7 - Im Maschinenraum

꧁✧⭑✩⭑⚔︎⭑☾ Im Maschinenraum ☽⭑⚔︎⭑✩⭑✧꧂

Levi fuhr sich mit den Fingern durch die rosa Haare, dann stopfte er sein Buch in den schwarzen Jutebeutel und stand auf. Dieser Magier hatte es aufs Neue geschafft, ihn komplett zu verwirren. Was wollte er denn auf irgendeinem königlichen Ball? Zumal dieser in einer Parallelwelt stattfinden würde. Einer Welt, in deren Regeln Levi bisher nur winzige Einblicke erhalten hatte. Er sah sich schon wieder in einer dieser schrecklichen Wolkenzellen sitzen, weil er mit Sicherheit wieder in irgendein vaporianisches Fettnäpfchen treten würde. Er seufzte und lief los, der graue Kater tippelte wie immer treu neben ihm her.

Gerade als der Ausgang des Parks in Sichtweite kam, nahm Levi ein rhythmisches Klappern wahr, das ihn von seinem eigentlichen Ziel ablenkte. Klipp klapp. Klipp klapp. Klipp klapp. Sein Blick fiel auf den japanischen Garten. Viele Jahre lang hatte er diesen kleinen angelegten Teil des Parks nicht beachtet, war immer nur achtlos daran vorbei gegangen – bis Aiko in sein Leben getreten war. Auf der Suche nach einem Stückchen Heimat war sie es, die auf den Garten gestoßen war und ihn dann auch Levi näher gebracht hatte. Meist, wenn Levi zusammen mit Aiko in den Park ging, saßen sie dort auf dem roten Bänkchen, unterhielten sich oder lauschten einfach nur dem Klappern des Bambuswasserspiels. 

Ohne darüber nachzudenken, drehte Levi um und bog auf den mit anthrazitfarbenen Steinplatten ausgelegten Weg ein. Der Kater zuckte fragend mit den Schnurrbarthaaren, bevor er dem Rosahaarigen hinterher sprang. Levi folgte dem vertrauten Klappern und ging über die rote, gebogene Holzbrücke, die über den kleinen Bachlauf in den Garten führte. Er lief vorbei an der Bank und dem knorrigen Ahorn mit den feingliedrigen, weinroten Blättern, direkt zum Wasserspiel. Wie hypnotisiert starrte Levi zu dem Bambusrohr, wie es nach unten kippte, sobald genügend Wasser hineingelaufen war, auf den darunterliegenden Bambus aufschlug und das typische Geräusch von sich gab. Klipp. Das Wasser plätscherte unten heraus, das Bambusrohr verlor an Gewicht und kippte zurück. Klapp. Der Kater saß neben Levi, blickte neugierig zu ihm auf. Levis Stirn runzelte sich. Skeptisch zog er die Augenbrauen zusammen. „Hörst du das auch?", fragte er den Kater.

Die Fellnase zuckte mit den Ohren und lauschte. Levi war sich nicht sicher, doch irgendwie war das ihm sonst so vertraute Geräusch des Wasserspiels heute anders. Neben dem sanften Klappern war da ein dumpfes, rhythmisches Pochen. Nur ganz leise, als wäre es weit entfernt und trotzdem nahm Levi es inzwischen deutlich wahr. Doch woher kam es? 

Gleichzeitig schnellten Levis Kopf und der des Katers zum Bambuswäldchen im hinteren Teil des japanischen Gartens. Meterhoch sprossen die grünen Stangen in die Luft, dazwischen war ein schmaler Weg angelegt. Der Kater sprang los und Levi folgte ihm in schnellem Schritt. Das Pochen wurde lauter, als sie zwischen die Bambusgewächse traten und bevor Levi die Richtung des Geräuschs verorten konnte, schlüpfte der Kater zwischen zwei Bambusstangen hindurch und war im dichten Geäst verschwunden.

„Kater!", entfuhr es Levi, da er selbst keine Chance hatte, zwischen den eng gewachsenen Stämmen hindurchkommen. Hektisch lief er den Weg weiter, um eine geeignetere Stelle zu finden, als ihm plötzlich etwas in den Sinn kam. Wie automatisch griff er in seine Hosentasche und zog die Taschenuhr hervor. Sie tickte. Tick tack. Tick tack. Tick tack. Im gleichen Rhythmus wie das dumpfe Pochen und das Wasserspiel, das Levi nur noch vage aus der Ferne wahrnahm. Doch das war nicht, was Levis Aufmerksamkeit auf sich zog, sondern der rote Edelstein in der Mitte des Schmuckstücks, der von einem rosa Schimmer umgeben war. 

