#10 An Terastans Tafel

Zu Trevors Überraschung war es nicht Simur, der ihn später weckte, sondern ein ihm völlig fremder Mann, der die Vierzig schon längst überschritten hatte.

Mehr als nur überrascht raffte er die Decke um seinen nackten Körper und starrte den Eindringling mißtrauisch an. Dieser lachte nur still bei seinem Anblick und meinte dann: "Keine Sorge, ich schaue dir nichts weg. Ich bin Doctor Genanzi und ich werde mich um deine Verletzung kümmern und darum, dass du das lästige Ding um deinen Hals loswirst..."
Er ist ein Arzt! soviel verstand Trevor dann doch und er entspannte sich sichtlich.
"Dann setzt dich einmal auf, Trevor!" forderte der Arzt in leutselig auf und obwohl es Trevor wiederstrebte streifte er die Decke ab und setzte sich so wie er war auf die Kante seiner Ruhestätte.
"Zuerst schaue ich mir dein Knie an" erklärte der ihm nun und ging dazu vor ihm auf die Knie, dann begann er den Verband zu entfernen.
Nachdem er sich die Wunde betrachtet hatte, holte er etwas aus seinem Koffer, was Trevor an eine Stabtaschenlampe erinnerte.
Tatsächlich gab dieses Gerät ein bläulich schimmerndes Licht ab mit dem der Mediziner nun seine Wunde beleuchtete.
Auf Trevors mehr als nur verwunderten Blick hin erklärte der ihm nun: "Das ist ein Erael¹, das gebündelte Licht desinfiziert und beschleunigt die Wundheilung."
Nicht das Trevor nur ein Wort davon verstand, aber er nickte wissend während der Mediziner ihm einen neuen Verband anlegte.

Der hantierte nun mit einem dieser Callidcom herum und beeinflusste damit offenbar Trevors Halsband, denn dieses öffnete sich plötzlich und als der Doctor es wegnahm, bemerkte Trevor, dass das kleine blaue Licht erloschen war.

"Ich muss dir jetzt noch einen CiIn unter die Haut spritzen, das wird kurz schmerzen" erklärte der Doctor ihm und griff nach einer ziemlich großen Spritze, welche Trevor kurz einen bangen Blick entlockte, bevor er sich zusammenriß um keine Schwäche zu zeigen.
Da er auch keine Ahnung hatte was dieses CiIn wohl währe, vielleicht eine Impfung, hatte er auch keine Einwände und als der Doctor sagte "Das geht in den Nacken" senkte er folgsam sein Haupt um es dem Arzt einfacher zu machen.
Tatsächlich ziepte es kurz, dann war es auch schon vorbei und der Arzt meinte zu ihm: "Da bleibt eine Zeit lang ein kleiner Knoten, bitte nicht daran kratzen oder reiben!"
"Geht klar, Doc" erwiderte Trevor unbekümmert.
So unbekümmert wie er ist, hat er vermutlich überhaupt keine Ahnung was ein CiIn² ist dachte sich Genanzi bei seinem Anblick und es fühlte sich für ihn nicht so an, als wenn er gerade das Richtige gemacht hatte. Bei Haustieren ja dachte er bitter und strich Trevor wie entschuldigend über dessen Schulter was ihm einen verwirrten Blick von diesem einbrachte.
"Alles gut Trevor" sprach er, "dann verlasse ich dich mal wieder..."
Höflich wie er war erwiderte dieser: "Auf Wiedersehen Doctor Genanzi!"
Der aber sagte nichts mehr sondern verließ mit seinem Koffer und dem abgenommenen Halsband eilig die Kammer.

Zurück blieb ein unschlüssig auf dem Bett sitzender Trevor welcher sich immer mehr wie in einem Zukunftsmärchenfilmen seiner Heimat vorkam. Nur dass hier alles einfach viel, viel verrückter war.

