Kapitel 23


Celias Sicht

Ich versuchte oftmals, Thiago zu erreichen, weil ich mir Sorgen um ihn machte. Kein Freizeichen. Sein Handy war tot. Ich drehte mich auf die rechte Seite, dann auf die linke aber konnte kein einziges Mal mein Auge zu machen. Morgen hatte ich Schule und ich sollte schon schlafen.
Seufzend setzte ich mich hin und blickte im Dunkeln zu meiner Tür. Plötzlich klopfte es an der Tür, ich schreckte kurz auf und rief seufzend: „Emma?! Wie oft noch, du sollst in der Nacht nicht so laut klopfen!", meckerte ich. Sie kam rein und schaltete das Licht an, wobei ich mit meiner Hand meine Augen zudeckte.

„Celia, es gibt eine schlechte Nachricht!", begann sie. Ich blinzelte ein paarmal und strengte mich, wegen des Lichtes an, sie anschauen.

„Es ist Mitternacht, Emma, welche schlechte Nachricht gibt es um diese Zeit?", fragte ich.

„Thiago ... er wird vermisst!", sagte sie ernst mit großen Augen.

„Was?", schrie ich kurz und stand von meinem Bett auf. „Wie vermisst?"

„Er ist heute vom Krankenhaus abgehauen und keiner weiß, wo er steckt! Sein Vater sucht ihn schon. Die waren auch hier und haben ihn auch nicht in der Wohnung gefunden. Er ist einfach verschwunden!"

Ich starrte Emma schockiert an. „Wohin soll er denn bitte mit seiner Verletzung hingegangen sein?", fragte ich und atmete etwas schneller.

„Keine Ahnung. Ich erzähle dir nur das, was Olivia mir Bescheid gegeben hat."

„Ich komme gleich!", lallte ich und ging aus meiner Wohnung. Ich rannte die Treppen rauf, klopfte und klingelte an seiner Tür. „Thiago, bitte ... ich bin es, Celia, mach die Tür auf!", sagte ich laut. Es kam nichts. Ich klopfte wieder und wieder und klingelte auch, so oft ich konnte. „Ich bitte dich! Ich mache mir Sorgen, mach für mich auf ... bitte!", redete ich frustriert. „Du kennst das doch, du wolltest auch für mich da sein, als es mir schlecht ging, also tu diesmal mir den Gefallen und lass mich rein. Ich will nur, dass es dir wieder gut geht." Nach kurzer Zeit hörte ich, wie der Schlüssel im Schloss gedreht wurde und so die Tür aufgesperrt wurde. Er hatte die eine Hand am Türrahmen und die andere bei dem Türgriff, als könnte er, ohne sich festzuhalten, nicht stehen. Sein Gesicht war ein wenig blass. Die Augenbrauen waren zusammengezogen und er schaute mich nicht gerade begeistert an. Ich blickte zu seinem Bauch, doch er hatte sein schwarzes Shirt an und nicht mehr die Krankenbekleidung.

„Kann ich rein?"

„Wieso?", fragte er. Ich verstand nicht, wieso er so böse war. War das, weil er wegen mir in so einem Zustand war?

„Weil ..., weil ich bei dir sein will!", meinte ich leise.

„Ich brauche niemanden! Weder dich noch Eric!" Ich schaute ihm verletzt in die Augen und wusste nicht, was ich sagen sollte. In dem Moment schloss er kurz seine Augen, weil er vor Schmerz nicht mehr stehen konnte und griff mit der einen Hand zu seiner Verletzung am Bauch. Ich ging ihm ein Schritt näher und legte meine Hand auf seinem Arm. Als er meine Berührung bemerkte, sah er mir von der Nahe in die Augen.
„Ich will, dass du gehst! Ich komme schon klar!", sagte er kalt.

„Nein! Ich möchte hierbleiben! Ich bin auch verletzt, deswegen will ich heute nicht alleine sein. Emma musste heim, weil sie was erledigen musste, deswegen bin ich hier, alles nur damit ich nicht alleine bin und nicht wegen dir!", log ich ungern, weil ich keine andere Wahl hatte, und ging an ihm vorbei in seine Wohnung. Ich hörte ihn aufgebracht durchatmen und er schloss die Tür. Ich beobachtete ihn, wie er seinen Schlüssel zweimal im Schloss drehte und noch die anderen zwei oberen Schlösser auch. Er hatte wirklich drei große Schlösser anbauen lassen, nicht wie bei meiner Tür mit einem.

