PROLOG

Song für dieses Kapitel: Florence + the Machine - Shake It Out

Die untergehende Sonne tauchte das Terminal des Londoner Flughafens in ein warmes, goldenes Licht. Die Strahlen, die durch die riesigen Glasfenster fielen, ließen den sterilen Raum mit seinen Metallstühlen und kalten Fliesen fast gemütlich wirken. Doch die Schönheit des Lichts konnte Hermine Granger nicht erreichen. Sie saß seit Stunden auf den unbequemen Plastikstühlen des Wartebereichs und starrte abwechselnd auf die große Anzeigetafel und das Buch in ihren Händen.

Der Nachtflug nach New York würde bald zum Boarding aufgerufen werde, und die Erleichterung durchzog sie wie ein leises Aufatmen. Endlich würde sie weiterziehen – endlich würde sie einen neuen Abschnitt beginnen.

Es war typisch für Hermine, viel zu früh am Flughafen zu sein. Die Kontrolle, die Planung, all das gab ihr ein Gefühl der Sicherheit, das sie in den letzten Monaten verzweifelt gesucht hatte. Der Krieg war vorbei, doch die Nachwehen spürte sie noch immer in jeder Faser ihres Seins. Jedes unvorhergesehene Ereignis brachte sie aus dem Gleichgewicht.

Also war sie viel zu früh gekommen, hatte ihren Koffer und Krumbein, ihren treuen Kater, in einer speziellen Transportbox abgegeben und sich in die Routine des Reisens gestürzt. Die Entscheidung, per Flugzeug zu reisen und nicht auf magische Weise mittels eines Portschlüssels zu reisen, war bewusst getroffen. Der Flug würde deutlich länger dauern, doch Hermine schätzte die Normalität dieser Art des Reisens.

Es war einfach, strukturiert, und vor allem konnte sie dabei nachdenken. Sie hatte Zeit, sich zu ordnen, bevor sie in ihr neues Leben auf der anderen Seite des Atlantiks eintauchte.

Während sie wartete, versuchte sie, sich in ihr Lieblingsbuch zu vertiefen – „Märchen von Beedle dem Barden", ein Klassiker, der sie schon durch viele schwere Zeiten begleitet hatte. Das Buch war durch den häufigen Gebrauch schon deutlich abgenutzt: Die Ecken der Seiten waren abgegriffen, der Einband zeigte feine Risse. Doch genau das verlieh ihm Charakter, erinnerte sie an all die Nächte, in denen sie es gelesen hatte, um sich abzulenken oder zu trösten.

Doch an diesem Tag konnte es sie nicht wie sonst in den Bann ziehen. Ihre Gedanken wanderten immer wieder zurück, zu den letzten Monaten, zu den verlorenen Freunden, zu dem Chaos, das der Krieg hinterlassen hatte. Sie konnte nicht anders, als die Leere zu spüren, die der Sieg über Voldemort zurückgelassen hatte. Der Preis, den sie und ihre Freunde dafür gezahlt hatten, war hoch gewesen – vielleicht zu hoch.

Hermine klappte das Buch schließlich zu und verstaute es in ihrer Handtasche. Sie wusste, dass es nun an der Zeit war, sich auf den bevorstehenden Flug vorzubereiten. Die Reise würde mehrere Stunden dauern, und sie wollte sich noch ein wenig frisch machen, bevor sie das Flugzeug betrat. Mit einem Seufzen erhob sie sich und machte sich auf den Weg zu den Waschräumen des Terminals.

Als sie vor dem Spiegel in der Damentoilette stand, konnte sie kaum fassen, wie erschöpft sie aussah. Ihre rehbraunen Augen wirkten stumpf, von tiefen, dunklen Schatten unterstrichen, die von den schlaflosen Nächten der letzten Monate zeugten. Sie starrte in ihr eigenes Gesicht, aber das, was sie sah, fühlte sich fremd an.

Hermine konnte nicht mehr die sorglose junge Hexe erkennen, die sie einmal gewesen war. Das Leben hatte ihr schwere Lektionen erteilt, und obwohl sie stark war, hatte es Spuren hinterlassen – sowohl sichtbare als auch unsichtbare.