Der hereinkommende Iuliur ließ ihm aber nicht allzu viel Zeit zum Grübeln.
Dessen ziemlich freundliches "Vey³ Trevor!" stand in einem gewissen Kontrast zu seinem gelangweilten Auftritt bei Trevors Ankunft und davon angenehm überrascht machte sich ein Lächeln auf dem Gesicht des Letzteren breit und er erwiderte: "Hej Iuliur...."
"Ich soll dich vorzeigbar für das Cesna⁴ machen" verkündete dieser ihm nun, worauf Trevor ihn überrascht ansah und dann meinte: "Nur du?"
Das brachte Iliur zu einem leisen Kichern bevor er erwiderte: "Ja, kein Simur." Ein Kichern das sich verstärkte als Trevor daraufhin erleichtert ausatmete.
"Du musst ihn verstehen" erklärte er sodann, "für Simur bist du eine Bedrohung all' seiner Zukunftspläne..."
"Aber wieso?" wunderte sich Trevor.
"Er hat Angst, dass Terastan dich erwählt" berichtete Iliur.
"Aber wir kennen uns doch garnicht, wie kann er mich da lieben oder gar erwählen?" hinterfragte Trevor diese Befürchtungen von Simur.
"Du musst noch viel lernen" entgegnete Iliur ihm leise seufzend als wenn das eine Antwort auf seine Fragen gewesen wäre.
Da Trevor nun schwieg schlug Iliur vor: "Lass uns dich doch erstmal ankleiden für den Abend..."

Das was er ihm dann zum Anziehen gab, war allerdings nicht geeignet Trevors Stimmung zu heben oder ihn sich wohler fühlen zu lassen.
Weder die Unterhose bei der sein ganzer Po unbedeckt blieb, noch das weiße Oberteil welches nur aus Stoffstreifen und einem Netz bestand welche hinter seinem Rücken verschnürrt wurden und welches zu Trevors stillen Entsetzen seinen Bauchnaben, seine Brustwarzen und fast seinen gesamten Rücken unbedeckt ließ.
Und schon garnicht der Lendenschurz der mehr enthüllte als er verdeckte oder die knöchelhohen Schuhe aus einem weichen und weißen Material, die vier Armbänder, dieses Mal in silber und ein ebensolches Halsband.
Sein Unbehagen steigerte sich hingegen noch als ihm Iliur seine erst künstlich verwühlten Haare mit einem silbernen Haarband bändigte und ihm dann zwei violette Hyazinthen ins Haar flocht.
Außer einem leise geseufzten "Wie seh ich nur aus" sagte er aber nichts dazu.
Doch Iliur hatte das gehört und machte deswegen am Ende ein Bild mit seinem Callidcom welches er sodann Trevor zeigte.
Trevor konnte nicht abstreiten, dass er äußerst anziehend und durchaus betörend aussah, aber dennoch: "Ich sehe aus wie die männliche Version eines Nummernmädels..."
Iliur wusste was er meinte und er konnte nachvollziehen wie Trevor sich jetzt fühlen musste, aber auch er konnte ihm das nicht ersparen.
"Weißt du" begann er mitfühlend, "als Unfreier hast du da kein Mitspracherecht. Auch wenn ich verstehe, dass du dich entblößt und vorgeführt fühlst, ja womöglich sogar gedemütigt, bedenke, dass dein Status hier nicht besser als der eines Nummernmädels da ist, wo du herstammst..."
"Was habe ich nur getan, dass die Nornir⁵ mich so sehr bestrafen" entfuhr es Trevor daraufhin leicht resigniert.
"Vielleicht ist es keine Strafe sondern eine Prüfung..." entgegnete ihm Iliur auch wenn er sich da keinesfalls sicher war, war es das Aufmunternste was ihm gerade einfiel.
"Nur weil ich einen anderen Mann liebe..." kam es leise von dem Blonden.
"Deine Liebe wird erprobt" vermutete Iliur und kam sich dabei schrecklich vor, denn er wusste genau, dass nicht das Schicksal sondern Terastan das Netz gewebt hatte, in dem sich der jungen Nordenländer nun zu verfangen begann.

"Komm, lass uns gehen" sprach er sodann zu Trevor. Dieser sah sich Iliur an, der in einer enganliegenden Hose aus weißem Leder und einem dunkelblauen Oberteil mit ellbogenlangen Ärmeln vor ihm stand und fragte leicht bitter: "Und du darfst so gehen..."
"Tut mir leid..." seufzte der nur als Antwort und fasste Trevor sanft an dessem Unterarm um ihn vorsichtig aus dem Raum zu schieben.
Der verstand auch mit diesen wenigen Worten, dass Iliur nichts dafür konnte und wenn es an ihm läge, sicherlich anders entschieden hätte.
Was immer dieser Terastan von mir will, ich muss ihm klar machen, dass ich keine Schachfigur in einem seiner blöden Spielchen bin! nahm er sich fest vor.
Er konnte ja nicht wissen, dass für den Dividuxan alle Menschen – und selbst die meisten anderen Divinobles – nur Schachfiguren in seinem Spiel waren.

