~ 21.6 ~

[Hinweis: Dieses Kapitel enthält zum Teil Inhalte, auf die manche Leser sensibel reagieren könnten]

Keuchend schlug der Junge die verklebten Augenlider auf und erbrach sogleich abermals eine beträchtliche Menge Wasser, welches ebenfalls die blutigen Klumpen, die sich in seinen Mundwinkeln gebildet hatten, lautstark auf dem metallenen Tisch sowie dem kalten Steinboden verteilten.

Rasselnd schnappte Jeongguk sogleich nach Luft, doch sein Rachen war anscheinend noch immer so gereizt, dass er nicht umhin kam, weiter jämmerliche Würgegeräusche von sich zu geben.

Still betrachtete der Vater das Schauspiel, welches sich ihm bot mit einem amüsierten Lächeln auf den schmalen Lippen.

Sogleich trat er erneut an den aufgebahrten Leib seines einzigen Sohnes heran. „Na, gut geschlafen?" Sein Mund kräuselte sich beinahe unnatürlich, ehe er auch schon seine weißen Zähne entblößte. „Diesmal wollen wir aber lieber wach bleiben, sonst gibt es das nächste Mal etwas Schlimmeres als das bisschen Wasser."

Rastlos flackerten die schweren Lider des Jungen, der grelle Deckenstrahler verhinderte, dass er seinen Vater direkt ansehen konnte, seine Silhouette jedoch war zu einem scharfen Schattenriss verkommen, strahlend Weiß umrandeten die blendenden Strahlen den tiefschwarzen Korpus der sich vor ihm aufbauenden Gestalt und ließen die Fantasie des bald Neunjährigen vollends entgleisen.

Erneut war der Junge allein.
Mutterseelenallein.

Die grauenvollen Geräusche, die ihn bereits zuvor so qualvoll niedergestreckt hatten, begannen erneut an Macht über ihn zu gewinnen, für einige quälende Sekunden, die sich für den Jungen anfühlten, als wäre es ihre eigene kleine Ewigkeit gewesen, waren es lediglich die Schritte und das monotone, kalte Tröpfeln des Wassers, welches ihm in den Augen brannte, in kleinen Bächen aus seinen feuchten Haaren rann, sich auf dem glänzenden Metall verteilte und schließlich in dicken, glitzernden Tropfen die alte Bahre hinuntertropfte, das sämtliches Denken einzunehmen schien.

Dies waren die einzigen Geräusche, die das Bewusstsein des Jungen kaperten und sogleich in Beschlag nahmen, es waren auch immer noch die einzigen Geräusche, die Jeongguk vernahm, als sein Vater ihm die gebogene Klinge, die er weiterhin in seiner Hand fest umklammert hielt, sodass seine Fingerknöchel bereits weiß hervortraten, mit einem gekonnten Hieb tief in die Eingeweide seines Sohnes rammte, direkt unterhalb der Lunge, vorbei an Leber, Nieren und Milz, ehe er das Folterinstrument, welches in seinem Einsatz gerade nicht mehr diente, als unerträgliche, unbändige Schmerzen zu bereiten, ganz langsam zu drehen begann, währenddessen konnte der Mann genüsslich beobachten, wie mit einem Schlag jegliche Farbe aus dem Gesicht des Jungen entwich und sich die abgenutzte, feuchte Oberfläche langsam aber sicher mit neuem dickflüssigen Blut, welches tonlos aus der gezackten Einstichstelle quoll, füllte, Jeongguks spärlichen letzten Rest Kleidung, welche mittlerweile eher zerrissenen Lumpen glichen, tränkte, ehe es sich schließlich klanglos mit der spiegelnden Pfütze verband und innerhalb weniger Sekunden die gesamte Bahre in einem verwaschenen hellen Rot erstrahlen ließ, welche eifrig das künstliche Licht des grellen Deckenleuchters brach.

„Ji-Woo.", murmelte der Junge tonlos, doch erneut verließ nichts außer frischem Blut seinen Mund, krampfhaft wurde er erneut von einer grässlichen Hustenattacke geschüttelt, doch der altbekannte Druck auf seiner Brust blieb aus.

