Gezwungen zur Flucht

Die Patrouille kam direkt auf uns zu und mit jedem Schritt, den sie weiter auf uns zuschritt, erkannte ich ihre ernsten Gesichter immer mehr. Als vor uns das Psiana und Aquana angekommen waren, überspielten sie den Ernst und wünschten uns mit einem warmen Lächeln einen schönen Morgen. Meine Gefährtin hielt es vor Ungeduld gar nicht mehr aus und statt einen Morgengruß zu erwidern, platzte ihr gleich die Frage über deren Besuch heraus. Ich als Anführer verfiel nicht in Panik und blickte nun neugierig, aber auch mit dem gewissen Ernst zu der Patrouille. "Also?", wollte ich sie dazu bringen, zu berichten, nachdem ich gemerkt hatte, dass es offenbar nicht so leicht war, darüber zu sprechen. Glaziola neben mir zappelte immer nervöser mit ihren Pfoten und auch ihr Gesicht war nun vollständig in Sorgenfalten gelegt. Das Aquana schien dann die richtigen Worte gefunden zu haben: "Ähm... es ist im Wald. Und zwar in westlicher Richtung." "Was ist da?", fiel ihm meine Partnerin ins Wort. Das Psiana meinte: "Es sind Menschen." Bei diesen Worten erhöhte sich mein Puls schlagartig. Ich vermutete: "Sind es Wilderer?" Die Patrouille schüttelte ahnungslos die Schultern. "Wir wissen es nicht genau. Du siehst es dir am besten mal selbst an.", sprach das Wasserpokémon zu mir. Etwas überrascht darüber, dass sie nicht wussten, ob es Wilderer waren, sah ich sie perplex an. Das würde man doch sofort erkennen, ob es Wilderer waren oder nicht. Trotzdem wollte ich mir das selbstverständlich mal genauer unter die Lupe nehmen und war daher bereit, ihnen zu folgen. Glaziola sah mich ängstlich an. "Bitte komm heil zurück.", flehte sie mich an. Ich umarmte ihren schlanken Hals mit meinen beiden Pfoten und lächelte sie an: "Keine Sorge. Mir wird nichts passieren. Und mach dir auch keine Gedanken um die Menschen. Kein Problem ist unlösbar. Beginn doch in der Zwischenzeit schon mal mit der Arbeit." Zum Abschied gab ich ihr noch einen Kuss, ehe ich dann mit der Patrouille mit einem leichten Unbehagen das Feld in Richtung Wald verließ.

Das Psiana und Aquana führten mich wie bereits angekündigt in den Wald und gingen anschließend nach Westen. Beim Gehen sah ich immer wieder zum Feld zurück, welches unter der Sonne golden erschien. Bis jetzt war der Tag so perfekt gewesen. Aber es war offenbar zu perfekt gewesen. Still wanderten wir durch den schattigen Wald, der mit sanften Flugpokémon-Gezwitscher und einer angenehmen Brise eine sehr friedliche Atmosphäre schaffte. Wie trügerisch das doch war. Da mir noch keine genaue Vorstellung blühte, wie ernst die Lage wirklich war, durchbrach ich das Schweigen und fragte nach ihrer Einschätzung. Das Aquana redete nicht um den heißen Brei herum und verkündete ihre ehrliche Meinung: "Nun, wir wissen zwar noch nicht, was die Menschen vorhaben oder ob sie Pokémon überhaupt jagen, aber dafür sind es ziemlich viele und sie haben auch komische Geräte dabei, mit denen sie die Bäume fällen." Seine Aussage verwirrte mich nur noch mehr. Es war ja tatsächlich nicht das erste Mal, dass wir mit Menschen als Wilderer zu tun hatten, aber Wilderer, die Bäume fällen? Das war mal was Neues. "Und warum machen sie das? Oder wie viele wollen sie denn fällen?", waren meine nächsten Fragen. Darauf konnten sie mir jedoch keine Antwort geben. Das würden wir wohl noch herausfinden müssen. Für das Erste war ich auf jeden Fall beruhigt, denn wenn sie es nur auf Bäume abgesehen haben, waren wir vorerst nicht in Gefahr. Dennoch beunruhigte es mich, nicht genau zu wissen, was die Menschen vorhatten.

