Die Vergangenheit - Verrat #5

Emilia und Nora ließen sich keine Zeit und bestürmten Sarah sofort mit Fragen darüber, wo sie so zum Tanzen gelernt habe und ob sie es ihnen nicht auch beibringen wolle.
„Na bravo." Lotar trat neben sie und klatschte heuchlerisch in die Hände. „Hoffentlich schadet es deinen Kampfkünsten nicht, dass aus dir ein verweichlichter Tänzer geworden ist, Asmos."
Asmos verengte die Augen. Er konnte Lotar nicht ausstehen, so wie die meisten anderen aus dem Dorf auch. Einzig Omet und Sotar, beide nicht viel besser als er, verstanden sich gut mit ihm. Vielleicht lag das bei zweiterem einfach nur an der Ähnlichkeit ihrer Namen.
„Solange ich nicht auf dein kämpferisches Niveau hinab sinke."
„Wir werden ja sehen, wer von uns am Ende wimmernd am Boden liegen wird", gab er verächtlich zurück.
Asmos Entgegnung ging in der Stimme des Dorfältesten über, der feierlich verkündete: „Wie es Brauch im Dorf ist, finden jetzt, nachdem wir ausgiebig gespeist und getrunken haben, die Kämpfe statt. Eine Möglichkeit für unsere jüngeren Mitbewohner, sich ein wenig die Geweihe abzustoßen", sagte er schmunzelnd.
An einer polierten Holzwand, welche nebst der kleinen Umzäunung, die als Ring diente, stand, notierte er die Namen der Kämpfer mit Kohlestift.
„Zuerst kämpfen Tarius und Lotar. Danach Thorben gegen Omet. Und zu guter Letzt Asmos gegen Sotar."
„Hey, die haben mich ausgelassen", beschwerte sich Sarah.
„Hast du dich dafür angemeldet?", fragte Asmos mit fiesem Grinsen.
„Das hättest du mir sagen müssen!", begehrte sie auf.
„Tut mir leid, ich kann nicht zusehen, wenn so eine hübsche Frau im Dreck landet."
„Ich bitte die ersten beiden Kandidaten in den Ring!", donnerte die Stimme Horvaths, des Dorfältesten über den Platz.
„Das werde ich dir noch heimzahlen", flüsterte sie ihm zu.
Tarius, ein Junge in Asmos Alter kam aus der Menge hervor und nahm sich eine der aus Holz gefertigten Turnierwaffen. Er war hochgewachsen und hatte rot gelocktes Haar, was ihm nicht selten spöttische Bemerkungen einbrachte. Asmos kannte ihn als ehrlichen Kerl, der niemandem etwas Böses wollte. Er wunderte sich, warum er an dem Wettbewerb teilnahm. Bisher hatte er ihn nie als kampfinteressiert wahrgenommen.
„Na da bin ich ja gespannt, was unser Gänseblümchen so leisten wird!", sagte Thorben, als er sich neben Asmos aufstellte.
„Warum glaubst du, macht er hierbei mit?"
„Du bekommst wohl gar nichts mit, was? Der ist doch total in Nora verschossen. Schätze, er will ihr imponieren. Immerhin ist sie heute ohne Begleitung."
„Lotar ist nicht gerade als freundlich bekannt. Da hat er sich was eingebrockt." Asmos verschränkte nachdenklich die Arme und ließ sich auf einer der Bänke nebst dem Ring nieder.
Die zwei Gegner ließen nicht lange auf sich warten. Sie hatten kaum ihre Waffen genommen, da standen sie sich auch schon nah gegenüber. Tarius warf einen letzten Blick in die Menge, als suche er jemand Bestimmtes darin. Asmos folgte seinem Blick, der neben Sarah, auf Nora ruhte. Sie musste es bemerkt haben, denn sie lächelte ihm schüchtern zu.
„Seid ihr bereit?"
Beide fixierten sich mit Blicken. Lotar sah man die Kampfeslust geradezu an. Er grinste, als hätte er bereits gewonnen.
„Dann los!"
Lotar griff zuerst an, was Asmos nicht überraschte. Er war klein, aber kräftig gebaut und flink. Dementsprechend attackierte er seinen Kontrahenten mit schnellen, tief angesetzten Schlägen. Tarius wehrte sich tapfer. Er war Lotar von der Technik her klar überlegen, tat sich allerdings schwer, da er um einiges größer war als dieser und Lotar unter seiner Deckung durchschlüpfte.
„Was sagt man dazu? Der könnte doch glatt gewinnen!", stieß Thorben überrascht aus, als Tarius Lotar zurückstieß und ihn mit einem Hieb weiter zurückdrängte.
Asmos nickte bestätigend. Für den Moment sah es gut für ihn aus. Er musste eine Menge geübt haben.
