mit 'Fly me to the ma'an' sogar einen echten Hit landete.

Nun jedoch befand sich Isador auf dem Weg nach Kingstown-of-the-North, denn in der dortigen Musical-Hall war heute das erste Treffen für die uraufzuführenden Opern der Strepponi angesetzt.
Weswegen Isador auch nicht alleine unterwegs war, sondern mit ihm An-Anadur, das halbe Orchester, der Chor und diverse weitere Künstler des hochkaiserlichen Opernhauses von Sore Stadt in einem gecharterten Flugzeug unterwegs waren.
Trotz des anlaufenen Wettlaufs im All funktionierte die interkulturelle Zusammenarbeit wie geplant und hervorragend.
Nicht zuletzt weil An-Taetsin und Taejo Übereingekommen waren, dass das eine mit dem anderen rein garnichts zu tun hatte.

Da alle fleißig ihre Partitur gelernt hatten, Chöre und Orchester schon seit zwei Wochen probten, lief die erste Durchlaufprobe von 'Los Imperials Diabolans' erstaunlich gut.
Bis zu der Szene, wo die beiden kaiserlichen Teufel sich an Tetrur vergehen.

Isador brillierte gerade als düster-irrer Fedeiur mit:
"Curreret solon! Fleret puer!
Com' gozzatam te'implorar
Per mei!
Igo pensaro facer coda
Con tei in ist nocta
Con tei in ist nocta!
Figero tei cum mio cazzio
Mallo cipro tio osio'?
Ad tuo plorare tei violaro!"²

Dann stimmte Jintsu als Taegur ein: "Uno sberlo in tio culo!³" nur um dann von Isador als Fedeiur in einer Gänsehaut verursachenden Mischung aus Drohung und Spott ergänzt zu werden: "E uno in tio osio'...⁴"
Donnernd unheilsverkündend stimmte der Chor ein mit: "In tio culo un minchio
E uno in tio osio!⁵" und dann bekam An-Taetsin eine Panikattacke.

Natürlich unterbrach man sofort.
Allgemein vermutete man dass die Darbietung des selbst Erlebten bei An-Taetsin einen Flashback ausgelöst.
Zur allgemeinen Erleichterung beruhigte sich An-Taetsin rasch wieder, betonte aber, er habe keinen Flashback gehabt vielmehr habe ihn das "Grauen ganz unerwartet erfasst..."
Darauf konnte sich allerdings keiner einen Reim machen, dann schlug Ivenej vor, dass er mit An-Taetsin für die Wiederholung der Szene besser rausgehen würde.
An-Taetsin hielt das auch für eine gute Idee und so begaben sich alle wieder in Position, kaum dass die Beiden den Saal verlassen hatten.

Erneut begann Isador schauerlich schön mit "Curreret solon! Fleret puer!"

Nachdem der Chor durch war, kam nun Marlur in der Rolle des halbnackten und verängstigten Tetrur drann.

"Gratia, gratia, mio domion!" flehte er, "Gratia, mio domion!
Crudelis malunes
Addos Suo a mei
Comes in ille dies
Non sensoros Suo
Lo dolor mei gravies!

Gratia, gratia, gratia mio domion
Gratia mio domion!

Mallos mei violar
Itapere que Suo neque
Assentiros lu mei malunarun?⁶"

Diejenigen die zuschauten, wie die Regie, waren sehr beeindruckt von Marlurs schauspielerischen Leistungen.
Weit aufgerissene Augen, Gestik wie jemand der immer auf der Hut ist, bebendes Tremolo in der Stimme, er brachte die Panik des Tetrur wahrlich sehr gut herüber.

"O mio consobrinion Tetrur" zitierte nun Jintsu als Taegur aus seiner vorangegangenen Arie, "tuo puer ita formosan..."⁷

Doch dann kam wieder die Reihe an Isador und dessen Fedeiur schien noch noch düster, noch irrer und vor allem viel gefährlicher zu sein als bisher:
"Puersdulci, vil' razza damnatam
Ad cho prezio vendere soi sossa formosia?
Esos nihil per auro non ave
Ver mia volupta ese impagabilis magnam
La volupta!
O tuo puer inermisam
Illa nocta per tei esfe doloram
Nihil in Bumia timieres omnos magi
Come mei, Fedeiur lo Horribilor!
Una porta igo aperiro in tei
Ah!
Omnos esos contro tei
Fleret!
Omnos contro tei!"⁸

Eine wahre Aura des Bösen schien Isador wie eine dunkle Wolke auf der Bühne zu umwabern.
Unheilschwanger ertönte die Zwischenmusik in der ein verängstigter Tetrur alias Marlur über die Bühne hetzte, vergebens nach einem Fluchtweg suchend.