Wir wanderten bestimmt schon einige Minuten durch den stillen Wald, als diese friedliche Ruhe durch ein Surren gestört wurde. Es schien zwar noch weit weg zu sein, aber da ich so ein Geräusch noch nie gehört hatte, wurde ich nervös. Psiana sagte mir: "Das sind die Menschen! Sie fällen wohl wieder einen Baum." Gespannt, was das sollte, beschleunigten wir unsere Schritte. Das Surren wurde mittlerweile zu einem ohrenbetäubenden Rattern, das wirklich kaum auszuhalten war. Wir hatten uns jetzt ziemlich nah an die Menschen herangepirscht - nur noch ein paar Meter trennten uns von ihnen - und beobachteten sie versteckt hinter einem Baum. Gleich eine ganze Gruppe aus sechs Menschen war gerade damit beschäftigt, einen Baum zu fällen. Und sie waren damit nicht die Einzigen. Viele weitere Gruppen taten das selbe an anderen Bäumen. "Für was brauchen die nur so viel Holz?", brachte ich geschockt heraus und fand es einfach nur grässlich, wie sie mit dem Wald umgingen. Ich meinte, auch wir verwendeten Holz für unsere Hütten, doch begnügten wir uns damit, umgekippte Bäume zu verwerten, die einen Sturm nicht überlebt hatten. Dann gab es plötzlich einen lauten Knall und wir erschraken alle zusammen. Nach dem  Schock sahen wir zu den Menschen. Es war ein Baum, der gerade gefällt worden war, was die Menschen zum Jubeln brachte. Darüber konnte ich nur den Kopf schütteln. "Und was denkst du? Droht uns Gefahr?", fragte mich dann Psiana. Ich blickte nochmal zu den Menschen. Wenn ich das nur wüsste. Vermutlich besteht für uns keine Gefahr; sie konnten doch unmöglich den ganzen Wald niedermachen. Wir hörten die Gruppe der Menschen, die soeben den Baum gefällt hatte, miteinander reden: "Nur noch wenige Bäume bleiben übrig und die harte Arbeit ist zu Ende.", "Ja, dann sind es wirklich genug." Erleichtert blickte ich zu Psiana und Aquana. Offenbar war wirklich alles in Ordnung. Wir wollten schon den Rückweg antreten, als die Unterhaltung weiterging: "Genau, dann fängt erst der spaßige Teil an.", "Sobald wir nämlich die Bäume nahe der Stadt gefällt haben, können wir die viel schnellere Methode anwenden.", "Dann brennen wir alles bis zum Fluss nieder einschließlich der flachen Wiesen und Felder.", "Immerhin wächst ja die Stadt und braucht mehr Wohnraum.", "Meinst du aber nicht, dass die Pokémon im Wald dann ihren Wohnraum verlieren?", "Hey, willst du ernsthaft sagen, dass der Lebensraum von Pokémon wichtiger als der von Menschen ist?", "Du hast Recht. Kommt, machen wir weiter."

Fassungslos starrte ich die Menschen bei dieser Unterhaltung an. Hatte ich vor einer Minute noch gedacht, alles wäre in Ordnung, so kamen meine Sorgen noch schlimmer in Bruchteilen einer Millisekunde zurück und ließen meine Pfoten ganz wackelig werden. Alles bis zum Fluss wollten sie zerstören. Mehr musste ich nicht wissen, um meinen Albtraum wahr werden zu lassen. Sie waren eine Gefahr. Definitiv! Schon ein paar Mal mussten wir unser Land vor wütenden Pokémon oder jagenden Wilderern verteidigen. Aber gegen ein Feuer? Noch dazu stand offenbar eine ganze Stadt hinter dem Vorhaben, sodass wir unmöglich etwas dagegen ausrichten konnten. Oder doch? Auch Psiana und Aquana fehlten mittlerweile jegliche Worte. Die Bedrohung war nicht gegen uns als Pokémon gerichtet, sondern sie wollten unser Land. Das Land, in welchem wir alle - bis auf die Blitza - aufgewachsen waren, welches unsere Heimat und unser Zuhause war. In welchem schon unsere Vorfahren gelebt hatten und wie wir das Feld bewirtschaftet hatten. Kampflos würden wir unser Land nicht den habgierigen Menschen überlassen. Wut stieg in mir auf, was den anderen nicht verborgen blieb. "Was sollen wir tun?", fragten beide Evolitionen ratlos. So sehr ich diese Menschen hasste und so sehr ich unsere Heimat liebte, eigentlich war es keine Frage, ob wir was dagegen unternehmen würden, jedoch war mir auch nicht nur die Sicherheit unseres Territoriums sondern auch die unserer Rudelmitglieder wichtig. Würden wir die Menschen in die Flucht schlagen können? Ich war mir nicht sicher. Vor allem hatten wir zu wenig Wasserpokémon, um einen großen Waldbrand zu löschen. Das Überlegen eines Planes gegen diese Monster bereitete mir Kopfschmerzen. Egal, was ich mir einfallen lassen würde, ich musste mich unbedingt mit den anderen absprechen.