Lotar schien das ebenso zu sehen, man konnte ihm die Wut von den Augen ablesen. Ohne auf seine Verteidigung zu achten, schlug er wie verrückt nach Tarius. Das hölzerne Klacken der Holzschwerter erfüllte den Dorfplatz in immer kürzer werdenden Abständen. Schließlich wich Tarius einem Ausfallhieb aus und stieß seine Waffe nach vorne. Lotar reagierte nicht schnell genug und bekam es in die Seite.
„Nun gib ihm den Rest!", schrie Thorben freudig. Lotar und Thorben hatten schon einmal eine ernsthafte Schlägerei gehabt. Das war zwar eine ganze Weile her, aber scheinbar hatte Thorben das nicht vergessen. Asmos schmunzelte bei dem Gedanken, was wohl passieren würde, wenn die beiden gegeneinander kämpfen müssten.
Tarius machte den Fehler und setzte nicht gleich nach, gab seinem Gegner Zeit, sich zu sammeln. Dieser ruckte plötzlich zur Seite und warf seine Waffe. Überrascht keuchte Tarius auf, konnte aber nicht mehr ausweichen. Die Waffe traf ihn am Kopf und brachte ihn ins Wanken.
Die Menge heulte enttäuscht auf. Thorben war wohl nicht der Einzige, der sich darüber gefreut hatte, dass Lotar Prügel bezog. Nur seine zwei Kumpanen Omet und Sotar schenkten ihm für diesen Zug Beifall.
Lotar nutzte den Vorteil sofort aus und packte Tarius Klinge.
„Also bei einer echten Waffe könnte er das nicht tun", merkte Sarah wütend an. Sie schien ebenso erbost über den Verlauf des Duells. Asmos ertappte sie immer wieder dabei, wie sie die Augen verengte und Kommentare zu dem Geschehen abgab, als bewerte sie genaustens die Fertigkeiten der Kämpfer.
Lotar drehte sich einmal um die eigene Achse. Tarius versuchte, seine Waffe dabei festzuhalten, und wurde nach vorne gerissen, worauf sein Gegner reagierte, indem er sich bückte. Infolgedessen flog Tarius über seinen Rücken hinweg zu Boden. Verzweifelt schlug der am Boden liegende mit der Faust nach Lotar aus, der diesen Hieb an sich abprallen ließ und ihm im Gegenzug das Knie in die Brust rammte. Tarius umfasste keuchend seinen Oberkörper und ließ die Waffe fallen. Lotar hätte einfach die Waffe nehmen können und der Kampf wäre vorbei gewesen. Stattdessen sprang er hoch und ließ sich mit gesenktem Ellbogen auf Tarius fallen.
Erneut stöhnte die Menge auf, als Tarius vor Schmerzen aufschrie und sich dann nicht mehr regte.
Gerade wollte Lotar noch mal nachsetzen, da durchschnitt Horvaths Stimme die allgemeine Unruhe: „Der Kampf ist vorbei! Genug!"
Als wäre seine Einmischung ein unweigerlicher Befehl, stürmte Nora los in den Ring und kniete sich neben Tarius hin. Lotar sah verächtlich auf die beiden herab.
„Verweichlichtes Kind", spuckte er aus, ehe er den Kampfplatz verließ.
„Der erste Kampf ist hiermit entschieden! Lotar obsiegt über Tarius!" Horvath strich Tarius Namen mit merklichem Seufzen durch. Sogar er hatte sich etwas anderes erhofft.
„Dieser Mistkerl! Das nennt er einen fairen Kampf?!", gab sich Thorben erbost. Als Lotar an ihnen vorbeiging, konnte Emilia ihn nur im letzten Moment zurückhalten, ehe er sich auf ihn gestürzt hätte. Als er dann noch versuchte, ihm hinterherzulaufen, drückte sie ihm rasch einen Kuss auf den Mund, während sie ihn kraftvoll wieder auf die Bank zurück manövrierte. Sarah lachte darüber auf und vergaß für einen Moment ihre Wut. Asmos starrte weiterhin wie apathisch auf den sich langsam aufrichtenden Tarius.
„Wofür hab ich denn das verdient?", fragte Thorben, als sich Emilia wieder von ihm löste.
Sie zwinkerte ihm zu und sagte: „Glückskuss für deinen Kampf."
„Ach ja, ich bin ja dran!" Er sprang erregt auf und ging auf den Ring zu. Von der anderen Seite kam auch schon Omet herbei. Er war einer der am kräftigsten gebauten jungen Männer im Dorf. Als Sohn von Gorn, dem Dorfschmied war das auch nicht allzu verwunderlich. Doch während sein Vater eher schweigsam seiner Arbeit nachging, war er der Aufschneider schlechthin. Thorben freute sich schon darauf, ihm das ständige überhebliche Lächeln aus dem Gesicht zu schlagen. Er wählte eine hölzerne Keule als Waffe. Sein Gegner nahm dieselbe, nur um eine ganze Ecke größer.