Erneut wechselt die Musik in einen gesetzten Rhythmus, denn nun war wieder Tetrur dran:
"Anto tei o caeilo videreis mei violaram palam!
Eses tristam per mei que tuo faceres mei lo ist fation?"
Urplötzlich jedoch brach Marlurs Stimme und er begann sehr heftig zu weinen.

Sofort lief Jintsu voller Bestürzung zu ihm, doch als Isador es ihm gleich tun wollte, spiegelte sich kurz Entsetzen in Marlus Mimik bevor er ihm in abwehrender Geste seine Hände entgegenstreckte.

Isador bliebt stehen als wäre er gegen eine unsichtbare Wand gelaufen, dann wandte er sich ab und rannte beinahe überstürzt aus dem Saal.

Kaum war Isador außer Sicht schien sich Marlur wieder zu beruhigen.
"Was war denn los?" wollte Jintsu nun wissen.
Zunächst druckste Marlur nur herum doch als Jintsu und dann auch der Regisseur insistierten antwortete er doch: "Ich weiß nicht, es klingt albern, aber ich hatte plötzlich so eine große Angst in mir...."
"Angst vor was?" erkundigte sich Jintsu sofort und der Regisseur ergänzte: "...oder vor wem?"
"Vor Isador..." erklärte Marlur nun und schämte sich sogleich so sehr dafür, dass er garnicht wusste wo er hinsehen sollte.

"Erst schiebt An-Taetsin Panik" resümierte nun Jintsu, "und jetzt du. Das kann unmöglich ein Zufall sein.
"Meinst du?" war Marlur skeptisch.
"Wir sollten An-Taetsin fragen" erwiderte Jintsu, "wenn der sich auch vor Isador gefürchtet hat, dann war es kein Zufall."
"Was sagt denn Isador dazu?" erkundigte sich Marlur nun.
"Der ist weggerannt als sei Lamdusan¹⁰ höchstselbst hinter ihm her" erklärte der Regisseur verwundert.
"Das ist allerdings ein wenig seltsam" stellte Marlur nun fest, "lasst uns zunächst An-Taetsin suchen und dann Isador.

Nach einigem Suchen fanden sie An-Taetsin mit Ivenej in der Mitarbeiter-Cafeteria.
An-Taetsin schien wieder ziemlich gut drauf und scherzte mit dem jungen Silistrier albern herum.

"Taetae, wir müssen reden" sprach Marlur während er, der Regisseur und Jintsu sich zu ihm setzten.
"Worüber reden?" meinte An-Taetsin etwas irritiert.
"Du bist nicht der Einzige der eine Panikattacke hatte" erklärte ihm daraufhin Jintsu, "Marlur hatte eben auch eine..."
"Oh...." meinte An-Taetsin, wirkte aber nicht übermäßig überrascht.

"Was genau hat dich in Panik versetzt vorhin, Taetae?" befragte ihn nun Marlur.
An-Taetsin überlegte und überlegte, dann antwortete er zögerlich: "Ich weiß, das klingt vielleicht albern... aber... es war Isador..."
"Das klingt weniger albern als du denkst" ermutigte ihn Jintsu weiterzusprechen.
"Isador also..." kam es von Marlur und dann: "Wie?"
"Es war, als würde er eine düstere Wolke aus Bedrohung um sich aufbauen" erzählte An-Taetsin" und dann war es so, als griffe aus der Wolke etwas dunkles, wie eine unsichtbare Hand, nach mir und nahm mir die Luft. Dann bekam ich Panik..."
Kurz war es still dann meinte Marlur: "Ja, so war es bei mir auch, nur dass ich nicht das Gefühl hatte, keine Luft mehr zu bekommen, sondern das Gefühl unendlich alleine zu sein..."