Sie griff nach ihrem Make-up in der Hoffnung, wenigstens einen Teil dieser Spuren überdecken zu können. Doch es fühlte sich sinnlos an. Ihre Hände zitterten leicht, und obwohl sie sorgfältig versuchte, die Müdigkeit zu verbergen, gelang es ihr nicht. Das Make-up kaschierte nichts von dem Schmerz, der in ihren Augen lag. Die letzten Monate hatten sie verändert, und das konnte kein magisches oder nicht-magisches Produkt verbergen. Sie war nicht die Hermine Granger, die nach Hogwarts gegangen war, um zu lernen und die Welt zu verbessern. Sie war eine Frau, die Dinge gesehen und getan hatte, die sie nie für möglich gehalten hätte. Eine Frau, die gelitten hatte.

Ein Kloß bildete sich in ihrem Hals, als sie vergeblich versuchte, die aufsteigenden Tränen zurückzuhalten. Ein Teil von ihr wollte schreien, wollte alles loslassen, was sie mit sich trug, aber der Flughafen war nicht der richtige Ort dafür. Sie atmete tief ein und zwang sich, ruhig zu bleiben. Es war schwer, so viel schwerer als sie es sich eingestehen wollte. Doch sie war Hermine Granger – sie war immer die Starke gewesen. Sie musste weitermachen. Das war es, was von ihr erwartet wurde.

Nachdem sie sich so gut es ging gefasst hatte, verließ sie das Badezimmer und ging zurück in Richtung ihres Gates. Der Flughafen war inzwischen gut gefüllt, und überall sah man Menschen, die wie sie auf ihre Nachtflüge warteten. Familien verabschiedeten sich voneinander mit langen Umarmungen, Paare tauschten letzte Küsse aus, während andere alleine durch die Gänge huschten und versuchten, in der Geschäftigkeit einen Moment für sich zu finden. Manche Reisende hatten sich auf die unbequemen Sitze gelegt und schliefen bereits, während andere hektisch auf ihre Telefone starrten oder letzte Anrufe tätigten. Es war eine seltsame Mischung aus Aufbruch und Ankunft, eine Zwischenwelt, in der alle warteten, bis ihr Flug sie fortbrachte.

Als Hermine am Gate ankam, zog sie ihren Pass und die Bordkarte aus ihrer Tasche. Sie zeigte die Dokumente der Mitarbeiterin, die sie mit einem freundlichen Lächeln begrüßte, und betrat den langen Gang, der sie schließlich in das Flugzeug führen würde. Es war ein vertrautes Gefühl, die engen, metallenen Gänge entlangzulaufen, die Luft war stickig, und das gedämpfte Licht erzeugte eine seltsame, beruhigende Atmosphäre.

Sie hatte einen Fensterplatz, eine der wenigen Annehmlichkeiten, die sie sich für diese lange Reise gegönnt hatte. Sie ließ sich in den Sitz sinken und blickte aus dem kleinen Fenster, während die Passagiere um sie herum ihre Plätze einnahmen. Ihre Gedanken waren weit weg – zurück in England, bei den Menschen, die sie zurückgelassen würde.

Doch dies war der Grund, warum sie ging. Sie konnte die Narben des Krieges nicht einfach abschütteln, solange sie in der Nähe all der Orte war, die sie an ihn erinnerten. Hogwarts, das Ministerium, selbst die Winkelgasse – alles war durchdrungen von Erinnerungen an den Kampf, an Verluste und Triumphe, die sich für sie kaum wie Siege anfühlten. Der Krieg mochte gewonnen sein, doch der Preis war hoch gewesen. Und obwohl der Frieden eingekehrt war, konnte Hermine nicht mehr in dieser Welt atmen. Sie brauchte Abstand, Zeit zum Nachdenken, um herauszufinden, wer sie nun war – ohne den Druck, immer die kluge, tapfere Hermine zu sein.

Der Flug nach New York war der erste Schritt in ein neues Leben. Ein Leben, in dem sie vielleicht endlich herausfinden konnte, wer sie wirklich war, fernab der Narben des Krieges und der Last, die sie seit so vielen Jahren getragen hatte.

Als die Flugzeugtüren sich schlossen und das vertraute Brummen der Triebwerke begann, lehnte sich Hermine zurück und atmete tief durch. Es war der Anfang von etwas Neuem, und zum ersten Mal seit langer Zeit fühlte sie, dass vielleicht, nur vielleicht, Heilung möglich war. Die Vergangenheit lag nun hinter ihr, und ein neues Kapitel wartete auf sie – eines, das sie selbst schreiben würde.

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