17 - Layali Al-Qamar
꧁✧⭑✩⭑⚔︎⭑☾ Layali Al-Qamar ☽⭑⚔︎⭑✩⭑✧꧂
Levi saß an einem der runden Tische. Gedankenverloren spielte er mit dem Saum des weißen Tischtuchs. Seine Gedanken wanderten zurück zu letzter Nacht. Wieder begann alles in ihm zu kribbeln und ohne es zu merken, hob sich einer seiner Mundwinkel.
„Verdammt hab' ich Hunger."
Ennios Stimme riss Levi aus seiner Erinnerung. Er blickte auf und bemerkte erst jetzt, dass die verschiedenfarbigen Augen des Arbeiters auf ihm ruhten. Ennio hatte das Gesicht in die Handfläche gestützt. Der Ellbogen ruhte auf dem Tisch. Sein Gesichtsausdruck lag irgendwo zwischen Langeweile und Frustration.
Ein tiefes, langgezogenes Grummeln ertönte. Erschrocken fasste Levi sich an den Bauch und spürte gleichzeitig die aufkommende Wärme auf seinen Wangen.
Ennio hob eine Augenbraue und grinste schief. „Da scheint mir jemand recht zu geben. Aber mal ehrlich ... wer plant eine Flucht, ohne auch nur einen Krümel an Proviant einzupacken?"
Ohne darauf zu antworten, musterte Levi sein Gegenüber. Ennio wusste genau, dass die Flucht überstürzt war und Mio keine Chance hatte, sich um Essen zu kümmern. Doch Vorurteile schienen auf beiden Seiten vorhanden zu sein.
„Denkst du eigentlich, der Prinz bekommt mit dieser Masche jeden rum?"
Levi blinzelte überrascht. „Was?", brachte er schließlich hervor, doch die Frage klang mehr wie ein ersticktes Flüstern. Sein Kopf arbeitete auf Hochtouren. Hatte Ennio etwas von dem Kuss mitbekommen?
Ennio verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte sich zurück, wobei sein Grinsen noch breiter wurde. „Na komm schon, Flamingo. Was sollte das denn letzte Nacht?"
Levis Herz setzte für einen Moment aus. „Was meinst du damit?" Seine Stimme überschlug sich.
„Oh, ich weiß nicht", begann Ennio. „Vielleicht das kleine Spektakel mit dir und dem Prinzen mitten im Nachthimmel? War schwer zu übersehen. Ein dramatischer Schrei, goldene Funken ..."
Unfähig, eine Antwort zu formulieren, starrte Levi ihn an. Scham färbte seine Wangen erneut rot. Hatte Ennio wirklich alles gesehen?
Ennio ließ seinen Blick nicht von Levi ab. „Ich meine, ich verstehe schon, warum jemand darauf reinfällt. So ein großes Finale – da fühlen sich die meisten wahrscheinlich besonders ... gewollt."
Levi versuchte möglichst unbeeindruckt zu wirken. Doch seine Finger krallten sich verunsichert in die weiße Tischdecke und die Hitze in seinem Gesicht ließ sich nicht leugnen. „Und was willst du mir damit sagen?", brachte er heraus.
Ennio lehnte sich wieder vor, stützte den Ellbogen auf den Tisch. „Nur, dass ich so etwas anders angehen würde – auf meine Art."
„Was würdest du auf deine Art machen?" Mios Stimme war ruhig, doch die Kühle darin war unverkennbar. Levi drehte sich zur Tür, erleichtert darüber, ihn zu sehen. Der Prinz stand dort, makellos wie immer, die Hände lässig in die Taschen seiner braunen Anzughose gesteckt.
Ennio schnaubte und lehnte sich zurück, eine sarkastische Grimasse auf den Lippen. „Nichts, was dich was angeht, Euer Gnaden."
Mio musterte Ennio, ging aber nicht auf die Provokation ein. Stattdessen trat er ins Zimmer, ein seltsam zufriedenes Lächeln huschte über sein Gesicht.
„Ich meinte eben nur zu Levi", sagte Ennio dann, „dass nur ein Trottel eine Flucht ohne Proviant plant."
Levi sah zwischen den beiden hin und her. Er rechnete mit einer bissigen Antwort von Mio – die normalerweise nicht lange auf sich warten ließ. Doch der Prinz reagierte anders: „Ich gebe zu, es war nicht perfekt durchdacht." Er schenkte Levi ein Lächeln. „Aber keine Sorge. Wir erreichen in Kürze Layali Al-Qamar. Dort werden wir alles Nötige besorgen."
Ein sarkastisches Lachen entfloh Ennios Kehle. „Oh, natürlich. Hoffen wir nur, dass Euer Gnaden daran gedacht hat, auf seiner Flucht auch Geld mitzunehmen. Oder willst du die Händler mit deiner königlichen Ausstrahlung bezaubern?"
Levi biss sich auf die Unterlippe. Er fragte sich, wie lange Mio diese Provokationen noch ignorieren konnte. Doch dieser blieb weiterhin gelassen, sein Lächeln verschwand nicht einmal. „Pass genau auf", antwortete er bestimmt und hob langsam die Hand.
