19 - Die Hexe von Layali Al-Qamar

꧁✧⭑✩⭑⚔︎⭑☾ Die Hexe von Layali Al-Qamar ☽⭑⚔︎⭑✩⭑✧꧂

Die Worte von Ennio über das Gold hallten immer noch in Levis Kopf nach. Was hatte Mio sich nur dabei gedacht? Nervös wanderte Levis Blick zu Azraf, der auf einem Kamel sitzend auf sie herab sah. Mio und Ennio positionierten sich sofort vor Levi. Levi wollte schon protestieren, doch mit einem Blick auf Ennios breit gebauten Körper und dem Wissen, dass Mio seine magischen Fähigkeiten hatte, war er doch froh darüber, nur in zweiter Reihe zu stehen.

„So dankt ihr uns also unsere Gastfreundschaft, indem ihr uns betrügt?" Azrafs Stimme grollte vor Zorn. Levis Kehle schnürte sich zu, er wagte es kaum zu atmen. Sein Blick huschte zu Mio, der mit verschränkten Armen scheinbar gelassen vor Azraf stand. Mio antwortete nicht auf die Anschuldigung des Offiziers, stattdessen zuckte seine Hand und dann, kaum merklich, schnippte der Prinz mit dem Finger.

Levi spürte, wie der sandige Boden unter seinen Füßen verschwand. Reflexartig klammerte er sich an Mio, als sie sanft in die Höhe gehoben wurden. Sie standen auf einer unsichtbaren Plattform, die langsam über die Köpfe ihrer Verfolger nach oben schwebte. Levi drängte sich noch enger an Mio, der ohne zu zögern einen Arm um ihn legte und ihn fest an sich zog.

„Bleib ruhig", sagte Mio. Seine sanfte Stimme ein Kontrast zu der angespannten Situation. Levi versuchte, seinen rasenden Atem unter Kontrolle zu bringen, doch die Panik ließ sich nur schwer bändigen. Seine Augen suchten Ennio, der direkt neben Mio ebenfalls in der Luft schwebte. Doch unten auf der Erde zeigte Azraf keinerlei Anzeichen von Überraschung. Im Gegenteil – ein siegessicheres Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. Er hob die Hand zu seinem Mund, klemmte die Finger zwischen die Lippen und ein Pfiff durchschnitt die Luft. Sofort wendeten die Libellen, die bis eben noch mit dem Verladen des Proviants beschäftigt gewesen waren. Innerhalb von Sekunden schnitten sie ihnen den Weg zum Luftschiff ab. Umgeben vom Surren der schnell schlagenden Flügel, konnte Levi die Anspannung in Mios Griff spüren. „Was machen wir jetzt?", flüsterte Levi. Mio antwortete nicht sofort. Seine Augen huschten zwischen den Libellen hin und her, als ob er jede Bewegung und jeden möglichen Fluchtweg analysierte.

„Wenn du einen Plan hast, Goldjunge, wäre jetzt der richtige Zeitpunkt", knurrte Ennio.

„Habe ich", antwortete Mio und hob seine freie Hand. Doch gerade als er schnipsen wollte, schoss ein blauer Lichtstrahl durch die Luft und schlang sich wie ein lebendig gewordenes Seil um Mios ausgestreckten Arm. Erschrocken zog er seine Hand zurück, doch das Seil wurde dadurch nur straffer.

„Was zur Wolkenzelle?", meinte Ennio und starrte das flirrende Band an, das sich enger um Mios Arm zog. Levis Blick folgte dem magischen Seil bis zum Boden. Sein Magen krampfte sich schlagartig zusammen. Auf einem Kamel, zwischen Azrafs Soldaten, saß die unheimliche Frau aus dem Kräuterladen. Sie hielt ihre Hand erhoben und ihre Finger unnatürlich gekrümmt. Ihre Augen blitzten böse, auf ihren Lippen lag ein irres Lächeln.

„Du glaubst wohl nicht, dass Vaporia die einzige Insel ist mit Zugang zur Magie, junger Prinz!", rief Azraf triumphierend. Sein Lachen hallte durch die Wüstenluft, während die Frau das Seil zu sich zog.

