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Alec:
Vor der Treppe zu Camerons und Noahs Wohnhaus, setze ich mich auf die Treppe, krame in meiner Tasche herum und stecke mir eine Zigarette zwischen die Lippen, um sie anzuzünden und das Gift tief in meine Lungen zu ziehen.
Wann ich angefangen habe zu rauchen? Als ich aufgehört habe, ich selbst zu sein.
Ich sitze da, ziehe hin und wieder von meiner Kippe, während mein Bein energisch auf und ab wippt, als wolle es eigentlich lieber jemanden treten. Will ich auch. Am besten jeden. Jeden Menschen auf dieser gottverdammten Erde und zwar mitten ins Gesicht.
Ich hab keine Lust mehr. Ich mache all das, um endlich nicht mehr ständig die Arschkarte zu ziehen und was passiert?
Es wird alles schlimmer. Wahrscheinlich habe ich jetzt auch noch meine Freunde verjagt. Früher wären sie mir hinterher gerannt... naja, vielleicht. Das kann ich nicht wissen, weil ich damals nie solche Ausraster hatte.
Ich habe gedacht, damals schon unzufrieden mit meinem Leben gewesen zu sein, aber heute... heute hasse ich es. Mein Leben, mich selbst, einfach alles. Und all das hat damit angefangen, dass ich dummes Stück Dreck mich verliebt habe. In Dave, diesen drogenabhängigen verrückten, liebenswerten Vollidioten.
Damals habe ich mir eingebildet, etwas in meinem Leben würde fehlen, das ich brauche, um glücklich zu sein. Heute weiß ich, dass dieses etwas mich davon abgehalten hat, komplett unglücklich zu sein.
Liebe. Wer braucht schon Liebe? Alles was sie tut, ist, dich zu enttäuschen und unglücklich zu machen. Aber dieses sture Miststück lässt sich leider nicht einfach so abschalten.
„Hast du für mich auch eine?"
Mitten in meinen Gedanken gefriert mein Herz plötzlich zu einem Eisblock. Zumindest fühlt es sich so an, weil ich diese Stimme höre und Dave an meiner Seite spüre. Er hat sich neben mich gesetzt und sieht mich neugierig, mit dem Blick auf meine Kippe an.
Wortlos überreiche ich ihm meine Schachtel, in der sich auch das Feuerzeug befindet.
Mit einem schlichten „Danke" gibt er es mir zurück, zündet sich dann gekonnt den Lungentöter an.
Ich beobachte, wie sich sein Mund formt und wie seine Wangen sich leicht zusammenziehen, als er tief einatmet mit der Kippe zwischen den Lippen. Er sieht dabei geradeaus, in die Ferne, so als blicke er auf etwas, von dem er weiß, dass er es ohnehin niemals erreichen wird.
Haha, sowie ich mit meinem Abschluss...
„Seit wann rauchst du?", fragt er mich, als er die Asche abtippt. Er sieht mich nicht an, was wohl gut so ist, wenn er keinen weiten Anfall bei mir auslösen will.
„Zweieinhalb Monaten ungefähr"
Dave nickt verstehend. „Und wieso?"
Was ist das denn für eine Frage? Wer will von jemanden wissen, warum er raucht? Jemand, der sich wirklich für einen interessiert.
Ich zucke mit den Schultern. Weil ich ein Idiot bin, deshalb.
„Ich finde es ekelhaft", erzählt er mir. „Ich habe früher geraucht, hab mit 15 angefangen, aber die Joints haben die normalen Zigaretten irgendwann abgelöst und die restliche Geschichte kennst du ja... Ich hab's eigentlich nie vermisst, aber jetzt weiß ich wieder, warum ich es gemacht habe, obwohl ich nichts als Mundgeruch davon bekommen habe"
Er ist so ehrlich. Er wirkt zumindest so. Aber ich glaube ihm kein Wort mehr. Nie wieder.
„Dieser bittere Geschmack. Das befriedigende Kratzen im Hals, der Drang zu husten, aber es zu unterdrücken... ach ja und das coole Aussehen natürlich" Er nickt, um sich selbst zuzustimmen, wirkt dabei nicht so, als würde er eine Reaktion von mir erwarten.
„Aber jeder hat da seine eigenen Gründe... Es gibt auch Leute, denen schmeckt das Zeug. Aber das muss jeder für sich selbst wissen" Er wirft mir einen kleinen Blick zu. Klar weiß ich, dass er mich so zum Reden auffordert, aber mir ist es egal, ich ziehe nur betont gelangweilt an meiner Kippe und sehe weiter gerade aus.
