~ 21.3 ~

[Hinweis: Dieses Kapitel enthält zum Teil Inhalte, auf die manche Leser sensibel reagieren könnten]

Röchelnd kam der Junge wieder zu sich, ehe sein Körper auch schon einen Schwall Wasser zu erbrechen versuchte, bevor er realisierte, dass er abermals auf dem kalten Metalltisch festgeschnallt war.

So musste er reflexartig den Kopf schmerzhaft zur Seite drehen, geräuschvoll wurde sein kleiner Körper durch das gepresste Würgen geschüttelt, bis er seine Glieder schließlich erschlafften und er seinen schweren Schädel, einige vereinzelte, nass triefende Haarsträhnen an der erhitzten Stirn klebend, kraftlos in die feuchte Pfütze, die sich auf dem Operationstisch gebildet hatte, sinken ließ.

Seine Kehle brannte wie Feuer, krampfhaft hustete er die letzte Flüssigkeit heraus, als plötzlich die Mutter in seinem flirrenden Blickfeld erschien.

Eine Welle des Glückes durchflutete ihn.

Seine Mama würde ihm schon helfen; auch wenn sie in den letzten Monaten so abweisend ihm gegenüber gewesen war, hatte sich dieser Glauben in sie noch unerschütterlich in dem Gehirn des Jungen aufrecht erhalten.

Meine Mama wird mich immer beschützen, flüsterte eine sanfte Stimme in seinem Inneren und er verzog seine spröden, aufgeplatzten Lippen zu einem kraftlosen Lächeln, sobald sie näher herangetreten und er direkt in ihr Gesicht sehen konnte.

„Mama-", hauchte Jeongguk fast tonlos, einige Tränen verließen vereinzelt seine Augenwinkel und hinterließen glitzernde Bahnen auf den geröteten Wangen.

Über die Miene seiner Mutter huschte für den Bruchteil einer Sekunde ein verletzlicher Ausdruck, ehe sie erneut zur Gänze versteinerte.

Die toten Augen bohrten sich unablässig in den hoffnungsvollen Blick ihres einzigen Sohnes, als sie bis unmittelbar vor seinen aufgebahrten Leib trat, mit einem blitzschnellen Ruck die Operationsleuchte herunterriss, den gebündelten Lichtstrahl direkt in sein Gesicht lenkte und mit einer scharfen, glasklaren Stimme erwiderte: „Ich bin nicht länger deine Mama.", bevor sie das Messer, welches sie bis dahin geschickt hinter ihrem Rücken verborgen hatte, tief in den zuckenden Körper ihres Sohnes stieß.

Dämonisch lachend, löste sich dann auch sein Vater von der Wand, an der er bis dahin stumm gelehnt und das Geschehen beobachtet hatte, und trat langsam hinter seine Frau, ehe er ihr eine Hand auf die zierliche Schulter legte „Nur weiter so.", raunte er ihr leise ins Ohr, was ihr einen Schauer über den Körper jagte und sie sofort mit der glücklichen Gewissheit erfüllte, dass sie es richtig gemacht hatte.

Immer weiter hieb sie auf den Leib des Jungen ein, dieser hatte jedoch bereits vor einiger Zeit aufgehört, sich zu wehren.

Regungslos lag er, den Blick starr unmittelbar und ohne mit der Wimper zu zucken in die mit fast 115000 Lux hell strahlende Deckenleuchte gerichtet, aus den unzähligen oberflächlich, bis tiefreichenden Schnittwunden drang unaufhörlich hellrotes, dickflüssiges Blut, doch sein Körper zuckte nichtmal mehr auf, wenn seine Mutter mit dem scharfen Messer in das weiche Fleisch schnitt.

„Das kennst du wohl schon, was?", lachte der Vater spöttisch, in seiner Stimme schwang vibrierend die Erregung aufgrund der Tatsache, dass ihre Arbeit langsam immer mehr Früchte trug, mit. „Dann muss ich mich wohl etwas mehr anstrengen.", fuhr er sich aufgebracht durch die dunklen Haare, ehe er schlampig seine durchnässten Hemdärmel nach oben krempelte und schnellen Schrittes den Raum verließ.

Sobald die monotonen Hiebe aufhörten, klärten sich die Augen des Jungen. Sofort wandte er mit einem schmerzhaften Zischen den Kopf ab von dem gleißenden Licht, was ihm auf ein Neues die Tränen in die Augen trieb.

