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Alec:
Das Essen verlief ohne weitere Vorkommnisse. Die Themen wurden mit der Zeit auch für mich angenehmer und eigentlich war es echt ein lustiger Abend.
Wir hatten geplant, nach dem Essen noch in einen Club zu gehen und bei Noah und Cameron schien das noch immer auf dem Plan zu stehen, aber eigentlich hatte ich gar keine Lust mehr dazu, also verabschiedete ich mich von den anderen durch ein Winken und wünschte ihnen viel Spaß, als ich eine andere Richtung einschlug.
Ich war hierher gelaufen, weil ich ja davon ausgegangen war, dass ich im Club trinken würde und daher nicht Auto fahren könnte, deshalb musste ich jetzt auch nachhause laufen.
Es war zwar ziemlich frisch, aber das Wetter war eigentlich ganz gut. Zumindest regnete es nicht und der Wind war auch auszuhalten.
Ich mochte es manchmal sehr, zu meinen Zielorten zu laufen.
Ich fand es gut, dabei an der frischen Luft zu sein, genügend Zeit zu haben etwas zu entspannen und nachzudenken, ohne gestört werden zu können, weil jeder sich nur um seinen Scheiß kümmerte und Fremde dabei in Ruhe ließ.
Weit kam ich aber heute mit meinen Gedanken nicht, weil ich plötzlich Begleitung hatte.
Dave schlenderte neben mir her, tat so als sei nichts natürlicher als das.
„Ich bring dich", meinte er zur Erklärung, weil ich ihn so verwirrt anstarrte.
Erneut leicht verlegen wandte ich den Blick ab.
Klar konnte ich ihm sagen, dass er das nicht musste und dass ich schon groß war und alleine nachhause finden würde, aber ich wollte nicht. Er sollte hier bleiben, bei mir.
„Weißt du, ich finde, dass du recht hast" Dave schaute nachdenklich in den Himmel, als er das sagte. „Ein Stern zu sein, ist bestimmt richtig einsam. Ich bin lieber ein Mensch und kann meine Gefühle und so mit anderen teilen als strahlen zu können und unendlich weit weg zu sein. Ich meine, irgendwann hören die Sterne ja auch auf zu strahlen und dann ist es, als seien sie nie da gewesen und in dem Moment wird ihre Existenz bedeutungslos. Aber wenn ich hier bin, zum Beispiel bei dir und wir zusammen Erinnerungen schaffen, die uns etwas bedeuten, ist das etwas, das bleibt, verstehst du?"
Ich begann zu lächeln.
Er war solange weg gewesen, ich hatte so viel Tränen deshalb vergossen und nun, wo er wieder da war, war es so, als sei er hier genau richtig.
„Es geht nicht nur um Erinnerungen", meinte ich leise, schob dabei meine Hände in die Hosentaschen, weil es doch ziemlich kalt wurde und wich Daves Blick aus.
Er wirkte irgendwie stolz, weil er mich so einfach in ein Gespräch verwickelt hatte.
„Erinnerungen sind das, was aus der Vergangenheit übrig bleibt. Aber man lebt ja nicht, um die Vergangenheit zu schaffen, sondern, um die Gefühle der Gegenwart zu genießen. Dein Glück wird nie wieder, in keiner Erinnerungen, auf keinem Bild oder in keinem Video so stark sein wie in dem Moment als du es empfunden hast..."
„Und man lebt dafür, das in der Zukunft immer wieder zu haben. Glück, Freude, Liebe", setzte Dave hinzu.
Er schaute mich die ganze Zeit dabei an, aber ich blickte entweder auf den Boden oder stur nach vorne.
Trotzdem nickte ich und schmunzelte dabei leicht.
„Sag mal, ist dir kalt?", wechselte Dave das Thema, als er sah, wie ich zitterig ich durchatmete.
Ich zuckte mit den Schultern. „Ist schon ein bisschen frisch hier draußen..."
„Scheiße!", fluchte er los.
„Was ist denn jetzt?" Etwas geschockt schaute ich ihn an, weil er die friedliche Stimmung so ruinierte.
