Die Gegenwart - Letzte Hoffnung #1
Nachdenklich schlurfte Ragnar durch die einstige Behausung seiner ärgsten Feinde, der Absconden. Doch von der Pracht der gigantischen Hauptstadt war nichts mehr zu sehen. Die Vororte waren niedergetrampelt geworden, der innere Ring mit all seinen herrschaftlichen Häusern verwüstet. In der Ferne erkannte er eine gewaltige Burg, deren Mauern großteils eingerissen waren. Neben dem rohen Wüten irgendwelcher, titanisch großer Wesen entdeckte er Brandspuren über die Gebäude verteilt. An der Höhlendecke machte er sogar einen Riss aus, als hätte hier ein Erdbeben gewütet. Der Boden war gesäumt von Leichen, teils die der Vrynn, teils der Absconden.
Der Lupa schüttelte seinen pelzigen Kopf über das Ausmaß dieser Zerstörung. Es erinnerte ihn an die Dörfer der Mariner, die er in einem ähnlichen Zustand vorgefunden hatte. Die wenigen äußerst misstrauischen Überlebenden hatten ihm von einem Berserker erzählt. Ein junger Kerl mit strohblondem Haar, durchzogen mit schwarzen und silbernen Blitzen, wie sie es formuliert hatten.
Er war gekommen, um ihnen das Wertvollste zu stehlen, das sie besaßen – den Wasserschild, Catara. Nun war seine kleine Sammlung womöglich komplett. Und er hatte keine Ahnung, wo er ihn fand, noch wo sein Sohn und dessen Armee abgeblieben waren. Hatten sie alle hier den Tod gefunden? Nein, das konnte nicht sein.
Mit federnden Schritten hetzte er durch die unterirdischen Korridore. Kaum hatte er die Stadt verlassen, bog er dieses Mal in einen anderen Gang ab, wo er einen Irrgarten an Verzweigungen vorfand. Er überließ es seiner feinen Nase, die öfter benutzten Gänge von denen, die eher gemieden wurden, zu unterscheiden.
Es kam ihm wie eine Ewigkeit vor, in der er durch die nahezu vollständige Finsternis irrte, aber schließlich entdeckte er eine ähnliche Stadt, wie die, die er vorher zu Gesicht bekommen hatte. Nur das diese nicht zerstört, aber dennoch bar jeglichen Lebens war. Ein mehrere Mann hoher Wall, der diese komplett umschloss, hinderte ihn, einzutreten. Aber an den unbesetzten Zinnen und der völligen Geräuschlosigkeit las er ab, dass die Bewohner der Stadt diese verlassen hatten. Erst jetzt fielen ihm die unzähligen, frischen Fußspuren auf dem Boden auf. Sie waren geschlossen abgezogen, womöglich geflohen vor der Bedrohung durch Asmos Sohn.
Aber wo war Asmos abgeblieben? Wo war seine Freundin, für die er diese Reise unternommen hatte? Ragnar hatte an der Küste einige Schiffe vor Anker gefunden, als auch die Spuren anderer, die erst kürzlich abgelegt hatten. Das bedeutete, es gab Überlebende, die sich noch immer hier aufhielten. Oder waren es so wenige, dass sie notgedrungen Schiffe zurückließen, weil es an Männern fehlte, sie zu manövrieren?
Ragnar verließ die Höhlen und wanderte über die weite Grasebene davor, wo sich die Spuren langsam verteilten. Er senkte den Kopf und beschnüffelte den Boden. Hier wimmelte es nur so vor Gerüchen, er konnte unmöglich einen einzelnen darunter ausmachen. Erneut blickte er sich um. Richtung Südosten war das Gras in einer breiten Schneise plattgetrampelt. Eine Horde an Geschöpfen war diesen Weg gegangen. Sie waren durch den Nadelwald gezogen, der sich im Osten an das Gebirge schmiegte. Er wollte ihrer Spur gerade folgen, als ihm etwas anderes auffiel. Einzelne Hufspuren führten nach Süden. Die Fährte war fast verwischt, aber für ihn deutlich genug. Aus dieser Richtung erschnüffelte Ragnar die Ausdünstungen eines Sumpfes. Wer war dieser einzelne Reiter? Er entschied sich dafür, ihm zu folgen. Wenn sein Sohn tatsächlich einsam in dieser gefährlichen Gegend unterwegs war, brauchte er seine Hilfe.
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