Durch den dichten Tränenschleier hindurch versuchte er durch krampfhaftes Blinzeln seine Sicht wiederzuerlangen, als er die Schritte seines Vaters sich unweigerlich wieder nähern hörte.

Durch die ständigen erzwungenen Wechsel stand seine arme Seele schließlich unmittelbar vorm totalen Zerbersten.

Panisch wand er sich, die straffgezogenen Bänder um Fuß- und Handgelenke schnitten schmerzhaft in die zarte Haut des Jungen, er wusste weder wo er war noch wer er war, das einzige, was sich beinahe übermächtig vor ihm auftat, war die lähmende Angst, die seinen Körper durchströmte und sein gesamtes Denken erfüllte.

Es war, als würden nach und nach sämtliche Umgebungsgeräusche ersterben.

Während der Junge in panischer Furcht immer unruhiger auf dem Operationstisch hin- und herrutschte, schienen seine einzelnen Sinneseindrücke sich vollkommen voneinander abzuspalten.

Zuerst verlor er sein Augenlicht.

Blind schlug er immer wilder um sich, die im Raum widerhallenden Schritte waren das einzige Geräusch, welches seine Sinne noch vernahmen.

Danach verabschiedete sich sein Geruchssinn, weder das starke Aftershave seines Vaters, noch den leicht süßlichen Geruch seines eigenen Blutes konnte er noch riechen, so sehr er sich auch anstrengte.

Sein Herz war kurz davor, aus seinem Brustkorb zu springen, so stark hämmerte es mittlerweile gegen den Rippenkäfig seines zitternden Körpers.

Als dann schließlich auch sein Tastsinn abhanden kam, packte ihn die nackte Furcht.

Wild zerrte er an den Fesseln, bäumte sich verzweifelt auf, streckte seinen Rücken durch im völligen Ungewissen darüber, ob er das gerade tatsächlich tat; er spürte weder die Kühle des Tisches, noch den brennenden Schmerz in seiner Kehle mehr oder seiner restlichen Gliedmaßen.

Das einzige, was seinen gesamten Geist einnehmen zu schien, waren die dumpfen Schritte, die sich gnadenlos näherten.

Plötzlich mischte sich noch ein weiteres Geräusch in den gedämpften Widerhall der schweren Stiefel des Vaters, kaum vernehmbar und doch allgegenwärtig in dem verdrehten, ungeordneten Gedankenchaos, welches den Kopf des Jungen allmählich vollkommen beherrschte;
Tropf Tropf Tropf.

Immer ungehaltener riss Jeongguk an den speckigen Lederriemen, tief hinterließen sie blutige Striemen an den zierlichen Gelenken, welches es jedoch nichtmal mehr schaffte, in das Bewusstsein des Jungen vorzudringen, so übermächtig war die Furcht, die sämtliches Denken mittlerweile lahmgelegt hatte.   

Immer weiter drängte sich das leise Geräusch, welches die dicken Tropfen beim Aufkommen auf der spiegelnden Oberfläche der unregelmäßigen Pfütze, die sich bereits am Fuße des metallenen Operationstisches gebildet hatte, erzeugten, in den Vordergrund; beinahe kam es Jeongguk vor, als würde er selbst die feinen Rinnsale, in denen das eiskalte Wasser die nackte Bahre hinabfloss, vernehmen, bis tief in sein Innerstes drang das tonlose Tröpfeln; als würde es den kleinen Jungen verspotten, wurde es lauter und lauter, am liebsten hätte er sich die Ohren zugehalten, so unbarmherzig und unablässig ließ der schwache, monotone Ton ihm das Blut in den Adern gefrieren.

Das Ziehen in seiner Brust, welches dem Jungen mittlerweile schon allzu bekannt geworden war und welches sein Körper stets mit einer raschen Beschleunigung seines Herzschlages sowie dem Aufstellen sämtlicher Körperhärchen begrüßte, wurde langsam aber sicher übermächtig, einen letzten Blick erhaschte Jeongguk noch auf die verzerrte Fratze seines Vaters, unmittelbar dahinter erblickte er schließlich die eiskalte Miene seiner Mutter, welche dafür sorgte, dass das Herz Jeongguks endgültig erkaltete und er sich nun nicht mehr gegen die Dunkelheit, die ihn zu überrollen drohte wehrte, sondern sie empfing wie einen alten Freund.

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