„Hätte ich eine Jacke mitgenommen, könnte ich mir jetzt total die Pluspunkte holen, wenn ich sie dir dann Gentlemanlike überlasse." Er schüttelte über sich selbst den Kopf und kickte frustriert einen Stein aus dem Weg.
Dadurch brachte er mich zum Lachen und das sogar ehrlich und ohne den Versuch, es zu unterdrücken.
„Keine Sorge, ich hätte sie eh nicht angenommen", beruhigte ich ihn lächelnd.
Er schnalzte mit der Zunge. „Von wegen. Ich hätte dich da reingepresst wie eine speckige Wurst"
Ich lachte wieder und schüttelte dabei den Kopf, weil ich mich gegen die Belustigung wehren wollte. Erfolglos.
„Was, wenn ich mich gewehrt hätte?", hakte ich nach.
Er zuckte bloß mit den Schultern, aber ich erkannte genau die Freude in seinen Augen, weil er mich so erheiterte. „Dann hätten wir halt kämpfen müssen. Aber ich hätte sicherlich gewonnen"
Ich zog kritisch meine Augenbrauen hoch. „Ach ja? Was sagt dir das?"
„Ich bin offensichtlich viel stärker als du", behauptete er, wodurch ich empört schnaubte.
Da wir irgendwie in den Park gelaufen waren, erkannte ich einen Tisch mit Sitzbänken darum herum, schnappte Dave an der Hand und zog ihn mit dahin.
Ihn platzierte ich auf der Bank, dann ging ich um den Tisch herum, setzte mich gegenüber von ihm und stellte meinen Arm so auf dem Tisch ab, dass er begreifen musste, dass ich auf ein Armdrücken hinaus wollte.
Er begann zu lachen. „Komm schon, ich will dir nicht wehtun"
„Wieso bist du dir so sicher, dass du gewinnst?", fragte ich ihn kopfschüttelnd.
Diesen eigebildeten Sack würde ich schon noch von seinem hohen Ross runterholen.
„Ja gut" Er ging ebenfalls in die Pose, legte seine Hand in meine und schaute mich herausfordernd an. „Aber fang nicht an zu weinen, wenn ich gewinne"
Ich schnaubte. „Dito"
Er grinste mich an und legte seine zweite Hand auf seinen Rücken. Ich tat es ebenfalls.
Wir zählten runter und begannen dann zeitgleich zu drücken.
Schon von Anfang an war mir klar, dass er stärker war als ich.
Keine Ahnung, warum ich mir das angetan hatte.
Seltsamerweise sah ich ihm aber genau an, dass er sich nicht die Mühe gab, das hier wirklich ernst zu nehmen und meine Hand einfach auf den Tisch zu schlagen.
Er grinste nur sein unbeschreibliches Grinsen und schaute mir dabei viel zu tief in die Augen.
Wir wussten beide, dass ich hier am Kämpfen war und er es jederzeit beenden konnte. Keine Ahnung, warum er es nicht tat.
Vielleicht genoss er die Macht in dieser Situation. Oder er suchte nach einem Plan.
Ehe ich mich nämlich versah, hatte er meine Hand einfach zu sich gezogen, mit beiden Händen umklammert und somit festgehalten, als er mir einen Kuss auf die Finger gedrückt hatte.
Regungslos schaute ich ihn an, als er mich danach wieder angrinste.
„Wusstest du, dass Eichhörnchen vor der Paarung kämpfen?"
Verwirrt schaute ich ihn an, schüttelte den Kopf.
Klar wusste ich, was ich nun zu antworten hatte, aber ich ließ es sein, da mir die Richtung nicht gefiel, in welche das führte.
„Das ist so, weil die Männchen dabei in das Revier der Weibchen eindringen und die Weibchen das Männchen zwar anlocken durch das Sekret, dass sie absondern, aber manchmal noch nicht bereit zur Paarung sind und dann wird da 'ne richtige Verfolgungsjagt daraus. Schlussendlich kommt es dann zur Paarung, aber danach verlässt das Männchen das Weibchen wieder und sucht sich die nächste Partnerin. Wenn es das nicht tun würde, würde das Weibchen das Männchen wegjagen..."