Aber zunächst blieb ihm nichts anderes übrig als mitzuspielen und so folgte er Iliur durch das Gewirr an Fluren und Treppen bis sie im Speiseraum ankamen.
Wobei der Begriff Speiseraum hier eher die Untertreibung des Tages war, denn der hohe Saal in dem sich Terastans runde Tafel befand, war eindeutig zum Zwecke der Repräsentation und als Ausdruck seiner Macht und seines Vermögens geschaffen worden.

Der Saal war komplett mit Wassermotiven gestaltet. Der Boden aus dunkelblauem Marmor der wie fließendes Wasser wirkte, die Decke gehalten von sandsteinfarbenen Säulen und der hintere Abschluss bildete eine riesige gläserne Wand die gleichzeitig ein Fenster in ein Aquarium bildete, in dem bunte und exotische Fische zu sehen waren, wie sie in den Riffen des Südlichen Ozean vorkamen.

Zu Trevors Ungemach waren er und Iliur die letzten Gäste die an der Tafel noch fehlten.
Terastan war schon da und neben ihm ein weiterer Divinoble der ihm zum Verwechseln ähnlich sah, dazu Simur und noch eine Reihe weiterer Menschen unterschiedlichen Geschlechts und Alters.
Förmlich spürte er jeden Blick auf ihn sich in seine Haut brennen und am Liebsten wäre er im Boden versunken.
Als dann Iliur ihm noch von hinten zuflüsterte: "Du darfst dich erst setzen wenn Terastan dich ausdrücklich dazu auffordert" wurde ihm langsam klar, wie sehr er hier in der Falle saß.

So blieb er mit schamgeröteten Wangen und gesenktem Kopf vor dem Tisch stehen während Iliur an ihm vorbei zu einem der noch freien Plätze ging.
Dabei entging ihm wohl der wütende Blick von Simur als auch der entsetzte von Trevastan auf ihm völlig.
Ja Trevastan, denn um Niemand anderen handelte es sich bei dem zweiten Divinoble der Terastan so verblüffend ähnlich sah.
"Meu amices⁶, setzen wir uns" sprach Letzterer nun und die Geräusche verrieten Trevor, dass die anderen Anwesenden seiner Aufforderung Folge leisteten.
Er aber blieb unbeweglich stehen und sah zu Boden.

Die illustre Runde begann aber sofort sich prächtig zu unterhalten während Bedienstete herbeieilten um erste Getränkewünsche zu erfüllen.
So hörte Trevor wie Iliur seinem Vorgesetzten, also Terastan, berichtete, dass der Doctor ihn erfolgreich markiert habe.
Wieso markiert fragte er sich und dann: Was wohl dieses CiIn wirklich ist?

Am Tisch sitzend wurde für Trevastan der Anblick des demütig dastehenden Trevor langsam unerträglich und so fragte er plötzlich laut: "Möchtest du dich nicht zu uns setzen, Trevor?"
Trevor war davon überrascht, aber sein Instinkt sagte ihm, dass er jeden  der nicht Terastan war, besser ignorieren sollte. So schwieg er und reagierte nicht.
Auch dann nicht als Simur eine abfällige Bemerkung dahingehend machte, was für ein wohldressiertes Hündchen er doch sei.

Erst als er Trevastan erbost zischen hörte: "Das schaue ich mir nicht länger an, entweder du behandelst ihn jetzt mit Anstand oder ich verlasse deine Tafel!"
Trevor konnte kaum ermessen, was Trevastans Drohung in der sorenischen Gesellschaft wirklich bedeutete, aber Terastan konnte es. Und dieser wollte so einen Skandal dann doch besser vermeiden und so sprach er mit kühler Stimme: "Servion, setze er sich zu mir!"

