~ 14 ~
Taehyung PoV
Mit klopfendem Herzen trat ich von einem Fuß auf den anderen, während ich auf das Einfahren des angekündigten Zuges wartete. Ich fröstelte.
Das Wetter hatte in den letzten Wochen verrückt gespielt, als hätte es sich dabei ein Beispiel an meinem Gefühlsleben genommen. Obwohl der Winter bereits an die Türe klopfte, waren uns noch einige sehr warme, sonnige Tage beschert gewesen.
Tage, an denen ich gehofft hatte, dass Jeongguk sich endlich wieder meldete.
Tage, an denen ich allein an seinem geheimen Ort gesessen und darauf gewartet hatte, dass er eventuell wenigstens dort auftauchen würde, wenn er schon auf meine Nachrichten nicht reagierte.
Ohne ihn war dieser Platz nicht halb so schön.
Mehr Tage verstrichen und das Wetter erlitt weitere Stimmungsschwankungen. Der erste Schnee fiel, doch anstatt sich als dichte, weiße Decke über unser Dorf zu legen, schmolzen die winzigen Flocken kaum sie den Boden berührt hatten, sodass sich eine undefinierbare Masse aus Dreck, Schnee und Schlamm auf den Straßen der Stadt bildete.
Heute Nacht hatte es erneut gefroren und die Matsche zu einer massiven, glitzernden Eisschicht gefrieren lassen, die zwar schön anzusehen war, jedoch das Laufen draußen als regelrechte Herausforderung gestaltete.
Zitternd blies ich etwas Luft zwischen meinen Zähnen hervor und zog Jeongguks Mantel enger. Dieser taugte zwar nicht wirklich bei solchen Temperaturen, aber ich brachte es nicht übers Herz, eine meiner Winterjacken aus dem Schrank zu kramen.
So in seinen übergroßen Mantel gekuschelt, fühlte ich mich ihm immer noch näher, dafür nahm ich das Frieren nur zu gern in Kauf.
Plötzlich hallte der dumpfe Gong über den Bahnsteig, der das unmittelbare Einfahren des Zuges verkündigte.
Mein Herz machte einen Sprung.
Wie lange hatte ich Yoongi nicht mehr gesehen?
Bestimmt einige Monate, so ziemlich genau seit meinem Umzug in dieses Kaff. Unser Verhältnis hatte sehr darunter gelitten, ich war mit meinen Gedanken ständig bei Jeongguk gewesen, zusätzlich belastete es mich, mit Yoongi nicht darüber reden zu können, weil ich ihn mit meiner Erkenntnis nicht überrumpeln wollte.
Außerdem war der Ältere schon immer ein ziemlicher Frauenheld gewesen und ich wusste weder, wie er auf mein Outing noch auf die Tatsache, dass da tatsächlich ziemlich starke Gefühle im Spiel waren, reagieren würde.
Dass es mit Mina anders gewesen war, wusste er. Er hatte mich schon damals öfter damit aufgezogen, ob ich nicht vielleicht einfach asexuell oder ähnliches war, weil mir der Sex mit ihr nicht gefiel.
Yoongi selbst schien in letzter Zeit doch auch recht unkonzentriert und war kurz ab am Telefon. Vielleicht lag es lediglich an einem seiner neuen Tracks, an dem er momentan unermüdlich arbeitete; Yoongi war nämlich leidenschaftlicher Rapper, jedoch kam es gerade dann oft vor, dass er sich in seine Projekte zu sehr reinhängte.
Er war schon immer ein unverbesserlicher Perfektionist und gleichzeitig ein gewaltiges Arbeitstier gewesen; keine unbedingt gesunde Kombination.
Als ich noch in Seoul gelebt hatte, konnte ich ihn zu diesen Phasen wenigstens etwas im Auge behalten, ihm Essen bringen und ihn zwingen sich, nach einer seinen teilweise siebzehnstündigen Studiosessions, endlich auszuruhen und schlafen zu gehen.
Amüsanterweise tat er dies, wenn er gerade frei hatte, fast übermäßig viel.
Yoongi war schon ein spezieller Charakter; sehr direkt und oftmals wirkte er auf Dritte kalt und abweisend – was ich aber auch oft tat – doch in seinem Herzen war er ein ehrlicher, lieber, sorgender und aufrichtiger Mensch und das schätzte ich an ihm, weshalb wir auch schon ungefähr seit ich denken konnte, beste Freunde waren.
