KAPITEL 16: Alte Geister in schwachen Momenten
Ein Feuer brannte im Kamin des Gastraumes des tropfendes Kessels, die einzige Licht- und Wärmequelle in dem vollkommen menschenleeren Raum. Auf dem ramponierten Schaukelstuhl vor der Feuerstelle saß eine Frau. Sie wippte leicht hin und her, doch dies war weniger beabsichtigt, immer wieder schüttelte sie es, während sie weinte. Sie war gefallen, von weit oben, bis ganz nach unten, das nur, weil sie, das dachte sie zumindest, die Wahrheit gesagt hatte.
Die blaue, altmodische Jeans war dreckig, die Socken, die sie trug, hatten Löcher. Sie zitterte und bibberte, das Feuer wärmte sie nur etwas. Und gegen die Kälte in ihrem Herzen half weder das Feuer, noch der lilafarbene Stickpullover, auf dem ein „G" war. Auch die roten Haare der Frau, die Anfang 30 war, sahen vielmehr wie ein Vogelnest aus, nicht wirklich wie eine Frisur. Sie blickte verloren aus einem der schmutzigen Fenster, sah das Schneetreiben außerhalb, obwohl es erst Mitte November war. Etwas mehr als zwei Monate waren vergangen, seit sie mit ihrem Mann ihre Kinder zum Zug gebracht hatte. Schon am Abend dieses Tages waren die Weichen auf Katastrophe gestellt worden. Der Untergang war von einem Brief ausgelöst worden.
In diesem Brief hatten Albus und Lily geschrieben, dass sie nicht wie erwartet nach Gryffindor gekommen waren, sondern nach Slytherin, zusammen mit Perseus und Cassiopeia Malfoy. Harry war so überfordert gewesen. Gut er wusste, dass nicht alle Slytherins seelenaussaugende Monster waren, Albus trug ja sogar einen Slytherin als Zweitnahmen, aber dennoch hatte man ihm angemerkt, dass es ihm lieber gewesen wäre, wenn die beiden, wie ihr älterer Bruder James, nach Gryffindor gekommen wären. Ihr war es vollkommen egal gewesen, sie wusste, dass der sprechende Hut sie damals auch fast nach Slytherin geschickt hätte.
Ebenfalls war ihr immer mehr aufgefallen, wo alle Kinder weg waren, dass sie und Harry sich von einander entfernt hatten. Als Albus oder Lily in ihrem Briefen immer öfter von den Malfoys schrieben und davon, dass sie sich angefreundet hatten, wurde Harrys Laune immer schlechter. Er verteufelte nun doch die Wahl des sprechendes Hutes, schrieb sogar Minerva McGonagall, es zu ändern.
Ab diesem Zeitpunkt hatte sich Ginevra Molly Potter geweigert, sich ein Zimmer mit ihrem Mann zu teilen, da er Vorurteile über das Glück seiner Kinder stellte. Auch die Situation, dass der gesamte Weasley-Clan in ihrer Stadtvilla wohnte, störte sie ab da immer mehr, alle bekamen alles mit. Alle mischten sich in den Ehezwist der Potters ein.
Das schaukelte sich immer mehr hoch, bis zu einem Sonntags-Brunch, den Ginny mit den Worten: „Vielleicht hat Hermine recht in ihrem Buch, du bist wirklich engstirnig, verbissen und herrisch!", verlassen hatte. Sie hatte seinen schockierten Blick gesehen, als dieser begriffen hatte, dass sie „Leben und Lügen des Harry James Potter" gelesen hatte. Da da hatte sie nicht Halt gemacht, sie war in das Schlafzimmer von ihr und Harry gerast und hatte die Koffer gepackt. Sie war ins Hotel gezogen, hatte die negativ Schlagzeilen unterschätzt, die eine Trennung vom Auserwählten mit sich ziehen würde.
Sämtliche Klatschblätter zerrissen sich den Mund über sie, vom Tagespropheten bis zu verschiedenen Klatschblättern.