Erschrocken fuhr Levi zusammen, als es neben ihm raschelte. Doch es war zum Glück nur der Kater, der den Kopf aus dem Dickicht hervorstreckte. Er mauzte, als wollte er Levi fragen, warum er hier so lange rumstand. Erst jetzt bemerkte Levi, dass die Bambusstangen an dieser Stelle nicht so eng zusammenstanden. Er quetschte sich hindurch und das Pochen wurde schlagartig lauter. Dröhnend vermischte es sich in Levis Ohren mit seinem eigenen aufgeregten Herzschlag. Ba bumm. Ba bumm. Ba bumm. Die grau getigerte Samtpfote schlängelte sich gekonnt zwischen den Bambusstangen hindurch, während sich Levi schwer tat, doch das seltsame Geräusch brachte ihn dazu, dem Kater weiter zu folgen. 

Levi stolperte länger durch das Wäldchen, als er vermutet hätte, denn so groß war das kleine Parkstück eigentlich nicht, trotzdem waren sie sicher schon einige Minuten unterwegs, als sich das Dickicht vor ihnen endlich lichtete. Zusammen mit dem Kater trat er heraus, gleißendes Licht blendete ihn – dann war es auf einen Schlag dunkel. Nur langsam gewöhnten sich Levis Augen an das spärliche Licht, das den düsteren Tunnel beleuchtete, in dem sie sich nun befanden. Erschrocken drehte Levi sich um, doch hinter ihm war nichts mehr von dem Bambus oder dem Rest des japanischen Gartens zu sehen.

„Da wären wir wieder", nuschelte Levi angespannt. Nur wo genau in Vaporia er sich jetzt wieder befand, war in dem düsteren Gang unmöglich zu erkennen. Doch da das mechanische Pochen hier lauter war, als er es bei seinen bisherigen Besuchen in Vaporia gehört hatte, hatte der Weltenreisende schon eine Idee, auf welcher Ebene er sich befinden musste.

Am Ende des Ganges befand sich eine metallene Tür, die Levi, ohne lange zu zögern, ansteuerte. Die Klinke ließ sich nur schwergängig nach unten drücken. Das Quietschen der Tür ging in den Geräuschen der Umgebung unter. Noch bevor Levi etwas erkennen konnte, schlüpfte der Kater vor ihm in den Raum.

Levi trat durch die Metalltür. Zusätzlich zum pochenden Herzschlag der Insel brummte es hier in einer ohrenbetäubenden Lautstärke, was den Boden unter seinen Füßen zum Vibrieren brachte. Der Raum war nur spärlich beleuchtet, mit einzelnen, flackernden Lichtern an der Decke, die Schatten an die Wände warfen. Überall lagen Werkzeuge, Schrauben und Ersatzteile verstreut. Es war warm und die dampfige Luft roch nach Maschinenöl und Metall.

Der Raum war zu einer Seite hin offen und gab damit einen Blick auf einen Teil der riesigen Maschine frei, die wohl die Insel betrieb. Große Kolben schoben sich rhythmisch nach oben, um dann wieder in ihre alte Position zurückzufallen. Dabei trieben sie breite Bänder an, die wiederum die unzähligen Zahnräder, die wie in einem großen Puzzle ineinander griffen, zum Laufen brachten. Die Metalloberflächen glänzten matt und waren von Schmutz und Öl überzogen.

Erst jetzt bemerkte Levi die Person, die dort im schwachen Licht an der Maschine werkelte. Die kleine, kernige Frau arbeitete konzentriert. Mit geübten Bewegungen griff die junge Arbeiterin zielsicher nach den Werkzeugen an ihrem Ledergürtel, um sie dann gekonnt bei ihrer Arbeit einzusetzen. Auf ihrem dunklen, lockigen Haar, das ihr bis zum Kinn reichte, saß eine Art bronzenes Gestell, das im Licht glänzte. Sie zog eine der vielen daran befestigten Lupen vor ihr Auge, um die Einzelteile der Maschine besser erkennen zu können. Die graue Latzhose, die sie über einem kurzen, grauen Oberteil trug, war übersät mit Ölflecken. Doch das Auffälligste an ihr war die ungewöhnliche Färbung ihrer karamellfarbenen Haut, die mit hellen Flecken überzogen war. Sogar eine breite Strähne ihrer dunklen Locken war davon betroffen und leuchtete schneeweiß.