„Dieses Bild..."
Ich atme hörbar durch, als er damit anfängt und vergesse mein Schweigen. „Ich wusste nicht, dass es existiert. Und hätte ich gewusst, dass Spence einer ist, der mit sowas prahlen muss, wäre ich auch nicht über Nacht geblieben und hätte ihm nicht die Möglichkeit gegeben, das Foto zu machen. Das war ein Fehler. Ich bin halt auch nicht perfekt."
„Nein", murmelt er. „Du bist alles andere als perfekt"
Danke, Arschloch. Was Anderes als mir wehzutun hätte ich von dir auch gar nicht erwartet.
„Also? Wieso rauchst du?", fragt er dann, stellt die Frage so, als mache ihm der Umstand gar nichts aus, aber ich sehe, dass es das tut und ich bemerke auch, dass er bisher nur einmal gezogen hat und die Kippe ausbrennen lässt. Dumm bin ich nicht.
„Weil es das ist, was dein Bärchen-Schlappschwanz niemals tun würde"
„Wow", meint er schockiert. „Du hast Schwanz gesagt... Warne mich das nächstes Mal bitte vor, damit ich es aufnehmen kann und anhören, wenn ich mal wieder Spaß mit meiner neuen Freundin habe" Er winkt mir mit der rechten Hand zu, wohl um mir zu verdeutlichen, wer ihm seine Befriedigung verschafft.
Ich will nicht, aber es bringt mich zum Schmunzeln, weshalb ich schnell die Kippen zwischen die Lippen schiebe, um es zu verbergen.
„Was ich gestern zu dir gesagt habe", seufzt er nach einer Zeit, die der Stille gewichen ist. Sie war so angenehm, das es fast schon wehgetan hat, weil es so vorgekommen ist wie früher.
„Also, dass du nach Schinken stinkst... Das war nicht die Wahrheit... Mir ist nur nichts eingefallen, dass einen Vegetarier mehr verletzen könnte"
Man, Dave, wieso bringst du mich durch so eine Scheiße zum Lachen? Hör auf! Ich will ernst bleiben!
„Und, dass du einen kleinen Schwanz hast, habe ich auch nicht so gemeint. Dein Schwanz ist toll, wirklich."
Ich drehe mich leicht von ihm weg, hoffe es ist unauffällig und grinse den Boden an. Er soll weiterreden.
„Fett bist du auch nicht. Das warst du zwar nie, aber dein Körper hat sich echt toll entwickelt... und wenn du hässlich wärst, dann wüsste ich nicht, was die Definition von schön sein sollte... Zwar mag ich es mehr, wenn du lächelst und ein bisschen rot wirst, aber das ist wohl sowas wie ein Bonus... Was denkst du? Bekomme ich heute noch ein Lächeln von dir?"
Ich schüttele schnell den Kopf, was ihn frustriert brummen lässt. „Schade. Dabei bin ich mir doch sicher, dass du gerade genau das tust"
Bevor ich begreife, was er damit sagen will, hat er mich auch schon gepackt und zurück gerissen, sodass ich auf seinem Schoß gelandet bin, mein Kopf sich auf seinen Unterarm gelegt hat und er mich mit der anderen Hand durchkitzeln kann.
„Nein, stopp! Hör auf!" ich versuche mich zu wehren und dabei ernst zu bleiben, aber klammere mich dabei an ihm fest, um nicht vor Lachen von den Stufen zu kullern.
Als ich nicht mal mehr genug Luft bekomme, um ihn zu beleidigen, hört er auf, sieht mich grinsend an und streicht entzückt mit seiner rauen Daumenkuppe über meine glühende Wange.
Atemlos liege ich in seinen Armen, sehe zu ihm hoch und versuche irgendetwas an ihm zu finden, das ich hassen und verabscheuen kann, aber ich kann nicht. Dafür liebe ich ihn einfach zu sehr.
Sein Kopf bewegt sich langsam zu meinem, meine Augen werden immer größer und ich drücke mich immer weiter zurück, aber er folgt mir.
Kurz bevor seine Lippen die meinen berühren, reißt mein Klingelton uns aus der Wolke an Verlangen und Liebe. Er schaut mich für einen Moment bittend an, so als wolle er sagen: „Zerstör diesen Moment nicht. Nimm nicht ab. Bleib bei mir. Küss mich."