Plötzlich hörte ich einen Menschen rufen: "Hey, da sind ja drei Pokémon." Wir zuckten zusammen und waren bereit, jede Sekunde davon zu laufen. Dennoch taten wir es nicht, um zu sehen, wie sie mit Pokémon umgehen würden, was für den Fall, dass wir sie angreifen würden, sicherlich vorteilhaft wäre, zu wissen. Ein Mensch fragte zu den anderen ängstlich: "Sollen wir die Wilderer rufen?" Ein anderer Mann blieb gelassen und sah uns gleichgültig an: "Nein, sie würden es zu dritt nicht wagen. Aber sei unbesorgt, sollten sie es tun, wären in null-komma-nichts Wilderer da, die den Pokémon kräftig den Marsch blasen würden." Der ängstliche Mann fragte daraufhin: "Und was, wenn sie mit einem ganzen Rudel angreifen würden?" Der andere Mann setzte ein fieses Lächeln auf und blickte genau in meine Augen: "Dann würden die Wilderer mit einem pokémontödlichem Gift anrücken, wo sie dann elendig verrecken." Der Mann sprach dann direkt an uns gewandt: "Also macht einen Abgang, ihr dummen Wesen, solange ihr noch die Chance dazu habt." Ängstlich und verstört von diesen Worten liefen wir davon.

Diese ekligen Worte des Mannes stellten mir beim Laufen alle Fellhaare auf. Er verachtete uns Pokémon und offenbar waren wohl alle Menschen seiner Meinung, da ihm niemand widersprach. Wie konnte eine ganze Stadt hinter diesem Vorhaben stehen? Es war sowieso egal, wie sehr uns die Menschen hassten. Sie wollten unser Land und wir mussten wohl... Ich konnte diesen Gedanken nicht zu Ende bringen. Es schmerzte zu sehr. Unsere lange Tradition, die schon mehrere Generationen erfasst hatte, wurde von diesen Naturzerstörern vernichtet. Als wir weit genug weggelaufen waren, bremsten wir wieder ab. Keiner von uns sah dem anderen in die Augen; zu sehr hallten die grauenvollen Worte des Menschen in unseren Köpfen. Außerdem wusste spätestens jetzt jeder, wie groß unsere Chancen waren, unser Gebiet zu beschützen. Darüber brauchten wir also nicht reden, weswegen wir in Stille zurückgingen. Das laute Rattern der Werkzeuge verstummte immer mehr und machte den natürlichen friedlichen Geräuschen wie dem Zwitschern Platz. Doch nicht einmal das erheiterte unsere Gemüter. Unsere Gedanken waren zu dunkel, um irgendeine Form von Fröhlichkeit zu empfinden. Und ich als Anführer hatte dann auch noch die Ehre, alle über diese... diese Katastrophe zu informieren. Es war schrecklich.