Das war ja alles an sich echt interessant, aber ich hatte, wenn ich ehrlich war, den Faden verloren, was das jetzt mit unserer Situation zu tun hatte.
„Ich will damit nur sagen...", meinte Dave weiter und streichelte dabei meine Hand. „...Dass ich ja kein Eichhörnchen bin und deshalb gerne bei dir bleiben würde, selbst, wenn es irgendwann mal zur Paarung kommt" Bei dem Wort Paarung grinste er, aber ich wusste, wie ernst er den Rest des Satzes meinte.
„Was gibt dir den Anlass zu denken, du wärst das Männchen?", erwiderte ich herausfordernd, wenig beeindruckt von seinen Versprechungen und ohne den Vorschlag mit der Paarung abzulehnen.
Er lachte leicht. „Na gut, ich würde dich auch nicht davon jagen, wenn du mich unbedingt als dein Weibchen willst" Er zwinkerte frech.
Bei allem, was mit Dave zu tun hatte, war ich zurzeit so zwiegespalten.
Einerseits war ich so glücklich, dass er bei mir war und andererseits war ich ständig am Zweifeln und Nachdenken, wie das alles denn funktionieren sollte.
Ein Teil von mir wollte dieses Thema mit ihm ausdiskutieren und der andere wollte einfach nur davon rennen.
Und wie meistens gewann der Teil von mir, der sich lieber zurückzog, statt in die Offensive zu gehen.
„Lass uns gehen, ich will nicht krank werden bei der Kälte"
Ich entzog ihm meine Hand, stand auf und lief los, in dem Wissen, dass er einen kurzen Moment brauchte, um sich zu sammeln, mir dann aber folgte.
„Ich hätte das vielleicht nicht sagen sollen...", meinte er leicht außer Atmen, als er mich wieder erreicht hatte. „... es ist nur so, ich weiß ja auch nicht wie ich mit der Situation umzugehen habe. Ich muss mich die ganze Zeit zurückhalten, dich nicht mit Komplimenten zu überschütten oder den Körperkontakt zu dir zu suchen. Du machst mich verrückt, Alec. Also bitte verzeih mir, wenn ich dich in unangenehme Situationen bringe. Das ist ja alles genauso neu für mich... Ich will... Hei..."
Er fasste mich sanft am Unterarm an, um mich aufzuhalten und zu sich zu drehen. „... Ich bin auch nur ein Mensch und ich kann keine Gedanken lesen, um rauszufinden, wie es gerade in dir aussieht. Am wichtigsten ist mir, dass du dich wohl fühlst bei mir und so sein kannst wie du bist. Mein Verlangen danach, all die Dinge mit dir zu tun, von denen ich zweit 2 Jahren träume, dränge ich ganz erfolgreich zurück. Aber... Sag mir bitte einfach, dass ich nicht alles komplett falsch mache bei meinen Versuchen, dir irgendwie klar zu machen, was..." Er atmete kurz tiefer durch, sah mich dabei intensiv an. „...was ich für dich empfinde"
Ich schüttelte den Kopf.
Ich wollte ihm versichern, dass alles, was er tat, richtig war. Dass ich mich gut bei ihm fühlte und froh war, dass er weder da war, aber irgendwie konnte ich nicht.
Dass er offen über all das reden konnte und wohl bereit war, das mit uns von diesem unsicheren „Hoffentlich empfindet er das dasselbe"-Level auf das „Ich warte nur auf dich"-Level zu bringen, machte mich nur umso unsicherer.
Ich hatte so lange darauf gewartet, aber jetzt war ich einfach nicht bereit dazu.
„Gib mir ein bisschen Zeit", flüsterte ich flehend, nahm meine noch freie Hand zur Hilfe, um seine von mir wegzuschieben und ging weiter meines Weges.
Ihn ließ ich somit zurück in der dunklen Nacht und der Ungewissheit, ob sich seine Mühen lohnten.
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