Das Interview Teil 1
Cynthia de Sang fuhr mit ihren silbernen Mercedes an der Tartes vorbei. Wie jeden Morgen musste sie über den Spruch im Schaufenster von Madam Chocolat lächeln. Auch Jahrzehnte nach Marie Antoinettes Tod, blieb sie hier lebendig.
Zwar in Form ihres Ausrufs: "Sollen sie doch Kuchen essen", aber immerhin war deswegen diese Straße Tartes, also Kuchen, genannt worden.
Sie lenkte ihren Wagen in die Rue Antionette und hielt auf den großen Stahlturm zu.
Das Paris der Vampire war wahrlich schöner, als das der Menschen. Hier lag weniger Dreck rum, weil es ganz einfach auch weniger Verpackungsmüll gab. Cynthia hasste es wie Menschen aßen. Selbst Benjamin, ihr deutscher Nachtschatten, durfte nicht einmal ein Brötchen in ihrer Gegenwart essen.
Wie hatte sie diese Bankette im 18 Jahrhundert gehasst. Ihr heutiger Interviewpartner sollte ja ein großer Menschenfreund sein. Ob das gut ging?
Eigentlich wollte sie das Interview nicht führen. Aber dem Grafen eine Bitte abschlagen, war töricht. Sehr töricht, wenn dieser ausgerechnet einer der drei Herrscher ihrer Art war.
Alessandro Drago also. Sie hatte wie alle große Gerüchte gehört, über den zweiten Mond der Nacht.
Aber sie hoffte, dass da noch etwas von den jungen charmanten Vampir übrig war, denn sie 1776 kennenlernte.
Sie erreichte den Place de Dauphine und steuerte auf das Parkhaus zu. Der riesige Stahlbau des Turms Aree ragte in die Höhe. Immer noch durchfuhr sie Ehrfurcht, wenn sie das Gebäude ansah. Cynthia arbeitete jetzt schon 40 Jahre hier und konnte den Anblick des Tour de Aree immer noch nicht als etwas Alltägliches betrachten. Sie lenkte den Wagen in die Tiefgarage und parkte auf ihrem Parkplatz. Als Nachrichtensprecherin des TRF hatte sie natürlich einen.
Cynthia stellte den Motor aus, nahm ihre Handtasche und prüfte ihre blonde Hochsteckfrisur im Rückspiel. Dann stieg die Vampirfrau aus und ging zum Fahrstuhl.
Sie drückte leicht nervös den Knopf, der die Kabine runter hohlen würde und schaute auf die Uhr. Es war 17:30 Uhr. Der Graf müsste inzwischen auf dem Weg hierher sein.
Was war, wenn es ihm nicht gefiel?
Konnte sie ihre Fragen stellen, wenn ein so mächtiger Mann vor ihr saß.
Ja, das konnte sie. Der König selbst saß jedes Jahr am Nationalfeiertag bei ihr auf dem Sofa.
Sie konnte hohe Persönlichkeiten interviewen.
Entschlossen strich sie den dunkelblauen Rock zurecht, der ihr bis zu den Knien ging und bemerkte wie sich der Fahrstuhl öffnete.
Sie knöpfte ihre türkise Bluse zu und richtete beim reingehen ihre BH-Träger. Sie drückte den Knopf, der sie zum Studio des Senders Télévision Royale France bringen würde und sah aus der mit Glas ausgelegten Rückwand des Fahrstuhles.
Der König hatte wohl die Besichtigungen an diesem besonderen Tag verboten. Denn um die Absperrung des weißen Marmorsarges tummelten sich keine Touristen.
Sie schluckte als sie auf das in Stein gehauene Abbild der einstigen Kronprinzessin blickte.
Ausgerechnet hier würde sie dem Mann auch fragen über die Dauphine stellen. Sie hatte den Vampir auf dem Sofa den die Prinzessin geliebt hatte.
Würde Alessandro Drago überhaupt über Dauphine Aree de Flore, sprechen wollen?
Es war gewiss schrecklich gewesen, sie in Notre Dame sterben zu sehen.
Cynthia erinnerte sich noch gut daran, wie es war ihren Bruder auf der Guillotine zu sehen. Luzifer sei dank hatten Alessandro und seine Brüder ihn vor der Schreckensherrschaft gerettet.
Es war von Robespierre und diesen verfluchten Menschen nicht gerecht gewesen, einfach zu töten, nur weil man Adelig war.
Sie dachte nicht gerne an das dunkelste Kapitel der Geschichte ihrer Nation zurück. Kein Französischer Vampir tat dies gerne.