Die Sonne schien wieder auf mein Fell. Genau wie am Morgen. Doch es fühlte sich ganz anders an. Dachte ich morgens noch, heute würde ein grandioser Tag werden, so war es geradezu ironisch, das angenommen zu haben. So schlimm hatte ich mich noch nie gefühlt. Die Sonne mit ihrer warmen Strahlung perlte genauso an mir ab, wie die Nähe meiner Gefährtin. Ja, ich stand alleine vor ihr; Psiana und Aquana waren wieder auf Patrouille unterwegs, was ziemlich lächerlich angesichts der Umstände war. Glaziola schien sich zu freuen, dass ich wieder gesund bei ihr war, doch auch sie stellte schnell fest, dass ich nur körperlich zufrieden war. Sie sah mir panisch in die Augen: "Was hast du gesehen?" Mein Blick fiel hinter ihr, wo die anderen Evolitionen fleißig ihrer Arbeit nachgingen. Bei diesem Anblick konnte ich es nicht verhindern, dass mir die Tränen kamen. Schon bald würde die Arbeit hier Geschichte sein. Meine Partnerin war geschockt von meinem Gefühlsausbruch, da ich noch nie zuvor solche negativen Empfindungen nach außen habe dringen lassen. Sie umarmte mich mit ihren kalten Pfoten, doch nicht einmal die spürte ich richtig auf meinem sonst so kälteempfindlichen Fell. "Bitte sag doch was, Folipurba!", hörte ich sie laut vor Angst, was mit mir los war, rufen. Ich versuchte meine Trauer zu unterdrücken; schließlich sollten die anderen nicht gleich alle zu mir starren. Als ich einigermaßen wieder gefasst war, sagte ich: "Es ist schrecklich." "Müssen wir etwa kämpfen?", brachte Glaziola nervös heraus. Über ihre Worte konnte ich nur schmunzeln. Sie bemerkte das. "Nein?", fragte sie mich stirnrunzelnd. Ich wurde vor Wut etwas laut und entgegnete: "Das bringt doch alles nichts! Wir sind verloren!" Meiner Partnerin stockte der Atem. Mit dieser Aussage hatte sie nicht gerechnet und blieb erstmal stumm. Diese Erkenntnisse waren tatsächlich schwer zu verdauen; ich fühlte mich ja immer noch wie in einem Albtraum. Einer der viel zu real war. Das Eispokémon stammelte: "Aber wir können doch nicht..." "Wir müssen, Liebling.", unterbrach ich sie und streichelte sanft über ihre Wange. Uns blieb keine Wahl. "Sagen wir es gleich den anderen?", wollte der Polarfuchs nun wissen. Doch ich schüttelte den Kopf. Wir würden unseren normalen Tagesablauf beibehalten; die Menschen würden ja eh nicht sofort das Feuer legen. Wir würden es wie immer machen und am Abend beim großen Essen darüber bereden. Der Abend würde schmerzhaft genug werden; sollten die anderen doch noch einen schönen Tag bis dahin haben. Es würde ihr letzter auf diesem Feld werden. So tat ich es den anderen gleich und arbeitete, war jedoch geistig abwesend.

Das Licht wurde immer schwächer und die Sonne färbte sich rot. Ein schöner Anblick, der für uns alle auf dem Feld Erleichterung bedeutete, da es unseren Feierabend einläutete. Glücklich spazierten die Evolitionen zu unserem Platz vor den Hütten. Auch die Neuankömmlinge sah ich verschwitzt neben Nachtara hertraben, konnte jedoch auch bei ihnen die Vorfreude auf das Essen in ihren Augen erkennen. Wie wohl alle auf die kommende Nachricht reagieren werden? Was fragte ich da bloß. Sie werden doch alle wie ich am Boden zerstört sein. Alles, was wir hier aufgebaut hatten, sollte schon bald Geschichte sein. Ich tat mich schwer, den Gang zu den anderen zu bestreiten. Glücklicherweise hatte ich Glaziola an meiner Seite, die es erträglicher machte und mir Kraft gab, die kommende Nachricht zu beichten.