„Sehr gut.", murmelte sein Vater lediglich abwesend. „Dann können wir die Intensität ja jetzt etwas erhöhen." Sein Grinsen wurde breiter.

Direkt unter einen der großen Brustmuskel schob er das abgewetzte Metall, quälend langsam glitt er mit dem Messer aus rostfreiem Stahl, welches sonst zum Häuten von Jagdwild verwendet wurde, unter das Muskelgewebe, der winzige Widerhaken an der anderen Seite der Klinge drang ebenfalls schmerzhaft in das verletzliche Gewebe, und schickte beinahe unkontrollierte Stromstöße durch den bereits erschlafften Leib Jeongguks, sobald er gekonnt einige Spinalnerven, die an der Stelle aus dem Wirbelkanal traten sowie den Nervenstrang, der durchgängig zwischen den Rippen im Interkostalmuskel verlief und von da aus die sensible Haut des Thorax sowie der Bauchmuskeln und der Bauchhaut mit weiteren Nervenbündeln versorgte, streifte und somit zum unkontrollierten Feuern von elektrischen Impulsen anregte.

Tropf, Tropf, Tropf.

Abermals wurde die mittlerweile blutüberströmte Klinge tief in den Körper des sich windenden Jungen gebohrt.

Er war bei vollem Bewusstsein, jedoch hatten seine Gliedmaßen mittlerweile so viel an Kraft verloren, dass er lediglich halbherzig noch auf dem kühlen Chirurgenstahl hin- und herzurutschen vermochte.

Tropf, Tropf, Tropf.

Der brennende Schmerz direkt unterhalb seines Herzens breitete sich rasant aus, bis es sich schließlich anfühlte, als würde der Junge vollkommen in Flammen stehen.

Tropf, Tropf, Tropf.

Er sah das Aufblitzen der blutigen Klinge im grellen Licht der Scheinwerfer.

Er vernahm die schweren Schritte, die der Vater ein jedes Mal langsam und bedächtig um den metallenen Op-Tisch tat, ehe er doch wieder in genau die gleiche Kerbe, die er in der Brust seines Sohnes hinterlassen hatte, hieb und süffisant grinsend beobachtete, wie der erzwungen wache Geist seines Kindes mehr und mehr den Verstand verlor.

Tropf, Tropf, Tropf.

Wie lange müssten sie wohl noch warten?, fragte sich der Mann, als er das Messer abermals hinabsausen ließ. Wie lange müssten sie wohl noch geduldig sein?

Tropf, Tropf, Tropf.

Die Flammen hatten den Körper des Jungen mittlerweile vollständig verbrannt.

Lediglich die verkohlten Überreste waren noch vorhanden, dessen war sich Jeongguk sicher.

Er spürte erneut, wie sich eine neue Welle konzentrierter Dunkelheit anbahnte, und so gern er sie gerade begrüßt und seinen mit jeder Faser schmerzenden Körper hinter sich gelassen hätte, hielt die letzte Drohung aus dem Munde seines Vaters ihn noch kläglich bei Bewusstsein.

Tropf, Tropf, Tropf.

Etwas löste sich.
Der Junge konnte es nicht genau benennen, doch gleich einem überspannten Gummiband schien etwas tief in ihm mit einem lauten Peitschenhieb zu reißen und ihm endgültig die Zügel aus der Hand zu nehmen.

Weiterhin war er komplett bewegungsunfähig und allein.

Eine vereinzelte Träne lief seine mit Blut benetzte Wange hinab – er war eigentlich schon immer allein gewesen.

Und er wird es auch für immer bleiben.

Denn es war nicht der Raum, der die Albträume hervorrief. Es war auch nicht der Raum, der mit beinahe chirurgischer Präzision in das weiche Fleisch des Jungen schnitt, bis er winselnd das Bewusstsein verlor.

Der Raum war nicht böse.

Die Menschen, die den Raum zum Gefäß all diesen gemacht hatten hingegen, waren es.

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