Suchend ließ ich den Blick über die herausströmenden Menschenmassen schweifen und ehe ich es mich versah, trugen meine Füße mich auch schon auf direktem Wege zu der schlurfenden Gestalt, die soeben den Zug verlassen hatte. »Yoongiiii!«, rief ich freudestrahlend und fiel dem Schwarzhaarigen ohne Vorwarnung um den Hals, welcher mich im ersten Moment nur geschockt ansah, bevor sich seine schmalen Lippen zu einem sanften Lächeln verzogen und er meine Umarmung erwiderte.
»Tae«, brummte er mit seiner rauen Stimme. »D-doch nicht hier vor den ganzen Leuten«, fügte er etwas stotternd hinzu, nachdem ich ihn immer noch nicht hatte loslassen wollen.
Schnell löste ich mich von dem Kleineren und kratzte mich verlegen am Kopf. »Stimmt, du als Frauenheld hast ja einen Ruf zu verlieren«, lachte ich. Nervös biss ich auf meiner Unterlippe herum und rümpfte leicht die Nase.
Yoongi war mein bester Freund und lange Zeit die einzige Person, bei der mich Körperkontakt nicht völlig abstieß, trotzdem begann mein Herz gerade aufgeregt zu flattern und ich fragte mich, ob ich mich mit der überschwänglichen Umarmung gerade selbst geoutet hatte.
Auf sein Gesicht schlich sich ein unsicheres Lächeln. »Kann schon sein.« Er blickte zu mir auf. »Hey, Tae, du musst nicht nervös sein, ich bins doch.« Männlich boxte er mir gegen die Schulter. »Seit wann bist du Körperkontakt gegenüber eigentlich so aufgeschlossen geworden, hm? So kenne ich dich gar nicht«, lachte er leise.
Auf meinen Wangen breitete sich ein rosa Schimmer aus. »Ähm, ich freu mich halt einfach, dich zu sehen, pabo«, entgegnete ich und boxte ihm ebenfalls gegen den Arm.
Schweigen.
»Komm!«, erwiderte ich dann schnell. »Ich habe eine Überraschung für dich.«Verstohlen grinste ich ihn an und deutete ihm, ohne ihm körperlich nochmal zu nahe zu kommen, mir zu folgen.
Gemeinsam machten wir uns auf den Weg zu meiner nicht weit von dort entfernten Arbeitsstelle.
Unter dem Vorwand einen Kaffee trinken zu wollen, würde ich den Älteren klammheimlich mit meiner Arbeitskollegin bekannt machen, so als kleines Begrüßungsgeschenk.
Da Yoongi und ich uns für den Abend bereits vorgenommen hatten, die Stadt unsicher zu machen und in die einzige Kneipe zu gehen, die dieses Dorf zu bieten hatte, dachte ich, könne es nicht schaden, wenn ich Yoongi schonmal vorab ein ›Date‹ beziehungsweise eine Beschäftigung für den bevorstehenden Abend suchte, da es hier schlicht nicht so viele Leute in unserem Alter gab.
Und Yeji würde ihm bestimmt gefallen.
Außerdem würde es seine Laune vielleicht insoweit anheben, dass ich vorsichtig auf die Sache mit meiner Sexualität zu sprechen kommen könnte.
Schweigend gingen wir den Rest des Weges nebeneinander her. Die Stimmung war irgendwie gedrückt, auch wenn ich nicht hätte benennen können, weshalb.
Mit meinen Gedanken schweifte ich wie so oft in den letzten Wochen immer wieder unfreiwillig zu Jeongguk ab.
Ich vermisste ihn, zugegebenermaßen, schrecklich. Seit er mich vor einigen Wochen nach meiner Panikattacke nachhause gebracht hatte, hatte ich eigentlich so gut wie nichts mehr von ihm gehört.
Frustriert seufzte ich leise auf, welches Yoongi mit einem Seitenblick auf mich stumm registrierte.
Vielleicht hatte ich an dem Abend zu dick aufgetragen und ihn verschreckt. Ich war jedoch so überglücklich gewesen, dass er mir das mit Mina nicht wirklich übelgenommen hatte und ich war durch die Attacke danach auch noch lange sehr schlapp und ausgelaugt gewesen und hatte mich einfach gefreut, dass bei mir gewesen war und sich um mich gekümmert hatte.