„Dieses Ding", zischte Mio. „Es raubt mir meine Energie." Seine Stimme klang gequält. „Ich kann mich nicht befreien. Ihre Magie ist stärker als meine." Hilflos landeten sie wieder vor Azraf, der sie zufriedenen musterte. Das blaue Seil der Hexe hatte sich inzwischen nicht nur um Mios Arm, sondern auch um ihre Körper geschlungen. Levi spürte, wie es sich um seine Brust legte, ihn eng an Mio presste, sodass keiner von ihnen sich auch nur einen Zentimeter bewegen konnte.

„Ihr dachtet wirklich, ihr könntet uns entkommen", höhnte Azraf, während er von seinem Kamel herabstieg und auf sie zutrat. Seine Augen funkelten vor Schadenfreude. Mio sagte nichts. Sein Atem ging schwer. Levi konnte Mios Griff an seinem Arm spüren – ein letzter verzweifelter Versuch, ihm ein Gefühl von Schutz zu geben, auch wenn die Situation aussichtslos schien.

In diesem Moment schoss plötzlich eine der Libellen aus dem Himmel. „Vexira!", rief Mio erleichtert. Seine Leibwächterin steuerte das Fluggerät präzise, ihr Blick unbeirrt auf die Hexe gerichtet. In einem waghalsigen Manöver jagte sie die Flugmaschine direkt auf ihr Ziel zu. Erst im letzten Moment zog sie die Libelle wieder nach oben, doch der aufgewirbelte Sand reichte aus, um die Hexe aus der Fassung zu bringen. Schützend riss sie die Hände vors Gesicht. Das blaue Seil löste sich knisternd auf. „Bring dich sofort in Sicherheit!", befahl Mio harsch und zeigte auf eine der Libellen, die leer in der Nähe stand. Levi zögerte, doch Mios ernster Blick ließ keine Widerrede zu. Die Hexe schrie immer noch, blind vom Sand, den Vexira aufgewirbelt hatte. Erst jetzt bemerkte Levi die Soldaten, die sie umringten. „Fasst sie!", brüllte Azraf.

„Los jetzt!", schrie Mio. Levi stolperte rückwärts. Ohne weiter zu zögern, rannte er auf die unbemannte Libelle zu. Jeder seiner Schritte rutschte im sandigen Boden weg, erschwerte ihm den Weg. Außer Atem erreichte er das Fluggerät, kauerte sich unter einen der grazilen Flügel, als er zwei Soldaten entdeckte, die direkt auf ihn zustürmten. „Shit", flüsterte er, wollte gerade wieder wegrennen, als die beiden Uniformierten plötzlich durch die Luft geschleudert wurden. Mio stand im Hintergrund mit ausgestreckter Hand. Er nickte Levi zu, bevor er die nächsten Soldaten ins Visier nahm. Ennio wich den Angriffen eines Mannes aus, packte ihn an der sandfarbenen Uniform und warf ihn zu Boden, als schon der nächste auf ihn zustürmte. Über ihnen zog Vexira Kreise mit der Libelle. Sie ließ das Fluggerät immer wieder in einem gefährlichen Sturzflug auf die Soldaten hinabschießen, die daraufhin auseinanderstoben.