Die Schreckensherrschaft Robespierres war lange totgeschwiegen worden. In den 80ern hatte man sich dafür schämen müssen, dies miterlebt zu haben.
Sie merkte wie der Sarg der Dauphine immer kleiner wurde und sprach im stillen: "vive le Aree de flore.".
Ja, die Tochter des Soleil sollte noch lange leben. Zumindest im Gedächtnis ihres Volkes.
Der Fahrstuhl blieb stehen und öffnete sich. Cynthia trat heraus und sah sich sofort vor vier braun gebrannten Männern stehen. Sie waren eindeutig Südländer und trugen schwarze Anzüge und einen Anstecker mit einem Vollmond und 12 Sternen über der rechten Brust an den Jacketts.
Pistolen saßen an ihren Hüften.
Cynthia musterte die Fremden und verzog verwundert das Gesicht zu einer misstrauischen Mine.
"Bon Giorno, Signora. Wir müssen sie auf Waffen prüfen. Sind sie eine Mitarbeiterin des TRFs?" , sprach der kleinste schwarzhaarige Südländer mit leichtem italienischem Akzent.
Die Augen seiner braunhaarigen Gefährten ruhten die ganze Zeit auf ihr. Sie war sich sicher, dass dies Sicherheitskräfte des Grafen waren.
"Bonjour und willkommen in Frankreich. Oui, ich habe meinen Ausweis hier."
Sie kramte eine Zeitlang in ihrer Handtasche und zog schließlich ihr Portmonee heraus. Dann fischte sie ihren Mitarbeiterausweis des Senders heraus und hielt diesen dem Italiener vor die Nase.
Der Vampir nickte und hielt die Hand auf.
"Sie sind also die Nachrichtensprecherin."
Sie spürte deutlich wie er auf Ihr Dekoltee starrte.
Sie ließ ein tiefes Knurren aus ihrer Kehle aufsteigen.
"Oui und falls es sie interessiert, bin ich auch die Tochter von Grande Marquis Laurent de Sang. Der Name sagt ihnen sicher etwas, da sie ja mit dem Bruder Alessandros auch zu tun haben."
Der Italienische Vampir starten sie verdutzt an und lies die Hand sinken.
"Sie sind die Tochter von Lorenzo Dragos Scheinvater in der Revolution."
Sie nickte.
Der Sicherheitsmann trat nervös auf der Stelle herum.
"Dann bitte ich vielmals um Entschuldigung, Madam de Sang."
Er schluckte.
"Entschuldigung angenommen. Und nun halten sie mich nicht länger auf."
"Natürlich, Signora!", meinte der Vampir und trat zur Seite.
Cynthia ging nun zum Studio und atmete einmal tief durch.
Dann öffnete sie die Tür.
"Ah, Cynthia, kommen sie herein!", forderte eine wohl bekannte Stimme sie auf.
Sie trat in den Raum und sah erst die Kameraleute, die eifrig mit dem einstellen der Geräte beschäftigt waren. Dann wanderte Cynthias Blick zum roten Sofa und dort saß Daniel de Agreste, ihr Chef.
Sie schluckte. Aber eigentlich hätte sie wissen müssen, dass er hier auftauchen würde. Daniel ließ keine Gelegenheit aus, jemand Mächtiges in den Arsch zu kriechen.
"Komm doch her, Cynthia."
Sie rollte mit den Augen und nahm dann Blutgeruch wahr, der im Zimmer schwebte.
Sie suchte hungrig nach der Quelle. Auf einen Tisch standen Gläser mit roter Flüssigkeit wie eine Pyramide aufgestellt.
Daniel stand auf und schlenderte zum Tisch herüber.
"Komm, du bist doch sicher durstig. Schließlich ist doch heute Benjamins Blutbildungstag. Hat er wieder dieses Zeug trinken müssen. Wie nennen die Menschen das … war es nicht Blutorangensaft."
Daniel lächelte und hob das Oberste Glas von der Pyramide und schnupperte daran.
"Ahh köstlich. Ganz jung. Hier für dich."
Er hielt ihr das Glas hin.
Cynthia seufzte und konnte aber nicht widerstehen. Sie war nur ein Schemen als sie in Sekunden die Distanz zwischen ihr und Daniel überwand. Sie nahm das Glas ihrem Chef ab und schnupperte.
"Welcher Wirt?"
Daniel lächelte breit.
"Das ist deutsches Blut. Mein Vater lässt regelmäßig ein oder zwei Helfer des Fahrers der Deutschen Automobilfirma, die ihn beliefert verschwinden. Der Wirt hier war erst 24 Jahre alt und ein Frankfurter.", erklärte Daniel.
Sie hörte ein Fauchen und hätte beinahe das Glas fallen lassen.