Vielleicht hatte ich ihn mit meinem anhänglichen Verhalten an dem Abend überrumpelt. Dass er nichts von mir wollte, wusste ich ja bereits, jedoch bin ich davon ausgegangen, dass wir mittlerweile eine relativ solide, freundschaftliche Basis gefunden hatten, vielleicht hatte ich mich da jedoch getäuscht.
Einige Tage nach diesem Treffen erhielt ich lediglich eine Nachricht von ihm, in der er sich vergewisserte, ob es mir auch wieder gut ging und mir mitteilte, dass er erstmal eine Zeit nicht erreichbar sein würde, er sei mit seinen Eltern spontan an einem der äußeren Firmensitze und er hätte viel zu tun. Mehr nicht.
Und seitdem wartete ich. Einige Male hatte ich mich bereits überwunden und ihm eine kurze Nachricht geschrieben, ich war mir jedoch nichtmal sicher, ob er sie gelesen, geschweige denn, ob sie überhaupt bei ihm angekommen war.
Erneut entfuhr mir ein Seufzen, welches Yoongi diesmal mit einem Stirnrunzeln bedachte, aber weiterhin schwieg.
Mit einer Hand umfasste ich den kühlen Metallgriff und zog die schwere Holztür des Cafés mit einem Ruck auf. Wir betraten den Laden und wurden sogleich von besagter Kollegin begrüßt, die Yoongi direkt ein kokettes Lächeln schenkte.
»Hallo Taehyung! Du musst doch aber heute gar nicht arbeiten?«, meinte sie überrascht, wohl wissend, dass ich nicht zum Arbeiten hier war. Sie spielte mit einer ihrer lockigen Haarsträhnen, während sie Yoongi mit ihren dichten Wimpern angetan anklimperte.
Die legte aber los, lachte ich in mich hinein. Das letzte Date schien wohl doch nicht so super gelaufen zu sein.
Ich räusperte mich. »Nein, ich bin lediglich mit einem guten Freund von mir hier, um einen Kaffee zu trinken. Er besucht mich heute zum ersten Mal, er kommt gerade aus Seoul.«
»Aus Seoul?« Sie machte große Augen. »In so einer großen Metropole zu wohnen muss bestimmt toll sein«, schwärmte sie.
Ich machte mich schon bereit für die ersten schleimigen Anmachsprüche Yoongis, zu meiner Überraschung zuckte dieser jedoch nur mit den Schultern und brummte ein unverständliches ›Ja‹. Perplex sah ich ihn an, bevor ich ihn dann auch schon zu einem der kleinen Tische zog.
»Alles gut bei dir? Du wirkst heute noch abweisender als sonst«, fragte ich über den Tisch zu ihm gebeugt. »Ich wollte dir die Kleine extra direkt vorstellen, wär die nicht was für heute Abend?« Verschwörerisch zwinkerte ich ihm zu.
Yoongi spielte derweil nervös mit dem Ärmel seines Pullovers. »Hmm, kann schon sein«, nuschelte er abwesend.
Mein Plan, ihn mit dem Mädel aufzuheitern, klappte ja schonmal ausgezeichnet. Was war nur mit ihm los?
»Wie läufts mit deiner Musik?«, wechselte ich stattdessen erstmal das Thema. »Hast du was dabei, was ich mir später anhören kann?« Warm lächelte ich meinen besten Freund an.
Ich liebte Yoongis Rap, nicht nur passte seine raue, kratzige Stimme perfekt zu den aggressivem und rauen Sprechgesang, sondern darüber hinaus schrieb mein bester Freund die grandiosesten Texte überhaupt; unverfälscht ehrlich und direkt machte er zum Beispiel auf Missstände und Probleme der südkoreanischen Gesellschaft aufmerksam, einige Songs von ihm drehten sich um mentale Gesundheit und Depression, speziell bei der jüngeren Generation; er schaffte es einfach, einen mit seinen harten, aber klaren und ehrlichen Worten tief zu berühren und einen Denkimpuls zu setzen.