Plötzlich begannen Funken in der Luft zu tanzen, sammelten sich auf Mios Handfläche und verwandelten sich dort zu goldenen Münzen. Es wurden immer mehr. So viele, dass sie von Mios Hand purzelten und klimpernd auf dem Boden landeten. Eine davon rollte direkt bis vor Ennios Füße. Ungläubig starrte er sie an. „Angeber", murmelte er und verschränkte die Arme. Nun war es Mio, der schief grinste.
In diesem Moment erschien Vexira hinter Mio in der Tür. Ihr Blick fiel auf die Goldmünzen. Für eine Sekunde rümpfte sie die Nase. Schnell wandte sie den Blick ab, ihre Haltung wie immer steif und aufrecht. Doch in ihrem Blick lag noch etwas anderes als die gewohnte Kühle.
„Ennio", begann sie. Ihre Stimme war klar und nüchtern. „Es geht um Andiana."
Ennios Augen weiteten sich. Ruckartig schob er seinen Stuhl zurück. „Was ist mit ihr?" Levis Herz zog sich zusammen. Er hatte in den letzten Stunden oft an sie gedacht, hoffte, dass es ihr bald besser gehen würde.
„Sie ist aufgewacht." Ennio sprang von seinem Stuhl auf. Ohne Rücksicht, schubste er Mio aus dem Weg, der sich sofort empörte. Doch Ennio war schon an Vexira vorbeigeschlüpft und rannte den Flur entlang Richtung Krankenzimmer. Am liebsten wäre Levi direkt mitgegangen, doch er wollte den beiden Geschwistern die nötige Zeit lassen.
Vexira erwiderte Levis erleichtertes Lächeln mit einem Nicken und verschwand dann ebenfalls wieder aus dem Aufenthaltsraum.
„Rüpel", grummelte Mio. Dann ging er zu Levi, zog einen Stuhl vom Tisch und setzte sich zu ihm.
„Alles in Ordnung?", fragte der Prinz mit sanfter Stimme. Er nahm Levis Hand in seine, die von der Berührung sofort zu kribbeln begann.
„Ja", antwortete Levi schließlich. „Ich bin froh, dass Andi wieder wach ist."
Mio nickte zustimmend. „Was wollte Ennio vorhin von dir? Du hast irgendwie wütend ausgesehen, als ich ins Zimmer gekommen bin."
„Ach ..." Levi winkte ab. „Ich glaube, er hat schlechte Laune, weil er Hunger hat."
Mios Lippen zierte ein amüsiertes Lächeln. „Na gut, aber gib mir Bescheid, wenn er dir auf die Nerven geht." Zärtlich strich er Levi dabei eine Haarsträhne aus der Stirn und ließ seine Finger dann an der warmen Wange verweilen.
„Ich komm schon klar", grinste Levi, obwohl er nicht leugnen konnte, dass es ihm gefiel, dass Mio sich um ihn kümmern wollte. Schüchtern blickte er ihm in die hellgrauen Augen. Der Wunsch, ihn wieder zu küssen, kam in ihm auf. Doch bevor er diesem nachkam, sprang Mio plötzlich von seinem Stuhl auf, umgriff Levi's Finger und zog ihn ebenfalls von seinem Platz.
„Komm, sonst verpasst du den ersten Blick auf Layali Al-Qamar." Erstaunt ließ Levi sich an die Fensterfront des Aufenthaltsraumes ziehen.
Der Anblick, der sich Levi bot, ließ ihn für einen Moment den Atem anhalten. Unter ihnen erstreckte sich eine endlose Wüste. Die goldene Sandfläche glitzerte im Licht der tief stehenden Sonne. Sarkan steuerte das Luftschiff am Rand der Insel entlang. In sanften Wellen rieselte der Sand über die Klippe der Insel hinab und verschwand in der Tiefe. Die Landschaft erstreckte sich bis zum Horizont, wo der goldgelbe Sand im zarten Orange des Himmels überging.
Levis Blick fiel auf eine kleine Oase inmitten der Dünen. Ein türkis schimmernder Teich umgeben von dichten Palmen, deren Blätter im Wind wiegten. Levi stieß mit seiner Schulter gegen die von Mio. „Schau mal."
Mio grinste, ein Funkeln in den Augen. „Ich habe dir ja gesagt, dass diese kleinen Oasen wunderschön sind."
In der Ferne tauchten die Umrisse von Gebäuden auf. Sie schienen sich aus dem Sand zu erheben, fast wie Ruinen aus einer längst vergessenen Zeit. Doch je näher sie kamen, desto klarer konnte Levi erkennen, dass die Stadt lebte – ein pulsierendes Herz mitten in einem Meer aus Sand. Zwischen den Bauten zogen sich enge Gassen entlang, die mit bunten Markisen und Stoffen geschmückt waren. Sie flatterten im Wind und verliehen dem lehmfarbenen Ort Farbe.
„Das ist Layali Al-Qamar", sagte Mio leise neben ihm, seine Stimme beinahe ehrfürchtig. Levi nickte, seine Augen immer noch auf die Stadt gerichtet. Die Atmosphäre der Wüsteninsel hatte ihn direkt in ihren Bann gezogen.