Während er Trevastan wütend sagen hörte: "Er hat auch einen Namen!" setzte sich Trevor in Bewegung und lief, ohne jemanden anzusehen, zu dem einzigen freien Stuhl den er erblickt hatte, dem rechts neben Terastan.
Dort setzte er sich und blickte dann eisern auf das Gedeck vor ihm.
"Er trinkt Irepo⁷?" hörte er dann plötzlich Terastan ihn fragen.
"Ja" antwortete er leise.
"Schau mich an, wenn ich mit ihm spreche und nenne er mich seinen Domion⁸" zischte ihm dieser daraufhin leise zu.
Folgsam hob Trevor nun seinen Kopf und schaute zu Terastan, dessen violetten Augen ihn anfunkelten und dessen Mund sich zu einem leicht spöttisch leicht arrogantem Ausdruck verzogen hatte.
Mit möglichst ausdrucksloser Mimik sprach er sodann hörbar laut: "Ja mein Domion!"
Terastan fing prompt an breit zu grinsen und rief "Bringt ihm ein Glas friqiatischen Irepo" bevor er mit hörbarer Befriedigung Trevor zuraunte: "Siehste, geht doch!"

Kurz darauf wurde diesem ein Glas süßen und schweren roten Weines serviert.
Wovon Trevor allerdings nur verhalten trank, denn er wusste nur zu genau wie schnell ihn diese Art Wein in einen Zustand versetzte, in dem er hier sicher nicht sein wollte.

Als allerdings Trevastan nun ein Gespräch über Isador mit Terastan begann, war Trevor nur zu klar, dass  das für seine Ohren bestimmt war.
So lauschte er ohne eine Miene zu verziehen und erfuhr, dass Isador auf dem Weg der Besserung ist, dass Trevastan ihn unter seinen persönlichen Schutz gestellt hatte und ihm so in Sore alle Möglichkeiten offen stehen würden.
Es war Trevor beinahe ein wenig so, als erzähle Trevastan dies alles nur um ihm zu versichern, dass das Opfer was er zu bringen gezwungen war, nicht vergebens war.
Zumindestens Isador wird hier ein schönes Leben haben, dachte er grimmig.

Dann aber hörte er Terastan gönnerhaft sagen: "Ach, der wird diesen Isador schon vergessen.  Und wenn er sich nicht völlig dumm anstellt wird er eines Tages vielleicht  An-Trevur ab Somia heißen."
Trevor verstand zwar nicht was diese Andeutung aussagen sollte, fragte sich aber trotzig warum er Isador vergessen sollte.

Anders Simur, der verstand die Anspielung von Terastan sehr wohl und es war das Geräusch seines berstenden Weinglases, welches die Stille nach Terastans Aussage zerriß.
Vor Wut hatte er es in seiner Hand zerdrückt und dann die einzelnen Trümmer auf die Tischplatte fallen lassen.
Ruckartig stand er auf und schnaubte empört: "Ich habe es gewusst!" und auch ein tadelndes "Simur!" von Terastan hielt ihn nicht davon ab die Tafel zu verlassen.
Doch als er schon vor der Tür nach draußen verzweifelt zu schluchzen begann hatte Trevor, trotz allem was zuvor zwischen ihnen vorgefallen war, Mitleid.

Dann war es Trevastan der die erneute Stille seit dem Abgang von Simur brach: "Eines Tages, mio Fration⁹, eines Tages wird einer kommen und mit dir und deinem Herzen so grausam spielen wie du mit allen anderen gespielt hast. Und bei Libulan, dann wirst du ihn spüren diesen Schmerz!"
Dieser aber erwiderte nur völlig unbeeindruckt: "Eines Tages wird mein Name in einem Atemzug mit Libulan genannt werden. Denn ich werde Bumia¹⁰ unter mir vereinigen!"
"Bemerkenswert ist allenfalls dein Größenwahn, wieviele Menschen willst du dafür töten?" konterte Trevastan angewidert.
"So viele wie dafür nötig!" kam es daraufhin mit eisiger Stimme von Terastan.
Und in diesem Moment wurde Trevor klar, dass diesem das bitterer Ernst war. Terastan wollte mehr Macht, viel mehr, er wollte die bumiale Alleinherrschaft für Sore. Und die sorenische für sich. Dabei schien es als bräuchte er dafür auch ihn. Nur wofür, das verstand er noch nicht.

¹Laser
²Chip, hier einer der es erlaubt Trevor überall zu lokalisieren.
³entspricht etwa Hi oder Hey
⁴Abendessen, Dinner
⁵sagenhafte Schicksalsgöttinnen des Nordenland
⁶meine Freunde
⁷Wein
⁸Herr, Meister
⁹mein Bruder
¹⁰Bumia, sorenischer Name des Planeten auf dem Sore liegt.

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