Verlegen fokussierte er das unruhig flackernde Teelicht, welches in einem kleinen, getönten Glasschälchen in der Mitte des Tisches zwischen uns stand. »Hmm«, nuschelte er. »Ich hätte da was, aber das ist noch nicht ganz fertig, außerdem muss ich dir noch etwas sa-« Yoongi stoppte in seinem Satz, als sich Yeji unserem Tisch näherte, bevor sie sich, deutlich zu ihm gewandt, schließlich vor diesem platzierte.
Ich konnte mir ein kleines Grinsen nicht verkneifen, Yoongi hingegen blickte eher genervt drein.
»Kann ich euch beiden schon etwas bringen?«, fragte sie zuckersüß. Obwohl sie uns beide angesprochen hatte, galt ihr Blick lediglich Yoongi.
Dieser seufzte einmal leise, bevor er ohne überhaupt aufzuschauen murmelte: »Einen Kaffee. Schwarz.«
Genau wie Jeongguk ihn trinkt, schoss es mir durch den Kopf, nachdem ich ebenfalls bei Yeji bestellt, und diese daraufhin mit einem leicht enttäuschten Gesichtsausdruck wieder gegangen war.
Abwesend starrte ich zu der Eckbank hinüber, an der ich Jeongguk das erste Mal hatte sitzen sehen. Unmittelbar darauf spürte ich auch bereits das Blut in meinen Wangen, als ich an die innige Umarmung dachte, in die er mich damals verwickelt hatte, bevor er so überstürzt verschwunden war.
Beinahe kam es mir vor, als verspürte ich seinen Atem auf meiner Wange kitzeln und seine starken Hände, die mich, um meine Taille geschlungen, fest an seinen Körper drückten ...
»Taehyung?« Verwirrt blickte Yoongi zu mir herüber, während er mir mit einer Hand vor dem Gesicht rumfuchtelte. »Woran denkst du gerade, du wirst ja ganz rot.« Er lachte kehlig.
Ich fuhr leicht zusammen, meine Wangen derweil einen noch dunkleren Rotton annehmend. »Ähm, a-an nichts«, stammelte ich und verbarg schüchtern das Gesicht hinter meinen Händen, um meinen tiefrot angelaufenen Hautton zu verbergen.
»Tae, was ist los?« Yoongi legte seine Stirn in Falten. »Ist es wegen Mina? Wenn dich das doch so sehr mitnimmt, warum hast du dann Schluss gemacht? Oder musst du dich nur etwas ablenken? Also, du kannst die von eben gerne haben-« Er schaute mich erwartungsvoll an.
Leicht angewidert verzog ich unwillkürlich mein Gesicht. »Was nein!« Allein der Gedanke, wie ich sie küssen oder gar anfassen müsste, bereitete mir Unwohlsein; zugegebenermaßen tat es das hingegen bei ungefähr jeder anderen Person, die nicht Jeongguk war, seit ich ihn kennengelernt hatte. Es war nicht so, als hätte ich es nicht versucht. »Nein, auf keinen Fall«, gab ich mit Nachdruck in der Stimme zurück.
»Was ist es dann?« Die Sorgenfalten auf der Stirn des Kleineren schienen sich noch zu vertiefen.
»Ich habe heute einfach schlecht geschlafen«, log ich und lächelte ihn an. Ich hatte Yoongi noch nie bewusst angelogen und dieses Wissen versetzte gerade einige schmerzhafte Hiebe in Richtung meines Gewissen.
Ich müsste es ihm so schnell wie möglich sagen.
»Du bist heute viel seltsamer drauf«, versuchte ich von mir abzulenken. »Warum möchtest du denn nichts von Yeji, wo sie doch die ganze Zeit schon so stetig Interesse bekundet? Sie ist doch hübsch und so«, fügte ich stotternd hinzu.
›Hübsch und so‹ also.
Ich war doch wohl noch in der Lage, die offensichtliche Attraktivität einer Frau festzustellen, ohne dass Jeongguk in meinem Unterbewusstsein verstohlen lachte und mir verführerisch zuzwinkerte.
Das war echt nicht mehr zum Aushalten.