„Der Kampf gerade eben hätte an Tarius gehen sollen", meinte Sarah kleinlaut.
Asmos hob die Schultern. „Lotar hat ihn entwaffnet."
„Aber in einem echten Kampf wäre dieser Zwerg von Tarius ersten Treffer verblutet und hätte wohl kaum seine Klinge greifen können."
„Wir kämpfen nun mal mit stumpfen Waffen. Hier zählt nicht nur die Technik, die Waffe zu führen."
„Hast du deswegen verhindert, dass ich teilnehme?"
Asmos schürzte die Lippen. „Auf jeden Fall wärst du benachteiligt. Vielleicht könntest du deinen Gegner hundertfach mit deiner stumpfen Klinge aufspießen, weil du das Fechten gelernt hast. Aber am Ende würdest du wohl verlieren, weil du zierlicher bist als der Rest hier."
„Das war keine Antwort auf meine Frage."
„Der Kampf beginnt gleich!", wich Asmos aus und grinste sie an.
Sarah verschränkte die Arme. Es gefiel ihr nicht, dass Asmos sie für klein und schwach hielt. Andererseits schadete das nicht, sollte er sich als ihr Ziel entpuppen. Genau das war doch der Plan.
„Wer glaubst du, gewinnt von den beiden?", fragte Sarah nach einer Weile.
„Thorben natürlich!", gab sich Emilia überzeugt.
Asmos verfolgte mit den Blicken weiter Tarius, der mithilfe zweier Dorfbewohner auf eine Bank auf der anderen Seite des Rings gebracht wurde. Zumindest schien seine Verletzung nicht allzu schlimm gewesen zu sein. Und Nora, die sich gerade um ihn kümmerte, war ein toller Trostpreis. Erst als Sarah ihn anstupste, realisierte er, dass sie mit ihm gesprochen hatte.
Er grübelte einen Moment darüber nach, was sie gefragt hatte, ehe er antwortete: „Thorben kämpft gut, aber sein Gegner ist ziemlich stark. Wenn der ihn einmal mit diesem riesigen Holzklotz trifft, liegt er am Boden. Aber ich stehe natürlich zu ihm."
„Und jetzt kämpfen Thorben und Omet!", kündigte Horvath die beiden an. „Ein Kampf, der spannend werden könnte, wenn Thorben sich nicht so schläfrig verhält, wie bei seinen nächtlichen Wachdiensten!"
Thorben, der gerade damit beschäftigt gewesen war, ein paar Probeschläge zu machen, sah grinsend auf. Er winkte seinen Freunden. Asmos nickte ihm aufmunternd zu, während Emilia sich aufrichtete und ihm zujubelte. Sarah ließ sich von ihrer Euphorie packen und tat es ihr gleich. Er reckte stolz die Hand in die Luft, wurde er doch von zwei der hübschesten Mädchen im Dorf angefeuert.
Omet ließ das Ganze kalt. Er lehnte lässig auf seiner Keule und starrte ihn finster an.
„Schlag ihm die weiche Rübe ein Omet!", rief Lotar von außerhalb des Rings.
Thorben warf ihm einen hasserfüllten Blick zu. Asmos betete im Stillen, dass die beiden nicht im Kampf aufeinandertreffen würden.
„Seid ihr bereit?", rief Horvath, worauf die sie mit erhobenen Keulen in Kampfposition gingen.
„Dann los!"
Sie schlugen beide mit ihren Keulen schwungvoll in Richtung ihres Gegners. Thorben, der rechtzeitig bemerkte, dass er gegen die monströse Kraft seines Gegenübers nicht ankommen würde, sprang zurück, sodass beide Hiebe ins Leere gingen. Omet lächelte überheblich.
„Hast wohl Angst, was?"
„Von wegen", sagte Thorben selbstsicher.
„Dann trau dich doch, dem hier etwas zu erwidern!" Omet hob die Keule über den Kopf und lief los. Thorben deutete eine Parade an, duckte sich dann im letzten Moment weg und ließ Omet über seine Waffe stolpern. Dieser konnte sich nicht mehr bremsen und krachte in den Zaun, der den Ring einkreiste. Thorben nutzte die Gelegenheit um Emilia, welche nach Beginn des Kampfes ein wenig erblasst war, aufmunternd zu zuzwinkern.
Sein Gegner war rasch wieder auf den Beinen und schlug weit ausholend in Thorbens Richtung. Er hatte keine andere Wahl, als nach hinten auszuweichen. Gleichzeitig versuchte er, nachdem die Waffe Omets Mitte passiert hatte, zuzuschlagen. Omet löste seine Linke von der Keule und ließ Thorbens Angriff an seinem Arm abprallen.