Daniel schluckte und seine Hände bebten leicht.
Cynthia drehte sich um und sah ein schwarzes Wesen von der Decke segeln. Aber es drehte sich elegant in der Luft und Fellbüschel stob in all Richtungen. Das Wesen verwandelte sich im Fallen in einen Menschen und kam mit den Füßen auf den Boden auf.
Der Mann trug ein hellblaues Hemd und ein dunkelblaues Jackett mit gleichfarbiger Stoffhose.
Seine lange braune Lockenpracht legte sich über seine Schultern.
Cynthia sah noch seine roten Augen, ehe seine Iris zu einem warmen Hellblau wechselte.
Der Mann trat auf sie zu und streckte die Hand aus.
"Bonjour Madam, mein Name ist Alessandro Drago, Comte von Immortalite.", stellte sich der Mann in perfektem Französisch vor.
Leicht verdutzt nahm Cynthia die bräunliche Hand des Grafen und bemerkte wie seine Vampirfänge beim sprechen zurück gingen, bis sie wieder als normale Reißzähne in seinem Gebiss saßen.
"Guten Tag, Mein Name ist Cynthia de Sang.", wiederholte sie seine Vorstellung.
Alessandro lächelte sie an und nahm ihre Hand. Er hauchte ihr einen Kuss auf den Handrücken.
Cynthias Wangen färbten sich augenblicklich rot.
"Es ist mir eine Ehre sie wiederzusehen, Madam de Sang.", sagte der Drago und behielt Französisch bei.
Es war sogar keiner leih italienischer Akzent zu hören.
Daniel räusperte sich.
"Graf!", meinte er und streckte Alessandro fast energisch die Hand hin, "Willkommen bei meinem Sender. Hatten sie eine gute Anreise? Ich bin Vicomte Agreste, Monsieur."
Alessandros Blick verfinsterte sich augenblicklich.
"Der Agreste? Der Sohn von Sebastian Agreste? Sie sind von dem Mann geschaffen worden, der die Königin als junges Mädchen als Prostituierte hielt."
Alessandros Stimme war durchsetzt mit Zorn.
Daniel schaute verstört den Grafen an.
"Selbst wenn mein Vater als Mensch derlei Dinge tat, so ist er nun ein anderer."
Alessandro schnaubte verächtlich und deutete auf Cynthias Glas.
"Er ist kein anderer, wenn er hilflose Menschen entführen lässt. Ich habe euer Gespräch mit Madam de Sang gehört."
Daniel knurrte den Grafen an.
"Ich kenne Vaters Vergangenheit nicht. Ich weiß nur, dass er nach der Revolution verwandelt wurde. Ich kann mir nicht vorstellen, dass der König ihn hier leben lassen würde, wenn dies wahr wäre, wenn er ihrer Majestät etwas derartiges angetan hätte."
"Ich weiß doch was ihre Majestät Aree erzählte, nach dem Überfall auf Gemme de sang."
Alessandro ballte die Fäuste und seine Augen wurden wieder rot.
"Monsieur Drago, lasst uns nicht streiten. Wir haben das 21. Jahrhundert. Es hilft uns gar nichts sich über Dingen aufzuregen, die lange lange zurück liegen.", versuchte Cynthia die Wogen wieder zu kletten.
Alessandro fauchte wie ein Tier in Daniels Richtung und sah dann Cynthia an.
"Ihr habt recht, Madam! Lasst uns zum Interview kommen. Ich will danach noch das Grab der Dauphine besuchen. Soleil, der König, erlaubt es.", gab sich Alessandro geschlagen und nahm sich ein Glas Blut.
Er sah Daniel noch einmal an.
"Ich wünsche, dass sie in ihr Büro gehen. Ich brauche keinen Speichellecker an meiner Seite, der es billigt, dass sein eigener Vater sich einen illegalen Blutvorrat an Menschen hält. Er kann sich Lustsklaven kaufen und denen Blut klauen, aber keine Menschen. Ich werde rechtliche Schritte gegen Sebastian de Agreste einleiten. Freiheitsberaubung ist illegal, auch wenn die Opfer Menschen sind. Wir nutzen unsere Position nicht gegenüber unserer schwächeren verwandten Spezies aus. Ist das klar!", sagte Alessandro laut aber nicht schreiend. Dennoch merkte Cynthia, dass der Graf erzürnt war.
Daniel schluckte und meinte leise: "Ich sage es meinen Vater. Einen schönen Aufenthalt, Graf Drago."
Damit verließ Daniel nun das Studio.
Diese Abfuhr hatte er redlich verdient,fand Cynthia.
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