Als das Luftschiff sich der Stadt näherte, nahm das Treiben unten in Layali Al-Qamar zu. Menschen kamen aus ihren Häusern oder traten hinter ihren Markständern hervor. Neugierig blickten sie in den Himmel.
Plötzlich entdeckte Levi Soldaten zwischen den Bürgern. Sie trugen lehmfarbene Uniformen. Ihre Helme hatten eine gewölbte Form. Um ihre Schultern goldene Umhänge, die im Wind wehten und an ihren Hüften baumelten Säbel. Eilig sammelten sie sich außerhalb der Stadtmauer und erwarteten das Luftschiff. Ein komisches Gefühl kroch in Levi hoch.
Dann nahm er ein lautes, summendes Geräusch wahr. Mehrere schmale Fluggeräte tauchten vor der Fensterfront auf. Links und rechts schlugen Flügel in Höchstgeschwindigkeit. Darin saßen Piloten, ebenfalls in der Uniform der Wüstensoldaten. Auf den Gesichtern trugen sie große Flugbrillen.
Mit einer überraschenden Wendigkeit flogen die libellenartigen Geräte um das Luftschiff. Präzise fingen sie die langen Seile ein, die vom Luftschiff herabbaumelten und schossen dann in einer unglaublichen Geschwindigkeit wieder in Richtung Boden, wo sie die Seile an stabilen Verankerungen befestigten.
„Sie sind schnell", murmelte Mio neben ihm. Levi entging der nachdenkliche Unterton in Mios Stimme dabei nicht. Der Prinz entdeckte Levis Blick und lächelte ihm aufmunternd zu. „Bist du bereit?" Levi nickte.
Wenige Minuten später stand Levi mit Mio und Ennio im Frachtraum. Mio hatte sich und den beiden Kleidung gezaubert, mit der sie in Layali Al-Qamar nicht so sehr auffallen würden. Sandfarbene, luftige Kleidung und ein großes Tuch, das sie sich als Schutz vor Sonne und Wind um den Kopf wickelten. Vexira tauchte auf. „Euer Gnaden", sagte sie. „Ich werde auch mitkommen."
Mio schüttelte den Kopf. „Nein, du bleibst hier. Ich will nicht, dass der alte Knacker da oben auf falsche Gedanken kommt und nachher ohne uns losfliegt."
„Er würde nicht ohne mich fliegen", widersprach Ennio.
„Und wer garantiert mir, dass du nicht vor mir und Levi wieder an Bord gehst?" Ein schelmisches Grinsen erschien auf Ennios Gesicht, als könnte Mio Recht damit haben.
„Es ist mir trotzdem nicht recht, Euch ohne Schutz losgehen zu lassen", klinkte Vex sich wieder ein. „Außerdem wollte ich in der Stadt Medikamente für Andiana besorgen." Sie zog ein Stück Papier hervor.
Mio ging auf sie zu und nahm ihr die Liste aus der Hand. Schnell überflog er das Geschriebene. „Ich werde mich darum kümmern."
Vor der Tür ertönte das Summen eines der Libellenflugzeuge. „Sie sind da", sagte Mio ernst, ging zur Tür des Frachtraums und öffnete sie. Der Pilot schwebte direkt davor.
„Ich geh als Erster", meinte Ennio. Er drückte sich vorbei an Mio, ergriff die Hand des Piloten und ließ sich auf den Sitz hinter ihm ziehen. Levi wurde ganz anders dabei, als er sah, wie die Libelle mit Ennio nach unten flog und sich eine zweite am Ausgang bereit machte. „Jetzt du", sagte Mio. Levi begann zu zittern. „Hab keine Angst. Ich passe auf, dass du nicht fällst." Levi nickte unsicher, ging zu der Pilotin, die ihn grimmig ansah. Ein kalter Wind, ausgelöst von den schnell schlagenden Flügeln, kam ihm entgegen, als er an die Tür trat. Er blickte über seine Schulter. Mio lächelte ihm aufmunternd zu. Ängstlich ergriff Levi die in einen Lederhandschuh gepackte Hand. Mit Schwung zog die Pilotin ihn zu sich. Zusätzlich spürte er eine unsichtbare Kraft, die ihn von hinten in das Fluggerät schob. Dankbar grinste er Mio an und dann ging es los. Wie in einer Achterbahn schoss die Libelle nach unten Richtung Wüstenstadt. Levi unterdrückte einen Schrei, doch bevor die Angst überhand nahm, landete die Pilotin auch schon sanft auf dem sandigen Grund. Ennio, der inzwischen ausgestiegen war, reichte Levi seine Hand und half ihm auszusteigen, als gerade das Fluggerät mit Mio den Boden erreichte.
„Willkommen in Layali Al-Qamar", ertönte eine raue Stimme. Vor ihnen stand ein breit gebauter Offizier. Lippen und Kinn waren von einem dichten, schwarzen Bart bedeckt. Er trug dieselbe lehmfarbene Uniform wie seine Soldaten, verziert mit goldenen Stickereien und Orden.
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