Wir betraten den Platz, wo alle schon fleißig dabei waren, in der Mitte des Platzes auf größeren Blättern das Essen zu platzieren. Auch das Blitza-Paar half mit. Alle waren überaus glücklich, was Glaziola und mich stark von den anderen in dieser Szene unterschied. Natürlich fielen wir sofort auf. Dem Nachtara, was sich gerade mit den Blitza unterhielt, blieben, als es uns sah, die Wörter im Mund stecken. "Was ist denn mit euch los? Sagt nicht, ihr seid nicht froh, dass die Arbeit zu Ende ist.", sprach er verwirrt. Auch die anderen, die sich mittlerweile um den mit Essen gedeckten Platz sitzend versammelt hatten, sahen uns irritiert an. Bevor ich zu reden beginnen wollte, flüsterte ich meiner Partnerin zu: "Hol die Nachtpatrouille. Auch sie soll davon erfahren." Sie nickte und verschwand in der Abenddämmerung, bis sie dann nach kurzer Zeit wieder kam. Das Nachtara und Flamara sahen mich ebenso irritiert an wie der Rest. "Was ist los? Sollten wir heute nicht die Ankunft unserer Neuankömmlinge feiern?", hörte ich einen sprechen. Ich sah in ihre Augen und traute mich beinahe nicht, von dieser Sache zu erzählen. Aber da keine Wahl blieb, erhob ich nun meine Stimme und fing zunächst mit dem Positiven an: "Also, natürlich heiße ich die beiden Blitza nun offiziell willkommen." Ein Jubel brach aus, den ich leider jetzt im Keim ersticken musste. Mein Gesichtsausdruck wurde wieder ernst: "Es gibt jedoch noch eine andere Sache, die zu uns gestoßen ist. Ein großes Problem." Unruhe breitete sich aus. Alle Augenpaare waren gespannt auf mich gerichtet und es war unheimlich still geworden. Da ich deren Aufmerksamkeit jetzt sicher hatte, berichtete ich ihnen von den Vorgängen, die nicht unweit von uns im Wald stattfanden. Als ich ihnen alles erzählt hatte, blieb alles ganz genau wie vor meiner Rede still. Man konnte fast meinen, sie hätten mir nicht zugehört. In Wahrheit wusste ich jedoch, dass sie es sehr wohl taten. Nur fühlte es sich wohl irreal an. Möglicherweise glaubten sie nicht, dass unser Leben sich ab dem heutigen Tag grundlegend ändern würde. Sie alle waren wie ich geschockt und fassungslos. Nachtara war der erste, der etwas zu sagen hatte: "Gibt es keine Möglichkeit etwas dagegen zu tun? Es wär ja nicht das erste Mal, dass wir angegriffen werden." Weitere Stimmen wurden laut: "Genau! Wir haben vor einigen Jahren schon mal gegen Menschen gekämpft. Wieso sollten wir das nicht wieder hinbekommen?" Das Aquana von der Patrouille berichtete von unserem "Gespräch", das wir mit einem Menschen geführt hatten. Ich selbst hatte es verschwiegen. Die Worte des Mannes ließen mich immer noch nicht in Ruhe. Jeder, der jetzt noch geglaubt hatte, wir könnten gegen die Menschen etwas tun, war, wenn er es immer noch glaubte, wahnsinnig oder lebensmüde. Und tatsächlich; keiner wagte es mehr nach Aquanas Worten an einen Plan zu denken, wie wir die Menschen verjagen könnten. Wir waren machtlos. Ein Feelinara äußerte sich nun: "Aber was sollen wir dann tun? Etwa das Feld aufgeben? Bald ist doch Erntezeit!" Psiana sprach aus, was jeder wusste, sich aber niemand eingestehen wollte: "Wir müssen den Ort verlassen und umziehen." Das Entsetzen war riesig, schließlich kannten wir keinen anderen Ort. Zudem waren dann die ganzen Mühen, die ganze Arbeit, die wir seit dem Winter in das Feld gesteckt hatten, vergebens. Während manche anfingen zu weinen, packte andere die Wut. Keiner konnte akzeptieren, dass wir unsere Heimat kampflos aufgeben mussten. Doch was nützte es, eine lange Tradition zu wahren, wenn am Ende des Kampfes keiner mehr übrig war, der sie fortführen konnte? Wir mussten zuallererst auf uns selbst schauen. Viele Evoli hatten wir groß zu ziehen und durften deren Zukunft nicht aufs Spiel setzen, indem wir ein Himmelfahrtskommando zu den Menschen schickten. Auch die Blitza, die noch nicht wirklich lange bei uns waren und unseren Schmerz gar nicht nachempfinden konnten, fühlten sich dennoch miserabel. Das männliche meinte: "Wir sind noch nicht lange bei euch, doch fühlen wir uns schon nach einem Tag hier wie zuhause. Ihr ward alle so nett zu uns und wir waren wirklich froh, endlich einen Platz auf dieser Welt gefunden zu haben, der den Namen Zuhause verdient. Es tut uns wirklich leid, dass der Tag unserer Ankunft so ein großes Unheil über euer friedliches Landleben gebracht hat." Das Nachtara winkte ab: "So ein Quatsch. Ihr könnt am allerwenigsten dafür. Es ist einfach ein blöder Zufall." Da uns für eine Flucht nicht viel Zeit bleiben wird, wollte ich den Fokus wieder auf unsere Zukunft lenken. Schließlich würde unser Leben nicht enden. Ich meinte: "Morgen werden einige Suchtrupps losgeschickt werden, die nach einem geeigneten neuen Zuhause Ausschau halten werden. Es bringt nämlich nichts gemeinsam mit unseren jungen Evoli ziellos durch die Wildnis zu reisen. Wir werden auch einiges an Proviant mitnehmen, um unser neues Leben aufzubauen." Da alles für das Erste geklärt war, konnte unser gemeinsames Essen beginnen. Allerdings durfte es wenig verwundern, dass einigen der Appetit abhanden gekommen war. Hatte ich in der Früh noch gedacht, wir würden gespannt den abenteuerlichen Geschichten der Blitza am Abend lauschen dürfen, so blieb es doch ziemlich ruhig. Es tat mir leid, dass die Blitza keine große Willkommensfeier bekamen, doch auch sie konnten es bei dieser Lage verschmerzen. Still mampften wir.