Aber dann, als ich ihn wegschiebe und mich umständlich aufrichte, ist da nur noch Resignation.
Ich nehme den Anruf ab, ohne drauf zu sehen, was sich so ziemlich als dümmste Entscheidung meines Lebens herausstellt, da mir mein Vater sofort entgegenschreit, nachdem ich ein tonloses „Ja?", von mir gegeben habe.
Ich stehe auf und laufe hin und her, lasse ihn ausschreien, sowie ich das Handy zeitweise von meinem Handy wegnehme, weil er so laut ist. Als er endlich Ruhe gibt, frage ich: „War's das dann?"
„Alexej, ich warne dich", droht er.
Ich schnaube belustigt. „Was? Denkst du, ich habe Angst vor dir? Früher vielleicht. Aber was sollte mir eine kleine Schwuppe schon anhaben können, mh?"
Ich höre meinen Dad scharf die Luft einziehen und sehe zeitgleich, wie Dave mich entsetzt anblickt.
Ich setze nur einen Gesichtsausdruck auf, der so viel heißen soll wie: „Was? Ist doch selbstverständlich"
„Jetzt hör mal gut zu, du eingebildeter Dreckssack..."
Wow okay, Dad ist wütend, sehr wütend.
„...Seit Monaten liegt deine Mutter mir mit ihren Beschwerden in den Ohren, dass du dich nie meldest und man nur über das Internet was aus deinem Leben erfährt. Es ist ja schön und gut, dass du Erfahrungen sammeln willst, aber 1. zerstört dein Verhalten meinen Ruf und den deiner zukünftigen Kanzlei und 2. gibt es keine Begründung für dich, so gleichgültig zu sein. Du hast unsere Familie gegenüber, mir, um genauer zu sein, eine Verpflichtung. Und wenn es schon so weit kommt, dass dein Professor mich anruft, und mir die Unverschämtheiten vorliest, die du als Arbeiten abgibst, dann ist wirklich der Endpunkt deines kleinen Ausflugs in die Rebellion oder was auch immer das werden soll, erreicht. Ich will, dass du dich persönlich bei jedem einzelnen deiner Dozenten entschuldigst und dieses Herumgehure von dir aufhört. Du fängst dir so nur alles Mögliche ein. Und nur, weil dein Liebhaber dich abgeschossen hat, musst du jetzt ein Arschloch auf zwei Beinen werden. So habe ich dich nicht erzogen. So respektlos und..."
„Du hast mich sowieso nicht erzogen. Das einzige, was du getan hast, war mich einzuschüchtern, aber damit ist es jetzt vorbei. Was die dummen Dozenten von mir denken, geht mir am Arsch vorbei. Ich beende die Uni nach diesem Semester und bin nur noch da, weil ich das Zimmer schon bis dahin bezahlt habe und es noch ein paar Leute gibt, die noch nie in meinem Bett gelegen sind. Professor Smith ist dein Informant, mh? Sag ihm doch von mir, dass er sich seine Beschwerden verpackt mit viel Gleitgel gepflegt in seinen intellektuellen Anus einführen soll, weil es das ist, was ich mit dem Schwanz seines Sohnes mache. Und wenn dir das noch nicht gereicht hat, dann interessiert es dich bestimmt zu wissen, was ich nach meinem abgebrochenen Studium machen werde. Nämlich, gar nichts." Ich lege auf und schalte mein Handy ab, weil ich keine Lust mehr auf die Welt habe.
Als ich in Camerons Wohnung hochgehen will, da ich einen Ersatzschlüssel habe, stellt Dave sich mir in den Weg.
Ich lache höhnisch auf. „Was? Kommt jetzt eine Rede von dir? Sagst du mir, wie sehr du den alten Alec vermisst? Wie du mich geliebt hast? Spar dir das, Dave, ich glaube kein einziges Wort mehr aus deinem Mund..."
Ich höre auf zu reden, als ich bemerkte, dass er nicht mal zuhört.
Er hatte nie vor, mich zu überzeugen. Nein, der hatte vor, mir noch mehr weh zu tun, indem er mich einfach am Kopf zu sich zerrt und seine Lippen solange auf meine presst, bis ich den groben, verlangenden, aber dennoch sehr leidenschaftlichen Kuss ebenso erwidere.
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