Yoongi wandte abermals den Blick ab. »Nee, ich hab zur Zeit einfach keine Lust, ich-«
Trocken lachte ich auf und fiel ihm ins Wort. »DU und keine Lust? Yoongi, mir ist bewusst, dass du in sämtlichen anderen Lebensbereichen die Motivation eines starren, leblosen Steines besitzt, aber du hast dir doch noch nie ein heißes Mädel durch die Lappen gehen lassen.«
Mein bester Freund zupfte unsicher weiter an seinem Pulloverärmel. »Ja, genau darüber wollte ich mit dir reden, ich-« Da kam plötzlich Yeji mit unseren Getränken und setzte ihr unschuldigstes Lächeln auf, während sie beim Gehen ausladend mit ihren Hüften wackelte und mit ihrem Blick Yoongi fixierte.
»Bitteschön.« Sie stellte meinen Latte Macchiato achtlos vor mir ab, bevor sie sich zu Yoongi wandte und dabei so tief runterbeugte, währenddessen langsam seinen Kaffee vor ihm abstellte, sodass nichtmal ich momentan an seiner Stelle umhin gekommen wäre, ihr in den tiefen Ausschnitt zu schauen.
Doch dieser bedachte sie weiterhin keines Blickes; starr sah er stur geradeaus und schien einen Punkt hinter meinem Kopf an der Wand zu fixieren.
Trotzdem gab Yeji, die ich mittlerweile zwar nicht für ihr Gedächtnis oder ihr Arbeitstempo, aber dafür umso mehr für ihre Ausdauer bewunderte, zurück: »Habt ihr sonst noch irgendwelche Wünsche?« Sie hob lasziv eine Augenbraue, während sie den Älteren durchdringend ansah.
Ich war mir vollkommen im Klaren darüber, dass sie mit ›ihr‹ weder tatsächlich uns noch mit ›Wünsche‹ tatsächlich Dinge von der Speisekarte meinte.
Amüsiert musste ich mir ein Lachen verkneifen. Meine Mundwinkel sanken jedoch unmittelbar darauf besorgt, als Yoongi schließlich doch seinen Blick hob, Yeji kalt anschaute und erwiderte: »Ja, wo wir gerade dabei sind, hätte ich gerne noch eine Bedienung, die nicht so aufdringlich ist, damit ich endlich in Ruhe mit meinem besten Freund reden kann.« Er verzog keine Miene, als sie sich tausendmal entschuldigte und schließlich mit gesenktem Kopf unseren Tisch verließ.
»Yoongi, was sollte das?«, rief ich geschockt. Mittlerweile war ich wirklich überzeugt davon, dass irgendwas mit ihm ganz und gar nicht zu stimmen schien.
Fieberhaft überlegte ich, was seinen veränderten Wesenszustand bewirkt haben konnte.
»Tae, ich muss wirklich mit dir reden-«, brummte der Ältere eindringlich, ich fiel ihm jedoch unabsichtlich abermals ins Wort, indem ich rief: »Ich habs!« Triumphierend deutete ich mit meinem Zeigefinger auf ihn. »Du alter Charmeur! Hast du dich etwa endlich verliebt? Wie ist sie, erzähl mir alles!« Die Worte platzten nur so aus mir heraus.
Yoongi, der mittlerweile immer ruhiger geworden war, erhob plötzlich seine Hand und schlug mit dieser flach auf den Tisch, sodass unsere Getränke überschwappten und es für einen flüchtigen Moment so wirkte, als würde sich die komplette Aufmerksamkeit aller im Café Anwesenden auf uns richten. »Nein, verdammt nochmal, ich bin nicht verliebt und ich habe noch weniger Bock jetzt irgendeine dahergelaufene Tussi zu vögeln. Ich versuche dir schon die ganze Zeit schon etwas für mich überaus Wichtiges mitzuteilen, also hör mit den Scherzen auf.« Er holte einmal tief Luft, bevor er dann etwas leiser ansetzte. »Taehyung, ich bin schwul.« Eindringlich fixierte sein Augenpaar mich, in ihnen lag eine Mischung aus Verzweiflung und Furcht. »Oder zumindest bi oder so, ach keine Ahnung.« Beschämt vergrub Yoongi sein Gesicht zwischen den Händen.
Mit offenem Mund musterte ich geschockt meinen immer noch aufgewühlten besten Freund.