„Wurde bei dir schon mal eingebrochen?", fragte ich, als er sich zu mir gedreht hatte.

„Ja, mein Vater ist der Einbrecher!", gab er kurz von sich, ging langsam zu seinem Bett und legte sich hin. Er platzierte seine eine Hand hinter dem Kopf und schloss seine Augen. Am Boden sah ich einige Handtücher, die mit Blut waren.

„Du hättest nicht so schnell aus dem Krankenhaus abhauen sollen", sagte ich leise.

„Was die dort können, kann ich zu Hause auch", lallte er.

Ich ging zu ihm näher und kniete mich zu Boden, damit ich ihn genau ansehen konnte. „Thiago, darf ich mir deine Wunde ansehen? Vielleicht kenne ich mich besser aus als du und ..."

„Wenn du mich so nerven willst, kannst du gleich gehen!", äußerte er trocken, ohne seine Augen zu öffnen.

„Wieso bist du so sauer auf mich? Klar das hier ist alles meine Schuld, aber ich würde lieber mich verletzen lassen als dich so zu sehen ...", redete ich.

Er machte seine Augen auf und schaute mich an. „Du hast anscheinend Eric verziehen. Du hast ihn angerufen und von mir erzählt, obwohl er der Letzte wäre, den ich im Krankenhaus sehen will. Du hast deinen ah so wichtigen Termin mir vorgezogen. Ich bin dir doch egal, also wieso bist du verdammt noch mal hier? Dein schlechtes Gewissen zu beruhigen? Ich brauche kein Mitleid!", schrie er schon fast. Ich hielt inne und schluckte den Kloß runter.

„Du hast ihm das alles geglaubt? Kennst du mich den so schlecht, dass du denkst, ich würde so was tun? Ich stand drei Stunden lang im Krankenhaus, habe zu Gott gebetet, geweint und am Ende durfte ich nicht mal dein Zimmer im Krankenhaus betreten, weil nur Familienangehörige reindurften und Eric, der sich als dein Bruder ausgab, doch reinging und mir drohte, ich solle weggehen", erklärte ich, und mir entwich eine Träne aus meinem Auge.

Er schaute mir verwirrt in die Augen und sein wütender Blick verschwand. „Ich fass es nicht", meinte er und ging sich seufzend mit der Hand durch die Haare. Von hier aus entdeckte ich den kleinen Verbandskasten in seinem offenen Kleiderschrank. Ich näherte mich dahin, nahm ihn in die Hand und setzte mich seitlich neben Thiago aufs Bett. Thiago beobachte jeder meiner Bewegungen.

„Darf ich?", fragte ich und deutete zu seinem Bauch.

„Nicht, dass du bewusstlos wirst", scherzte er. Ich zog vorsichtig sein Shirt hoch und sah den Verband, beidem schon ein wenig das Blut durchgegangen war. Ich entfernte langsam diesen und sah die Nähte. Es schmerzte mir innerlich, das anzusehen. Ich schluckte und legte einen neuen Verband drauf, der etwas dicker war.

„Kannst du dich aufrichten? Es wird besser, wenn wir den längeren Verband um deinen Bauch binden ...", erklärte ich. Erstaunlicherweise kam er meinem Wunsch nach und setzte sich auf, hielt sein Shirt mit der Hand nach oben und musterte mich. „Du bist in den ungünstigsten Moment aufgetaucht und hast das hier abbekommen. Wieso hast du das getan? Irma hatte es auf mich abgesehen und du musst jetzt wegen mir leiden", redete ich leise und konnte nicht in seine Augen schauen, weil ich Schuldgefühle hatte. Ich band ihm konzentriert den Verband um den Bauch und achtete, dass er nicht zu fest war.