"Aber wie kann das sein?" wunderte sich Jintsu, "ich meine Isador hat das gut geschauspielert, ich fand seine Aura auch eindrucksvoll düster, aber wie kann das euch derart mit Angst überwältigen?"
"Das ist eine gute Frage" erwiderte Marlur darauf.
Doch Ivenej war etwas aufgefallen und vorsichtig meldete er sich zu Wort: "Ihr, du und An-Taetsin sowie Isador, ihr seid die einzigen Uxvirs und/oder Divinobles..."
An-Taetsin warf ihm einen anerkennenden Blick zu: "Gut beobachtet, das ist allerdings richtig..."
"Also ist das so ein Divinobles-Ding?" erkundigte sich Jintsu nun.
"Das wissen wir nicht genau" erwiderte Marlur, "aber es wäre möglich..."

Indessen war Isador in seine Umkleidekabine gerannt, hatte hastig sein Callidcom hervorgekramt, voller Erleichterung festgestellt, dass er hier sogar Netz hatte und mit zitternden Fingern seinen Virion angerufen.

Zu seinem großen Glück ging der sofort drann.
"Es ist schrecklich" begann Isador sofort zu klagen, "mit meinem Pheromonen. Am Anfang fand ich das ja noch toll und lustig... aber jetzt... ich mache ihnen Angst... ich dachte das sei lustig wenn ich damit alle und vor allem dich ein bisschen steuern und manipulieren kann...
...aber ich kann es nicht! ...und sie haben richtig Angst vor mir! Taetae hatte eine richtige Panikattacke und ich bin Schuld! Ich weiß nicht was ich machen soll... ...ich... ...ich beherrsche es nicht....
Bitte komm und hilf mir! ....bitte... ...bitte komm!"
Die letzten Worte weinte er nur noch.

Trevastan verstand zwar nicht genau, was passiert war, dass seinen Sonnenschein derart aufgewühlt und untröstlich betroffen gemacht hatte, doch er spürte instinktiv, dass es etwas schwerwiegendes war, etwas, dass man keinesfalls über das Telefon regeln konnte.

Und so sprach er im beruhigenden Ton: "Alles wird gut mein Sonnenschein. Bleib wo du bist, mach nichts unbedachtes. Ich komme. Ich eile und fliege und bin bald bei dir!"
"Du kommst..." hauchte Isador.
"Ich komme. Ich komme immer wenn mein Uxvir mich braucht" erwiderte Trevastan.
"Dann lege ich jetzt auf und warte auf dich" erklärte Isador.
Und dann legte er tatsächlich auf.

Tatsächlich aber konnte Trevastan nicht einfach so nach Kingstown-of-the-North reisen.
Er brauchte dafür eine Genehmigung der angevinischen Regierung. Oder von Trevor.
Aber er hatte eine Idee.
So wies er sein Büro an ihm unverzüglich eine Verbindung mit dem Büro des Archprince Liang Taejo in Kingstown-of-the-North herzustellen...

.


¹Eure höchsten und ehrfurchtsgebietende Gnaden
²Lauf' nur! Weine Junge!
Wie ergötzlich dein Flehen
Für mich!
Ich überlege was ich mache
Mit dir in dieser Nacht
Mit dir in dieser Nacht!
Spieße (ich) dich mit meinem Schwanz
Will ich lieber deinen Mund?
Bis du jammerst ich dich schände!
³Einen Schwanz in deinen Po.
⁴Und einen in deinen Mund
⁵In deinen Po einem Schwanz
Und einen in deinen Mund
⁶Gnade, Gnade, mein Herr!
Gnade, mein Herr!
Grausame Unheile
Fügt Ihr mir zu
Wie an jenem Tag
Fühlt ihr nicht
Meinen tiefen Schmerz!

Gnade, Gnade, Gnade mein Herr
Gnade mein Herr!

Gefällt Euch mich zu schänden
So sehr, dass Ihr nicht
Verspürt mein Leiden?
⁷O mein Vetter Tetrur, du Junge so schön...
⁸Süße Jungs, abscheulich verdammte Rasse
Zu welchem Preis verkauft euch eure Schönheit?
Nichts seid ihr das man für Gold nicht kaufen kann
Aber mein Vergnügen (mit euch) ist unbezahlbar groß
Das Vergnügen!
O du wehrloser Junge
Jene (Diese) Nacht wird schmerzhaft für dich
Nichts auf Bumia fürchten alle mehr
Als mich, Fedeiur den Furchtbaren!
Ein Tor öffne ich in dich
Ah!
Alle sind gegen dich
Weine!
Alle gegen dich!
⁹Vor dir oh Himmel, siehst du mich geschändet vor aller Augen!
Habe ich dich bekümmert, dass du mir solch Schicksal bescherst?
¹⁰Sorenischer Rachegott

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