Und nun war sie hier. Sie hatte ihre Position bei den Harpies verloren, da sie scheinbar schlechte Publicity bringen würde. Harry hatte ihr den Zugriff auf das gemeinsame Verlies gesperrt, sie hatte kein eigenes Konto.
Sicher, wenn sie wieder in den Grimauldplatz ziehen würde, würde man sie nicht auf die Straße setzen, aber diese Blamage wollte sie sich nicht antun. Sie war ohnehin geschockt, wie wenig Rückhalt sie von ihrer Familie erhielt. Die einzige Ausnahmen waren Fleur, Bill, Fred und George, die ihr Briefe schrieben und aufmunterten, von den Anderen hatte sie nun seit sie ausgezogen war, was vor einem Monaten war, nicht gehört. Stellte man jetzt Harry allen ernstes über sie?
Aber etwas, das machte die Rothaarige viel trauriger: Harry hatte ihren Kindern, abgesehen von James, kein einziges Mal geschrieben, seit die Beiden in Hogwarts waren.
Doch was sollte sich nun tun? Sie war pleite, all ihre Freunde waren vor allem Harrys Freunde und keiner würde die Ex vom Auserwählten einstellen.
„Meine süße kleine Ginevra, da bist du!", eine Stimme, einem Heulen ähnlich, machte sich bemerkbar. Sie schaute sich im Gastraum des Pubs um. Sie sah niemanden, nicht einmal einen Hauch von Licht, abgesehen vom Kamin. Sie war allein.
„Ginevra, Ginny, Ginny Weasley!", die Stimme verstummte jedoch nicht. Sie sah niemand, doch sie spürte die Präsenz von einer anderen Person. Sie sah niemanden, keinen Menschen, bis sie direkt neben sich schaute.
Die langen dünnen Beine, die muskulöse Brust, der perfekt sitzende Umhang mit der Slytherin-Schlange, das Vertrauensschüler-Abzeichen. Sie blickte, immer noch in dem Schaukelstuhl sitzend, in das Gesicht des 16-jährigen Tom Riddles. „Meine kleine Ginny, endlich bist du da, bereit für mich. Harry Potter kann dich jetzt nicht mehr beschützen.", der Teenager sprach den Namen ihres Mannes voller Abscheu aus. Sie sprang aus ihrem Stuhl auf und wollte nach ihrem Zauberstab greifen. Doch sie fand ihn nicht.
„Nicht einmal deinen Zauberstab findest du, kleine Sabberhexe. Aber ich werde nachsichtig mit dir sein.", die kalte Stimme Tom Riddles jagte ihr einen Schauer über den Rücken.
Auf einmal brach Tom Riddles Schädel in zwei Teile, der Riss breitete sich in Windeseile über seinen ganzen Körper aus. Die ansehnliche leblose Hülle der Erinnerung fiel zur Seite und die nasenlose Gestalt des Dunklen Lords kam zum Vorschein.
„G-I-N-E-V-R-A!"
Entsetzt schlug Ginny ihre Augen auf, ruckartig setzte sie sich auf. Drei Flaschen Feuerwhiskey, die sie am Vorabend getrunken hatte, um ihrem Leid zu entfliehen, fielen von der kratzigen Wolldecke und landeten auf den Holzdielen des Raumes. Sie vernahm ein Klopfen an ihrer Zimmertüre, sie hatte vollkommen verdrängt, dass sie heute aus dem schäbigen Zimmer ausziehen musste. Sie schlug die Decke zurück und schleppte sich übernächtigt aus dem Bett, welches in einem sehr desolaten Zustand war. Sie trug immer noch die Sachen vom gestrigen Tag, eine Jeans und ein lilafarbener, verwaschener Weasley-Pullover.
Während sie zur Türe ging, fuhr sie sich verzweifelt über ihre Haaren, ein verzweifelter Versuch das Chaos zu bändigen. Sie drückte die Klinke der Tür hinunter.
Überrascht taumelte sie ein paar Schritte zurück, als vor der Türe nicht Tom, der sie hinauswerfen wollte, stand. Vielmehr vernahm Ginny die makellose und glamouröse Erscheinung Hermine Malfoys, die überhaupt nicht in diese Umgebung passen wollte.
„Hermine?"
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