„Ich würde für dich auch sterben, weißt du das? Ich mache mir mehr Sorgen um dich als um mich, selbst diese Kratzwunde an deinem Hals, macht mir mehr Sorgen als mein Messerstich", sagte er mit sanfter Stimme. Seine Augen blieben erwartungsvoll an mir haften. Niemand hätte für mich so was getan. Er griff nach meiner Hand und zog sie an seine Brust. Meine Augen weiteten sich, weil sein Herz so raste. Er fixierte meine Lippen, dann wieder meine Augen. Ich löste schnell unseren Blickkontakt und erhob mich von seinem Bett, weil erstens ich diese starke Anziehung zwischen uns spürte und zweitens, ich schon fertig war, seinen Verband zu wechseln. Ich wünschte, ich könnte ihm alles sagen, was ich denke.

Ich legte den Verbandskasten wieder auf seinem Platz und blickte zu ihm, während er sich wieder vorsichtig nach hinten in seinen Kissen legte. „Wieso bist du abgehauen vom Spital?", fragte ich und unterbrach diese Stille.

„Mein Vater wollte mich dort besuchen, keine Ahnung er wollte mir den Rest geben, deswegen hatte ich keinen Bock. Auch hierher ist er gekommen, als ich die Tür nicht aufmachte, dachte er, ich wäre doch nicht da und ist gegangen. Aber er wird es nicht so dabei belassen", erklärte er. Was hieß da den Rest geben? War sein Vater etwa so herzlos? Thiago schloss seine Augen, er war bestimmt schon müde. Ich schaltete das Licht aus, jetzt brannte nur das kleine Tischlämpchen.
Auch ich spürte die Müdigkeit in meinem Körper und überlegte einige Minuten lang, ob es richtig wäre, mich neben ihn auf sein großes Bett hinzulegen. Ich konnte ihn doch nicht in so einem Zustand alleine lassen. Zögernd ging ich auf die andere Seite des Bettes und legte mich neben ihm hin, sodass vielleicht ein halber Meter Abstand zwischen uns bestand. Ich drehte mich auf die Seitenlage zu ihm gedreht und musterte sein schönes Profil. Er öffnet seine Augen und blickte zu mir. „Wieso hattest du den Streit mit Irma?", fragte er leise.

„Weil Eric mit Irma Schluss gemacht hat und wie immer ich angeblich an allem schuld bin ..."

„Hmm ...", machte er verständlich und legte sich auch auf die Seitenlage zu mir gedreht. Er musterte mein Gesicht und ich konnte nicht aufhören, ihn anzustarren. Durch diese leichte Helligkeit im Zimmer sah das ganze schon etwas romantisch aus. Er sah atemberaubend schön aus und wie er mich musterte, gefiel mir zu sehr. Er rutschte mir etwas näher und fragte: „Was magst du am allerwenigsten?"

Ich überlegte kurz. „Ich mag's nicht, wenn du mir zu nahekommst!", flüsterte ich.

Er schmunzelte und sagte: „Du lügst."

„Ich mag dich nicht. Ich mag auch nicht, dass du für mich dein Leben riskierst. Ich mag es nicht, wie du mich anschaust und ...", redete ich und er unterbrach mich.

„So viel Nettes wollte ich nicht hören. Hast du nicht gehört? Mit Verletzten sollte man gut umgehen, ob du willst oder nicht", grinste er.

„Und was gefällt dir?"

„Mir gefallen deine Augen, deine Nase, und am meisten gefallen mir deine Lippen ...", flüsterte er und sein Blick lag wieder auf meinen Lippen. „Und ich mag diese Distanz zwischen uns nicht!", meinte er und schaute wieder rauf zu meinen Augen. Mein Herz schmolz dahin, als er so schön redete. Er rutschte mir noch näher und umarmte mich auf einmal. Ich schloss meine Augen und umschlang auch meine Arme um ihn, sodass mein Kopf auf seiner Brust lag. Ich hörte sein Herzschlag und seine Wärme gab mir die Sicherheit. Nichts wünschte ich in diesem Moment als seine Nähe und dass es so immer hielt. Gott, fühlte sich das gut an, ihn zu umarmen. Und zum ersten Mal seit langem, fiel ich in einen tiefen friedlichen Schlaf. 

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