Ennio war inzwischen von mehreren Soldaten umgeben. Ihre Säbel funkelten bedrohlich im Licht des aufgegangenen Vollmonds. Ennio wich einem Angriff aus, duckte sich, aber es waren zu viele. Sie würden ihn jeden Moment überwältigen. Plötzlich bewegte sich etwas Glänzendes durch die Luft. Ennio ergriff den Säbel, der auf ihn zugeflogen kam. Ihm blieb nur ein winziger Moment, sich mit einem Nicken bei Mio zu bedanken, als er die Waffe auch schon gekonnt schwang und damit klirrend auf die Klingen seiner Gegner traf. Jäh schallte das irre Lachen der Hexe an Levis Ohr. Sein Kopf schnellte in ihre Richtung. Ihr Körper war umgeben von blauen Blitzen, ihre Haare standen wie elektrisch aufgeladen von ihrem Kopf ab. Levi hörte das Knistern ihrer Magie in der Luft. „Mio, pass auf", schrie er. Dieser schmetterte gerade einen der Soldaten zur Seite. Er hob seine Hand und seine goldene Magie traf krachend auf den blauen Strahl der Hexe. Levi beobachtete das Schauspiel mit angehaltenem Atem, sein Blick wechselte zwischen Mio und der Hexe hin und her. Mios Gesicht war vor Anstrengung verzerrt. Die goldenen Funken seiner Magie tanzten wild um ihn herum, doch die blaue Magie drang ihm Zentimeter für Zentimeter entgegen. Die goldenen Funken, die Mio umgaben, flackerten schwächer und schwächer, bis sie schließlich ganz verschwanden. Ein schmerzerfülltes Keuchen entwich ihm, als die Blitzenergie der Hexe ihn vollständig einhüllte. Blaue, zischende Strahlen umwickelten seinen Körper und zwangen ihn in die Knie.

„Mio!", schrie Levi verzweifelt. Er presste sich gegen die Libelle, unfähig, irgendetwas zu tun. Die Hexe lachte triumphierend. Levi wusste, dass Mio keine Chance mehr hatte. Da riss ein lautes Surren seinen Blick nach oben. Vexira flog einen weiteren Angriff, doch diesmal war die Hexe vorbereitet. Mit einer knappen Bewegung ihrer Hand katapultierte sie ihr eine Welle aus blauer Energie entgegen. Das Fluggerät wurde wie ein Spielzeug durch die Luft geworfen. Vexira im Cockpit versuchte verzweifelt, die Kontrolle zu behalten, doch die Libelle geriet ins Trudeln. Ihre filigranen Flügel vibrierten unkontrolliert, bevor sie schließlich in einer Spirale nach unten stürzte. Der Aufprall ließ den Boden erbeben. Sand und Staub wirbelten auf. „Nein!" Tränen schossen Levi in die Augen.

Ein schmerzerfüllter Schrei riss ihn aus seiner Lähmung. Mio! Umgeben von den blauen Blitzen, zuckte der Körper des Prinzen gequält. Aus seinem aufgerissenen Mund stoben goldene Funken, die wie magnetisch von der Hexe angezogen wurden. Hungrig saugte sie Mios Magie in sich auf. „Mio!", brüllte Levi wieder, während Tränen über sein Gesicht liefen.

Da erschien Ennio, Soldaten waren direkt hinter ihm. Ohne zu zögern, rannte er mit erhobenem Säbel auf die Hexe zu. Sie bemerkte ihn zu spät. Die Hexe wich gerade noch aus, doch die Klinge durchschlug den Stoff ihres Kleides und hinterließ eine tiefe Wunde in ihrem Arm. Sie schrie vor Wut auf. Ohne von Mio abzulassen, richtete sie ihre Magie nun auch auf Ennio. Wie eine Marionette wurde er von blauen Seilen nach oben in die Luft gezogen. Eines der Seile entriss ihm den Säbel. Während er grölend versuchte, sich aus den blauen Blitzen zu befreien, schoss der Säbel wie besessen durch die Luft. Abrupt blieb er mit der Spitze auf Ennio gerichtet, in der Luft stehen. Panisch begann Ennio zu zappeln, doch er hatte keine Chance. Mit voller Wucht jagte der Säbel auf ihn zu. Ein markerschütternder Schrei durchbohrte Levis Herz, als der Säbel sich in Ennios Körper versenkte. Die Hexe zog ihre blauen Blitze zurück. Ennios regloser Körper fiel nach unten, schlug dumpf auf dem Sand auf.

