KAPITEL 18: Im Rampenlicht

Am nächsten Morgen schälte sich Ginny unter großer Anstrengung aus den weißen Seidenlaken ihres Bettes. Auch wenn das gestrige Abendessen und der darauffolgende Barbesuch sehr schön waren, sie hatte definitiv zu viele Mimosas getrunken.

Als sie in ihren begehbaren Kleiderschrank eintrat, war sie zuerst einmal komplett überfordert mit der hübschen jungen Frau, die dort im Spiegel stand.

Marcus Flint und Oliver Wood hatten wirklich ganze Arbeit geleistet. Wie sich Menschen ändern konnten, früher Feinde und heute waren sie verlobt. Aber auch sie war komplett verändert, jetzt zumindest. Sie fühlte sich anders. Neu, besser, selbständiger und stärker.

Im Eingangsbereich des Ministeriums herrschte das übliche, morgendliche Treiben. Zahlreiche Angestellte suchten ihren Weg zur Arbeit, Zeitungen wurden verkauft und emsige weitere Zauberer waren auf dem Weg zu ihren Terminen. Magische Memos flogen durch die Luft zu ihren Bestimmungsorten. In den großen schwarzen Marmorkaminen loderten hin und wieder grüne Flammen auf, aus denen dann verschiedene Zauberer stiegen.

Ginny stieg aus dem letzten Kamin in der Reihe. Als sich sich ihren Weg durch die Menge bahnte, drehte sich jeder nach ihr um. Alle wussten doch, wegen was sie heute hier war. Doch, jeder, der sie ansah, wurde von ihrem Erscheinungsbild überrascht. Keiner hatte das erwartet.

In dem blank polierten Holzboden spiegelten sich die roten Solen der hübschen hohen Winterstiefel, das kurze schwarze Kleid betonte die langen Beine der jungen Frau. Über dem Kleid trug sie einen schwarzen Mantel, der jedoch offen war, sodass die teuere Kette von Chanel zu sehen war. Die langen Haare, die vorne mit einem kerzengeraden Pony versehen waren, waren offen. Die elegante Handtasche wippte bei jedem Schritt der hübschen Rothaarigen leicht vor und zurück. Die edle Sonnenbrille thronte auf ihrer abgepuderten Nase.

Ginny genoss das Rampenlicht. Zum ersten Mal seit langem fühlte sie sich bereit und die Entscheidung fühlte sich richtig an. Die teuren neuen Klamotten und die schicke frische Frisur verliehen ihr einen regelrechten Selbstbewusstseinsschub, so dass sie stolz durch die Menge schritt. Sie bemerkte das Klicken der Kameras, hörte die aufgeregten Reporter und vernahm das Nuscheln und Flüstern der übrigen Passanten. Sie versuchte sich nur auf das monotone Geräusch zu konzentrieren, dass immer dann entstand, wenn ihre hochhackigen Stiefel auf den Boden trafen. Sie war dennoch enorm aufgeregt.

Sie versuchte sich drauf einzustellen, was sie gleich erwarten würde: Sie würde wahrscheinlich nicht nur von Harry, höchstwahrscheinlich auch von ihren Eltern und Ron erwartet werden, immerhin war das die erste Scheidung innerhalb der Familie seit langem. Also würde alle da sein. Diese Sache hatte sich ohnehin viel zu schnell in die falsche Richtung entwickelt, zu sehr war Harry mit ihrer Familie verschmolzen, sie hatte das Gefühl als wäre er inzwischen mehr Weasley als sie. Sie wusste, dass sie sich auch heute, in einer verdammt seltsamen Art und Weise auch von ihrer Familie trennen würde.

Mittlerweile bedauerte sie dies auch nicht mehr so sehr. Sie war immer noch unfassbar enttäuscht von allen: Außer Fred, George, Fleur und Bill hatte sie mit keinem mehr Kontakt gehabt, seit sie ausgezogen war. Sie hatten sie einfach im Stich gelassen.

Schon hatte der magische Lift, nach einer schwindelerregenden Fahrt in alle Richtungen, sein Ziel, die Etage für Familienangelegenheiten, Eheschließungen und Scheidungen, erreicht.

Als Ginny den Fahrstuhl verlies, fand sie nur einen langen, menschenleeren Gang vor. Zögerlich ging sie diesen entlang, las die goldene, leicht abgeblätterte Beschriftung auf jeder der schwarzen Türen. Der rote Teppichboden raschelte unter jedem ihrer Schritte.

Sie war vor der richtigen Türe angelangt: „Büro von Scheidungsrichter Knatchbull" stand auf der Tür. Nervös fuhr sie mit den perfekt manikürten Händen durch die geglätteten Haare. Nervös klammerte sie sich an den Riemen aus Kalbsleder ihrer „Saddle Bag" fest und drückte die schwere Türklinke der etwas heruntergekommenen Türe hinunter.

Sie schloss die Türe wieder, nachdem sie den Raum betreten hatte. Das Bild, welches sich ihr bot, überraschte sie nicht.

Wie erwartet, befanden sich zu viele Personen in dem, doch recht kleinen Raum des Scheidungsanwalts. Als sie eintrat, herrschte eine eisige Stille.

Ihre Mutter und ihr Vater hatten auf einer kleinen Ottomane, die vor einem Bücherregal stand, Platz genommen. Ron stand direkt daneben. Harry saß auf einem sehr unbequemen aussehenden Stuhl vor dem Schreibtisch des älteren Zauberers.

Der Scheidungsrichter Knatschbull hatte sich auf einem gewaltigen Sessel bereit gemacht, der direkt hinter dem ebenso gewaltigen Schreibtisch stand. Allgemein wirkte das Mobiliar viel zu groß für das doch recht kleine Büro. Erst jetzt bemerkte die rothaarige Hexe den hageren Mann hinter Harry, den sie zuvor noch nie gesehen hatte. Wer war das?

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