Die Sonne war mittlerweile verschwunden und obwohl wir normalerweise bis tief in die Nacht hier zusammen waren, so war es heute anders. Schnell hatten sich alle in ihre Hütten zurückgezogen und mussten unseren Beschluss, die Gegend und unser ganzes Leben hinter uns zu lassen, verdauen. Am Schluss saßen Glaziola und ich alleine da, beschäftigt damit, uns anzuschweigen. Auch wir machten uns dann auf den Weg zu unserer Hütte, um zu schlafen. Zugegeben; keiner konnte einfach so einschlafen. Nicht heute. "Was würden wohl unsere Vorfahren dazu sagen? Auch sie haben unser Land gegen alles und jeden verteidigt.", sprach ich zu mir selbst, wohlwissend dass Glaziola mithörte. Sie schmiegte sich an mich. "Du entscheidest dich für das Richtige. Mit so einer Gefahr hatten wir noch nie zu tun.", versuchte sie mich zu trösten. Aber war das wirklich ein Argument, dass die Gefahr neu war? Unsere Vorfahren hatten es laut unseren Geschichten einmal mit finsteren Geistpokémon zu tun gehabt. Auch dies war damals eine neue Art der Bedrohung, mit der sie jedoch fertig geworden waren. Wir hingegen zogen sofort unsere Schwänze ein. Ob wir es nicht wenigstens einmal versuchen sollten? Wenn wir einfach so aufgeben würden, waren alle bisherigen Kämpfe umsonst. Doch immer wieder, wenn ich mir einredete, wir sollten unser Land verteidigen, kamen mir die schrecklichen Worte des Menschen in den Sinn. Nein, wir waren zu schwach. Aus der Sicht der Menschen hatten wir keine Daseinsberechtigung. Wir waren dumme Viecher. Seine Worte kränkten mich. Wie sehr ich es mir auch wünschte, es diesem Barbaren zu zeigen, ich konnte es nicht. Wir mussten uns in unser Schicksal fügen, wenn uns das Leben etwas wert war. Es war unfair! Wir lebten hier so ein friedliches Leben im Einklang mit der Natur. Ob wir es jemals wieder so schön haben würden? Wie als ob Glaziola meine Gedanken lesen konnte, sprach sie mit Zuversicht in ihrer Stimme: "Komm, setz dich zu mir ins Stroh und hör auf, dir den Kopf zu zerbrechen. Wir werden zu hundert Prozent eine neue Heimat finden. Wir werden ein neues Feld finden und unsere Tradition weiterführen. Und nur darauf kommt es an. Nicht auf unseren Wald und das Feld. Nein, es ist unsere Lebensphilosophie, die die Tradition am Leben erhält und nicht der Ort. Er ist austauschbar." Sie lächelte mich warm an. Jeden Tag aufs Neue verliebte ich mich in sie. Sie brachte mich so häufig zum Lächeln; selbst in dieser dunklen Zeit. Ich küsste sie und kuschelte mich an sie. So warm, wie mich ihre Liebe wärmte, konnte sie als Eispokémon nicht kalt sein, weswegen ich gerne mit ihr im Stroh kuschelte und mich auch anderweitig mit ihr darin vergnügte. Heute hatte ich allerdings wenig Lust dazu, sodass ich einfach versuchte, nicht an den heutigen Tag zu denken, sondern optimistisch nach vorne zu blicken. Als Anführer musste ich auch in gewisser Weise mutig vorangehen. Wie Glaziola schon festgestellt hatte; die Welt war groß und auch oft unfair. Jedoch war sie groß genug, sodass auch wir einen neuen Ort finden würden. Schließlich schlief ich auch ein.

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