Während Levi die Frau beobachtete, schlich der Kater neugierig durch den Raum, schnüffelte hier und da an den verstreuten Teilen. Levi kam vorsichtig näher, darauf bedacht, die junge Frau nicht zu erschrecken. Doch das gelang ihm nicht. Sie zuckte zusammen und fuhr herum, einen großen Schraubenschlüssel in der Hand zur Verteidigung erhoben. Ihre großen braunen Augen waren weit aufgerissen, wobei das rechte Auge durch die Lupe davor zusätzlich unnatürlich vergrößert wurde. Sie schob das Vergrößerungsglas nach oben, um besser sehen zu können, und wischte sich im gleichen Zug mit ihrer ölverschmierten Hand über die Stirn.

„Wer bist du?", fragte sie mit einer Mischung aus Skepsis und Neugier, während sie Levi aufmerksam musterte. Ihr Tonfall war rau. Sie sprach laut, um den Maschinenlärm zu übertönen. Die geschürzten Lippen waren durch die Pigmentstörungen von heller Haut umgeben. Auch auf ihren Wangen und der Stirn hatte sie größere helle Flecken.

„Entschuldige, ich wollte dich nicht erschrecken. Ich weiß selbst nicht genau, wie ich hier gelandet bin. Ich habe mich wohl verlaufen", versuchte Levi sich zu erklären, ohne zu viel von der Wahrheit zu verraten.

Nur kurz schielte die Frau zu dem Kater, der gerade mit der Pfote gegen ein Maschinenteil am Boden tippte, bevor sie ihre Augen wieder fest auf den menschlichen der beiden Eindringlinge richtete. „Du bist nicht aus Vaporia. Bist du ein Besucher von einer der anderen Inseln?", fragte sie schlussfolgernd.

Levi dachte nach. Er wusste nichts von irgendwelchen anderen Inseln. Vielleicht war ihre Frage eine Falle. Doch da ihn sein andersartiges Aussehen schon wieder verraten hatte, nickte er einfach.

Zwischen ihren Augenbrauen war immer noch eine Furche erkennbar, doch der Arm mit dem Werkzeug in der Hand lockerte sich etwas. „Und wie kommst du bitte in die Maschinenräume? Besucher haben in den unteren Ebenen und besonders bei den Maschinen nichts zu suchen. Oder bist du etwa ein ..." Wieder spannten sich die Muskeln in ihrem Arm an. „... Spion?"

Sofort hob Levi abwehrend die Hände nach oben. „Nein, nein. Sonst wäre ich sicher nicht einfach hier herein gestolpert. Ich habe mich wirklich nur verirrt und weiß selbst nicht genau, wie ich gerade hier landen konnte."

„Na gut", antwortete sie und senkte endlich ihren Arm, schob den Schraubenschlüssel in die Lasche an ihrem Gürtel und ging dann auf Levi zu. „Ich bin Andi", meinte sie dann und ein Lächeln schlich sich auf ihre Lippen. „Und du? Komm wir gehen in den Pausenraum, da ist es etwas leiser."

„Levi", antwortete der Rosahaarige und folgte Andi zu einer weiteren Tür. Ein großes Sichtfenster daneben zeigte das Innere eines Aufenthaltsraums. Er trat hinter Andi ein und auch der Kater schlüpfte an Levi vorbei, um das Zimmer zu erkunden. Eine kleine Küchenzeile war zu sehen, daneben eine kleine Sitzecke mit Tisch und ein Sofa, auf dem eine Decke und ein Kopfkissen lagen. An der Wand hingen technische Skizzen von Maschinenteilen, aber auch gezeichnete Bilder, die Vaporia im Querschnitt zeigten und irgendwelche Landkarten.

„Setz dich, Levi", meinte sie, nahm ein Glas aus dem Hängeschrank der Küchenzeile, füllte es mit Wasser und stellte es vor Levi ab. „Von welcher Insel kommst du? Ich habe gar nicht mitbekommen, dass ein Luftschiff angekommen ist."

Levi zuckte zusammen und bevor er antwortete, griff er nach dem Wasserglas, um einen Schluck daraus zu nehmen. Was sollte er ihr antworten? Andi lehnte mit der Hüfte an der Küchenzeile, eine Hand in die Taille gestützt und musterte Levi erwartungsvoll.

„Ziemlich weit weg. Der Name sagt dir vermutlich gar nichts", antwortete er und hoffte, dass sie das zufrieden stimmen würde, doch stattdessen zog sie skeptisch eine Augenbraue nach oben.