„Pass auf sein Bein auf", rief Sarah unvermittelt. Tatsächlich versuchte Omet, nach Thorben zu treten. Durch Sarahs Aufforderung aufmerksam geworden, reagierte er darauf, indem er seine Keule auf das angehobene Bein krachen ließ. Mit einem Schmerzensschrei sprang Omet zurück. Emilia umarmte jauchzend ihre neu gewonnene Freundin.
Asmos schmunzelte innerlich. Er fragte sich, ob Thorben es auch ohne ihre Hilfe erkannt hätte, gönnte ihm aber den kleinen Vorteil.
Thorben schien sich nun sicherer zu fühlen und wagte es, Omet direkt anzugreifen. Er hob seine Keule an seine rechte Seite und schwang sie kraftvoll nach links. Omet schien nur auf einen derartigen Zug gewartet zu haben und stieß die seine in die entgegengesetzte Richtung. Krachend prallten die Waffen zusammen. Sogar von weiter weg, sah man, dass Thorbens Keule kräftig unter dem Schlag vibrierte, was sich in seine Arme fortsetzte. Sein Gesicht verzog sich merklich, er erkannte seinen Fehler auf schmerzhafte Weise. Wie gelähmt wich er dem nächsten Angriff Omets nicht aus, als dieser die Keule von oben nach ihm niederschlug. Er hielt ihm lediglich die seine entgegen. Emilia presste die Augen zusammen und sah weg. Die Wucht des Schlags riss Thorbens Keule mit, die ihm gegen den Kopf prallte und ihn von den Beinen riss. Ein Rinnsal Blut, welches stetig mehr wurde, entwich Thorbens Stirn. Omet schien sich seiner Sache sicher und hob seine Waffe erneut an, bereit, den letzten vernichtenden Hieb auszuführen.
„Thorben!", schrie Emilia besorgt.
Am Rande seines Bewusstseins schien der ziemlich malträtiert wirkende Thorben den Ruf zu vernehmen. Seine Augen nahmen für einen Moment wieder einen klaren Blick an. Er riss seine Keule hoch und stieß sie nach vorne. Omet hatte gar nicht mit Gegenwehr gerechnet und reagierte entsprechend überrascht auf den plötzlichen Schmerz. Thorben ließ sich diese Chance nicht nehmen und schlug in weitem Bogen nach seinen Unterschenkeln. Wie ein Gigant wurde Omet von den Beinen gerissen, während Thorben alle Kraft zusammennahm und aufsprang. Er trat nach Omets Keule und prellte sie ihm aus der Hand. Danach hielt er ihm die seine symbolisch an den Hals. Der Kampf war entschieden.
Emilia ließ es sich nicht nehmen, über den Zaun zu springen und ihn jauchzend zu umarmen. Thorben hatte Schwierigkeiten, sie überhaupt zu halten, gab ihr aber einen Kuss auf die Stirn, ehe er sich helfen ließ, aus dem Ring zu gehen.
„Thorben gewinnt!", rief der perplex wirkende Dorfälteste aus, während Thorben gerade das Tor hinaus öffnete. Das restliche Dorf wurde von seinen Worten wachgerüttelt und brüllte Beifall. Omet kam langsam wieder auf die Beine und las seine Keule vom Boden auf. Praktisch im selben Moment sprang Asmos von seinem Platz. Sarah, die an seiner Schulter gelehnt hatte, schrie beleidigt auf.
„Das hier ist noch nicht vorbei Thorben!", rief Omet und machte einen Schritt auf den Angesprochenen zu.
Im selben Moment traf ihn eine Keule wuchtig an den Hinterkopf. Er gab gar kein Geräusch von sich, sondern fiel zu Boden wie ein Sandsack.
„Ist es doch", spuckte Asmos verächtlich aus.
Thorben nickte seinem Freund dankend zu, welcher nur abwinkte. Unter wütenden Rufen wurde Omet aus dem Kampfbereich entfernt. Anya eilte sofort zu ihrem Schützling und half Emilia, ihn zu stützen. Als er endlich saß, wischte sie ihm sogleich die Wunde mit einem feuchten Tuch ab. Horvath verkündete derweil schon die nächsten Kontrahenten.
„Sotar ist gewaltig schwer. Ich hoffe, er zerdrückt Asmos nicht unter sich", sagte Emilia zu Sarah gewandt.
Sarah musterte Asmos Gegner. Hinter seiner Fettleibigkeit verbargen sich kräftige Muskeln. Sie hoffte, Asmos unterschätzte ihn nicht. Das könnte ein tödlicher Fehler sein.


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