Levi bekam keine Luft mehr. Er kämpfte mit der Panik, die sich wie ein Band um seine Lunge schnürte, enger und enger wurde. Verzweifelt packte er sich an die Brust. Der Schmerz in seinem Herzen war kaum zu ertragen. Vexira, Ennio. Und gleich würde diese Hexe ihm auch noch Mio nehmen. Ein lauter Schrei aus Mios Kehle ließ Levi zusammenzucken, doch er konnte nichts tun, nichts als hilflos zuschauen, wie die Hexe sich weiter an ihm verging. Er kämpfte gegen den lähmenden Schmerz an, der in seiner Brust nagte, zwang sich, auf die Beine zu kommen. Er musste zu Mio. Er wusste nicht wie, aber er musste ihn retten! Da spürte er ein bekanntes, warmes Gefühl in seiner Hosentasche. Verwirrt blieb er stehen, griff mit zitternden Fingern an die Stelle. Hatte die Uhr nicht auf dem Schreibtisch im Luftschiff gelegen? Er zog das Schmuckstück aus seiner Tasche. Der blutrote Edelstein leuchtete in einem kräftigen Rosa. „Bitte, bitte ... Hilf mir, Mio zu retten!", flehte er sie an. Doch nichts geschah.

„Lass mich nicht im Stich. Nicht jetzt!", schrie Levi verzweifelt. Ein bizarres Jauchzen unterbrach seine verzweifelte Bitte. Die Hexe! Mit ihren stechend blauen Augen fixierte sie die leuchtende Uhr in Levis Hand. Gierig leckte sie sich über die Lippen. Sie ließ von Mio ab, der zu Boden sackte und kam langsam auf Levi zu. Schockiert starrte er sie an und dann hörte er es: Das erlösende Tick tack. Tick tack. Tick tack. Mit jedem Tick pulsierte eine unsichtbare Energie von der Uhr aus, eine mächtige Druckwelle, die sich wie der Herzschlag eines Giganten über die Umgebung ausbreitete. Bei jedem Tack erzitterte die Luft. Die Soldaten ringsum wurden davon erfasst, ihre Beine gaben nach, sie fielen keuchend auf die Knie. Die Kamele stampften nervös. Doch die Hexe blieb unbeeindruckt. Die Wellen prallten von ihr ab, als würde eine unsichtbare Barriere sie schützen. „Halt ihn auf", hörte Levi Azrafs Stimme im Hintergrund.
„Bitte", flüsterte Levi. Das Ticken dröhnte in seinen Ohren, ihm wurde schwindelig, die blauen Augen der Hexe vor ihm, als plötzlich eine Energiewelle aus dem Edelstein hervorbrach, die ihn von den Beinen riss. Die Hexe schrie auf. Die Welle bahnte sich ihren Weg über den sandigen Boden. Soldaten und Kamele brüllten durcheinander. Levi fixierte Mio, der am Boden lag, Ennio, aus dem immer noch der Säbel ragte und die Stelle, an der Vexira abgestürzt war. Er schloss die Augen, spürte die heißen Tränen, die sich trotzdem ihren Weg bahnten. Der Herzschlag der Uhr verschmolz mit seinem eigenen. Alles begann sich zu drehen, als er plötzlich hart aufschlug. Erschrocken riss er die Augen auf.

Er saß auf dem Boden des Aufenthaltsraums des Luftschiffes. Erleichtert schluchzte er, als Mio sich neben ihm bewegte. Vexira richtete sich ebenfalls auf, schaute sich verwundert um. Levi rutschte näher zu Mio, zog den Kopf des Prinzen sachte auf seinen Schoß. Tränen tropften unaufhaltsam auf Mios Gesicht. Er öffnete die Augen, lächelte schwach. „Danke", flüsterte er. Vexira sprang auf, japste vor Schmerz. Mit zusammengebissenen Zähnen humpelte sie auf Mio zu. Sie kniete sich neben ihn. Doch als dieser zu ihr aufschaute, entdeckte er Ennio, der am Boden lag. Blut sammelte sich in einer Lache unter seinem regungslosen Körper.

„Vexira", keuchte Mio. „Rette Ennio!" Ihre Kühle wich Verwunderung, doch dann nickte sie und ging zu Ennio. In diesem Moment sprang die Tür der Kommandozentrale auf. Sarkan starrte die Gruppe an.

„Was ist passiert? Wo sind wir? Die Instrumente spielen verrückt!"

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