»Tae?« Er lugte zwischen seinen Fingern vorsichtig zu mir herüber. »Tae, bitte sag doch was. Du starrst mich jetzt seit einer geschlagenen Minute an, als hättest du einen Geist gesehen. Findest du es schlimm? Findest du mich jetzt abstoßend?« Seine Augen begannen verdächtig zu glänzen. »Ich verstehe, dass das für dich als mein bester Freund jetzt vielleicht überraschend kommt und ich weiß doch selbst nicht, aber in den letzten Monaten bin ich mir einfach über so viele Dinge klar geworden und ich wollte es dir eigentlich schon eher erzählen, aber du warst so weit weg und schienst am Telefon auch immer so abwesend zu sein, dass ich dachte, du hättest bestimmt deine eigenen Probleme und man, ich weiß auch nicht.« Aufgebracht fuhr er sich mit seiner Hand einmal unwirsch durch das schwarz schimmernde Haar. »Tae, ich schwöre dir, ich habe noch nie über dich, oder über uns oder naja, du weißt schon ... Du bist wirklich nur mein bester Freund und wenn dir die Situation unangenehm ist, kann ich das total verstehen, ich wollte mich nur nicht weiter verstecken müs-«
Immer schneller und schneller sprudelten die Worte aus dem Kleineren hervor, ich glaubte beinahe, so einen Redeschwall Min Yoongis noch nie miterlebt haben zu dürfen, wenn es ihn überhaupt schonmal irgendwo in dem Ausmaße gegeben hatte.
»Yoongz«, unterbrach ich ihn abrupt, weshalb er leicht zusammenfuhr und ängstlich zu mir hinüber blickte.
Ich wollte etwas erwidern, aber mir fielen einfach keine passenden Worte ein. Die Situation war schlicht zu absurd und zu typisch für uns.
Mehrmals öffnete und schloss ich meinen Mund wieder und kurz bevor der Schwarzhaarige bereits denken musste, dass ich wohl bald vollends den Verstand verlieren würde, begann ich schallend zu lachen.
Kichernd hielt ich mir den Bauch, so sehr schüttelte meine plötzliche Lachattacke mich. Ich konnte einfach nicht beschreiben, wie erleichtert ich mich in diesem Moment fühlte und wie urkomisch diese gesamte Situation war.
Das Universum hatte uns wohl erst voneinander trennen müssen, ehe es uns über unsere wahre Sexualität aufklären hatte können; am Ende wären Yoongi und ich noch ein Paar geworden, aus offensichtlichen Pragmatismus- und vor allem Faulheitsgründen.
Erneut ergriff mich eine Welle aus konzentriertem Lachen.
Yoongi, der mittlerweile nur noch völlig verwirrt dreinblickte, erhob das Wort: »Was ist bitte gerade verkehrt mit dir? Lachst du mich etwa aus??« Fassungslos stierte er zu mir, der sich immer noch kichernd den Bauch hielt, hinüber.
»Nein nein«, versuchte ich unter meiner anhaltenden Lachattacke hervor zubekommen. »Es ist nur so, dass also dass ich-« Erneut fand ich die Situation zu absurd, um meinen Satz beenden zu können, ohne in abermaliges Gelächter auszubrechen.
»Man, Tae, jetzt sag schon!«, schrie Yoongi mittlerweile förmlich.
Die wenigen Gäste des kleinen Cafés bekamen heute eine gute Show geboten.
»Yoongi!«, keuchte ich lachend. »Ich bin-« Einmal atmete ich tief ein und wischte mir unwirsch einige Tränen, die vor lauter Lachen unbemerkt über meine Wange gelaufen waren, weg. »Ich bin auch schwul«, erwiderte ich dem Schwarzhaarigen mit erhobener Stimme und es war mir egal, wer von den kleingeistigen Dörflern das jetzt hörte und es beim nächsten Stammtisch erstmal groß rum posaunte.
Ich fühlte mich einfach nur unglaublich gut; Dies war das erste Mal, dass ich es wirklich wahrhaftig und laut ausgesprochen hatte, und das aufkeimende Glücksgefühl in meiner Magengegend sagte mir, dass es richtig war.
Für einen kurzen Moment verdrängte es sogar Jeongguk gänzlich aus meinen Gedanken.
Mein bester Freund starrte mich immer noch fassungslos an, er hatte sich seit meines Satzes nicht einen Millimeter gerührt.
Als sich schließlich unsere Blicke trafen, konnte ich es nicht mehr halten und fing erneut an wie ein Verrückter zu lachen, bevor Yoongi synchron dazu ebenfalls begann und alsbald auch ihm Tränen der Freude über die geröteten Wangen liefen.
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