„Und was machst du in Vaporia?", fragte sie. Levi atmete erleichtert aus, da sie nicht weiter nach seiner Heimat fragte.

„Ich bin wegen eines Balls hier", fiel ihm als Erstes ein. Doch am missmutigen Gesichtsausdruck Andis merkte er, dass das nicht gerade die beste Antwort war.

„Ihr feinen Leutchen veranstaltet also mal wieder eines eurer bescheuerten Feste, während wir uns hier für euch kaputt schuften müssen", schnaubte sie und strafte Levi mit einem verächtlichen Blick.

„Das ... Das tut mir ehrlich leid", meinte Levi und senkte schuldbewusst den Blick. Mehr wusste er nicht zu sagen.

Sie seufzte und ihr Blick wurde wieder weicher. „Na ja, du kannst ja auch nichts dafür, dass unser König uns wie Mist behandelt. Ich kann mir für die Menschen eurer Insel nur wünschen, dass Deinesgleichen sie besser behandelt."

„Wir haben keinen König. Trotzdem gibt es natürlich auch bei uns Menschen, denen es besser geht, und auch welche, die unter dem System leiden", versuchte Levi knapp zu erklären.

Andi nickte verständnisvoll. „Vermutlich funktioniert unsere Welt einfach so. Nur blöd, wenn man auf der falschen Ebene geboren wurde."

In diesem Moment zog etwas an der Wand Levis Aufmerksamkeit auf sich. Es erinnerte ihn an eine Kuckucksuhr, doch es war dennoch anders. Ein quadratisches Gebilde aus gebürsteter Bronze. Statt eines Ziffernblattes sah er kleine Zahnräder, die sich mit sanftem Klicken drehten. Anstelle der Zeiger bewegten sich die Zahlen, die ebenfalls auf kleinen Zahnrädern angebracht waren. Dampf stieg leise pfeifend aus hauchfeinen Röhrchen auf, die an den Seiten angebracht waren.

Gerade bewegte sich das Zahnrad mit der Zwei ganz nach oben und löste damit einen Mechanismus aus. Levi blinzelte erstaunt, als sich ein winziges Luftschiff aus der Uhr bewegte, langsam auf einer kreisförmigen Schiene um das Ziffernblatt herum fuhr und dabei winzige Propeller leise summten. An den Seiten der Uhr zierten filigrane Wölkchen das Gehäuse, die sich während der Fahrt des Schiffes um sich selbst drehten. Kleine Kolben hoben und senkten sich in einem rhythmischen Takt und zeugten von der präzisen Mechanik, die dahinter steckte.

"Was ist das?", fragte Levi neugierig, erhob sich und ging zu dem kleinen mechanischen Wunderwerk.

Andi lächelte verlegen. "Das? Ach, das ist nur eine meiner Basteleien. Ich hatte etwas Zeit in den Pausen und... na ja, ich mag es, solche kleinen Dinge zu bauen."

"Du hast das selbst gemacht?", fragte Levi erstaunt und konnte seinen Blick nicht davon abwenden. „Es ist beeindruckend."

Andi nickte. "Danke. Irgendwie beruhigt es mich, an solchen Mechaniken zu arbeiten. Es ist ein guter Ausgleich zu ..." Doch weiter kam sie nicht, denn in diesem Moment öffnete sich die Tür. Ein junger Mann trat ein. Mit einem Maschinenteil in der Hand, auf das er seinen Blick gerichtet hatte, redete er drauf los, ohne zu bemerken, dass ein Fremder mit im Raum war.

„Andi, hast du gesehen, dass der Kompensator an der L3705 defekt ist?"

Levi war sich sofort sicher, dass der Arbeiter, der gerade eingetreten war, mit Andi verwandt sein musste. Er hatte die gleichen dunklen Locken, nur kürzer geschnitten, die gleiche karamellfarbene Haut, die von hellen Flecken gespickt war, und die gleichen großen braunen Augen. Allerdings ... Als er aufblickte und schockiert den Fremdling mit den rosa Haaren erblickte, erkannte Levi, dass sein linkes Auge, das von heller Haut umgeben war, hellblau funkelte. Das Blau war so intensiv, als würde sich der Winterhimmel eines eisigen Dezembertages darin widerspiegeln – kühl, still, und von einer beunruhigenden Klarheit.

„Andiana, wer ist dieser Mann?", knurrte er, während seine Hand vorsichtig zu den Werkzeugen an seinem Ledergürtel wanderte.

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